Digitales Spielen. Chancen und Risiken für den kognitiven Entwicklungsbereich von Schulkindern


Akademische Arbeit, 2020

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Begriffserklärung „Digitales Spielen“
1.2 Zielgruppe
1.3 Der Wandel der digitalen Spiele
1.4 Die Auswirkungen der Digitalisierung für die digitalen Spiele

2 KIM - Studie und empirische Forschung
2.1 KIM Studienergebnisse
2.2 Nutzungshäufigkeit
2.3 Beliebteste Spiele
2.4 Alterskennzeichnung I
2.5 Empirische Forschung: Umfrage an der Grundschule (Name Anonymisiert)
2.6 Beliebte Spiele
2.7 Alterskennzeichnung II
2.8 Smartphone Nutzung
2.9 Fazit

3 Theoretische Psychologische Grundlagen
3.1 Ein Blick auf das Entwicklungsmodell von Jean Piaget
3.2 Kritische Würdigung zu Jean Piaget
3.3 Reflexion der Gaming Praxis mit Blick auf die Theorie von Jean Piaget
3.4 Kognitive Auswirkungen auf das Schulkind
3.5 Empfehlungen für altersgerechte Entwicklung

4 Chancen und Grenzen der pädagogischen Arbeit
4.1 Berufliche Rolle

5 Ausblick
5.1 Ausgewählte Präventive Angebote

6 Fazit

7 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Digitale Spiele sind gerade bei Heranwachsenden beliebt und gelten seit 2008 als anerkanntes Kulturgut. Die zunehmende Distanz zur Natur und die Digitalisierung machen echte Erlebnisse zu seltenen Ereignissen. Die Spiele dienen als Mittel zur Entspannung und Stressabbau. Durch das Spiel begibt man sich in überraschende und herausfordernde Situationen. Hier werden Gefühle erlebt, die im Alltag oft wenig Raum bekommen. Was im Alltag nicht möglich ist, gibt das Spiel her. Exploration und Erprobung des Könnens in verschiedenen Rollen und Perspektiven geben Raum, die eigene Identität spielerisch zu erforschen. Die Frage, wie wir etwas aus digitalen Spielen für die Lernkultur mitnehmen können, zeigt uns auf, dass wir vor einer neuen pädagogischen Herausforderung stehen. Spielenden fällt es meist schwer Anschluss in das reale Leben zu finden. Hier sind wir als pädagogisches Personal gefragt uns neue Handlungsstrategien anzueignen, um sinnvolle, anregende und entspannte Freizeitbeschäftigungen zu schaffen, die das Kind in seiner Welt abholen. Erlernte kognitive Erfahrungen sollen aus dem Spiel im Alltag ausprobiert werden. Vor dem Hintergrund, dass sich Computer- und Konsolenspiele hoher Beliebtheit erfreuen und gleichzeitig Werte, Normen, Orientierungen und Weltanschauungen vermitteln, halte ich es für wichtig diese Form der Mediennutzung genauer zu untersuchen. Bedarf es eines neuen Blickes auf die Spielkultur? Wenn ja, welcher ist wertvoll für die pädagogische Arbeit in unseren Institutionen? In dieser Facharbeit wird zunächst die Spielkultur in ihrem Wandel vorgestellt, sowie ihre Auswirkungen auf digitaler Ebene. Um sich einen Überblick für die Ausgangslage zu verschaffen werden interessante KIM (Kindheit, Internet, Medien) Studienergebnisse zur Nutzungshäufigkeit und Beliebtheit von digitalen Spielen präsentiert. Diese werden mit den Ergebnissen aus meiner empirischen Forschung verglichen. Vergleicht man die Untersuchungsergebnisse mit meinen Ausführungen wird eine Tendenz deutlich. Meiner Ansicht nach bedarf es hier einer kritischen Betrachtungsweise, die mit einem ersten Fazit abgerundet wird. Im weiteren Verlauf meiner Arbeit beziehe ich den psychologischen Standpunkt von Jean Piaget in meine Überlegungen ein. Hier zeigen sich Analogien für Empfehlungen für eine altersgerechte Entwicklung auf die näher eingegangen wird. Daran schließt der letzte große Teil, der die pädagogische Arbeit genauer beleuchtet. Hier werden Chancen und Grenzen aufgezeigt und geeignete Handlungsstrategien vorgestellt. Ziel sei es, daraus die passenden Anforderungen an die Pädagogen der heutigen Zeit und der Zukunft abzuleiten und daraus klare Empfehlungen zu formulieren. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen weibliche und männliche Personen.

