Leseprobe
Inhalt
Einleitung
1 Biografien der beiden Autoren
1.1 Bertolt Brecht
1.2 Nazım Hikmet
1.3 Berührungspunkte im Leben beider Autoren
2 Vergleich an zwei Gedichten von Bertolt Brecht und Nazım Hikmet
2.1 Gedanken über die Dauer des Exils (Bertolt Brecht)
2.2 Tuna üstüne söylenmiştir (Über die Donau) (Nazım Hikmet)
2.3 Ähnlichkeiten
2.4 Unterschiede
3 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Wie fast alle Dichter, die ihre Heimat ungewollt verlassen mussten, brachten auch Bertolt Brecht und Nazım Hikmet ihre Gefühle in der Exil-Zeit in ihren Werken zur Wort. Doch ist es nicht nur ihre Zeit im Exil, die die beiden Dichter verbindet, es bestehen darüber hinaus viele Gemeinsamkeiten. Vor allem ihre Werke, die sie während ihrer Exil-Zeit verfassten, eignen sich perfekt für einen Vergleich.
Auch wenn es vieles gibt, dass man an beiden Dichtern vergleichen kann, wird hier in dieser Proseminararbeit besonders auf das Motiv „Heimat-Sehnsucht“ eingegangen. In den Werken, die die Dichter in ihrer Zeit im Exil geschrieben haben, wird dieses Motiv gedeutet und beidseitig verglichen. Dafür werden die Gedichte Gedanken über die Dauer des Exils von Bertolt Brecht und Tuna üstüne söylenmiştir (Über die Donau) von Nazım Hikmet thematisiert. Dabei wird beachtet, dass zuerst das Gefühl “Liebe” vorhanden sein muss, damit überhaupt “Sehnsucht” entstehen kann. Deswegen wird auch dieses Gefühl wieder anhand von diesen Gedichten aufgezeigt. Um einen möglichen Grund für die unterschiedliche Art und Weise, wie die beiden Dichter ihre Gefühle zur Sprache gebracht haben, zu zeigen, wird zuerst kurz auf biografische Gemeinsamkeiten und Unterschiede eingegangen. Anschließend werden die oben genannten Werke von den beiden Autoren verglichen und zusammengefasst.
1 Biografien der beiden Autoren
1.1 Bertolt Brecht
Eugen Berthold Friedrich Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren. Zu Beginn schnupperte er in einigen Studienrichtungen und entschloss sich schließlich dazu, sich vollkommen der Literatur zu widmen. Neben seinen zahlreichen Theaterstücken existieren auch unzählige Gedichte, die er bereits in seinen jungen Jahren zu verfassen begann. Sein erstes Stück „Trommeln in der Nacht“ wurde im Jahre 1922 in München aufgeführt.1
Zwei Jahre spätere zog er nach Berlin, wo in den folgenden Jahren seine ersten Lehrstücke entstanden. In diesen Jahren interessierte und beschäftigte er sich zunehmend für und mit Marxismus, welches teilweise auch seine Werke beeinflusste.2
Seine intensive Beschäftigung mit dem Sozialismus begann im Jahre 1927. Nachdem das Stück Mann ist Mann aufgeführt wurde, fing er an Das Kapital von Karl Marx ausführlich zu studieren.3 Diese theoretischen Auseinandersetzungen erweckten später sein Interesse für den im Jahre 1928 gegründeten Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller4.
Diese politische Hinwendung kostete Brecht Jahre später das Weiterleben in seinem Heimatland – im Jahre 1933 musste er ins Exil. Der Grund dafür war der Aufstieg des Deutschen Reiches unter der Führung von Adolf Hitler. In dieser Zeit wurden in politischer, kultureller und gesellschaftlicher Ebene sogenannte „schwarze Listen“ erstellt, sodass viele Intellektuelle, unter anderem auch Bertolt Brecht, aus Deutschland flüchten mussten. Das NS-Regime war der Überzeugung, dass Brecht ein Kommunist sei und für die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) tätig wäre. Zuerst floh Brecht über Prag und Wien in die Schweiz und verbrachte danach bis zum Jahre 1941 sein Leben in Dänemark, Schweden und Finnland. Auch in Paris, London, New York und Moskau konnte bzw. musste der Lyriker einige Zeit verbringen. Die längste Phase seiner Exil-Zeit verbrachte er jedoch in der dänischen Hafenstadt Svenborg, wo er auch sein Gedichteband die „Svendborger Gedichte“ verfasste und veröffentlichte. Auch sein Gedicht „Gedanken über die Dauer des Exils“, welches in dieser Proseminararbeit interpretiert wird, entstand aus dieser Zeit.5
Im Jahre 1949 übersiedelte Brecht mit seiner Frau Helene Weigel nach Ost-Berlin und gründete dort gemeinsam das „Berliner Ensemble“, bei dem er als künstlerischer Leiter des Theaters fungierte.6 Zwei Jahre später wurde er mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.
