Themenzentrierte Interaktion. Veränderung von Verhalten von Schülerinnen und Schülern im individualisierten Unterricht durch gezielte Ansprache


Masterarbeit, 2020

105 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

EINLEITUNG
1.1 Zielsetzung und Relevanz
1.2 F orschungsfrage

2 INDIVIDUALISIERUNG UND HETEROGENITÄT
2.1 Individualisierung
2.2 Sozialverhalten und Interaktionen im Klassenzimmer
2.3 L ernkooperationen in der Schule
2.4 Themenzentrierte Interaktion - Eine Einführung
2.5 TZI in der Praxis

3 METHODOLOGIE
3.1 Friedrich-List-Schule
3.2 Klasse
3.3 Datenerhebung
3.4 Datenauswertung - Kodiermanual zu TZI

4 ERGEBNISSE
4.1 Erste Kodierung ohne TZI - Baseline
4.2 Zweite Kodierung mit TZI - Post-Messung
4.3 Klassenübersicht - Baseline
4.4 Klassenübersicht - Post-Messung

5 SCHLUSSBETRACHTUNG
5.1 Endbetrachtung und Diskussion
5.2 Ausblick

6 LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG 1: KODIERMANUAL ZUR ANALYSE VON SUS-VERHALTEN

ANHANG 2: KLASSENZIMMER BASELINE

ANHANG 3: KLASSENZIMMER POST-MESSUNG

ANHANG 4: SOZIODEMOGRAPHISCHE DATEN

ANHANG 5: TZI-HAUS

ANHANG 6: ERGEBNISSE UNTERRICHT OHNE TZI:

ANHANG 4: ERGEBNISSE UNTERRICHT MIT TZI:

Zusammenfassung

In dieser Arbeit werde ich mittels eines Vergleichs, anhand der Themenzentrierten Interaktion, entwickelt von Ruth Cohn, siehe dazu: (Cohn & Farau, 1999), mit Videoanalysen zeigen, dass das individuelle Verhalten verändert werden kann. Dazu werde ich die Individualisierung und das Sozialverhalten und die damit inbegriffenen Interaktionen der SuS vorstellen. Dies mündet in einem Überblick der Lernkooperationen in einer Klasse. Parallel stelle ich die Geschichte und Methodik der TZI vor und gebe einen Einblick ihrer Praxiswirkung. Für diesen Vergleich habe ich eine Berufsfachschulklasse aus der Friedrich-List-Schule in Lübeck ausgewählt, die ich in der Baseline mit einem Unterricht ohne TZI und in der Post Messung, sieben Wochen später, mit einem Unterricht auf Basis der TZI gefilmt habe. Zur Analyse der beiden Unterrichte habe ich ein Kodier-Manual, basierend auf den vier Pfeilern der TZI, erstellt und jeden der SuS und mich als Lehrkraft kodiert. Zur Sicherstellung und Prüfung meiner Offenheit und Distanz zum Datenmaterial und dessen Analyse wurden 20% der Aufnahmen von einer unabhängigen wissenschaftlichen Mitarbeiterin gegenkodiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass mit der TZI mehrere Verhaltensänderung, gemessen an den vier Faktoren der TZI, der SuS herbeigeführt werden kann. Weitere, über diese Arbeit hinausgehende, Forschungen müssen aufzeigen, warum die TZI eine solche Wirkung erzielen kann. Hinzu kommt die Frage, ob die Methoden und Praktiken der TZI aus eben dieser entstanden sind.

Abstract

With this Thesis and the analyzed video material, I will point out a comparison that shows that it is possible to change the individual behavior of students by using Ruth Cohn's Theme- Centered Interaction (TCI) method.

First, it is necessary to point out the individualization and the social behavior of the students as well as the interactions of the students among each other. This offers an insight and an overview of the learning cooperation of the students. Besides the above mentioned this Thesis presents the history and the methods of TCI as well as its effects in practice. For this experiment I filmed my lessons at the Friedrich List school in Lübeck, which were held in a class of 10th graders. The Baseline I lesson was held and filmed without the use of TCI while the Baseline II lesson was held and filmed with the use of TCI seven weeks later. Both lessons were analyzed with a coding-manual that is based on the four key factors of TCI. Therefore the teacher and all students were coded. Twenty percent of the filmed material was coded a second time by an independent research assistant, to ensure the protection of data and privacy as well as my distance and objectivity toward the material.

All in all, the results show that the behavior of the students can change by using the methods of TCI. Further studies could conclude why this change in behavior occurred.

Abkürzungsverzeichnis

SuS Schülerinnen und Schüler

TZI Themenzentrierte Interaktion

FLS Friedrich-List-Schule

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: TZI-HAUS

ABBILDUNG 2: KODIERMANUAL

Abbildung 3: KLASSENZIMMER BASELINE

Abbildung 1: KLASSENZIMMER POST-MESSUNG

Abbildung 5: TZI-HAUS

Abbildung 6: EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Einleitung

1.1 Zielsetzung und Relevanz

Viele Berufsschulklassen werden willkürlich mit den verschiedensten SuS belegt. Diese bewusst herbeigeführte Heterogenität fördert eine zu Schuljahresbeginn noch unbekannte, im Laufe des Schuljahres immer bekanntere Dynamik der SuS untereinander, im Zusammenspiel mit der Lehrkraft, mit dem jeweiligen Lehrgegenstand und alles zugleich zu Tage. Diese verschiedenen Dynamiken offenbaren hierbei die unterschiedlichsten Verhaltensweisen der Individuen. Dieser Tatsache kann mit den verschiedensten Unterrichtsarten und -prinzipien begegnet werden. Diese unterliegen einem von Ewald Kiel vor acht Jahren publizierten Gedanken:

„Die Anwendung eines Unterrichtsprinzips, auch wenn es theoretisch gut begründet und in seiner Wirksamkeit empirisch erwiesen ist, stellt noch kein Qualitätskriterium dar.“ (Kiel, 2012, S. 19)

In den mir bekannten Lehrerzimmern sind diese Verhaltensweisen, positive und negative, Gegenstand vieler Diskussionen. Wie soll damit umgegangen werden? Können diese Verhaltensweisen mit psychologischen und/oder erziehungswissenschaftlichen Methoden und Werkzeugen verändert werden? Im Mittelpunkt dieser Gespräche stehen oftmals die drei Unterrichtsphasen Themenvorstellung, Gruppeneinteilung und Gruppenarbeitsphase. Als ein Lösungsvorschlag fällt oftmals das Schlagwort: TZI. Viele Lehrkräfte haben im Rahmen ihrer Lehrerausbildung und den daran ansetzenden Fortbildungen von der TZI gehört, aber die Entstehung, Wirkung und Anwendung eben dieser ist unklar.

In dieser Arbeit werde ich mittels eines Vergleichs zwischen einem Unterricht ohne und einem Unterricht mit den psychologischen Methoden auf Basis der Themenzentrierten Interaktion und einer direkten Ansprache das Verhalten in den drei genannten Unterrichtsphasen einer ausgewählten Klasse verändern und diese Verhaltensänderung mit zwei Videoaufnahmen und einem eigens dafür erstellten Kodier-Manual zur Analyse festhalten.

Dieser Vergleich nimmt jeden der SuS einzeln in den Fokus. Dadurch wendet sich diese Arbeit von der Allgemeinen und der Fachdidaktik ab und zu der Lehr- und Lernpsychologie. Hier werden die einzelnen Individuen im Klassenzimmer, deren Handlungen und Verhaltensweisen als Reaktion auf die Handlungen in den Blick genommen und versucht zu begründen (Hasselhorn, 2016).