1.1 Begriffserklärung „Digitales Spielen“

Das Spielen an Konsolen, Smartphones und Computern in Deutschland ist weit verbreitet. Sowohl durch Spiele Apps auf dem Weg zur Schule, als auch gemeinsam mit Familie und Freunden an der Spielekonsole. Das „Digitale Spielen“ ist in der Alltagskultur fest verankert. Es schafft ein verbindendes Interesse aller Gesellschaftsschichten und ist Freizeitbeschäftigung mehrerer Generationen. Fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung spielt Computer- und Videospiele. 34,3 Millionen Menschen, die gerne Zeit an den digitalen, interaktiven Spielen verbringen sind in der Videospielszene unter dem Begriff „Gamer“ bekannt (Statista, 2020). An dieser Stelle bin ich während meiner Recherchearbeiten auf meine Zielgruppe gestoßen, welche in etwa 2,7 Millionen Kinder im Alter bis zu 9 Jahren einschließt. Mit ca. 5,3 Millionen „Gamern“ bilden die Kinder im Alter von 10 – 19 Jahren einen weiteren erheblichen Anteil (Statista, 2020).

1.2 Zielgruppe

Auf dieser Basis definieren sich Kinder im Alter von 6-12 Jahren als Schulkinder. Sie befinden sich psychologisch gesehen auf der Entwicklungsstufe der mittleren Kindheit (7-10. Lebensalter) und späteren Kindheit (11-14. Lebensalter). Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der mittleren Kindheit (7-10. Lebensalter).

1.3 Der Wandel der digitalen Spiele

Eine Widerspiegelung der digitalen Spielewelt damals und heute.

Zugegebenermaßen, als in den 70er Jahren die ersten digitalen Spiele auf den Warenmarkt erschienen, ahnte noch niemand mit welcher Schnelligkeit sich die Technik bis heute verändern würde.

Waren die ersten Titel noch mit simpler Grafik und Spielmechanik eingekleidet tauchen Spieler heutzutage in virtuelle Welten hinein. Videospiele wie „Pong“ (1972), „Space Invaders“ (1978) „Asteroids“ (1979) und „Pac Man“(1980) sind bekannte Klassiker, die man in der Vergangenheit ausschließlich aus der Spielhalle kennt. Die Vorreiter der Spielwelt „Atari“(1972), und „Magnavox“(1972), brachten Heimkonsolen heraus, die mit dem Fernsehgerät kompatibel waren. Die damaligen Verkaufspreise machten die Geräte allerdings nicht für Jedermann erschwinglich.

