Identitätsfeststellung von Asylsuchenden im europäischen Vergleich. Das Beispiel der Datenträgerauswertung


Masterarbeit, 2020

106 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1. Gesetzliche Grundlagen zur Sicherung und Feststellung der Identität von Asylsuchenden

2. IdentitätsfeststellungaufEU-Ebene

3. Datenschutz-BAMFDatentresor
a. Schutzumfang
b. Gesetzliche Grundlagen
c. Verarbeitung
d. Datenweitergabe
e. Transparenzpflichten
f. Betroffenenrechte
g. Ausländerzentralregister
h. BAMF Datenerfassung und Datentresor

4. Technische Methoden der Identitätsanalyse
(1) Sprachbiometrie
(2) Bildbiometrie
(3) Namenstranskription
(4) Datenträgerauswertung

5. Infragestellung von Sprachbiometrie und Datenträgerauswertung
a. Zuverlässigkeit
b. Tauglichkeit
c. Kosten und Nutzen

6. Grundrechtsverstoß

7. Aktuelle Klagen gegen das BAMF

8. Praxis im Ankunftszentrum Patrick-Henry-Village in Heidelberg

9. Evaluation

10. Fazit

11. Anlagen

12. Quellen

Abkürzunasverzeichnis Abs. Absatz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Seit 2015und bis Ende 2020 sind 1,919 E1 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen und haben einen Antrag aufAsyl gestellt.

- Wer sind diese Menschen und woher kommen sie?

Die Angaben der Nationalität beruhen auf den Aussagen der Asylsuchenden und wurden anfangs der sogenannten Flüchtlingswelle bei der Erstaufnahme ent-sprechend nach gutem Glauben erfasst. Bei vielen Asylsuchenden in diesem Zeitraum wurden mitgeführte Identitätsdokumente weder angesehen, noch geprüft. Nicht einmal die Hälfte der ankommenden Asylsuchenden konnten sich damals eindeutig durch Ausweispapiere identifizieren. Die Anzahl derjenigen, die keine Identitätsdokumente bei der Erstaufnahme vorgelegt haben, wurde bis 2017 vom BAMF nicht erfasst, die Behörde schätzt diesen Anteil jedoch auf stattliche 60%.E2 Im Berichtszeitraum 2020 kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von den Asylantragstellern 29,8 % aus Syrien, 8,06 % aus dem Irak und ca. 8,11% aus Afghanistan.E3 Die fünftstärkste Gruppierung nach der Türkei unter den Top 10 der Herkunftsländer läuft unter dem Begriff „ungeklärt“ und umfasst trotz moderner Identitätsfeststellungsmethoden immer noch 3903 Erstantragsteller, das entspricht einer Quote von 3,2%.

- Es ist legitim wissen zu wollen, welche Identität die ankommenden Menschen haben und die Glaubwürdigkeit ihrerAussagen prüfen zu können.
- Es ist essentiell sicherzustellen, dass die Personen im Falle einer notwendigen Abschiebung in ihr Heimatland abgeschoben werden können.

Migration hat einen großen Einfluss auf die nationalstaatliche Souveränität, es ist das Vorrecht eines Staates auszuwählen, wer sich auf seinem Territorium aufhalten darf und wer nicht. Dem gegenüber steht die Dublin- Verordnung, die eine klare Verteilung der Verantwortung für die Asylsuchenden unter den Mitgliedsstaaten der EU regelt. Der Grund für die Asylsuche in Deutschland sind in der Regel Flucht vor Krieg, Verfolgung, Gewalt und Unterdrückung, vor Armut und Hunger. Flucht bietet aber auch die Möglichkeit die eigene Vita zu 'verbessern' oder sogar eine andere Identität anzunehmen. Um dies zu prüfen und auszuschließen, bedarf es zwingend einer Identitätsfeststellung.

Das Ziel der Arbeit ist zu hinterfragen, ob die richtigen Mittel dafür eingesetzt werden und ob der gesetzlich gewährleistete Schutz der Privatsphäre gewahrt bleibt. Gemäß Art. 15a AsylG darf das Bundesamt die Datenträger der Asylsuchenden auswerten, ausschließlich wenn dies für die Klärung der Identität erforderlich ist und nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann.E4 Jedermann wird bestätigen, dass moderne Smartphones ein Leben reflektieren, einschließlich privatester Daten. Private Daten sind gemäß Art.6 Abs.3 DSGVO und §§ 3 und 25 BDSG vor fremden Zugriff geschützt und der Inhaber sollte selbstverständlich sein Recht wahrnehmen dürfen zu ent-schei- den, wer einen Einblick haben darf und wer nicht. Der Schutz des Gemeinwohls gegen den Schutz der Persönlichkeitsrechte ist demnach abzuwägen. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Daten auf einem Smartphone beim Zugriff des Staates auf diese Daten können verschiedene Grundrechte verletzt werden. Zum Tragen kommt das Recht auf informationeile Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs.li.V.m. Art. 1 Abs. 1GG und auch die Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses gemäß Art. 10 Abs. 1 GG. E5 Die sehr unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen sowohl im Asylverfahren im Herbst 2015, als auch als Mitarbeiter des RP Karlsruhe in der Durchsuchung und in der Registrierung im Ankunftszentrum Patrick Henry Village in Heidelberg und schlussendlich der juristische Background waren der Anlass die Vorgehensweise und Rechtmäßigkeit des BAMF und der ausführenden Organe bei der Identitätsfeststellung zu hinterfragen.

Der starke Zustrom von Asylsuchenden ab 2015 stellte alle beteiligten Asylakteure vor große Herausforderungen, sowohl bei der Registrierung als auch in den Interviews mit den Asylsuchenden. Folge dieser schnellen und dadurch oft oberflächlichen Erfassung sind ungenaue oder sogar falsche Daten, die sowohl die zuständigen Behörden als auch die betroffenen Geflüchteten bis heute belasten.

Nicht vorhandene Identitätsdokumente sind ebenfalls ein großes Problem bei der Durchführung von Abschiebungen, da man nicht festlegen kann, wohin der Asyl-suchende angeschoben werden kann. Je nach Herkunftsland ist die Qualität und damit die Nachprüfbarkeit der gezeigten Dokumente sehr unterschiedlich. Menschen haben kein eindeutiges Identitätsmerkmal.

Bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus familiären Gründen und zum Zweck derAusbildung oder Beschäftigung, ist die Identitätsfeststellung zum Zeitpunkt der

Antragstellung in der Regel nicht problematisch.E6

In der ersten Hälfte des Jahres 2017 wurden verschiedene Aspekte der Sicherung von Identitäten in Deutschland von Politik und Öffentlichkeit zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Als Konsequenz aus den Ereignissen um den Fall 'Franco A.' in dem ein deutscher Staatsangehöriger sich mit einem erfundenen jüdischen Namen und französischen Sprachkenntnissen widerrechtlich Anerkennung als vermeintlicher syrischer Geflüchteter erschwindelt hat, hat das BAMF verschiedene Maßnahmen zur Identitätssicherung initiiert und umgesetzt, unter anderem die Auswertung von Datenträgern.E7 Diese Handyauswertung wird in der nachfolgenden Thesis analysiert, deren Nutzen kritisch hinterfragt und auf rechtliche und institutioneile Rechtsmäßigkeit geprüft. Kapitel 7 thematisiert drei Klagen von Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und Kamerun gegen das Auslesen von Daten aus Mobiltelefonen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die durch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) koordiniert wurden und bei den Verwaltungsgerichten in Hannover, Berlin und Stuttgart anhängig sind.E8 Diese Klagen gegen das BAMF beziehen sich auf die operative Ausführung der Identitätsfeststellung.

Kernelement von Kapitel 8 sind persönliche Erfahrungen als Assistent in der Durchsuchung als Vorstufe der Registrierung sowie der praktischen Umgang mit den Asylsuchenden und die Dokumentation der Daten.