1.2 Forschungsfrage

Daraus resultierend stelle ich mir folgende Leitfrage für diese Forschungsarbeit:

„Wie kann mittels einer auf der Themenzentrierten Interaktion basierenden individualisierten, direkten Ansprache das Schülerverhalten, während der Unterrichtsphasen: Themenvorstellung, Gruppeneinteilung und Gruppenarbeitsphase, positiv beeinflusst werden?“

2 Individualisierung und Heterogenität

2.1 Individualisierung

„Viele Lehrkräfte tun sich nach wie vor schwer damit, die wachsende Heterogenität in den Klassenzimmern positiv anzunehmen und zu nutzen.“ (Klippert, 2010, S. 17). Dieses zehn Jahre alte Zitat beschreibt eine immer noch weitverbreitete Meinung unter befreundeten Lehrkräften, Kollegen und Kommilitonen mit einem Lehrauftrag. Die Lehrkräfte vergessen dabei meist die Gesetzmäßigkeit, dass sie genauso unterschiedlich sind, wie die zu unterrichtenden SuS. Ihre jeweiligen Kompetenzen, Fähigkeiten, Erfahrungswerte und Willenskraft ist von Menschen zu Menschen verschieden (Schmaltz, 2019). Eine Lehrveranstaltung, egal welcher Art, ist immer eine Gemeinschaftsveranstaltung. Diese bestehen aus verschiedenen Verhaltensweisen und -mustern der teilnehmenden Akteure, die in einem besonderen Spannungsverhältnis untereinander interagieren. Hierbei müssen diese Beziehungen, der Lehrgegenstand und das Zusammentreffen dieser Welten bedacht werden (Schulz, 1977) und dass die einzelnen Bildungsträger und deren Beschäftigte für die einzelnen Lernerfolge, aber nicht für den Lernprozess bewertet werden. In den meisten Schulen wird das individuelle Lernen nur in prüfungsrelevanten Lernfeldern und den Hauptfächern gefördert (Scardamalia & Bereiter, 2014).

Die Kultur nimmt im Lernprozess einen großen Stellenwert ein. Die genaue Größe und der Einfluss der Kultur auf den Lernprozess ist noch nicht genau erforscht worden. Die Kultur ist hier die Gemeinsamkeit aller Einflüsse, die ein Individuum definieren. Unsere Gesellschaft ist nicht einheitlich, sondern bunt. Ebenso sind die Klassenzimmer in den Schulen divers. Dadurch bringen die verschiedenen SuS die verschiedensten Einflüsse und Voraussetzungen für das Lernen mit. Das macht das Wissen um die individuelle psychologische und kulturelle Heimat so wertvoll (Nasir, Roseberry, Warren, & Lee, 2014). Eine Homogenität ist in der Gesellschaft, wie auch in den Klassenräumen nicht vorhanden. Die Menschen unterscheiden sich äußerlich und innerlich. Die Notwendigkeit der Differenzierung ergibt sich aus der natürlichen Heterogenität der SuS. Die Differenzierung und die daraus resultierende Individualisierung sieht nicht den Lehrgegenstand, sondern die einzelnen SuS als Hauptaugenmerk. Die Orientierung auf das einzelne Subjekt und dessen Motivation steht hier im Mittelpunkt (Saalfrank, 2012). Diese Vorgehensweise ist keine neue Entdeckung, dennoch ist diese Art des Unterrichts nicht die Standardvorgehensweise in den Klassenzimmern. Als Ursache können die divergierenden Wünsche der Lehrkräfte und SuS benannt werden. Viele Lehrkräfte wünschen sich die Zeiten zurück, in denen die SuS angeblich besser erzogen, fleißiger und wissensdurstiger waren. Dieser Wunsch steht aber gegensätzlich zu denen der SuS (Klippert, 2010). Die meisten SuS wollen mehr zeigen und mehr leisten, dazu benötigen sie aber „nur andere Lernverfahren und Lernaufgaben, Stützungsmaßnahmen und Förderangebote.“ (Klippert, 2010, S. 18). Das Credo der Individualisierung lautet: „Integration statt Ausgrenzung, Fördern statt Verzagen, Innovieren statt Resignieren.“ (Klippert, 2010, S. 18).

Die Strukturen der Binnendifferenzierung sind denen der Individualisierung sehr ähnlich. Ein binnendifferenzierter Unterricht will jeden Lerner in seinem autonomen Handeln, seiner Kontaktfreudigkeit und in seinen sozialen Handlungen bestärken. Damit die Binnendifferenzierung, also die differenzierte Ansprache der SuS, erfolgreich sein kann, braucht es eine umfangreiche Analyse der einzelnen Individuen im Klassenzimmer (Saalfrank, 2012). „Der Lehrende muss viel über seine Schüler wissen, über ihr soziales Milieu, über ihre individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten und anderes mehr, bevor die jeweiligen Differenzierungsmaßnahmen ausgewählt werden.“ (Saalfrank, 2012, S. 73). Dieses Zitat beschreibt die Notwendigkeit einer umfangreichen Schüleranalyse.

Das aufgeteilte Schulsystem in der Bundesrepublik soll die Schülerarten vereinheitlichen und so die Arbeit der Lehrkräfte vermeintlich vereinfachen. Die zu erreichende Homogenität wird durch das Füllen von schulischen Leistungsschubladen angestrebt. Dabei wird jedoch übersehen, dass diese schulischen Leistungen nur temporäre Momentaufnahmen sind. Diese Leistungen zeigen keineswegs die anderen Ausprägungen der SuS. Mit diesen Ausprägungen, die das Verhalten, den Charakter, das Sozialsystem, die Kreativität und Motivation abbilden, unterscheiden sich die SuS dennoch. Entsprechen die SuS den Leistungserwartungen, werden andere ihrer persönlichen Ausprägungen unterdrückt oder beschädigt. Diese Einteilung der Lerner in schulische Leistungen begünstigen vorgezeichnete Lernkarrieren. SuS am Gymnasium versuchen ihren Leistungserwartungen zu entsprechen, die an den Hauptschulen auch. Wenn die SuS länger gemeinsam lernen, die Heterogenität und Inklusion leben, dann können solche Auswirkungen ausgemerzt werden. Es muss hier festgehalten werden, dass die Heterogenität und Differenzierung keine Garantie für bessere Lernleistungen und Sozialverhalten gibt (Klippert, 2010).

Die Binnendifferenzierung kann in vier verschiedene Dimensionen aufgeteilt werden:

1. Unterrichtsorganisation
2. Didaktik
3. Unterricht
4. Kompetenzen

In der ersten Dimension, die Unterrichtsorganisation, werden Ziele, Inhalte, Methoden und Medien, Sozialformen, Lernvoraussetzungen und Organisationen und Zufall betrachtet. Die zweite Dimension, die Didaktik, beinhaltet das Lerninteresse, - bereitschaft, -tempo und -stile. Die dritte Dimension, der Unterricht, bildet den individualisierten, den kooperativen und den gemeinsamen Unterricht ab. Die letzte, die der Kompetenzen, beschreibt die Entscheidungs-, Fach-, Sozial-, Selbst- und Handlungskompetenzen. Für diese vorliegende Arbeit sind die die Dimensionen: Unterrichtsorganisation und Didaktik relevant und werden folgend vorgestellt.

In der ersten Dimension finden sich Anregungen, wie SuS zu Gruppen oder bereits bestehende Lerngruppen zusammengefasst und Lehrkräfte organisatorisch eingreifen können. Dieses Eingreifen wird durch die Persönlichkeit der Lehrkraft, den Stoffverteilungsplan und ihre Fähigkeit, eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung aufzubauen, bestimmt. Zusätzlich lässt sich diese erste Dimension in sechs unterschiedliche Bereiche aufteilen:

1. Zieldifferenzierung
2. Inhaltsdifferenzierung
3. Methoden- und Mediendifferenzierung
4. Sozialdifferenzierung
5. Lernvoraussetzungsdifferenzierung
6. Zufall

Der erste Bereich ist die Zieldifferenzierung. Die Ziele leiten sich aus verschiedenen Vorgaben von Ministerien, Institutionen, Einrichtungen und den SuS selbst ab. Die Umsetzung dieser Ziele hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen von dem Kollegium in der Schule, wie dieses untereinander kooperiert und zum anderen von deren innerer Einstellung. Der zweite Bereich ist die Inhaltsdifferenzierung, entweder orientiert an Themen oder dem Individualisierungsgrad. Bereich Drei ist die Methoden- und Mediendifferenzierung. Hier entscheiden die Lehrkräfte über die eingesetzten, auf die SuS abgestimmten Methoden und Medien. Der vierte Bereich ist die Sozialdifferenzierung. Die von den Lehrkräften gewählte Sozialform richtet sich nach dem Lerngegenstand, dem Lernzustand und Lernsituation der Klassengemeinschaft. Die Lernvoraussetzungsdifferenzierung ist der fünfte Bereich. Die SuS entscheiden durch ihre individuellen Voraussetzungen zum Lernen über die eingesetzten Entscheidungen der Lehrkräfte. Der letzte Bereich ist der Zufall oder die bestehende Ordnung in der Klasse. Die zweite relevante Dimension ist die der Didaktik. Alle Maßnahmen der Differenzierung werden hier individualisiert auf das Lernverhalten, das Lerninteresse, dem Lerntempo, der Art des Lernens und der Lernmotivation der SuS angewendet. Diese Dimension lässt sich in vier verschiedene Bereiche unterteilen:

1. Lerninteressendifferenzierung
2. Motivationsdifferenzierung
3. Lerntempodifferenzierung
4. Lernstildifferenzierung

Das Lerninteresse der SuS erfahren die Lehrkräfte, ebenso wie die Motivation, durch intensive Gespräche mit den SuS. Das gleiche Vorgehen ist auch bei der Lerntempo- und der Lernstildifferenzierung anzuwenden. Gleichzeitig ist eine gute Aufmerksamkeit der Lehrkräfte von Vorteil (Saalfrank, 2012).