1984 war das Jahr der japanischen Videohersteller. „Nintendo“ und „Sega“ eroberten den Markt. Deren Konsolen waren in den USA sehr gefragt. Von nun an konnte sich Jedermann das Spielen in den eigenen vier Wänden leisten. Spielfiguren wie „Super Mario“(1985), und „Sonic the Hedgehog“(1991), brannten sich in die Köpfe einer ganzen Generation. Parallel dazu zog sich fortwährend auch ein technischer Fortschritt in der Computerbranche durch. Es wurden kontinuierlich neue Maßstäbe gesetzt wie die Erschaffung neuer 3D Welten. Das Spiel „Starwing“ (1993) bot den Spielern ein zusätzliches neues Raumgefühl im Videospiel. Die „SNES“ Konsole von Nintendo war zu der Zeit ein wichtiger Meilenstein. Die meisten Videospielhersteller überschätzten sich damals und überlebten nicht lange auf dem hart umkämpften Markt. Es wurde minderwertige Software in großer Stückzahl produziert, welche keinen Absatz fand. Die Sega- und Nintendo Konsolen blieben als einzige auf dem Markt. Deren detaillierte Grafik und vielfältiger Klang sorgte für einen neuen Standard im digitalen Spiel. Im Jahr 1994/1995 stieg Sony als Konsolenhersteller in den Wettbewerb ein und bescherte dem Spieler durch aufregende Videosequenzen und packende Soundtracks ein neues Gefühl von Spielspaß. Das neue Speichermedium „CD“ (Compact Disc) verhalf den Herstellern zu schier unbegrenzten Möglichkeiten bei der Gestaltung neuer „Games“ (engl. für Spiele). Kurz vor der Jahrtausendwende trumpften dann die neuen Konsolenhersteller (Sony, Microsoft), mit damals großartiger Technik auf. Dem schnellen Wechsel hielt nicht jeder Konsolenhersteller stand. Der Konsolen Gigant „Sega“ verließ den Wettbewerb der Konsolen und forcierte die hauseigene Spielproduktion. Im Jahr 2001 legte Microsoft mit der „Xbox“ das Fundament für eine digitale Vernetzung der Spieler. Die Konsolen waren mit dem Internet verbunden. Die Spieler konnten ab sofort mit dem Onlinedienst „Xbox Live“ mit anderen Spielern Online spielen. Von da an setzten sämtliche Konsolenhersteller auf ähnliche Onlinedienste (PlayStation Network, 2006, Nintendo) das bis zur heutigen Gegenwart anhielt. Nintendo brachte 2006 ein völlig neues Spielkonzept auf den Markt. Mit der neuartigen Bewegungsteuerung der „Wii“ sprachen sie auch andere Zielgruppen an. Rätselspiele, Tennis oder Angeln wurden mit innovativen Bewegungssensoren revolutioniert. Leistungsstärkere Computer und größere Bandbreiten trieben die Vernetzung der Spieler voran. Spielgenres wie das Massively Multiplayer Online-Spiel (MMO) konnten dadurch entstehen. In MMO Games agieren viele Menschen gebündelt gegen einen Endgegner. Auch die MOBA (Multiplayer-Online-Battle- Area) machte sich einen Namen in der digitalen Spielszene, in der Gruppen gegeneinander spielen. Es ist ein bekanntes Computer Spielgenre bis zur heutigen Zeit. Die nächste Generation des Spielens kündigte sich 2011 an. Mit einer neuen Version des „Nintendo Gameboy“(1989), dem „Nintendo 3DS“, wurde mobiles Spielen neu erfunden. Ausschlaggebend für den Spielspaß waren nun zwei Bildschirme. Der untere Bildschirm, ein Touchscreen, kam zum Spielbildschirm hinzu und ermöglichte den Spielern bisher nie da gewesene Möglichkeiten. Dazu verbreiteten sich die Smartphones und Tablet-Pc's, die mit ihrer kompakten Touchscreen Technologie neue Standards setzten. Ein neuer riesiger Teilmarkt für Spiele entstand. Heute bieten die meisten Spiele einen online Mehrspieler Modus an. Dazu besitzen die meisten Onlinespiele eine integrierte Chatfunktion mit Sprachübertragung. Es kommt zu einem intensiveren Austausch und der Knüpfung neuer Kontakte über das Spiel hinaus. Nicht nur die Plattformen boten mittlerweile facettenreiche Alternativen zum Spielen an. Die Vermarktung von Spielen veränderte sich im letzten Jahrzehnt zusätzlich. Free-To-Play Games bieten den Spielern Basisspielinhalte, die kostenlos genutzt werden können in Online- und Browserspielform. Bekannte Spiele sind Minecraft (2009), My Free Farm, (2009) und Fortnite (2017). Diese erreichten Menschen aus allen sozialen Schichten. Von da an entwickelte sich der Spielemarkt zum Downloadgeschäft hin. Der zusätzliche Onlineverkauf von virtuellen Materialien und Gütern fand guten Anklang bei Gamern. Durch die weltweite Vernetzung des Internets gewann der e-Sport (Elektronischer Sport) Anfang der 2000er an immer höheren Stellenwert. Beim e-Sport treten zahlreiche Spieler in virtuellen Turnieren gegeneinander an. Die Zuschauerzahlen erreichten 2019 rund 443 Millionen weltweit (statista.com, 2020).