Es stellt sich die Frage, ob das BAMF den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Persönlichkeitsrechte wirklich gewährleistet oder diesen missachtet, vielleicht sogar verletzt? Das Bundesinnenministerium unterstützt die Art und Weise der Durchführung und bescheinigt ihr höchste Priorität und Qualität zur Feststellung der Identität und Herkunft und behauptet die gesetzlichen Vorgaben erfüllen den geforderten Schutz.

Fraglich ist, auf der Basis welcher gesetzlichen Grundlage die Erkennungsmaß-nah- men erfolgen, da hier eine Vielzahl von Gesetzen einschlägig sind, unter anderem das Grundgesetz, die Datenschutzgrundverordnung, das RechtaufVertraulichkeit und Integrität Informationstechnischer Systeme, das Aufenthaltsgesetz sowie das Asyl-gesetz. Welches ist das einschlägige Grundrecht?

Kapitel 1 wird im Detail daraufeingehen.

Die genaue Art und Weise der Identitätsfeststellung ist in der umfangreichen Dienstanweisung DA-Asyl des BAMF mit Stand vom 21.02.2019 einschließlich Ablauf, Bewertung und Prüfung dokumentiert. E9

Die gesetzlichen Grundlagen im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) in Bezug auf Identitätsfeststellung werden ebenfalls einbezogen und speziell die Fingerabdruck Datenbank Eurodac.

Ein weiterhin nicht zu vernachlässigender Punkt ist die technische Umsetzung der Identitätsanalyse, deren Herausforderung, Probleme sowie eine Analyse der Kosten im Verhältnis zum Nutzen:

1. Forensische Auswertung von mobilen Datenträgern
2. Sprachbiometrie
3. Bildbiometrie (LiBiAs) und 4. Namenstranskription E10

Es besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit einer Identitätsfeststellung als Basis für die Durchführung eines Asylverfahrens, aber es muss ein gesetzeskonformes, persönlichkeitsrechtsachtendes, einheitliches, transparentes und nachprüfbares Verfahren sein, über das der Asylsuchende aufgeklärt wurde.

1. - Gesetzliche Grundlagen zur Sicherung und Feststellung der Identität von Asvlsu- chenden

Die Klärung der Identität der Asylsuchenden ist eine der erheblichen Herausforderungen sowohl bei der Durchführung des Asylverfahrens als auch für die Sicherheit der deutschen Gesellschaft.

Im Jahr 2020 kamen von 21977 persönlichen Erstantragstellern 11815 Personen ohne Identitätspapiere nach Deutschland, das entspricht 53,76%. Bei der Statistik fällt auf, dass Asylsuchende aus Somalia, Guinea, Pakistan und Algerien fast nie, also mit einer Quote zwischen 90 und 99%, über ID Dokumente verfügen, wohingegen bei den starken Herkunftsländern Syrien und Irak nur 42,67% und 48,73% ohne Identitätspapiere eingereist sind.1

Der Gesetzgeber unterscheidet im Migrationsprozess nach Identitätssicherung im Rahmen des Asylverfahrens und der Identitätsprüfung bei der individuellen Anhörung. Identitätssicherung sind die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei der Registrierung, hier werden eindeutige Merkmale einer Person wie biografische Daten, biometrisches Lichtbild, Irisfoto und Fingerabdrücke zusammen unter dem Namen des Asylsuchenden gespeichert.

Im Unterschied dazu kontrolliert die Identitätsprüfung die eigenen Angaben des Asylsuchenden zu Namen, Alter und Staatsangehörigkeit auf Richtigkeit. Ferner werden vorgelegte Dokumente auf Echtheit geprüft. Zudem wird die individuelle Verfolgungsgeschichte auf Glaubwürdigkeit überprüft als Grundlage für das Asylverfahren. Eine Identitätsprüfung erfolgt ebenso bei Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis bei einer Ausländerbehörde und auch im Rahmen von Abschiebungsprozessen und wenn Passersatzpapiere beschafft werden müssen. Die Identitätssicherung ist der erste Schritt, wenn ein Asylsuchender nach Deutschland einreist, wird er zunächst bei einer dafür zuständigen Behörde erkennungsdienstlich erfasst. Die gesetzlichen Grundlagen der Identitätsfeststellung sind abhängig von derjeweiligen Behörde:2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Asylgesetz und das Aufenthaltsgesetz beziehen Bestimmungen zur Sicherung und Feststellung der Identität, aber auch zu Datenübertragung, Speicherung und Austausch von Daten ein. Diese Maßnahmen nach §15 AsylG werden zu Beginn des Asylverfahrens durchgeführt und verlangen die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Asylsuchenden bei dem kompletten Asylverfahren einschließlich Meldepflichten und der Aushändigung relevanter Dokumente. §15a AsylG ist eine Erweiterung zu den vorgenannten Pflichten und schließt die Auswertung mitgeführter oder bei der Durchsuchung entdeckter Datenträger ein.

Seit 2015 war es lediglich den Ausländerbehörden erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen Datenträger von abgelehnten Asylsuchenden auszulesen (§§48a und 49 AufenthG).3 Durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht „Einführung der Möglichkeit zum Auslesen mobiler Datenträger im Asylverfahren zur Sicherung, Feststellung und Überprüfung von Identität und Staatsangehörigkeit Asylsuchender“4 das am 29.07.2017 in Kraft getreten ist, wurde § 15 Abs.2 Nr.6 AsylG neu gefasst und § 15a eingeführt. Die Änderung und Ergänzung des §15 AsylG von 2017 gestattet nun auch dem BAMF bereits während des Asylverfahrens zum Zwecke der Identitätsklärung auf jegliche Informationen auf Datenträgern des Asylsuchenden zuzugreifen, sei es Smartphones, Flashdrives, SIM-Karten oder Laptops. Das zweite Gesetz zur besseren Durchführung der Ausreisepflicht vom 15.08.2019 betrifft nicht die Identitätsfeststellung, sondern konkretisiert das Ausweisungsrecht von Personen, für die ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse besteht.5 Die Feststellung der Identität einer neu angekommenen Person obliegt nicht nur einer Behörde, die zuständigen Akteure im Migrationsprozess sind neben dem BAMF, die Aufnahmeeinrichtungen der Länder, die Ausländerbehörden, die deutschen Auslandsvertretungen, die Grenz- und Polizeibehörden und die Sicherheitsbehörden. Abhängig davon wo der Asylsuchende sich als erstes meldet, erfolgt dort die erkennungsdienstliche Behandlung, erst dann erfolgt die Weiterleitung an die zuständige Aufnahmeeinrichtung nach § 19Abs.2 AsylG.

Das BAMF arbeitet nach § 16 Abs. 2 AsylG, sofern Personen bei den Grenzbehörden um Asyl nachsuchen greift § 18 Abs. 5 AsylG, bei der Polizei, den Ausländerbehörden oder direkt bei den Aufnahmeeinrichtung § 19Abs.2 AsylG.

AsylG §16 Abs.1 ordnet erkennungsdienstliche Maßnahmen der zuständigen Behörden zur Klärung der Identität an. Diese Maßnahmen inkludieren biometrische Fotos, Irisbilder und Abdrücke aller zehn Finger sowie Sprachaufzeichnungen als Kann-Op- tion zur Bestimmung des Herkunftsstaates und nur mit vorheriger Kenntnisnahme des Asylsuchenden.

AsylG §16 Abs.la gestattet den Abgleich der erhobenen Daten mit den vorgelegten Identitätspapieren zum Zwecke der Prüfung der Echtheit der Dokumente.

AsylG §16 Abs.2 definiert die Zuständigkeit der Ausführung der Maßnahmen in AsylG §16 Abs.1 und 1a, das sind das BAMF und alle Aufnahmeeinrichtungen, aber auch Grenzbehörden, Grenzbehörden an Flughäfen sowie Einrichtungen der Bundes- und Landespolizei.