Am 14. August 1956 stirbt der deutsche Dramatiker und Lyriker plötzlich an Folge eines Herzinfarkts.7
1.2 Nazım Hikmet
Nazım Hikmet musste viele Jahre seines Lebens im Exil und/oder in Gefängnissen verbringen. Die Sehnsucht zu seiner Heimat war auch deshalb dementsprechend groß. Die Themen Sehnsucht und Liebe waren daher in vielen seiner Gedichte ein zentrales Thema.8
Am 15. Januar 1902 wurde Hikmet in Thessaloniki geboren. Obwohl er sich für die Arbeiter und ihre Rechte einsetzte, stammte er eigentlich selbst aus einer adligen Familie. Sein erstes Gedicht unter dem Titel Schrei der Heimat verfasste Hikmet bereits mit elf Jahren. Durch seine sozialistisch geprägte Haltung und Überzeugung stellte er sich gegen Mustafa Kemal Atatürk und floh im Jahr 1907 aus Istanbul, welches zu dieser Zeit besetzt war und begab sich in eine Provinz in Anatolien.9
In dieser Zeit lernte er in der türkischen Provinz Bolu die Arbeitergruppe Die Spartakisten kennen und hört zum ersten Mal den Namen von Karl Marx.10 Nach einer dreijährigen Ausbildung an der Marineakademie, verließ Nazım im Jahre 1922 die Türkei und ging nach Moskau um Soziologie zu studieren. Hier interessierte er sich von Tag zu Tag mehr für den Kommunismus. Zurück in Istanbul schloss er sich in kürzester Zeit der damals illegalen Kommunistischen Partei der Türkei an.11 Kurz danach wird er aufgrund seiner Gedichte und Artikel, die in einer Zeitschrift veröffentlicht wurden, mit 15 Jahren Haft verurteilt. Diese Verurteilung zwang ihn zurück nach Moskau zu fliehen. Als im Jahre 1928 ein Amnestieerlass verabschiedet wurde, beschloss Nazım wieder zurück in die Türkei zu kommen; aber im Jahre 1938 wird er wieder desselben beschuldigt und wird diesmal zu 28 Jahren Haft verurteilt.12
Er wurde aufgrund der Publikation seiner Werke der Aufhetzung zur Meuterei bezichtigt.13
Mit Unterstützung von vielen internationalen Intellektuellen wurden Kampagnen für die Freilassung Nazım Hikmets veranlasst, welche schließlich im Jahre 1950 zum Erfolg führten. Nazım wurde vom türkischen Staat begnadigt und wurde aus der Haft entlassen. Im darauffolgenden Jahr verließ er wieder sein Land, weil dieses ihn mit seinen 49 Jahren zum Militär einberief. Ein Monat nach seiner Flucht wurde ihm seine türkische Staatsbürgerschaft abgenommen, sodass ihm eine Wiederkehr in sein Heimatland damit unmöglich gemacht wurde. Nazım Hikmet starb am 3. Juni 1963 in Folge eines Herzinfarkts. Erst viele Jahre später, nach seinem Tod, wurde ihm seine Staatsangehörigkeit wieder verliehen, was seine verlorenen Jahre in Gefängnissen und im Exil jedoch nicht kompensieren konnte.14
1.3 Berührungspunkte im Leben beider Autoren
In den oben angeführten Biografien dieser zwei großen Menschen, sind durchaus Gemeinsamkeiten zu erkennen. Diese sind nicht nur im literarischen Sinn, sondern auch auf biografischer Ebene festzustellen. Das Leben beider Autoren wurde durch ihre ideologische Wahl bestimmt. Sowohl die lange Gefangenschaft Nazım Hikmets und die Flucht aus seinem Heimatland als auch das Exilleben Brechts bis zum Ende des Krieges, waren Auswirkungen dieser sozialistischen Haltung. Mit anderen Worten kann man behaupten, dass die jahrelangen bedauerlichen Umstände dieser Autoren Auswirkungen ihrer politischen Überzeugung war. Des Weiteren sind beide Dichter in jungen Jahren in Kontakt mit Sozialismus gekommen und ihr Lebensweg wurde von dieser Ideologie bestimmt. Auf dieses Thema wird deshalb besonders eingegangen, da der Kernpunkt dieser Arbeit das Thema Sehnsucht nach Heimat behandelt, welches auf diesem ideologischen Fundament beruht. Beide Dichter mussten aufgrund ihrer politischen Überzeugung ihr Heimatland verlassen. Nazım war nach seiner Haftentlassung mit der Einberufung zum Militär oder mit einer erneuten Verhaftung konfrontiert worden und Brecht verließ sein Land, bevor er in die Gefangenschaft der faschistischen Diktatur kam. Doch Nazım hatte nicht das Glück, das Brecht nach seiner Exilzeit hatte. Brecht konnte nach Kriegsende im Jahre 1948 in sein Heimatland zurückkehren, während Nazıms Leben im Exil endete.