Besonderes Aufsehen erregte 2019 das Preisgeld. Die Gewinnsumme betrug beachtliche 34,3 Millionen US-Dollar (statista.com, 2019). Seit einigen Jahren ist ein neuer Trend in der Spielszene zu beobachten. So wird nicht nur selber gespielt, sondern beim Spielen über YouTube (2005) oder Twitch (2006) zugeschaut. Sogenannte „LetsPlay-Videos“ erfreuen sich äußerster Beliebtheit. Dadurch ist es möglich vor dem Kauf komplett in die Spielwelt einzutauchen und sich genauer über ein Spiel zu informieren. Beliebte „Youtuber“ (eine Person, die auf dem Videoportal YouTube Videos veröffentlicht, und damit ein Webvideoproduzent) kommentieren diese Spielwelten über ein Mikrofon. Die Kommentarfunktion in den Videos schafft bei den Zuschauern ein Gemeinschaftsgefühl. Hier können Themen zum Spiel ausgetauscht werden. Die erfolgreichsten „Lets Play“ Kanäle erreichen Millionenzuschauer. So gelangte der Youtuber „Gronkh“ mit seinen „Lets Play Videos“ 4,89 Millionen Abonnenten (Youtube, Stand August 2020). Gegenwärtig sind die sogenannten „Reaction Videos“ (Reaktion Videos) von großer Popularität. Dabei schauen sich „Youtuber“ bekannte und weniger bekannte Videos an und kommentieren diese teils mit Humor oder Kritik. Die Zuschauer können jederzeit in Echtzeit per Kommentarfunktion ein Teil dieser „Reaction Videos“ sein. Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten der elektronischen Medien prägen das Aufwachsen künftiger Generationen . Sie zeichnen sich durch eine technikbegeisterte Lebensweise aus, indem sie reich vernetzt sind, digital kommunizieren und einen schier endlosen Zugang zu vielen Informationsquellen gewohnt sind.