Gemäß AsylG §16 Abs.3 leistet das Bundeskriminalamt Amtshilfe bei der Auswer-tung der erhobenen Daten und steht in Kontakt mit öffentlichen Stellen von Drittstaaten, außer denen der Herkunftsländer und solcher Staaten, von denen Bedrohung oder Verfolgung des Asylsuchenden droht. Die Daten müssen aufgezeichnet werden, die Übermittlung steht unter dem Vorbehalt der Zweckbezogenheit.

AsylG §16 Abs.4 verpflichtet das Bundeskriminalamt die nach Abs.1 erhobenen Daten getrennt von anderen erkennungsdienstlichen Daten zu speichern.

Durch AsylG §16 Abs.4a i.V.m. §89a AufenthG kann das Bundesverwaltungsamt (BVA) in den Prozess der Identitätsfeststellung mit eingebunden werden, da die erhobenen Daten zur Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit der betroffenen Person an das Bundesverwaltungsamt übermittelt werden dürfen, um sie mit den Daten der Fundpapierdatenbank nach §49b Aufenthaltsgesetz abzugleichen.

AsylG §16 Abs.2 Nr.6 begrenzt die Aufbewahrungspflicht der biometrischen Daten und Fingerabdrücke auf 10 Jahre nach Abschluss des Asylverfahrens, die sprachbiometri- schen Aufzeichnungen sind unmittelbar nach Klärung der Identität des Asylsuchenden oder der Prüfung der Echtheit der vorgelegten Dokumente zu löschen.

„Die Kernaufgabe des BAMF ist die Durchführung von Asylverfahren. Dabei prüft es auch zuvor die Zuständigkeit im Rahmen der Dublin lll-VO sowie die Zulässigkeit des Antrags bei bereits anderweitig international Schutzberechtigten. Eine anderweitige Zuständigkeit für die Prüfung der Zulässigkeit von Asylanträgen, etwa durch die Bundespolizei an der Grenze, gibt es nicht. Im Falle der Ablehnung eines Antrags erlässt das BAMF eine Abschiebungsanordnung oder -androhung, die zur Ausreisepflicht des Ausländers führt und mit Bestandskraft zu vollziehbaren Ausreisepflicht wird. Daneben hat das BAMF die ihm in § 75 AufenthG zugewiesenen Aufgaben. Dazu gehören u.a. die Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen (§ 75 Nr. 11 AufenthG)“6

§15 Abs.4 AsylG autorisiert das BAMF eine Durchsuchung von Asylsuchenden und ihrem Hab und Gut durchzuführen, wenn sie der Forderung nach der Herausgabe nicht nachkommen oder vorgeben keine Dokumente oder Datenträger mitzuführen. Im Falle, dass der Asylantragsteller nicht im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes ist, darf das BAMF gemäß §15a AsylG die Datenträger auswerten, sofern dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers nach §15 Abs.2 Nr.6 AsylG erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Das erklärte Ziel der Datenträgerauswertung ist es Anhaltspunkte zur Klärung der Identität zu bekommen, welche die Entscheider des BAMF in derAnhörung zurAsylvergabe unterstützen können.

AsylG § 15 Allgemeine Mitwirkungspflichten7 §15Abs.1

Satz 1 Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken

Satz 2 Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt.

§15 Abs.2 Erist insbesondere verpflichtet

1. den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen
2. das Bundesamt unverzüglich zu unterrichten, wenn ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist;
3. den gesetzlichen und behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten;
4. seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen
5. alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
6. im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken und auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
7. die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden.

Die Art der Urkunden und Unterlagen nach Abs.2 Nr.5 wird in §15 Abs. 3 AsylG wie folgt definiert:

2. von anderen Staaten erteilte Visa, Aufenthaltstitel und sonstige Grenzübertrittspapiere
3. Flugscheine und sonstige Fahrausweise
4. Unterlagen über den Reiseweg vom Herkunftsland in das Bundesgebiet, die benutzten Beförderungsmittel und über den Aufenthalt in anderen Staaten nach der Ausreise aus dem Herkunftsland und vor der Einreise in das Bundesgebiet sowie
4. alle sonstigen Urkunden und Unterlagen, auf die der Ausländer sich beruft oder die für die zu treffenden asyl- und ausländerrechtlichen Entscheidungen und Maßnahmen einschließlich der Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sind.

§15 Abs. 4 AsylG legitimiert die Durchsuchung als solche

Satz 1 Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden können den Ausländer und Sachen, die von ihm mitgeführt werden, durchsuchen, wenn der Ausländer seinen Verpflichtungen nach Absatz 2 Nr. 4 und 5 nicht nachkommt sowie nicht gemäß Absatz 2 Nummer 6 auf Verlangen die Datenträger vorlegt, aushändigt oder überlässt und Anhaltspunkte bestehen, dass er im Besitz solcher Unterlagen oderDatenträger ist.

Satz 2 Der Ausländer darf nur von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden.

AsylG § 15a Auswertung von Datenträgern §15a Abs.1

Satz 1 Die Auswertung von Datenträgern ist nur zulässig, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers nach § 15 Absatz 2 Nummer 6 erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann.

Satz 2 § 48 Absatz 3a Satz 2 bis 7 und § 48a des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend.

§15a Abs.2 Für die in Absatz 1 genannten Maßnahmen ist das Bundesamt zuständig. AufenthG § 48 Abs.3a Satz 2 bis 78

Satz 2 Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Auswertung von Datenträgern allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig.

Satz 3 Der Ausländer hat die notwendigen Zugangsdaten für eine zulässige Auswertung von Datenträgern zur Verfügung zu stellen.

Satz 4 Die Datenträger dürfen nur von einem Bediensteten ausgewertet werden, der die Befähigung zum Richteramt hat.

Satz 5 Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch die Auswertung von Datenträgern erlangt werden, dürfen nicht verwertet werden. Satz 6 Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen.

Satz 7 Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist aktenkundig zu machen.

§ 48a Erhebung von Zugangsdaten

Abs.1 Soweit der Ausländer die notwendigen Zugangsdaten für die Auswertung von Endgeräten, die er für telekommunikative Zwecke eingesetzt hat, nicht zur Verfügung stellt, darf von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, Auskunft über die Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (§ 113 Absatz 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes), verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen fürdie Verarbeitung der Daten vorliegen.

Abs.2 Der Ausländer ist von dem Auskunftsverlangen vorher in Kenntnis zu setzen.

Abs.3 Auf Grund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 hat derjenige, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich zu übermitteln. Für die Entschädigung der Diensteanbieter ist § 23 Absatz 1 des Justizvergütungs- und - entschädigungsgesetzes entsprechend anzuwenden.

Bei Verweigerung der Mitwirkungspflicht kann der Antrag als zurück gezogen gelten anstatt als abgelehnten Asylantrag §33, Abs.2 AsylG, in einem solchen Fall sind weder Widerspruch noch Rechtsmittel möglich.

2. - Identitätsfeststellunq auf EU-Ebene

Angesichts der aufkommenden politischen Unruhen im Nahen Osten ab 2011 hat sich die EU auf eine mögliche Flüchtlingswelle vorbereitet und diverse Agenturen ins Leben gerufen, um die Mitgliedstaaten auf neu kommenden Aufgaben vorzubereiten, dazu gehört zum Beispiel FRONTEX, die .Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache“, zuständig für die EU-Rückkehrpolitik und EASO, das .Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen“.