Neben ihrer ideologischen Position und ihrem Leben im Exil, hatten die beiden Dichter auch andere Gemeinsamkeiten. Beide Dichter konnten aus finanzieller Hinischt ein komfortables Leben genießen, ohne die Not,-und Armutsverhältnisse während der Kriegszeit miterleben zu müssen. Die Familien dieser beiden Dichter stammten für die damalige Zeit aus der gesellschaftlichen Oberschicht. Ihre Unterstützung der Arbeiterklasse hatte keinerlei Verbindung zu dieser familiären Situation. Auch dieser Punkt verbindet die beiden Dichter miteinander. Ihre Verbannung und die Verbrennung ihrer Werke ist ein weiteres Merkmal, das diese Männer miteinander eint. Als Brecht im Februar 1933 Deutschland verließ, wurden im Mai desselben Jahres seine Bücher öffentlich verbrannt.15 Fünf Jahre später wurden dann seine Werke in Düsseldorf ausgestellt.16 Nazım schreibt im Vergleich in seiner selbst verfassten Autobiografie über die Prohibition in seinem Land folgendermaßen:
“Yazılarım otuz kırk dilde basılır, Türkiye’mde Türkçe’mle yasak”17
Übersetzung:
Was ich schreibe wird in dreißig bis vierzig Sprachen gedruckt, in meiner Türkei, in meinem Türkisch ist es verboten…18
Wie oben zu sehen ist, gibt es einige Berührungspunkte, die diese beiden Dichter miteinander verbindet. Selbstverständlich würden die ideologische Einstellung und das komfortable Leben der beiden Autoren nicht für ihr weiteres Vorgehen bestimmend sein. Wie die unterschiedlichen Werke sich in ihrer Dichtung beeinflussten, die Ähnlichkeiten und Unterschiede in diesem Kontext, werden in folgenden Kapiteln näher behandelt.
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1 https://www.inhaltsangabe.de/autoren/brecht/
2 Vgl. Koopmann, Helmut (Hrsg.): Brechts Lyrik- neue Deutungen. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann GmbH 1999, S.143
3 Vgl. Werner Hecht, Brecht Chronik, S. 219
4 Ebda. 255
5 Vgl. Koopmann, Helmut (Hrsg.): Brechts Lyrik- neue Deutungen. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann GmbH 1999, S.143f.
6 https://www.inhaltsangabe.de/autoren/brecht/
7 https://www.dhm.de/lemo/biografie/bertolt-brecht
8 Gast Arbeiterin: https://renk-magazin.de/sehnsucht-nach-heimat/
9 Ebda.
10 Vgl.Aksan, Doğan: Nazım Hikmet Şiirini gücü, S. 30.
11 Vgl. Karakuş Melisa: https://renk-magazin.de/nazim-hikmet/
12 Vgl.Aksan, Doğan: Nazım Hikmet Şiirini gücü, S. 34
13 Gast Arbeiterin: https://renk-magazin.de/sehnsucht-nach-heimat/
14 Ebda.
15 vgl. Marianne Kesting, Brecht, s. 147
16 Ebda. S. 148
17 Hikmet Nazım: Bütün Şiirleri – Son Şiirleri, S. 1780
18 Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte durch die Autorin dieser Proseminararbeit.