1.4 Die Auswirkungen der Digitalisierung für die digitalen Spiele

Wir leben in einer digitalisierten Welt, die von Freiheit sowie Verantwortung geprägt ist. Wir hören Radio, schauen Fernsehen und scrollen nebenbei im Handy. Reize werden aufgenommen, verarbeitet und beibehalten. Allerdings ist nicht alles, was wir in Netzwerken aufnehmen für Kinder angemessen. Fünf Prozent der Internetnutzer sind schon online auf unangenehme Inhalte gestoßen, vier Prozent sind mit beängstigenden Inhalten in Kontakt gekommen (vgl. Kim Studie 2018, S.62). Digitale Spiele stellen mit ihrer Vernetzung eine Sicherheitsfrage für den Schutz der Privatsphäre und der kindlichen Entwicklung. Es ist ein schmaler Grad zwischen den positiven Effekten des digitalen Spielens und den Gefahren, die daraus resultieren. Insbesondere sind da die digitalen Netzwerke, wie Messenger Dienste (Nachrichten Dienste) und Videoplattformen, hervorzuheben. Zum Spielen ist das Internet heutzutage unerlässlich. Digitale Netzwerke nutzen das Internet und sind somit omnipräsent. Das Leben spielt sich heutzutage nicht nur in einer physischen, sondern auch einer virtuellen Welt ab, in der das Grundbedürfnis des Menschen nach sozialem Kontakt zu anderen befriedigt wird (vgl. Spitzer, 2012, S. 127). Die Anonymität in den Netzwerken und im Internet birgt Gefahr für das Sozialverhalten. Kinder, die in der physischen Welt weniger Kontakt zu einer altersgerechten Peergroup (Gruppe mit großen Einfluss) pflegen, laufen Gefahr durch unsoziales Verhalten sich nicht altersgerecht zu entwickeln. Kinder brauchen Gelegenheiten und eine Reifezeit, um das persönliche Miteinander zu trainieren. Seit der Erfindung des Internets war es nie einfacher in eine neue Rolle zu schlüpfen und jemand anderes zu sein. Immer früher stehen sie vor der Aufgabe verschiedene Rollen zu unterscheiden und sich gesellschaftliche Werte anzueignen. Kinder entwickeln sich am Besten wenn sie mit allen Sinnen und mit einer sicheren Bindung die Welt erkunden können. Mit der Ordnung der Welt kommt die Sicherheit. Kinder orientieren sich am Menschen gegenüber. Doch wie verhält sich dies, wenn das Gegenüber nur ein Bildschirm ist. Als Pädagoge stellt sich aktueller denn je die Frage, in welchem Umfang den Kindern ein sensibler Umgang mit den digitalen Netzwerken beigebracht wird. Wie können wir die Kinder mithilfe unserer Arbeit auffangen und begleiten? Das Internet und die Gaming Netzwerke geben Raum für Einfluss von Werbung, Cybermobbing und sexueller Belästigung. Zudem bietet das Netzwerk mit seiner Anonymität für Betrügerei und Pädophilie eine Plattform. Grausamkeiten, sowie sozial- und altersunangemessene Verhaltensweisen zählen zu den Phänomenen, die der anonyme Raum mit sich bringt. Das Vergreifen in der Tastatur kann noch Jahre später Konsequenzen mit sich ziehen. Dies gilt für Bilder, Videoaufnahmen, Audioaufnahmen und Forenbeiträge. Was heute noch adäquat erscheint, könnte morgen im besten Fall peinlich und im schlimmsten Fall rufschädigend sein. Anhand meiner Erfahrungen und Recherchen möchte ich im nächsten Abschnitt konkret auf die Gefahren in den digitalen Netzwerken aufmerksam machen. Es werden spezifische Sachverhalte der Mediennutzung anhand von Beispielen dargestellt und durchleuchtet. Anfangen möchte ich hier mit einem Kettenbrief der über die Messenger Plattform „Whats App“ ging . Mit „Momo“ ist nicht der bezaubernde Roman von Michael Ende gemeint, sondern der erste „WhatsApp“ Kettenbrief mit dem ich im Rahmen meiner pädagogischen Arbeit zu tun hatte. Momo schaut aus wie eine Kreuzung aus einem Mädchen und einer Krähe und war mit ihren tief ausgestellten Augen und verzerrtem Mund einer Horrorfilm Figur ähnlich. Die Figur machte den Schulkindern Angst und verstörte sie gleichermaßen. Die Aufgabe innerhalb der Nachricht von „Momo“ besteht daraus einen Kettenbrief über „WhatsApp“ weiterzuleiten. Bei Ignorieren dieser Anweisungen wird mit drastischen Konsequenzen gedroht. 2019 berichtete mir ein Schulkind (9 Jahre alt), dass es über seinen „WhatsApp“ Account von Momo angeschrieben worden ist. Die Nachricht lautete wie folgt: "Hallo ich bin Momo und bin vor 3 Jahren verstorben ich wurde von einem Auto angefahren und wenn du nicht möchtest das ich heute Abend um 00:00 Uhr in deinem Zimmer stehe und dir beim schlafen zuschaue dann sende diese Nachricht an 15 Kontakte weiter." (Kreiszeitung.de, 2019). Ein aufklärendes Gespräch im Klassenverband, über die Herkunft von „Momo“, mit einer zusätzlichen Kollegin des Polizeiverbandes Berlin bestätigte mir, dass die Kinder zu leichtfertig mit ihren persönlichen Daten umgingen. Nach der aktuellen DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) ist „WhatsApp“ ab 16 Jahren erlaubt. 2019 war die Nutzung noch ab 13 Jahren möglich. Nur kann dies nicht wirklich überprüft werden. Kinder benötigen Unterstützung, um Kettenbriefe einordnen zu können. Es liegt in unserer Verantwortung, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Kinder zu schützen und die Eltern dahingehend aufzuklären. Die digitalen Gefahren sind merklich spürbar und wir müssen handeln. Denn zu diesen zählen auch die zunehmende Sexualisierung verschiedenster Bereiche. An dieser Stelle möchte ich auf das Thema sexuelle Gewalt im Internet näher eingehen. Die Folgen von sexueller Gewalt reichen weit über entwicklungspsychologische Probleme, die die Bewältigung spezifischer Entwicklungsaufgaben behindern.