Ziel der auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem (GEAS) gerichteten Politik der Union ist nach Maßgabe des Haager Programms, durch die Einführung eines effizienten, einheitlichen Verfahrens im Einklang mit den Werten und der humanitären Tradition der Europäischen Union einen gemeinsamen Asylraum zu schaffen.“9

Die Beschlussfassung zu einem gemeinsamen europäischen Büro für Asylfragen stammt schon aus dem Jahr 2004, das ,Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union'10 und trat im Jahr 2010 mit der Verordnung 439/2010 zur Einrichtung des EASO in Kraft. Die Asylagentur EASO wird von einem Verwaltungsrat gelenkt, in dem sowohl die Europäische Kommission als auch die einzelnen Mitgliedstaaten vertreten sind und zusätzlich als beratendes Mitglied das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees), der Sitz des Büros ist in Valletta auf Malta. Es gibt regelmäßige Treffen in verschiedenen Arbeitsgruppen, zuletzt am 24.11.2020 in Nürnberg beim BAMF, hier lag der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Koordination innerhalb der EU gegenüber Drittländern (EASO Third Country Cooperation Network Meeting).11 Schon seit Juni 2008 arbeitet die Kommission an einer Harmonisierung der geltenden Rechtsvorschriften der europäischen Mitgliedsstaaten in Asylfragen sowie der operativen Kooperation. Die Kommission befürwortet und unterstützt die Einrichtung eines europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen EASO .European Asylum Support Office“. Das EASO dient den Mitgliedstaaten als Kompetenzzentrum für Asylfragen, es bietet Schulungen für Mitarbeitende von Asyl-, Justiz- und Verwaltungsbehörden aus den Mitgliedstaaten an. Die Zuständigkeitsbereiche sind die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Ländern und deren Informationsaustausch sowie eine permanente Beobachtung derweltweiten Migrationslage und -bewegungen.

Zudem bietet EASO auch sowohl wissenschaftliche als auch technische Unterstützung an für diejenigen Länder, deren Asyl- und Aufnahmesysteme überlastet oder unerfahren sind. Außerdem soll das EASO in der Praxis die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in Asylfragen optimieren und auch bei der Abwicklung ihrer europäischen und internationalen Verpflichtungen aus dem GEAS im Asylbereich unterstützen. Da die Länder bis dato die Entscheidungshoheit für Asylfragen haben, gibt es in der Realität große und signifikante Unterschiede in den Abläufen der Asylverfahren der einzelnen Mitgliedsstaaten, in den Schutzquoten, den Einbürgerungsmöglichkeiten, aber auch in den Lebensbedingungen, sprich in der staatlichen Unterstützung. Die Folge davon ist, dass es auf europäische Ebene nach wie vor Länder gibt, die mehr Anziehungskraft haben, als andere. Wenn die Lebensbedingungen schlecht sind, werden weniger Asylsuchende kommen und daraus ergibt sich eine geringere Kostenbelastung für den Staat, also genau das Gegenteil der angestrebten Harmonisierung und des gemeinsamen Asylraums Europa.

Das EASO unterstützt das Gemeinsame Europäische Asyl System GEAS mit Hilfe von Austausch und Sammlung der Daten über die Verfahren, und die Festlegung der technischen Leitlinien für die Durchführung derAsylinstrumente der Union.

Persönliche und biometrische Daten zur Sicherung und Feststellung der Identität werden in zahlreichen nationalen und europäischen Datenbanken gespeichert, zum Beispiel in SIS II, IN-POL-neu, VIS, AZR und Eurodac und stehen allen zuständigen Behörden zurVerfügung, sind aber nicht untereinander verknüpft.

Ein wesentliches Instrument dafür ist AFIS, das Akronym steht für .Automatic Fingerprint Identifikation System“ und ist eine Erfassungstechnik, die europaweit von verschiedenen Datenbanken und Sicherheitsbehörden benutzt wird. Alle Nutzer speichern die Daten im gleichen Format ab, aber die genutzten Templates, mit denen die feinen Linien, Endungen und Verzweigungen der Papillarleisten Fingerabdrucks erfasst werden, sind abhängig vom System und somit nicht kompatibel, jedes System kann nur innerhalb der eigenen Daten suchen.

Die angestrebte Interoperabilität der EU- Informationssysteme zur Verbesserung der polizeilichen und rechtlichen Zusammenarbeit wird seit 2017 im Europäischen Parlament diskutiert. Der Vorschlag lautet einen gemeinsamen Dienst zum Abgleich biometrischer Daten auf der Basis eines AFIS Systems zu installieren, das bereits im SIS, im Visumsystem VIS und dem Einreise-Ausreisesystem EES eingesetzt wird.12 Über eine Abfrage beim polizeilichen Informationsverbund INPOL-neu haben sowohl die Polizei des Bundes als auch der Länder Berechtigung zur Nutzung des SIS ll-AFIS. Das erklärte Ziel ist ein gemeinsamer Speicherfür Identitätsdaten, um damit die Möglichkeit zu schaffen, Mehrfachidentitäten zu erkennen und die allgemeine Kriminalität zu bekämpfen. Die Implementierung von AFIS ist für alle Staaten des Schengen Raums verpflichtend und soll bis Ende 2021 umgesetzt sein.

Das Schengener Informationssystem SIS II ist mit 1,1 Millionen Einträgen13 (Stand Mai 2020) zu Personen die umfangreichste Datenbank in der EU, sie erfasst unerwünschte, vermisste und zur Fahndung ausgeschriebene Personen und setzt dafür AFIS ein. Die Datenbank wächst rasant, Ende Juni 2018 waren 121.02514 durchsuchbare Fingerabdrücke in der Fahndungsdatenbank gespeichert, Anfang 2019 waren es rund 236.000 durchsuchbare Fingerabdrücke und am 3. Januar 2020 bereits 273.423. Es werden keine Handflächenabdrücke im SIS II gespeichert.

Weiterhin sind im SIS II nach Auskunft der Bundesregierung in der Drucksache 19/16723 vom 23.1.2020 Bilder von 63.447 Personen gespeichert, die allerdings „aktuell nur herangezogen werden, um die Identität einer Person zu bestätigen, die durch eine alphanumerische Abfrage im SIS II aufgefunden wurde.“15 Eine Verknüpfung zwischen der Datenbank der Fingerabdrücke, der Bilderdatenbank und den biografischen Daten einer Person besteht aus technischen Gründen nicht.

Das Europäische Visa-Informationssvstem VIS, vom BMI als Meilenstein in der europäischen Migrationspolitik bezeichnet16 ist mit SIS II und EES verknüpft und prüft vorgelegte Visa auf Echtheit und Rechtmäßigkeit anhand der biografischen und biometrischen Daten und erfasst Kopien der Reisedokumente von Visumantragstellern. VIS erlaubt die Ausschreibung unbekannter Personen, wenn diese in Verbindung mit einer schweren oder terroristischen Straftat gesucht werden. Dies kann auch anhand von Finger- oder Handflächenabdrücken erfolgen. Nach Auskunft der EU-IT-Agentur eu-LISA waren zum 1. Januar 2018 44 803 587 Fingerabdrucksätze im VIS gespeichert.17

Das ,Entry-Exit-System‘ EES sammelt an Grenzen und Flughäfen automatisiert Informationen über die Bewegungen Drittstaatsangehöriger im Rahmen des Smart- Border-Packages. Die rechtliche Grundlage ist die Verordnung 2016/0106 des Europäischen Parlaments vom 8.11.201718

INPOL-neu ist die vernetzte Datenbank der deutschen Polizei und wird beim Bundeskriminalamt geführt. Zugriff auf die Daten haben das BKA, alle Dienststellen der Landespolizei, die Bundespolizei (früherer Name Bundesgrenzschutz), Zollbehörden und die Polizei beim Deutschen Bundestag. Über INPOL-neu existiert zusätzlich eine Zugriffsmöglichkeit aufdas SIS und das EUROPOL Informationssystem EIS.19 Auf der nationalen Ebene nutzt das BKA ein AFIS, in der dieser Datenbank sind die Fingerabdrücke von 5,3 Millionen Personen gespeichert, jeden Monat kommen etwa ca. 60.000 digitale Fingerabdruckblätter dazu, die gespeichert, ausgewertet und qualitätsüberprüft werden. Im Jahr 2019 erfolgten pro Monat etwa 19.300 Identifizierungen auf Basis des Abgleichs von Fingerabdrücken.20

Europol ist seit 2010 eine vollwertige EU Agentur zur Bekämpfung von Terrorismus, Cyberkriminalität und anderen Formen schwerer und organisierter Kriminalität unter streng kontrollierten Umständen und unter besonderen Schutzmaßnahmen. Europol arbeitet ebenfalls mit einem AFIS System und kann Fingerabdrücke im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen mit der Eurodac Datenbank abgleichen.