Damit aus der Heterogenität und der Integration der unterschiedlichen Charaktere und deren Zusammenspiel Chancen, Herausforderungen und Produktivität entstehen können, braucht sie eine Förderung, bestehend aus sieben Punkten:

1. Lernaufgaben
2. Kurze Lernschritte
3. Klare Ansprache
4. Methoden-Mix
5. Kooperation
6. SuS-Einbindung
7. Schul-Einbindung

Punkt Eins sind Lernaufgaben, die sich auf die Aktivitäten der SuS konzentrieren. Der zweite Punkt ermutigt die SuS durch kurze Lernschritte und damit einhergehende Erfolge zur Anstrengung. Punkt Drei beinhaltet die klare Ansprache und Aufgabenstellung der Lehrkräfte. Der vierte Punkt ist der Mix aus verschiedenen Methoden. Im fünften Punkt werden die SuS zur Kooperation unter- und miteinander ermuntert. Im vorletzten Punkt soll der Unterricht zusammen mit den SuS herausgearbeitet werden. Der siebte und letzte Punkt schließt die Schule mit ein. Die gesamte Institution soll die erstgenannten Punkte unterstützen und mittragen. Eine Lehrkraft allein kann dies nicht leisten, dennoch legen die Lehrkräfte den Grundstein für das Gelingen von Integration und heterogenes Lernen durch ihre eigene positive innere Haltung. Diese innere Haltung wird von vielen Lehrkräften manchmal vergessen oder ignoriert, da sie sich selbst als Vertreter ihrer selbstgewählten und studierten Unterrichtsfächer und nicht als Vermittler der Methodik, Didaktik und Pädagogik verstehen. Dies schlägt sich dann in der Auswahl und Vorbereitung der Arbeitsmaterialien für die SuS nieder (Klippert, 2010). Die für die unterschiedlichen Persönlichkeiten geeigneten Materialien sollten sich am objektiven Wissen orientieren. Dieses objektive Wissen besitzt die Fähigkeit, dass verschiedene Individuen es annehmen und nachvollziehen können. Das ist nur möglich, wenn dieses Wissen auch allgemeingültig ist. Das objektive Wissen trifft dann auf das subjektive Wissen der SuS und bildet eine Linie mit zwei entgegengesetzten Richtungen. Die Lehrkraft vermittelt dann mit den Arbeitsmaterialien, aber nicht nur dadurch, zwischen den beiden Enden (Landwehr, 2001). Dazu brauchen die SuS eine Leistung, die zu erbringen ist, ausreichend Bearbeitungszeit, leicht zugängliche Informationen, Möglichkeiten der Selbstüberprüfung und ein ansprechender, sowie angenehm zu erfassendem Design. Je nach Schülerklientel und dessen Anforderungen, können und wollen diese mehr oder weniger eigenverantwortlich lernen. Die Lehrkräfte fungieren dann als Lern-Coaches, die für die SuS die Tätigkeiten der Beratung, Kontrolle, Reflexion und Material- sowie Hilfsmittelbeschaffung ausüben. Hinzu kommt die gemeinsame, Lehrkräfte und SuS, Erstellung von individuellen Wochen- oder Monatsplänen mit Pflicht- und Wahlaufgaben. Weitere Möglichkeiten bieten das Werkstatt- und Stationenlernen (Klippert, 2010). Diese Möglichkeiten lassen sich dazu mit den Handlungsempfehlungen von Norbert Landwehr ergänzen, um einen sinnstiftenden und wertvollen Unterricht zu planen. Landwehr plädiert für einen problemorientierten Zugang, der auf Schwerpunkte hindeutet, die SuS durch den Einbezug ihrer Lebenswelt aktiviert und die Lehrkräfte als Moderatoren versteht. Die Lehrkräfte sollen in den Hintergrund treten, damit die SuS zuerst ihre eigene Theorie zur Problemlösung entwickeln können, bevor die Fachtheorie zur Unterstützung kommt. Zudem nimmt hier die Reflexion der eigenen Handlungen einen großen Stellenwert ein. Die Nutzung der eigenen Erfahrungen, Praxis und Sprache nimmt in der Theoriebildung eine große Rolle ein. Hinzu kommt die Einbeziehung der SuS in die Unterrichtsstruktur (Landwehr, 1997). Der problemorientierte Zugang mit einer einhergehenden didaktischen Reduktion birgt die Gefahr, dass die SuS durch diese Vereinfachung nicht weiterdenken und die Komplexität des Sachverhalts nicht durchdringen (Siebert, 2006).

„Die geisteswissenschaftliche Pädagogik, vertreten durch Wolfgang Klafki und seine vielfältigen Nachfolger, bietet als generalisierende Leitlinie für

Selektionsentscheidungen folgende Leitfrage an: Inwieweit ist der Unterrichtsgegenstand dazu geeignet, Erfahrungen, Erkenntnisse, Einsichten, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen zu gewinnen, die für die Gegenwart oder Zukunft der Schüler bedeutsam, nützlich oder gar unverzichtbar sind.“ (Kiel, 2012, S. 21-22)

An dieses Zitat, welches sich für eine umfassende SuS-Analyse einsetzt, schließen sich die fünf Punkte der Unterrichtsanalyse nach Klafki an: die exemplarische, die gegenwärtige, die zukünftige Bedeutung, die Sachstruktur und die Zugänglichkeit. Dieser Schritt sollte zu Beginn der Unterrichtsplanung erfolgen (Riedl, 2004).

Die SuS in Berufsschulen sollen sich individuell mit praxisnahen, problematisierten Lernaufgaben in Lernfeldern auseinandersetzen. Bei der Planung von Lernfeldunterricht sind die SuS mit ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten aus ihren betrieblichen und schulischen Erfahrungen der Startpunkt für die Gestaltung von problemorientierten Lernaufgaben. So können die SuS einen erkundbaren und integrativen Wissenszuwachs generieren (Pätzold, 2005).

Die SuS und die Lehrkräfte bestimmen durch ihre individuellen Eigenschaften, wie der Unterricht aufgebaut und strukturiert wird. Beide Parteien leben im Klassenraum in einer Symbiose und setzen sich dabei mit verschiedenen Persönlichkeiten auseinander. Neben den persönlichen Begebenheiten bestimmen auch die materielle Ausstattung der Schule und deren Klassen- und Fachräume die Unterrichtsstruktur (Kiel, 2012). Die Organisation Schule und dessen Beschäftigte sollen den SuS ein Angebot von ansprechenden und interessanten Bildungsmöglichkeiten machen, damit diese alle Möglichkeiten zum Lernen ausschöpfen können. Wenn alle SuS, unabhängig ihrer Stärken und Schwächen, gleichbehandelt werden, dann bleiben diese zwangsläufig hinter ihren Möglichkeiten zurück und werden nicht mehr angesprochen (Bönsch, 2004). Wenn die SuS nicht angesprochen, dadurch ignoriert und ausgegrenzt werden, werden sie ein vielfältiges Verhalten zeigen, um gesehen zu werden. Dieses Verhalten hat einen großen Einfluss auf das Sozialverhalten und die Interaktionen aller Anwesenden im Klassenzimmer.

2.2 Sozialverhalten und Interaktionen im Klassenzimmer

Die Zusammensetzung einer Schulklasse erfolgt meist zufällig. Dennoch gibt es oft einen Anführer und eine dynamische soziale Interaktion. Hier stechen besonders verschiedene Verhaltensweisen heraus.