„So geht man heute davon aus, dass nicht wie bisher angenommen das Internet den Hauptverbreitungsweg für Kinderpornographie darstellt, sondern neue Inhalte eher über geschlossene Benutzergruppen verteilt werden“ ( Thorsten Porsch, 2014, S.169) Ein Fallbeispiel sind sogenannte „Schlepperdienste“. Jugendliche werden beispielsweise mit Geldangeboten gelockt. Diese bringen dann andere Kinder dazu in freizügigen Outfits vor der Webcam zu posieren (vgl. Porsch, 2014, S.162). So ist der Austausch von Bildern und Kurzvideos mit freizügigen Inhalten undurchsichtiger geworden. Apps wie „TikTok“ (2016) damals Musically, (2014), die Lippensynchronisationen von Musikvideos und anderen kurzen Videoclips anbieten, werden ungefiltert von Schulkindern genutzt und sind eine Einladung für Pädophilie. Offiziell darf „TikTok“ ab 13 Jahren genutzt werden. Laut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedarf es, bei unter 18 Jährigen, einer Einverständniserklärung der Eltern. In der Praxis, unter falscher Altersangabe, ist es problemlos möglich und wird nicht geprüft. Gerade weil eine Überprüfung des tatsächlichen Alters nicht stattfindet, sollten Eltern und Pädagogen diese Altershinweise besonders ernst nehmen. Die Kurzvideos, die wie Kettenbriefe umhergehen, animieren die jungen Teilnehmer zum mitmachen. Die Gefahr besteht hierbei, dass besonders viele junge Nutzer selbstgedrehte Videos posten (engl.- veröffentlichen). Die für einen guten Zweck organisierte „Ice Bucket Challenge“ (2014) löste dazu einen weltweiten Trend aus.Wurde jemand nominiert, sollte er sich innerhalb von 24 Stunden einen Kübel Eiswasser über den Kopf kippen, dies filmen und veröffentlichen. Wer nominiert wurde und kein Eiswasser über sich ergehen lassen wollte, sollte einen Betrag an die US-amerikanische ALS (Amyotropher Lateralsklerose ) Organisation spenden. Es ließ sich beobachten, dass „Tik Tok“ dieses Prinzip aufgegriffen und den Trend durch seine Mit-Mach-Videos fortgesetzt hat. Dies birgte auch so manches Risiko, denn daraus entwickelten sich auch gefährliche Tendenzen. Die Mit-Mach-Videos verführten die Kinder zu teils sehr gefährlichen Handlungen. 2013 ging erstmals eine sogenannte gefährliche Challenge viral - die Banana-Sprite Challenge. Der Teilnehmer wird aufgefordert zwei Bananen zu essen und im Anschluss eine Dose Sprite zu trinken. Ziel sei es nicht zu erbrechen. Im selbigen Jahr erfreute sich ein weiterer Trend an zunehmender Beliebtheit. Die Salt-and-Ice Challenge verursachte Verbrennungen bei zahlreichen Kindern und Jugendlichen. Eine chemische Reaktion, die aus der Kombination von Salz und einem Eiswürfel entsteht, ruft Kälteverbrennungen auf der Handinnenfläche hervor. Dieser Trend hielt sich über vier Jahre hinweg und konfrontierte mich im Rahmen meiner pädagogischen Arbeit. Dadurch entstand erstmals Handlungsbedarf gegenüber den Kindern und Eltern. Denn weitere gefährliche Trends ließen nicht auf sich Warten. 