Im Januar 2003 wurde das auf der Basis von AFIS erstellte Fingerabdruckidentifizierungssystem Eurodac ins Leben gerufen. Eurodac steht für die Europäische Asyldacty- loskopie, das heißt die Verarbeitung, Speicherung und Abgleich der aufgenommenen Fingerabdrücke von Asylsuchenden und Migranten, illegalen Einwanderer sowie von allen Ausländern außerhalb des EU Raums, die in Deutschland leben.

Die Hauptaufgabe von Eurodac ist die Umsetzung der EU-Verordnung Nr.604/20133, auch als Dublin-Verordnung bekannt, die Verordnung ist am 20.7.2015 in Kraft getreten. Sie gewährt Strafverfolgungsbehörden der 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen Zugang zu Fingerabdruckdatenbanken für die Analyse, bei der Ermittlung oder Verhütung terroristischer Netzwerke und Anschläge oder sonstiger schwerer Straftaten.

Eurodac unterstützt ebenfalls die EU-Länder als zentrale Datenbank bei der Feststellung der Zuständigkeit, welcher EU-Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags verantwortlich ist. Eurodac ist einer der sieben Bestandteile von GEAS mit dem Ziel der Angleichung der Asylsysteme aller EU-Mitgliedstaaten. Alle Asylsuchenden sollen gleichbehandelt werden und anhand einer identischen Anerkennungsrichtlinie Schutz erhalten. In Eurodac sind mit Stand vom 1. Dezember 2019 insgesamt 5.662.616 Fingerabdruckblätter gespeichert, Handflächenabdrücke sind nicht erfasst.21 22 Der ehemalige Bundesinnenminister Dr. Lothar de Maizière kritisierte die mangelnde Interoperabilität von Eurodac in seiner Rede "Polizei 2020" auf der BKA-Herbsttagung am 16. November 2016 in Mainz wie folgt: „Das Fingerabdruck-System Eurodac zeigt zwar an, wenn derselbe Fingerabdruck schon einmal in einem anderen EU-Mitglied- staat gespeichert wurde. Es zeigt aber nicht an, unter welchem Namen der Fingerabdruck gespeichert wurde. Eurodac erfasst diese Information nicht einmal. Das ist Folge eines - gut gemeinten, aber eben schlecht gemachten - Datenschutzes.“212 DerSach- standsbericht des Bundestags WD 3 - 3000 - 289/18 bestätigt dies „Die Fingerabdrücke sind gemäß Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 bzw. nach Art. 14 Abs. 2 der EurodacVO zusammen mit weiteren Daten wie dem Geschlecht der Person sowie dem Ort und Zeitpunkt des Antrags auf internationalen Schutz bzw. dem Ort und Zeitpunkt des Aufgreifens der Person, an das Zentralsystem von Eurodac zu übermitteln. Eine Übermittlung des Namens der Person erfolgt hingegen nicht. Die Daten werden vielmehr anonymisiert unter einer Kennnummer übermittelt und gespeichert.“23

Bis vor einigen Jahren erfolgte der Einsatz biometrischer Identifikationssysteme überwiegend zu Sicherheitszwecken, z.B. bei der Kontrolle des Zutritts in gesicherten Bereichen wie Kernkraftwerken, Gefängnissen oder an Flughäfen. In Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 wurden die bestehenden Maßnahmen zur inneren Sicherheit neu bewertet und der Einsatz biometrischer Systeme erlangte zunehmend mehr an Bedeutung, insbesondere für die Identitätsklärung von Asylsuchenden, die weitaus höhere Anforderungen stellt.

Sofern der Asylsuchende mittels geprüft echter Ausweispapiere seine Identität und Herkunft nachweisen kann, erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich eine Aufnahme der Fingerabdrücke sowie ein Biometrisches Foto. Diese Daten werden an das AZR im BVA Registerportal und an die MARiS-Akte weitergeleitet.

Bei ungeklärter Identität ist in Deutschland neben der generellen Erfassung der biographischen und biometrischen Daten eine Auswertung mitgeführter Datenträger gesetzlich erlaubt. Die beiliegende Grafik erläutert anhand eines Beispiel aus dem Jahr 2017 den Fluchtweg über Griechenland, Aufgriffdurch die Polizei in Ungarn und Weiterreise nach Deutschland, dass die biometrischen Daten insgesamt viermal erfasst wurden und die Registrierung in Datenbanken an sechs verschiedenen Stellen erfolgte bis zur abschließenden Erfassung in der InGE des BAMF Anl1. Ein komplizierter Verwaltungsaufwand und auch andere europäische Länder sahen sich angesichts der Flüchtlingswelle ab 2015 vor ähnliche Herausforderungen gestellt. Die institutioneile Zuständigkeit liegt allerdings bei den meisten nachfolgend genannten Ländern bei den Polizeibehörden und nicht bei den Migrationsbehörden. Außerdem unterscheidet sich maßgeblich Umfang und Anzahl der ausgewerteten Datenträger.

Auf der europäischen Ebene sind die eingesetzten Methoden zur Identitätsfeststellung verschieden und werden hier anhand eines Reports des Europäischen Migrationsnetzwerks EMN von 2017 - „Challenges and practices for establishing the identity of third- country nationals in the migration procedures“24 zusammengefasst:

- Belgien: Es gibt eine zentrale Datenbank der Einwanderungsbehörde mit biometrischen Daten mit Zugang für die Bundespolizei. Analyse und Auswertung aller Datenträger ist seit 2017 gesetzlich erlaubt, allerdings nur bei begründetem Verdacht. Praktisch ausgeführt wurde diese Methode bis 2019 nicht. Im Jahr 2018 wurde gegen das Gesetz eine Beschwerde beim belgischen Verfassungsgericht eingereicht.25
- Die Polizei in Dänemark führt schon seit 2015 Datenträgerauswertungen mit kompletter Spiegelung und Speicherung der Daten im Rahmen von Asylverfahren durch, Voraussetzung dafür sind lediglich „Verdachtsmomente“.216
- Die Asylabteilung der Einwanderungsbehörde in Finnland wird in Kürze das „Flow 2-Projekt“ starten, welches darauf abzielt eine Methode zur Suche und Verwendung identitätsbezogener Informationen in sozialen Medien zu entwickeln. 215
- Frankreich nutzt 2017 nur bildbiometrische Erkennungsmaßnahmen.215
- In Großbritannien ist das Auslesen von Datenträgern durch die Polizei auch unabhängig von Asylverfahren weitverbreitet. Im Rahmen von Einwanderungskontrollen wurden zudem deutliche Lockerungen im Datenschutz ermöglicht. Datenträgerauswertungen dürfen sowohl durch Einwanderungsbehörden als auch durch die Polizei ausgeführt werden. Neben der Auslesung sind auch heimliche Überwachungsmethoden und das Hacken von Telefonen und Computern gesetzlich erlaubt.216
- Irland nutzt ebenfalls nur bildbiometrische Erkennungsmaßnahmen.215
- Lettland nutzt das „“The State Border Guard Automated Fingerprint Identification Systemintegration with the Biometric Data Processing System” zum Abgleich von Fingerabdrücken mit Eurodac in Verbindung mit dem zentralen Visa-Informationssystem und wendet zudem Datenträgerauswertung an.215
- Litauen hat ein Migrationsinformationssystem (MIGRIS) entwickelt, mit dem die Migrationsprozesse in einen virtuellen Raum verlagert und die Verwaltung, Bereitstellung und Kontrolle automatisiert und in Verbindung mit anderen nationalen Registern und Informationssystemen gebracht werden können. Der Einsatz von Datenträgerauswertungen ist geplant.215
- Luxemburg hat (zusammen mit Belgien und Polen) ein Pilotprojekt mit Videokonferenzen zur Identifizierung gestartet (VCI), wodurch die diplomatischen Vertreter ihre Staatsangehörigen perVideokonferenz identifizieren sollen.215
- In den Niederlanden werden ab dem 1. Juli 2017 nicht nur Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis, sondern alle Asylbewerber in der Municipal Personal Records Database registriert, Datenträger werden ausgewertet.215
- Norwegen hat 2018 im Automated Biometric Information System (ABIS) mit der Registrierung von Fotos begonnen, die für die Gesichtserkennung und den Fingerabdruck geeignet sind. Die Datenträgerauswertung obliegt der Polizei und wird im Rahmen der Registrierung durchgeführt.216
- Österreich hat als Anrainerstaat der Balkanroute ein vornehmliches Interesse daran die Reiserouten von Asylsuchenden nachverfolgen zu können, um sie gegebenenfalls in andere EU-Staaten gemäß der Dublin-Ill-Verordnung zurückführen26 27 zu können. Die Datenträgerauswertung gehört in Österreich in den Zuständigkeitsbereich der Sicherheitsbehörden, die die Daten dann an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weiterleiten sollen. Die UNHCR hat kritisiert, dass diese Verantwortlichkeit bei den Migrationsbehörden liegen muss und nicht bei den Sicherheitsbehörden.28 29 30
- In Schweden plant die Migrationsagentur in Zusammenarbeit mit schwedischen Missionen eine Pilotstudie im Ausland im Zusammenhang mit der Dokumenten- prüfung.215
- In der Slowakischen Republik werden verschiedene Anpassungen vorgenommen, um die Funktionsweise und Interoperabilität von migrationsbezogenen Informationssystemen zu verbessern.215
- Zypern plant die Einführung eines neuen nationalen Visa-Informationssystems. 215

Die Herausforderungen der internationalen Kooperation in der der europäischen Asyl- und Migrationspolitik sind erkannt „Der Mehrwert, den die EU bei der Bewältigung der Migrationsproblematik (im Jahr 2019) leisten konnte, ist essenziell. Die insbesondere durch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen und Europol geleistete operative Unterstützung der Mitgliedstaaten ist integraler Bestandteil der Maßnahmen der EU in den Bereichen Grenzsicherheit und Rückkehr, Migration und Asyl sowie Bekämpfung von Schleusern. Sie ist die konkrete Ausprägung jener Solidarität, in der europäische und nationale Bemühungen Hand in Hand gehen, und durch die Vertrauen entsteht. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten bei der Entsendung von Experten für die Arbeit dieser Agenturen keine Engpässe zulassen.“31 Die EU Kommission hat bereits im Februar 2019 über die Vernetzung der bestehenden großen Datenbanken SIS II, VIS und Eurodac diskutiert, in der biographische und die bereits vorliegenden riesigen Mengen biometrischer Daten mit einer Suchfunktion selektiert und ausgewertet werden sollen und Abfragen auch Zugang auf die bei Interpol und Europol hinterlegten Daten haben. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsident- schaft im zweiten Halbjahr 2020 wurde im September 2020 von der EU-Kommission ein neues Migrations- und Asylpaket auf der Rechtsgrundlage von Artikel 78 und 79 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgestellt und verabschiedet. Das Motto dieser Ratspräsidentschaft lautet „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“32 und spiegelt sich auch in der Diskussion um die Kernelemente der gemeinsamen europäische Migrations- und Asylpolitik wider. Das Reformpaket mit seiner Neuausrichtung und Modernisierung der europäischen Migrations- und Asylpolitik wurde in Form einer Mitteilung veröffentlicht und ist dadurch nicht rechtsverbindlich. Die Bearbeitung des Themas Implementierung und Interoperabilität sämtlicher IT- Großsysteme in den Mitgliedsländern hat die EU-Kommission im Fahrplan für das 4. Quartal 2023 eingeplant. Geplant ist die Vernetzung der Systeme für Grenzen, Migration und der Eindämmung irregulärer Migration, Sicherheit und Justiz aller EU-Mit- gliedsländer damit diese miteinander „kommunizieren“ können33 ’ das heißt Eurodac zu einer vollwertigen gemeinsamen europäischen Datenbank auszubauen, dies ist ein überzeugendes Konzept. Die EU hat im September 2020 ein erweitertes biometrisches Abgleichsystem zur Erkennung von Fingerabdrücken und Gesichtern mit einem Rahmenvolumen von 300 Millionen Euro in Auftrag gegeben.34 Eine rasche Umsetzung dieses Identitätsspeichers in die Praxis ist zwingend erforderlich.

Die unter Punkt 7 im Fortschrittsbericht der Präsidentschaft zu Kernelementen einer europäischen Migrations- und Asylpolitik erklärte Zielsetzungen bezieht sich auf die Identitätsfeststellung und -prüfung: „Ein funktionierendes Screening (Registrierung, Identifizierung, Sicherheits- und Gesundheitsprüfung) ist im Interesse eines umfassenden europäischen Migrations- und Asylsystems, damit irreguläre Migrationsströme verhindert und die Registrierung aller Personen, die in die EU einreisen, gesichert werden können.“35

Der Ansatz des neuen Asyl- und Migrationspakets im Bereich der Identitätsfeststellung überzeugt dahingehend, dass eine konsequente, einheitliche und dadurch vergleichbare Art und Weise des Screenings und der Datensicherung in einer gemeinsamen europäischen Datenbank sowohl Missbrauch des Asylrechts durch Mehrfachidentitäten Vorbeugen kann, als auch eine mögliche Rückführung ins Heimatland begünstigt durch verlässlichere Identitätsfeststellungen.

Unbestritten ist, dass intelligente Algorithmen aus Datenbanken eine Grundlage für die Identitätsanalyse liefern, sie liefern Hinweise, aber selten Beweise. Außerdem sind solche Systeme nicht sicher vor Manipulationen. Der Ansatz von Belgien eine finale Identitätsentscheidung im Migrationsprozess mit Unterstützung von Muttersprachlern aus dem diplomatischen Dienst zu treffen ist äußerst interessant und sollte bei nachgewiesenem Erfolg eine Modelllösung für die gesamte EU sein.

3. - Datenschutz - BAMF Datentresor

1. Schutzumfanq

Die Verarbeitung personenbezogener Daten greift in einen besonderen Aspekt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Würde des Menschen ein, nämlich dem Recht auf informationeile Selbstbestimmung. Dieser Zugriff auf die Daten ist durch das Datenschutzgesetz reglementiert. Begrenzte staatliche Eingriffe in dieses Recht sind möglich, dürfen aber nicht zu einer Katalogisierung der Persönlichkeit führen, wie der Bundesbeauftrage für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Prof. Ulrich Kel- ber am 21.10.2020 in seiner Kernforderung Nr.1 in der Stellungnahme zum Registermodernisierungsgesetz fordert.36

Zur Sicherung der Identität werden biographische Daten wie alle Namen, Geburtsdatum und biometrische, das heißt unveränderliche Daten von Personen wie Fingerabdrücke, Lichtbilder etc. in verschiedenen nationalen und europäischen Datenbanken gespeichert, unter anderem Eurodac / SIS II / INPOL-neu, VIS und AZR. Zur Feststellung und Überprüfung der Identität nutzen die zuständigen Behörden diese Datenbanken durch meist automatische Abfragen. Der Datenschutz greift in dem Moment, in dem biometrische Analyseverfahren individuelle körperliche Merkmale erfassen, aber auch besondere Arten personenbezogener Daten, wie Angaben über rassische und ethnische Herkunft, über politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben registriert werden. Solche Daten unterliegen gemäß § 3 Abs.9 des BDSG einem erhöhten Schutzbereich. In der alten Fassung des BDSG wurden diese als .sensible Daten“ bezeichnet. § 46 Nr.14 BDSG Begriffsbestimmungen und Art. 9 Abs.1 DSGVO definieren die besonderen Kategorien personenbezogener Daten.

„Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.“37 Das BDSG in der alten Fassung war hier noch konkreter, indem der Schutz alle Informationen umfasst, die etwas über den Betroffenen aussagen können, zum Beispiel auch Fotos sowie E-Mail- und Internet-Adressen.

Das Schutzrecht greift unabhängig davon, ob die Daten automatisch oder manuell erfasst wurden. Die Legitimierung der Erfassung biometrischer Daten und Auslesung sowie Auswertung von Handydaten erfolgt in Art.9 Abs.2 und definiert die Ausnahmen des Schutzrechts in folgenden Situationen:

lit a) Ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen. Hier ist anzuzweifeln inwieweit eine Unterschrift des Dateninhabers auf einem Dokument, dessen Inhalt er nicht in der Lage ist zu verstehen, als Einwilligung gewertet werden kann. Asylsuchende befinden sich während des Registrierungsverfahrens in einer Stresssituation und werden jedes offizielle Dokument mit dem Logo eines Ministeriums ohne Hinterfragen unterschreiben, nur um im Asylverfahren voran zu kommen.

Art.7 DSGVO führt die Bedingungen für die Einwilligung auf, sie stützt sich zunächst auf einen Nachweis der Einwilligung, wobei es keine konkreten Vorgaben für die Form gibt, weiterhin die Hervorhebung, Verständlichkeit und Zugänglichkeit bei mehreren Sachverhalten, die Information die Widerrufbarkeit der Einwilligung und die Belehrung hierüber sowie die Freiwilligkeit. Der Gesetzgeber gewährt hier einen unverständlichen Spielraum in der Nachweispflicht, da es zumindest ein 4-Augen-Prinzip zum Nachweis der Informationspflichten geben sollte.

lit b) Zur Durchsetzung von Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsrecht und dem Recht auf soziale Sicherheit

lit e) Bei offensichtlich öffentlich gemachten Angaben des Betroffenen lit f) Zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen

2. Gesetzliche Grundlagen

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in ihrer Fassung vom 26.10.2012 definiert in Art. 8 den Schutz personenbezogener Daten wie folgt1

„(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht“38

Die Datenschutzgrundverordnung DSGVO bildet seit dem 25.5.2018 den europaweit einheitlichen und verbindlichen Rechtsrahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Schutz der Persönlichkeits- und Menschenrechte in der digitalen Welt. Das Bundesdatenschutzgesetz BDSG tritt in seiner neuen Fassung gleichzeitig in Kraft. Die DSGVO ist das unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltende übergeordnete Recht und hat entsprechend Anwendungsvorrang gegenüber dem bundesbezogenen Datenschutzrecht BDSG, das keine von der DSGVO abweichenden Vorschriften enthalten darf, sondern lediglich über einen Regelungsspielraum verfügt. Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten im öffentlichen Bereich gemäß Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO ist es den Mitgliedstaaten möglich, die Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung zu konkretisieren. Dies ist in §§ 3 und 25 BDSG erfolgt.

Die datenschutzrechtlichen Grundsätze der Charta der Grundrechte der Europäischen Union greift die DSGVO in Art.5 auf, zu diesen zählen neben dem Rechtmäßigkeitsgrundsatz, dem Transparenzgrundsatz, der Datenminimierung und der Speicherbegrenzung insbesondere auch derZweckbindungsgrundsatz.

Erwägungsgrund 39 DSGVO betont, dass die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten und deren Abwicklung nach Treu und Glauben und dem Grundsatz der Transparenz erfolgen muss. Die betroffene Person muss verstehen welche Daten erhoben werden, warum und was mit den Daten weiter geschieht, dies betrifft insbesondere Daten und Informationen überdie Identität.

,,Personen sollten über die Risiken, Vorschriften, Garantien und Rechte im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten informiert und darüber aufgeklärt werden, wie sie ihre diesbezüglichen Rechte geltend machen können.- Insbesondere sollten die bestimmten Zwecke, zu denen die personenbezogenen Daten verarbeitet werden, eindeutig und rechtmäßig sein und zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten feststehen. Die personenbezogenen Daten sollten fürdie Zwecke, zu denen sie verarbeitet werden, angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke ihrer Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein. Dies erfordert insbesondere, dass die Speicherfrist für personenbezogene Daten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt bleibt. Personenbezogene Daten sollten nur verarbeitet werden dürfen, wenn der Zweck der Verarbeitung nicht in zumutbarer Weise durch andere Mittel erreicht werden kann. Um sicherzustellen, dass die personenbezogenen Daten nicht länger als nötig gespeichert werden, sollte der Verantwortliche Fristen für ihre Löschung oder regelmäßige Überprüfung vorsehen. Es sollten alle vertretbaren Schritte unternommen werden, damit unrichtige personenbezogene Daten gelöscht oder berichtigt werden. Personenbezogene Daten sollten so verarbeitet werden, dass ihre Sicherheit und Vertraulichkeit hinreichend gewährleistet ist, wozu auch gehört, dass Unbefugte keinen Zugang zu den Daten haben und weder die Daten noch die Geräte, mit denen diese verarbeitet werden, benutzen können.“300

3. Verarbeitung

Artikel 4 Nr. 2 DSGVO benennt als wesentlichen Verarbeitungstätigkeiten das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung von personenbezogenen Daten.

Der Gesetzgeber billigt den Betroffenen ein Beschwerderecht zu nach Art.77 und Art.13 Abs.2 lit d) DSGVO

1) „Jede betroffene Person hat unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt.
2) Die Aufsichtsbehörde, bei der die Beschwerde eingereicht wurde, unterrichtet den Beschwerdeführer über den Stand und die Ergebnisse der Beschwerde einschließlich der Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs nach Artikel 78.“30339 40

4. Datenweiteraabe

Die einmal erfassten personenbezogenen Daten stehen den Gerichten und verschiedenen Behörden der deutschen Verwaltung, wie Einwohnermeldeämtern, Ausländerbehörden, Sozialbehörden, Arbeitsagenturen und auch den Sicherheitsbehörden zur Verfügung. Durch die Einspeisung in die Fingerabdruck Datenbank Eurodac und die zukünftige Anbindung an das Schengener Informationssystem SIS II haben auch die zuständigen Stellen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz Zugriff auf die Daten (§ 8 Absatz 3 Asylgesetz, Art. 34 Dublin Ill-Verordnung).

5. Transparenzpflichten

Das Bundesamt verarbeitet die personenbezogenen Daten von Asylsuchenden zum Zweck der Prüfung Ihres Asylverfahrens, für Zwecke des Ausländerzentralregisters sowie für Zwecke der freiwilligen Rückkehr. Erfasst werden alle Namen, das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit, Gesundheitsdaten, Religion, Fingerabdrücke und biometrisches Lichtbild. Vorrangige Zwecke sind die Feststellung der Identität des Asylsuchenden und die Bestimmung des für die Aufnahme zuständigen Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Diese erfassten personenbezogenen Daten sind in bundesamtsinternen Informationssystemen sowie im Ausländerzentralregister gespeichert und bilden die Grundlage für die Entscheidung über den Asylantrag.