„Mit dem Begriff Verhalten bezeichnen wir alle Formen der Aktivität, die Ausdruck der lebendigen Existenz eines Individuums sind und das Individuum als Lebensäußerung über die ganze Lebensspanne ohne Unterbrechung und von ihm nicht trennbar begleiten.“ (Straka & Macke, 2002, S. 16)

Dieses Zitat beschreibt, dass jeder Einzelne, sei es im Plenum oder in einer Lerngruppe, eine bestimmte Aufgabe übernimmt. Diese Aufgaben bestimmen nicht nur die individuelle Stelle innerhalb der Klassenhierarchie, sondern auch die jeweilige Zusammenarbeit (Steins, Behnke, & Haep, 2019). Neben den sozialen Aufgaben kristallisieren sich zwei Lerntypen heraus: die eine Gruppe ist sehr engagiert, verfügt über ein ausgeprägtes Sozialverhalten, haben eine hohe Intelligenz und verfügen über ein breites Interessenspektrum. Die andere Gruppe verkörpert das Gegenteil. Die Frage, wie beide Gruppenstereotype beim Lernen unterstützt werden können und ob es überhaupt nur diese beiden Stereotype gibt, ist sehr umstritten (Järvelä & Renninger, 2014). Für einen konfliktarmen, harmonischen und erfolgreichen Unterricht müssen die Lehrkräfte, ähnlich einer Verhaltenstherapie, die SuS genau beobachten. Bei der Verhaltensanalyse ist die Beobachtung eine unentbehrliche Basis. Die beobachteten Resultate dienen als Verhaltensmodelle. Die Modelle zeigen die Aktionen und Reaktionen der einzelnen Individuen (Schultz & Schultz, 2000). Dennoch bestehen bei der Verhaltensanalyse und der Beobachtung von Unterricht die Gefahr, dass dabei die Beobachtung und die Bewertung nicht getrennt werden und dadurch eine wertfreie Herangehensweise nicht gewährleistet werden kann (Kern, 2002). Die Klassengröße hat Auswirkungen auf die LehrerSchüler-Beziehung. In kleinen Klassen können die Lehrkräfte sich stärker auf die einzelnen Individuen konzentrieren, sie besser kennenlernen. Weiter können sie der Klasse gelassener begegnen und die bestehende Zeit effizienter auf jeden Einzelnen verteilen. Jede Tätigkeit einer Lehrkraft vor und mit einer Klasse ist allen zugänglich und sichtbar. Mit zunehmender Klassengröße steigt die Intransparenz der Lerngruppe, die Zeit für die Kommunikation mit den SuS und den SuS untereinander sinkt, die Zeit für die Unterrichtsvorbereitung und -nachbereitung steigt und die Raumlautstärke nimmt zu (Bönsch, 2004). Die Kommunikation im standardisierten, nicht-individualisierten Unterricht, besonders in großen Klassen, zwischen den Lehrkräften und den SuS beruhen im Wesentlichen auf dem Lehrer-SchülerGespräch. Die Lehrkräfte nehmen hier meistens einen größeren Redeanteil ein, obwohl ein gleichgewichtiger Redeanteil die Lernmotivation steigert. Hinzu kommt die Tatsache, dass es einen größeren Austausch zwischen den Leistungsträgern und der Lehrkraft als zwischen den schwächeren SuS und der Lehrkraft. Die SuS lernen zielgerichteter, motivierter und besser, wenn der Austausch innerhalb der Klasse gleichverteilt ist. Die SuS werden von ihrer Lernumgebung in ihrem Lernverhalten gestärkt, aber auch gehemmt. Genauso wie die Umgebung ein Abbild des Lernerfolgs ist. Dazu muss die Lernumgebung an die verschiedenen Schüler- und Lerntypen angepasst werden (Seidel, Jurik, Häusler, & Stubben, 2016).

Eine Möglichkeit dazu gibt das Prinzip des offenen Unterrichts. Bisherige Befunde zum offenen Unterricht ergaben, dass sämtliche SuS, starke und schwache, aber auch einfache und auffällige, bei diesem Unterricht Verhaltensänderungen aufweisen. Diese Erkenntnis beruht auf stichpunktartigen Untersuchungen, die noch weiterverfolgt und dadurch noch nicht exemplarisch sind. Eine Veränderung im sozialen Verhalten und damit einhergehende Stärkung des Lernens geschieht nur, wenn es für diese Offenheit eine klare Struktur gibt. Innerhalb dieser Struktur gibt es feste Eckpunkte, Vorkehrungen und Einstellungen. Allen Individuen muss verdeutlicht werden, dass der Unterricht den SuS die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung gibt, wenn eine gute soziale Kommunikation hergestellt wird. Hinzu kommt die Notwendigkeit von geschulten, motivierten und lernwilligen Lehrkräften, die in jedem Klassenraum eine auf das Lernen ausgerichtete Materialsammlung und technische Unterstützung auffinden und einsetzen können. Die Lehrkräfte müssen in jeder Unterrichtssituation, in denen gelernt wird, den Spagat zwischen dem Festhalten an einer Rahmenhandlung und der Bereitschaft zur Planänderung, zur Spontanität schaffen. Hier sollen die SuS zur Eigenverantwortung und zur sozialen Verantwortung ermuntert werden. Um die soziale Komponente mit in den Unterricht einzubauen, müssen die Verantwortlichen dafür Möglichkeiten und Räume freiräumen. Dafür ist der bereits beschriebene Spagat sehr wichtig (Bönsch, 2004). Das Prozedere des sozialen Lernens ist für die meisten Lehramtsstudenten und Referendare durch ihre eigenen Erfahrungen bekannt, dennoch können sie mit dessen Systematik nichts anfangen. Sie fühlen sich auf diese Art des Lernarrangements nicht ausreichend vorbereitet (Rotering-Steinberg, 2000). Hier bedarf es Aufklärung und Offenheit.

In der sozialen Interaktion werden zwei oder mehrere Individuen durch eine verbale oder nonverbale Kommunikation wechselseitig im Verhalten beeinflusst. Die Kommunikation ist dabei ein verbaler und/oder nonverbaler Informationsaustausch. Wie schon beim klassischen Lehrer-Schüler-Gespräch beschrieben, interagieren Lehrkräfte lieber mit den leistungsstarken als mit den leistungsschwachen SuS. Die SuS, die bereits ein schwaches Selbstbild haben und sich nicht stark in den Unterricht einbringen, werden übergangen. Für leistungsschwache SuS empfiehlt sich eine positive Grundhaltung gegenüber Fehlern und eine für alle beteiligten Personen verständliche Analyse von Leistungs- und Lernrückmeldungen (Schindler, Holzberger, Stürmer, Knogler, & Seidel, 2019).

„Denn wer es versteht soziale Situationen richtig einzuschätzen, der kann seine kognitive Intelligenz möglichst effektiv einbringen. Emotional intelligente Menschen haben auch weniger Probleme damit, destruktive Gefühle, wie z.B. Wut verblassen zu lassen, noch bevor es zum emotionalen Ausbruch kommt und gewinnen durch positive Umbewertung auch der Traurigkeit noch Konstruktives ab“ (José, 2016, S. 45)

Die, die ihre Emotionen wahrnehmen und kontrollieren können, suchen auch nach deren Ursprung und der Erkenntnis, wie sie diese verarbeiten können. Nicht jeder hat diese Fähigkeit. Hier ist es die Aufgabe der Lehrkräfte, dies zu schulen. Zur Stärkung der emotionalen Intelligenz können gemeinschaftliche Aktivitäten, auch außerhalb des Klassenraums, beitragen. Damit werden auch im Besonderen die verschlossenen SuS einbezogen, die von sich aus selten einen intensiven Kontakt und Austausch mit anderen SuS suchen. Zur Steigerung der Unterrichtsqualität und dem Wohlbefinden müssen alle lernen, ihre Impulse zu kontrollieren (José, 2016).

„Es sind Kompetenzen in Form von (Bewältigungs-) Strategien, Motivierung, konkreten Zielen, um Selbstdisziplin bei den Schülern zu kultivieren und mit jeder positiven Erfahrung wächst auch die Selbstwirksamkeit und die optimistische Grundhaltung.“ (José, 2016, S. 52).