2020 verbreitete sich auf „Tik Tok“ die „Scullbreaker Challange“ (Schädelbrecher Herausforderung). Dies erlangte als gefährlicher Streich mit weitreichenden Folgen mediale Aufmerksamkeit. Dabei stehen drei Menschen nebeneinander. Die beiden Außenstehenden motivieren den Dritten mitzuspringen. Dabei werden ihm die Beine weggetreten und man fällt mit voller Wucht auf den Rücken oder den Schädel. Im Hinblick auf unseren Handlungsbedarf war eine schnelle Aufklärung dringend nötig, um eine weitere Ausbreitung dieses Streiches in unserer Grundschule zu verhindern. Das Hüpfen in drei Personen Gruppen wurde auf dem gesamten Schulgelände einstimmig untersagt. Dies führte zu einem spürbaren Rückgang von Unfällen. Doch weitere Trends erschwerten die Bemühungen, die Kinder vor den Gefahren zu schützen. Sogenannte „Mutproben“ verleiteten die Schulkinder untereinander dazu, sich Websites mit pornografischen Inhalten oder extremen Darstellungen (zb. Genitalverstümmelungen u.ä.) anzusehen (vgl. Porsch, 2014, S.162). Ein weiteres Beispiel für die Gefahren der digitalen Spiele und der Digitalisierung ist die Debatte um „Killerspiele“ und deren Auswirkungen auf das Denken, Fühlen und das Verhalten. Aufgrund der Omnipräsenz von Gewalt in der Gegenwart, ist eine Begutachtung der medialen Auswirkungen recht schwierig. Die Wissenschaftler sind hier geteilter Meinung, welche Auswirkungen die Gewaltdarstellungen haben. Für eine besonders nennenswerte Arbeit, befand ich die Studie der amerikanischen Psychologen Brad Bushmann und Craig Anderson. Die Studienergebnisse liefern einen sehr guten Einblick zum Thema „Wirkungen medialer Gewalt“ und beschäftigen sich mit dem Empathie verhalten von Gamern, die Spiele mit und ohne Gewaltdarstellungen konsumieren. Die Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Probanden mehr Zeit brauchten um jemanden in Not zu helfen, wenn sie vorher zwanzig Minuten lang ein gewalttätiges Spiel gespielt haben. So konnte die Studie beweisen das gewalttätige Spiele das Empathie vermögen beeinträchtigen (vgl. Spitzer, 2012, S.197-198). Im letzten Abschnitt möchte ich auf die kognitiven Auswirkungen der Digitalisierung eingehen. Es wird eine Besonderheit des Medien-Multitasking beleuchtet. Im Anschluss wird ein relevantes Forschungsergebnis aus der Hirnforschung vorgestellt. Für das gleichzeitige Erledigen etlicher Aufgaben ist im neudeutschen Gebrauch das Wort „Multitasking“ bekannt (lateinisch: multi-viele; englisch: task- Aufgaben). Mit Medien-Multitasking versteht man das gleichzeitige Nutzen mehrerer digitaler Medien. Das Leben zeichnet sich dadurch aus, dass wir permanent nach dem nächsten Reiz greifen. Wir hören Radio über unsere Kopfhörer, recherchieren am Computer, lesen e-mails und erledigen die Hausaufgaben gleichzeitig. Unsere Konzentration wird kontinuierlich entkräftet. Im Jahre 2005 hat die amerikanische „Kaiser Family Foundation“ (Gesundheitspolitik) den Umgang mit Medien von 2032 Kindern und Jugendlichen im Alter von acht bis achtzehn Jahren untersucht. „Bemerkenswert ist in Hinblick auf das schulische Lernen noch der Befund, dass bei den Hausaufgaben 30 Prozent der Zeit, die auf normalen Hefteinträgen entfällt, mit Multitask verbracht wird. Parallel zur Arbeit im Schulheft werden also digitale Medien genutzt oder es wird telefoniert. Wenn die Hausaufgaben am Computer gemacht werden, beschäftigen sich viele während etwa zwei Drittel der aufgewendeten Zeit mit anderen Sachen.“ (Spitzer, 2012, S. 225) Dies bedeutet, dass das Gehirn permanenten Reizen ausgesetzt ist. Die Hirnforschung hat inzwischen in Studienergebnissen nachgewiesen, dass wir nicht im Stande sind unsere konzentrierte Achtsamkeit auf mehre Dinge zu lenken. Nach jeder Unterbrechung bedarf es wieder Zeit sich in den konzentrierten Prozess der Aufmerksamkeit zu vertiefen. In der Hirnforschung spricht man hier vom „Sägeblatteffekt“.