Das BAMF kommt bei der Registrierung von Asylsuchenden weitestgehend seinen Informationspflichten gemäß Art. 13 und 14 der DSGVO nach. Jeder Asylsuchende erhält zum Abschluss aller Formalitäten und mit der Aushändigung des AKN ein Informationsschreiben mit Anführung der Betroffenenrechte und hat die Kenntnisnahme mit seiner Unterschrift zu bestätigen.

Die Überschrift ist sowohl in deutsch, englisch, als auch in arabisch. In der arabischen Übersetzung ist ein Schreibfehler und zwar wird anstatt „erklärt“ das Wort „steht“ geschrieben, der Satz verliert damit an Sinn. Weitere Übersetzungen der wichtigen Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten gibt es nicht, insofern unterschreibt derAsylsuchende ein Dokument, das er nicht verstehen kann.

Nicht erwähnt und auch nicht praktisch umgesetzt ist außerdem der in Art. 13 Nr.2 geforderte Zeitpunkt der bereitgestellten Information bei der Datenerhebung und der Umfang der verarbeiteten Daten, beispielhaft wird hier nur das Geburtsdatum angeführt, die Tiefe der verarbeiteten personenbezogenen Daten bleibt gänzlich unerwähnt.

[...]


1 http://dipbt.bundestaa.de/dip21/btd/19/220/1922023.pdf. Seite 24-25, 5.2.21,7:41

2 Stellungnahme für den 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode (Anschlag auf dem Breitscheidplatz) „Vollzug des Aufenthalts- und Asylrechts im föderalen Gefüge" , Seite 8, 11.1.21, 17:19

3 https://www.frnrw.de/fileadmin/frnrw/media/lntearationsqesetz/Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreise- pflicht/20170221-Stellunanahme-PRQ-ASYL-Gesetz-zur-besseren-Durchsetzuna-der-Ausreisepflicht.pdf. Seite 5, 11.1.21,2136

4 Gesetzvom 20.07.2017-BundesgesetzblattTeil I 2017 Nr. 52 28.07.2017S. 2780 12.1.21. 6:02

5 Gesetz vom 15.08.2019- Bundesgesetzblatt Teil I 2019 Nr. 31 20.08.2019 S. 1294, 12.1.21,6:16

6 Stellungnahme für den 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode (Anschlag auf dem Breitscheidplatz) „Vollzug des Aufenthalts- und Asylrechts im föderalen Gefüge", Seite 2, 11.1.21, 17:16

7 https://deiure.org/aesetze/AsvlG/15.html. 11.1.21, 18:05

8 https://www.buzer.de/gesetz/4752/a65983.htm. 11.1.21, 22:10

9 https://eur-lex.europa.eu/leaal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32010D0458&from=DE. Satz 1, 17.1.21, 9:25

10 https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/public/Haaaer-Programm.pdf. 18.1.21, 18:20

11 https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldunaen/DE/2020/20201202-easo-third-countrv-cooperation-network-mee- ting.html?nn=285460. 17.1.21,21:57

12 https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-8-2018-001595-ASW DE.html. 19.1.21, 19:25

13 https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/nationale-und-internationale-zusammenarbeit/polizeiliches-informationswe- sen/polizeiliches-informationswesen-artikel.html. 20.1.21, 9:36

14 https://netzpolitik.org/2020/bka-erhaelt-78-millionen-euro-fuer-ausbau-des-schengener-informationssystems/ 21.1.21, 20:59

15 http://dipbt.bundestaa.de/doc/btd/19/167/1916723.pdf. Seite4, 22.1.21,6:15

16 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilunaen/DE/2020/12/visa-informationssvstem.html. 19.1.21, 19:58

17 ~2Ö8~http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/073/1907365.pdf. 22.1.21. 6:48

18 https://data.consilium.europa.eu/doc/document/PE-47-2017-INIT/de/pdf. 22.1.21, 8:17

19 https://www.nadir.ora/nadir/initiativ/linksrhein/dokus/innen/inpol/inpol.htm. 22.1.21,9:05

20 https://www.bka.de/DE/UnsereAufaaben/Ermittlunasunterstuetzung/Erkennunasdienst/erkennunas- dienst node.html#doc19616bodvText3. 17.1.21, 10:05

21 https://dipbt.bundestaa.de/doc/btd/19/167/1916723.pdf. S. 3. 20.1.21,17.02

22 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/reden/DE/2016/11/bka-herbsttaaung-2016.html. 20.1.21, 19:28

23 https://www.bundestaa.de/resource/blob/573366/23501b0babb4774f5c8b1cbbac05a8f5/WD-3-289-18-pdf-data.pdf. Seite 5, 22.1.21,7:04

24 https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/OQ eu synthesis report identity study final en v2.pdf. Seite 41ff, 4.1.2021,20:43

25 https://freiheitsrechte.orq/home/wp-content/uploads/2019/12/GFF-Studie Diaitalisieruna-von-Miarationskontrolle.pdf. Seite 44 ff., 5.1.2021, 20:26

26 https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/OQ eu synthesis report identity study final en v2.pdf. Seite 41ff, 4.1.2021,20:43

27 https://freiheitsrechte.orq/home/wp-content/uploads/2019/12/GFF-Studie Diaitalisieruna-von-Miarationskontrolle.pdf. Seite 44 ff., 5.1.2021, 20:26

28 https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/OQ eu synthesis report identity study final en v2.pdf. Seite 41ff, 4.1.2021, 20:43

29

30 https://www.unhcr.orq/dach/wp-content/uploads/sites/27/2018/05/AT UNHCR FrAEG 2018.pdf. Seite 18, 5.1.2021,20:59

31 https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-aaenda-migration/20191016 com- 2019-481-report de.pdf. S.24, 5.1.21 16:30

32 https://www.eu2020.de/eu2020-de. 20.1.21, 19:57

33 https://eur-lex.europa.eu/leaal-content/DE/TXT/?aid=1601287338054&uri=COM%3A2020%3A609%3AFIN#document2

34 https://netzpolitik.ora/2020/eu-zahlt-300-millionen-euro-fuer-erkennuna-von-aesichtern-und-finaerabdruecken/ 22.1.21 20.38

35 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichunaen/2020/eu-rp/fortschrittsbericht-kernele- mente.pdf? blob=publicationFile&v=2. 20.1.21,20:13

36 https://www.bfdi.bund.de/DE/lnfothek/Transparenz/Stellunanahmen/2020/StaN InnenA-Reaistermodernisierunasae- setz.html?cms templateQuervStrina=Kataloaisieruna+der+Pers%C3%B6nlichkeit+&cms sortOrder=score+desc 4.2.21.6.55

37 https://dsavo-gesetz.de/art-9-dsavo/ 4.2.21. 7:08

38 https://eur-lex.europa.eu/leaal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A12012P/TXT#d1e68-393-1.4.2.21,8:01

39 300 https://dsavo-gesetz.de/erwaeaunasaruende/nr-39/. 2.2.21, 21:39

40 https://dsavo-aesetz.de/art-77-dsavo/. 4.2.21. 10:38

Ende der Leseprobe aus 106 Seiten

Details

Titel
Identitätsfeststellung von Asylsuchenden im europäischen Vergleich. Das Beispiel der Datenträgerauswertung
Autor
Jahr
2020
Seiten
106
Katalognummer
V996838
ISBN (eBook)
9783346368027
ISBN (Buch)
9783346368034
Sprache
Deutsch
Schlagworte
identitätsfeststellung, asylsuchenden, vergleich, beispiel, datenträgerauswertung
Arbeit zitieren
Malek Younes (Autor:in), 2020, Identitätsfeststellung von Asylsuchenden im europäischen Vergleich. Das Beispiel der Datenträgerauswertung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/996838

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