Damit das Selbst und die Interaktion unbeschädigt bleibt, benötigen die Beteiligten eine Souveränität über sich selbst und eine gewisse innere Ruhe. Dadurch werden diese dazu genötigt, eine Fürsorge für ihr Gegenüber zu entwickeln. Diese Fürsorge sorgt für die Kompetenzentwicklung im sozialen Zusammenleben (Reiger, 1997). „Die Person hat das Recht zu beanspruchen, daß die anderen Anwesenden gegenüber diesem Selbst Achtung und Respekt zeigen. Gleichzeitig ist sie auch zur Bestätigung ähnlicher Ansprüche auf Seiten der anderen Akteure verpflichtet. Werden durch bestimmte Ereignisse Zweifel an diesen Ansprüchen ausgelöst, bedeutet das, daß das eigene oder das fremde Selbst bedroht und aus diesem Grund die Interaktion zerstört wird.“ (Reiger, 1997, S. 140).

Alle beteiligten Personen müssen hier aber auch Kompetenzen in der Selbstreflexion entwickeln, um sich weiterzuentwickeln. Für einen guten Umgang im Klassenzimmer ist es entscheidend, dass alle Individuen eine hohe Selbstachtung und Respekt für den Menschen gegenüber entwickeln können. Dadurch können freundliche soziale Beziehungen aufgebaut und intensiviert werden. Die SuS und die Lehrkraft sollen sich auf einer gemeinsamen Ebene begegnen. Dazu gehört auch, dass den SuS keine Normen aufgezwungen werden, sie können selbst Regeln zum Sozial verhalten aufstellen. Dies sorgt auch für eine bessere Akzeptanz und Motivation diese umzusetzen (José, 2016). Die Motivation lässt sich in zwei unterschiedliche Kategorien mit jeweils vielen Variablen unterteilen. In der einen Kategorie werden einem Probanden bestimmte Reize so lange entzogen, bis diese Reize stärker auf den Probanden wirken, z.B. Wasser und Nahrung. In der anderen wird der Proband mit einem Reiz konfrontiert, den der Proband hinter sich lassen will, z.B. starke Schmerzen, unangemessenes Verhalten und eine hohe Lautstärke. Die beiden Kategorien können auch positiv besetzt werden. Es gibt aber nicht die eine positive Motivation. So verschieden die einzelnen Menschen, so verschieden sind die einzelnen Motivationsfaktoren (Pear, 2001). Die Motivation ist zusätzlich noch in die intrinsische und extrinsische Motivation aufzuteilen.

„Ein Individuum handelt dann intrinsisch motiviert, wenn es aus Interesse, Neugier, Spaß, Freude usw. eine Handlung ausführt, an eine Lernsituation herangeht und an der Lösung einer Aufgabe oder eines Problems Befriedigung zieht.“ (Braune, 2012, S. 38)

Für die in diesem Zitat beschriebene intrinsische Motivation ist die richtige Ansprache der SuS der entscheidende Faktor zur Motivierung. Die Lehrkräfte und die SuS unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Lebenserfahrung, sondern auch der Sozialisation. Die SuS werden in einer sehr von Technologie geprägten Umgebung groß. Dadurch ist deren Sozialisation sehr von der Dynamik und Kooperation dieser Technologie geprägt. Das Internet ist dabei ein wirksames und teilweise unvermeidliches Mittel des sozialen, kulturellen und informellen Austausches geworden (Tully, 2004). Dazu zählen neben den vielen Informationen auch Shitstorms, Hatespeech und die vielen Beleidigungen und Bedrohungen, die vom heimischen PC aus als Normalität gewertet werden. Viele der SuS sind durch ihre Lebensgeschichte und -umwelt sehr wütend und hilflos (Schuster, 2017). Dies entlädt sich dann in einem aggressiven Verhalten im Klassenraum. Diese Tatsache erfordert eine gezielte Motivation. Ohne diese ist guter Unterricht, ein gutes Sozialverhalten und die damit verbundenen Interaktionen und Lernaktivitäten unmöglich. Die großen Fragen, die die Lehrkräfte beantworten müssen, sind die nach der Aktivierung und Aufrechtrechterhaltung der Motivation. Im Zusammenspiel mit der Motivation sorgen Emotionen und Gefühle für eine gute Lernatmosphäre. Hier werden zwischen positiv aktivierenden und negativ deaktivierenden Emotionen und Gefühlen unterschieden (Braune, 2012).

„Der Mensch hat ebenso die angeborene Tendenz, sich mit anderen Personen in einem sozialen Milieu verbunden zu fühlen, in diesem Milieu effektiv zu wirken und sich dabei persönlich autonom und initiativ zu erfahren.“ (Braune, 2012, S. 45)

Hier werden nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan von 1993 und 2000 die extrinsische Motivation beschrieben. Die intrinsische Motivation richtet sich nach der Begabung und Eigenständigkeit. Um große Ziele zu erreichen, benötigen die SuS Selbstvertrauen. Durch ein starkes Selbstvertrauen steigt auch die Selbstwahrnehmung. Diese sollten die Lehrkräfte durch erreichbare Erfolge aufbauen und stärken. Zur Determination der Zielerreichung gehört die Zufriedenheit (Braune, 2012). Diese Zufriedenheit weckt positive Gefühle. Die Gefühle nehmen im Prozess des Lernens einen großen Stellenwert ein. Dazu zählen auch die Aspekte des Sozialverhaltens (José, 2016). Gefühle sind subjektive und in den inneren wahrgenommenen Teilen der Emotionen. Affekte und Stimmungen sind kurz- und langfristige emotionale Zustände, die entweder sehr starke, bei Affekten, und schwache, bei Stimmungen, Verhaltensweisen auslösen können. Menschen können die verschiedensten Emotionen empfinden, die durch verschiedene Momente und Umweltbedingungen ausgelöst werden können (Kuhbandner & Frenzel, 2019). Bei solchen Belastungen benötigen Lehrkräfte eine im Vorfeld, auf Basis des im nächsten Zitat beschriebenen Humanismus, aufgebaute gute Beziehung zu den SuS. „Die humanistischen Ansätze betonen die krank - respektive gesundmachende Wirkung von Beziehungserfahrungen. Lehrkräfte sollten die so genannten Therapeutenvariablen ebenfalls umsetzen, also Wertschätzung, Empathie und Authentizität zeigen.“ (Schuster, 2017, S. 19).

Lehrkräfte sind gewollt und ungewollt Vorbilder. Lassen sie Gefühle in den Unterricht miteinfließen, so lassen die SuS ihre Gefühle frei. Das kann nur erfolgreich sein, wenn die Lehrkraft sich selbst reflektieren kann (José, 2016).

„Zum Auf- und Ausbau einer individuellen Haltung gehört nicht zuletzt auch die aktive und intensive, und dies bedeutet die leibliche, seelische und geistige Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper.“ (Krawitz, 1992, S. 305)

Diese individuelle Haltung erlaubt es den Lehrkräften auch bei verhaltensauffälligen SuS die positive Grundhaltung nicht aufzugeben. Bei diesen Verhaltensauffälligen sollte stets das Verhalten, nicht die Person sanktioniert werden. Die Ursachen für das Verhalten können vielfältig sein. Sie reichen von fehlender Sensibilität bis hin zu mutwilliger Störung und Beschädigung des Unterrichts, des Raumklimas oder einzelner Personen. Bei der Sanktionierung gilt das Prinzip der Offenheit und der Wertschätzung gegenüber dem Individuum (Schuster, 2019). Die Empathie ist hier ein bedeutsameres Werkzeug als die reine Sachlichkeit. Mit Empathie öffnen sich Gesprächspartner und beginnen dabei mit einer Reflexion. Wenn die SuS starke Emotionen äußern, dann erwarten sie zumeist auch eine direkte Reaktion, dadurch fühlen sie sich beachtet und verstanden. Die Schüleremotionen lassen sich nicht nur durch Äußerungen ihrerseits, sondern auch durch ihre nonverbalen Äußerungen beobachten (José, 2016).

„So wird der Lehrer zum Vorbild und Fachmann, zum Zensor und Tröster, zum Schnuffeltuch und Scheuerpfahl; dann wieder sind Lehrer Software-Spezialisten, Rechtsberater, Sozialpädagogen, Kommunalpolitiker, Kulturschaffende und zu guter Letzt auch die eigene Sekretärin.“ (Jank & Meyer, 1991, S. 42). Diese vielen Berufe müssen die Lehrkräfte in sich vereinen, damit die Lernkooperationen der SuS untereinander und mit den Lehrkräften fruchtbar ist.

2.3 Lernkooperationen in der Schule

Die Sozialform der Gruppenarbeit hilft den SuS ihre Schlüsselqualifikationen, wie die Arbeit im Team, zu stärken. Diese Sozialform und die inbegriffene Kooperation wird durch die gesellschaftlichen Veränderungen immer wichtiger (Huber, 2000). Die Stärkung der Sozialkompetenzen und Schlüsselqualifikationen können die Lehrkräfte durch den Einsatz verschiedener Sozialformen forcieren (Saalfrank, 2012).

Die Abhängigkeit bildet den Ausgangspunkt für die Verantwortung, das Feedback und die sozialen Kompetenzen. Es gibt drei Unterrichtsorganisationen, die die soziale Abhängigkeit zwischen den SuS beeinflussen:

1. Kompetitive Unterrichtsorganisation
2. Individualistische Unterrichtsorganisation
3. Kooperative Unterrichtsorganisation

Die kompetitive Unterrichtsorganisation ist ein Konkurrenzkampf unter den SuS. Die führt zu einer abträglichen Abhängigkeit, die im standardisierten Unterricht häufig zu erkennen ist. Hier dominieren die leistungsstarken SuS den Unterricht und lassen den Übrigen wenige Gelegenheiten zur Unterrichtsteilhabe. Diese Unterrichtsart verschlechtert neben den Leistungen der schon Leistungsschwachen auch den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Klasse. Losgelöst davon ist der schon in 2.1 beschriebene individualisierte Unterricht. Die dritte Unterrichtsorganisation ist die Kooperation unter den SuS. Jeder geht mit dem Bewusstsein in den Unterricht, dass sie ihre persönliche Bestleistung nur abrufen können, wenn jeder diese Möglichkeit auch bekommt (Borsch, 2015). Es gibt zwei Arten des kooperativen Lernens:

1. Formelles Kooperationslernen
2. Informelles Kooperationslernen

Beim formellen Kooperationslernen arbeiten die SuS gemeinsam an ihren individuellen Lernzielen, z.B. in einem Klassenzimmer als Klassenverbund, während beim informellen Kooperationslernen die SuS in temporären Lerngruppen ein gemeinsames Lernziel erarbeiten. In jeder dieser Lernkooperation bildet sich eine Gruppe, die kontinuierlich in wechselseitiger und verantwortungsvoller Atmosphäre zusammenarbeiten sollte (Konrad, 2014). Die Basis des kooperativen Lernens besteht aus fünf Teilen:

1. Positive Abhängigkeit
2. Persönliche Verantwortung
3. Unterstützende Lehrkräfte
4. Reflexion der Arbeitsphase
5. Kompetenzerwerb

Der erste Teil ist die positive Abhängigkeit der beteiligten SuS und Lehrkräfte. Diese Interdependenz wird dadurch generiert, dass die Beteiligten erkennen, dass sie zusammen etwas erreichen können und wollen. Damit diese positive Interdependenz erreicht werden kann, sollten die Lehrkräfte die Unterrichtseinheiten so planen, dass die SuS dazu automatisch angehalten werden. Die Vorgaben müssen einheitlich und klar definiert sein. Die Gruppenarbeit sollte so gestaltet sein, dass Etappenziele vorformuliert werden, die alle innerhalb der Gruppe erreichen müssen. Hinzu kommt die Rollenverteilung in den Gruppen, die Vorgabe der Informationsquellen und den, je nach Klassenmentalität, vorgegebenen Wettbewerb unter den Gruppen. Der zweite Teil ist die persönliche Verantwortung der einzelnen SuS. Eine Gruppenarbeit sieht in vielen Fällen so aus: die leistungsstarken SuS leisten die Arbeit und präsentieren diese, während der Arbeitsanteil der anderen Mitglieder sehr gering ausfällt. Bewertet werden diese Gruppenarbeiten als Arbeit von allen Mitgliedern gleich. Erst wenn jeder seinen Leistungen entsprechend bewertet wird, entsteht eine Abhängigkeit, die die Lehrkraft positiv nutzen kann. Zu dieser Interdependenz tragen kleine Gruppen, mündliche Zwischenergebnisse und die Spezialisierung der einzelnen Gruppenmitglieder auf bestimmte Teilbereiche der Aufgabenstellung bei. Der dritte Teil ist die Unterstützung der SuS durch die Lehrkräfte vor, während und nach der Gruppenarbeit. Teil Vier beinhaltet eine umfassende Reflexion der Gruppenarbeitsphase und nicht des Gruppenergebnisses. Im Vorfeld und im Anschluss müssen die SuS kooperative Kompetenzen erwerben, ausbauen und festigen. Dies entspricht dem fünften Teil. Diese Kompetenzen beinhalten die Kommunikationsmöglichkeiten und -verfahren, das Arbeitsklima, die Gruppeninteraktion und das Konfliktmanagement. Tritt einer aus dieser Kooperation aus, in dem er den Unterricht oder die Gruppenarbeit stört, werden die Leistungen aller SuS gemindert (Borsch, 2015). Diese Leistungsminderung ist eins von zwei entgegengesetzten Phänomenen. Das Zweite ist die kollektive Leistungssteigerung (Steins, Behnke, & Haep, 2019).

Jede kooperative Unterrichtsform wird von einer unterstützenden und vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre getragen. Jeder, der an diesem Lernprozess beteiligt ist, trägt seinen individuellen Teil zu seinem und dem Erfolg der anderen bei. Die Lehrkraft muss bei ihrer Planung beachten, dass innerhalb einer Klasse soziale Interaktionen und soziale Abhängigkeiten bestehen und deren Wirkungen, Ausprägungen und Eigenheiten sich wieder beeinflussen (Borsch, 2015). Zusätzlich zu den Schülerinteraktionen haben bei der Unterrichtsgestaltung auch deren Verhalten eine große Bedeutung. Das Verhalten der SuS beeinflusst das Lehrerverhalten und umgekehrt (Kunter & Ewald, 2016). Das kooperative Lernen besteht nicht nur aus einer Gruppenarbeit und der Vorgabe, die Kooperation zu leben. Die Lehrkräfte müssen die Gruppenarbeiten so organisieren, dass die SuS nicht nur ihre positive Interdependenz erkennen, sondern auch nutzen. Zugleich muss sich jeder Einzelne seiner Verantwortung für sich und den Mitschülern bewusst sein, damit ein wirkliches Lernen stattfinden kann (Borsch, 2015).

Die Lehrkräfte treten in den Hintergrund, aktivieren die SuS und animieren diese zur gegenseitigen Unterstützung. Die Basis bildet der soziale Konstruktivismus. In der psychologischen Pädagogik wird wissen nicht vermittelt, sondern von den SuS im Austausch untereinander als Konstrukt hergestellt. Die Lehrkraft tritt zwar in den Lernphasen zurück, aber sie gestaltet die Rahmenbedingungen. Dieses Lernen verlangt von den SuS, dass sie mögliche Probleme beim Lernprozess im Voraus identifizieren. Die verschiedenen individuellen Persönlichkeiten und Lerntypen unterscheiden sich zusätzlich in ihren Erfahrungen und bereits gesammelten Kompetenzen hinsichtlich des gruppenbasierten Lernens. Die bereits erwähnten fünf Teile der Kooperationsbasis lassen sich mit den acht Bausteinen des sozialkooperativen Lernens verbinden:

1. Positive Interdependenz
2. Verantwortung
3. Unterstützung
4. Aufgabenbearbeitung und soziales Miteinander
5. Lehrkraft erkennt das soziale Miteinander an
6. Ausbau sozialer Kompetenzen
7. Gleichverteilung von Leitaufgaben
8. SuS erkennen ihren Erfolg

Der Erste ist ebenfalls die positive Interdependenz. Darauf aufbauend müssen sich die SuS der Verantwortung sich selbst und den Mitschülern gegenüber bewusst sein. Dadurch erkennen sie im dritten Baustein den Nutzen der gegenseitigen Unterstützung ihrer Lernanstrengungen, vorgegeben durch die Lehrkraft. Sie setzt ihren Fokus auf die Einhaltung sozialer Regeln und Normen. Dadurch fördert sie im sechsten Baustein die sozialen Fähigkeiten der SuS. Die Lehrkraft achtet zusätzlich im siebten und achten Baustein auf die Bearbeitung der Lernaufgaben innerhalb der Lerngruppen, damit die SuS dadurch die Sinnhaftigkeit und Funktionalität dieser Art des Lernens erkennen (Borsch, 2015).

Das Feedback innerhalb der Kooperation ist nicht nur ein Recht der SuS, es hilft den Lehrkräften eine Art Bedarfsermittlung für diese zu erstellen. Die Stärken und Schwächen der SuS können die Lehrkräfte durch genaue Beobachtungen nach einem festen Kriterienkatalog analysieren. Zur Unterstützung der Stärken-Schwächen- Analyse kann ein Kompetenzraster eingesetzt werden. Die SuS werden hier angehalten sich einer Eigendiagnose zu unterziehen. Die Kompetenzraster können allgemeiner oder spezifischer aufgebaut sein und zu verschiedenen Zeitpunkten angewendet werden (Klippert, 2010).

Die Kooperation innerhalb einer Lerngruppe benötigt neben einer guten Koordination und hohe soziale kommunikative Fähigkeiten, viel Zeit (Borsch, 2015). Diese Zeit muss nicht nur im Klassenraum, sondern auch außerhalb koordiniert werden. Dies bedeutet für die handelnden Lehrkräfte eine Zusätzliche Belastung.

2.4 Themenzentrierte Interaktion - Eine Einführung

Bisher habe ich Konzepte für und aus dem Klassenzimmer vorgestellt. Im folgenden Abschnitt stelle ich ein nicht nur für das Klassenzimmer erarbeitetes Konzept vor.

„Zu den wichtigsten Konzepten der humanistischen Pädagogik zählt das von Ruth Cohn entwickelte Modell des Arbeitens mit und in Gruppen, sei es im -> Unterricht, in der -> Jugendarbeit, in der -> Erwachsenenbildung, in der -> Sozialpädagogik und Sozialarbeit, in politischen Versammlungen ebenso wie in Selbsthilfegruppen.“ (Keller & Novak, 1993).

Die Themenzentrierte Interaktion (TZI) steht nicht nur für das Lebendige, sondern auch für das ganzheitliche Lernen. Dieses Konzept lebt von der Annahme, dass das Erleben und Begreifen eine Einheit bildet.

Ruth Cohn wollte aufgrund ihrer Erfahrungen in der NS-Zeit die Welt zu einem besseren Ort machen. Dazu sollte jeder Einzelne, je seinen Fähigkeiten entsprechend, die Welt verändern. Dazu müssen sich die Individuen zuerst selbst erkennen und sich ihrer eigenen Lebenswelt bewusst werden. Hierzu nutzt die TZI keine spezifische Methodik, sondern eine Förderung der Persönlichkeit und der sozialen Kompetenz. Die Individuen sollen den einzelnen Moment bewusst wahrnehmen und durch eine intensive Diagnose ihre Zukunft neu gestalten (Matzdorf & Cohn, 1992).

In der TZI geht es um den Konsens zwischen Sachlichkeit und Emotionalität. Ein Großteil der eingesetzten Methodik entstammt den Erlebnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten von Ruth Cohn, die eine Diplompsychologin war (Zundel E. , 1991). Cohn hat 1966 in New York das Workshop Institute for Living-Learning (WILL) mit ins Leben gerufen. WILL war als Erforschung und praktische Umsetzung der Leitung von Gruppen konzipiert und war der Vorläufer der TZI (Cohn & Farau, 1999). Ruth Cohn beschrieb WILL folgendermaßen: „Ich definiere das Wort WILL als Entscheidung zwischen den Varianten „Ich möchte“ (Es ist mir so zumute), „Ich muss“ (der unvermeidbare Zwang), „Ich sollte“ (das vom Ich entfremdete Gebot) und „Ich soll“ (der vom Ich akzeptierte Wert). „Ich will“ ist die bewusste, integrierte Antwort auf „Ich möchte, muß, sollte und soll.““ (Cohn & Farau, 1999, S. 345) Darauf aufbauend will TZI unser aller Wirken in der Welt im Kontext der Gemeinschaft erklären (Cohn & Farau, 1999).

„Je mehr wir unsere menschlichen und sachlichen Abhängigkeiten voneinander, unsere Interdependenz, verstehen und zugleich unsere eigenständigen und unsere Verantwortung im Zusammenleben bejahen, um so realitätsgerechter und befriedigender sind persönliches und gemeinschaftliches Leben.“ (Cohn & Farau, 1999, S. 351).

Diese Erklärung ist für kleine bis riesengroße Gemeinschaften gültig. „Je sinnvoller unsere gewählten Aufgaben sind, d.h. je mehr sich nach persönlichen ebenso wie nach sachlichen, gemeinschaftlichen Bedürfnissen richten, um so größer sind Lebenshoffnung und -freude“ (Cohn & Farau, 1999, S. 351).

TZI bringt individuelle und gemeinschaftliche Werte und Bedürfnisse auf eine gemeinsame Ebene.

Zur besseren Unterscheidung von WILL hat Frances Buchanan, eine der ersten Schülerin von Ruth Cohn den Begriff der Themenzentrierten Interaktion geprägt (Cohn & Farau, 1999). Ein selbstgestecktes Ziel der TZI ist die Verbreitung von TZI.

Der Humanismus soll ausgeweitet werden, nicht nur in psychologischen Fachkreisen, sondern in allen Menschen - „die Gesellschaft soll therapiert werden“ (Matzdorf & Cohn, 1992, S. 42). Dazu sollen die innere (das Individuum) und äußere Wirklichkeit (das Umfeld) zu einer Einheit fusionieren. (Matzdorf & Cohn, 1992).

Der uns heute geläufige Ausdruck des Humanismus ist auf Francesco Petrarca, einer der angesehensten italienischen Literaten aus dem 14. Jahrhundert zurückzuführen. Dieser Humanismus ist eng mit dem Humanismus der Renaissance verwoben, in der die Bildung und die Entfaltung des Menschen die höchsten Ideale sind. Dieser Begriff wurde über die Jahre immer wieder neu und/oder anders interpretiert. Alle Ausrichtungen und Interpretationen verstehen ihn als eine positive Haltung gegenüber den Mitmenschen mit dem Ziel, dass diese ihre persönlichen Fertig- und Fähigkeiten im Ideal ausbilden und entfalten können.

In den 1960er Jahren sammelte sich in den USA eine humanistische Bewegung, die von europäischen Forschern und Psychologen, die während des dritten Reichs aus Europa emigrierten. Diese Strömung bildete neben der klinischen Psychoanalyse und der theoretischen Psychologie eine weitere Basis. Diese drei Bewegungen ergänzen und kritisieren sich gegenseitig nicht nur akademisch, sondern auch gesellschaftlich. In der westlichen Welt veränderte sich die Gesellschaft, ausgehend von den USA, unter dem Mantel der massiven Aufrüstung der beiden Supermächte, USA und Sowjetunion, und den Stellvertreterkriegen massiv. Beginnend mit der Friedensbewegung, den Protesten der schwarzen Bevölkerung, der beginnenden Emanzipation der Frauen, Reflexionen von religiösen und moralischen Vorstellungen und der 1968er Bewegung. Seit dem Ende der 1960er Jahre wurde dem Humanismus in der Bundesrepublik mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Diese Aufmerksamkeit schwand seit den 1980er Jahren rapide, bis sich 2010 die Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychologie gründete.

Der österreichische Philosoph Christian Freiherr von Ehrenfels hatte mit seiner 1890 erschienenen Arbeit zur Gestaltpsychologie große Bedeutung für die Humanistische Psychologie, die sich in den Forschungen von Wertheimer, Köhler und Koffka Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin fortsetzte. Innerhalb der humanistischen Psychologie ist die Gestaltungspsychologie in den Befunden, dass der Einzelne seine Potenziale freisetzen, sich entwickeln kann, wenn er sich in seiner Gesamtheit verstehen kann, zu finden. Zusätzlich haben die Existenzphilosophie und die Phänomenologie, die die subjektiven Empfindungen, Erfahrungen und Reflexionen in ihrer Alltäglichkeit eines Individuums untersuchen, ihren Einfluss. Berühmte Persönlichkeiten der Existenzphilosophie sind Kirkegaard, Nietzsche und Sartre, bei der Phänomenologie ist dies Husserl.

Die humanistische Psychologie erkennt in ihrem Kern die Diversität der Menschen, die sich aus der Masse herausstellen und sich entfalten wollen. Aufgrund seines sozialen Wesens ist der einzelne Mensch auf die soziale Umgebung, dessen Integration und Wertschätzung angewiesen.

Die Gesprächspsychotherapie, entstanden aus den Forschungen von Carl Rogers, ist einer der bekanntesten Zweige der humanistischen Psychologie. Rogers Forschungen haben die wertschätzende, Potenziale erkennende und vertrauensbasierende Haltung in die Therapeuten-Patienten-Beziehung implementiert. Seine Arbeiten zeigen weiter, dass der Selbsterhaltungstrieb eines jeden Einzelnen ihn dazu bringt, seine Potenziale auszuschöpfen und nach der höchsten Funktionalität seiner selbst strebt. Durch diese Erkenntnis gewannen Rogers Forschungen den Beinamen der Individualzentrierung. Die Zentrierung auf das einzelne Individuum war der Kern von Rogers Forschungen. Die zwei Zugänge des Individualverständnisses beziehen sich auf die Substanz einer Person und das Wirken der Person in der Gemeinschaft. Der erste Zugang beschreibt die Eigenständig- und Eigenmächtigkeit, während der Zweite die Interdependenz der Person ist. Die Therapeuten-Patienten-Beziehung besteht größtenteils auf diesen Zugängen. Durch die Einfühlung in die Person gegenüber und in sich selbst entsteht ein Wechselspiel, eine Art Balance. Diese Begegnung ist der Dreh- und Angelpunkt der Therapie.

Das Ehepaar Perls hat zusammen mit Goodman, Simkin, Weisz und Hefferline die Gestalttherapie entwickelt. Diese Therapie nimmt die momentane Emotionalität, das Verhalten, das Wirken zur eigenen Person und zum Umfeld im jetzigen Moment in den Blickpunkt. Hier treffen die humanistische Psychologie und die Psychoanalyse aufeinander (Helle, 2019).

Neben dem Humanismus schließt die TZI auch noch andere Sichtweisen, wie die der Ökonomie, Soziologie, Politik und des Kosmos mit ein, je nachdem wo die TZI angewendet werden soll. Diese Offenheit hat dadurch Grenzen in seiner Anwendung. Diese Grenzen liegen in den Eckpfeilern der von Cohn ausgeübten Erlebnistherapie: der Hervorhebung des Augenblicks, dem Grundsatz der Glaubwürdigkeit, dem Grundsatz der Gruppe mit teilnehmender Leitung, die Beteiligung des materiellen Seins und die Realisation von Momenten, die eine Änderung ermöglichen. Dabei vereinigt TZI die Pädagogik mit der Psychoanalyse und Therapie. (Matzdorf & Cohn, 1992).

Ein Beispiel für diese Anwendungsgrenzen ist die Befehlsstruktur innerhalb des Militärs. Diese Struktur benötigt eine klare Hierarchie und bietet dem Humanismus wenig Raum.

Der Wandel der klaren und neutralen Werte der Psychoanalyse zur TZI gelang nicht durch ein theoretisches Studium, sondern durch die praktischen Erfahrungen von Cohn. Die Erlebnisse von Cohn beruhen auf den Studien Sigmund Freuds und der Bekanntschaft mit Elsa Gindler, Begründerin der Bewegungstherapie. Diese Körperwahrnehmungsschule wurde mit der Psychoanalyse verbunden (Matzdorf & Cohn, 1992).

Die TZI wird maßgeblich durch eine bewegliche Ausgeglichenheit von vier Einflüssen bestimmt, die zusammen ein Ganzes darstellen und aus den ausformulierten Axiomen, den unbegründeten Grundsätzen der TZI-Theorie, entstanden sind. Diese sind die Einzelperson, die Gruppe, der Diskussions- oder Lehrgegenstand und die Umgebung (Cohn & Farau, 1999).

„Die Bedeutung dieser holistischen Auffassung, die den Menschen in seiner Individualität als biopsychische Einheit und zu gleich als Teil eines universellen Ganzen sieht, wird in den Axiomen offenkundig, die das philosophisch-theoretische und ethisch-soziale Fundament des TZI-Konzepts darstellen.“ (Matzdorf & Cohn, 1992, S. 47)

Die drei von Cohn formulierten Axiome bilden das Grundgerüst und den Ausgangspunkt der TZI. Diese können nicht theoretisch bewiesen werden, sie wurden aus der Praxis heraus entwickelt und sollen durch ihre Wirksamkeit legitimiert werden (Matzdorf & Cohn, 1992).

Dadurch, dass diese nicht theoretisch begründet werden können, werden diese innerhalb der Fachliteratur nicht weiter erläutert.

Sie stehen für die Werte des Humanismus innerhalb der TZI. Durch diese Werte sollen Veränderungen der Innen- und Außenrealität bewirken und eine Reflexion der Menschen mit all ihren Facetten und ihren jeweiligen Hintergründen ermöglichen.

Dabei haben die Axiome eine feste Abfolge und sind voneinander abhängig (Matzdorf & Cohn, 1992).

Das erste Axiom beschreibt, dass jeder Mensch einzigartig und Teil einer größeren Welt, eines Weltalls ist. Er ist gleichzeitig eigenständig und abhängig. Er wird immer eigenständiger, je mehr er sich dessen bewusst ist.

„Es geht in diesem anthropologischen Axiom um personale und soziale Identität und Kompetenz, die sich jedoch nicht im Personalen und Sozialen erschöpft, sondern beide geistig und existenziell transzendiert.“ (Cohn & Farau, 1999, S. 357). Ich interpretiere diese Worte von Cohn dahingehend, dass eine Person nicht nur einfach eine Person ist, die mit wenigen Worten beschrieben werden kann, sondern viel mehr ist. Die Person ist zudem in der Lage sich weiterzuentwickeln.

Dieses Axiom beschreibt das ICH im TZI-System. Das ICH besteht aus Geist und Körper des Individuums. Alle Eindrücke, Orte, Menschen und Gefühle prägen das ICH und dem Wirken als ICH, was nur das Individuum fühlen und durch seine subjektive Sicht erleben kann, unter der Berücksichtigung der Abhängigkeit mit der eigenen, fremden und jeder nur möglichen Umwelt. Durch dieses Axiom, durch das Verstehen dieses Grundsatzes können individuelle Verhaltens- und Wesensausprägungen durch das Studium und Reflexion der bisherigen Lebenszeit versucht werden zu erklären, obwohl dies weit über der Tätigkeit der TZI liegt. Das zweite Axiom beinhaltet den ethischen Grundsatz, dass das Humane in der Welt geschützt werden muss, während das Inhumane eine humane Welt bedroht. Die hier beschriebene Ethik verbindet sich mit dem individuellen Sein in seiner nahen und fernen Umwelt. Die ferne Umwelt kann hierbei in einem anderen Raum, anderen Gebäude oder sogar in einem anderen Land sein. Cohn wollte mit diesem Axiom die linke Gehirnhälfte, verantwortlich für das analytische und logische Denken und die rechte Gehirnhälfte, verantwortlich für die Kreativität und Emotionen, verbinden. Sie kritisierte dadurch die Förderung der Analytik und Logik zu Gunsten der Emotionen. Durch dieses Vorgehen wächst, laut Cohn, die Ausbeutung und Beherrschung von jeglichem Leben auf der Welt. TZI soll so helfen, dass alle Menschen den Wert des Lebens erkennen und einen lebenserhaltenen Wertekompass entwickeln.

[...]

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Themenzentrierte Interaktion. Veränderung von Verhalten von Schülerinnen und Schülern im individualisierten Unterricht durch gezielte Ansprache
Hochschule
Universität Hamburg  (IBW)
Note
1.3
Autor
Jahr
2020
Seiten
105
Katalognummer
V996476
ISBN (eBook)
9783346367464
ISBN (Buch)
9783346367471
Sprache
Deutsch
Schlagworte
TZI, Schülerverhalten, Verhalten, Schüler
Arbeit zitieren
Eric Hake (Autor:in), 2020, Themenzentrierte Interaktion. Veränderung von Verhalten von Schülerinnen und Schülern im individualisierten Unterricht durch gezielte Ansprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/996476

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