Wer bei der konzentrierten Arbeit mehrfach gestört und unterbrochen wird, braucht nach jeder neuen Unterbrechung – eine Wiederanlaufzeit. Und somit mehr Zeit für das Wesentliche.

Interessant ist hierbei, dass die Konzentrationsfähigkeit keine Willensstärke ist, sondern erlernbar und diese trainiert werden kann. Kinder sind erfahrungsgemäß bereit aus freien Stücken an Konzentrationsübungen teilzunehmen, wenn sie spielerisch angeboten werden. Hierbei spielt die Kontinuität, Motivation und die Abwechslung eine wesentliche Rolle. Wer Kontrolle über seine Aufmerksamkeit gewinnt, kann im Leben mehr profitieren.

2 KIM - Studie und empirische Forschung

Die KIM Studie (Kindheit, Internet, Medien) beschäftigt sich mit Ausgangsuntersuchungen zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen und wird von dem Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) organisiert. Die Studien des mpfs dienen mit dem Altersspektrum von 2-19 Jahre als Diskussions- und Arbeitsgrundlage für Medienpädagogik, Politik und Bildungseinrichtungen in Deutschland. „Der mpfs ist ein Kooperationsprojekt der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg und der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk“ (mpfs.de, 2020).Nennenswerte Projekte die unter der Hand der mpfs laufen sind „klicksafe.de“ und „internet-abc.de“. Im Anschluss werden meine empirischen Forschungsergebnisse exemplarisch vorgestellt und mit den Ergebnissen aus der KIM Studie verglichen.

2.1 KIM Studienergebnisse

Für die KIM-Studie 2018 wurden 1.231 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren und deren Haupterzieher in Deutschland von Mai bis Juni 2018 befragt. Auf der Basis dieser Ergebnisse werde ich Daten von Nutzungshäufigkeiten und Abstimmungen über beliebte Spiele vorstellen. In einem weiteren Arbeitsschritt stelle ich eine Umfrage vor und gehe an dieser Stelle näher auf den Jugendschutz ein.

2.2 Nutzungshäufigkeit

Digitale Spiele sind ein fester Bestandteil im Alltag der Kinder, zwei Drittel von ihnen spielen regelmäßig. Das Ergebnis der KIM Studie konnte bei dem täglichen Spielekonsum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern festzustellen. So ist der Anteil regelmäßiger weiblicher und männlicher Spieler bei Tablet- und Smartphonespielen in der Studie gleich auf, Jungen zeigen jedoch eine deutliche Vorliebe für Konsolenspiele (Jungen 55 %, Mädchen: 30 %) und Computerspiele. (Jungen: 43 %, Mädchen: 31 %). Tabletspiele (17 %) sind deutlich weniger relevant und werden nur von jedem Fünften mindestens wöchentlich genutzt.(vgl. Kim Studie, 2018, S.55)

2.3 Beliebteste Spiele

Die digitalen Spiele wie der Fußballspiel Klassiker „FIFA“ wurden mit „Pokemon“,“Minecraft“ „Super Mario“ und „Mario Kart“ in der Kim-Studie als die beliebtesten Spiele bei den Jungs erwähnt.

Wobei in der Studie deutlich wurde, dass Mädchen sich für das Simulationsspiel „Die Sims“ begeistern lassen. Sämtliche Spiele liegen im empfohlenen USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) Bereich für Schulkinder.

2.4 Alterskennzeichnung I

In dieser Frage wurden die Kinder gefragt ob Sie manchmal Spiele spielen, für die sie laut Alterskennzeichnung eigentlich noch zu jung sind. Ein Drittel bejaht dies (36 %). 52% geben an sich an die Alterskennzeichnung zu halten und höher gekennzeichnete Spiele nicht zu spielen. Jeder Zehnte kann keine eindeutige Antwort auf diese Frage geben. Die Studienergebnisse kamen zum Entschluss das Jungen eher Inhalte nutzen, die für ihr Alter nicht freigegeben sind als Mädchen. Im Altersverlauf nimmt der Anteil der Spieler, die sich schon über die Kennzeichnung hinweggesetzt haben, deutlich zu (vgl. Kim Studie, 2018, S.57).

[...]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Digitales Spielen. Chancen und Risiken für den kognitiven Entwicklungsbereich von Schulkindern
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
30
Katalognummer
V997613
ISBN (eBook)
9783346380784
ISBN (Buch)
9783346380791
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: Eine Ausgezeichnete Facharbeit über die Anforderungen der Digitalisierung in Bezug auf Erzieher, Eltern und Kinder. Besonders die Chancen und Risiken in Bezug auf digitales Spielen in Hinblick auf die kognitive Entwicklung im Grundschulalter werden umfassend dargestellt. Eine hochaktuelle Facharbeit mit einem Thema das ErzieherInnen unbedingt im Auge behalten sollten.
Schlagworte
Digitales Spielen, Medienpädagogik, Piaget, Chancen und Grenzen, Prävention, kognitive Entwicklungsbereich, Grundschule
Arbeit zitieren
Sabine Zychma (Autor:in), 2020, Digitales Spielen. Chancen und Risiken für den kognitiven Entwicklungsbereich von Schulkindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/997613

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Digitales Spielen. Chancen und Risiken für den kognitiven Entwicklungsbereich von Schulkindern



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden