Inwiefern ist es empfehlenswert den Artikel 16 GG um frauenspezifische Flüchtlinsgründe zu erweitern?


Dossier / Travail, 2000

13 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Asylrecht in Deutschland
2.1Historie des Asylrechts und die Verbindung zu der Menschenrechtserklärung von 1948
2.2Definition von politischer Verfolgung

3.Frauenspezifische Flüchtlingsgründe und Hindernisse bei der Anerkennung von Asylanträgen.
3.1Genitalverstümmelung ist ein Angriff auf Leib und Leben
3.2Vergewltigung als politisch motivierte Tat
3.3Spezielle Problematiken bei Asylverfahren von Frauen

4.Fazit

1. Einleitung

Die Asylpolitik in der BRD ist nicht erst seit den jüngsten rechtsradikalen Vorfällen in Ost und Westdeutschland ein Thema für öffentliche und dadurch politische Diskussionen. Das Asylrecht hat schon seit dem Mittelalter Kontroversen hervorgerufen und in den letzten zehn Jahren speziell in Deutschland mit dem Asylkompromiss von CDU/CSU FDP und SPD wieder an Brisans gewonnen.

Ziel meiner Arbeit soll jedoch nicht die geschlechterneutrale Flüchtlingsdebatte, Green Card oder die Anschläge auf Asylbewerberheimen sein, vielmehr möchte ich mich intensiv mit frauenspezifischen Flüchtlingsgründen beschäftigen, und ob es sinnvoll ist zu dem geschlechterneutralen Artikel 16 GG einen gesonderten Absatz für Frauen einzufügen, wie es etwa Martha Werner und Jutta Bradeweide von ,,Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. Hamburg" fordern. Dort heißt es in einem offenen Brief vom 27.03.1993 an den damaligen Bundeskanzler Dr. Kohl:"[...] ,,Frauen, die wegen ihres Geschlechts verfolgt werden, genießen politisches Asyl.""1

Ich werde zunächst einen allgemeinen gehaltenen Einstieg in die Thematik des Asyls wiedergeben, und im weiteren Verlauf anhand von Berichten von Flüchtlingen, Diplom Pädagogen sowie Soziologen, Sozialarbeitern und Menschenrechtsorganisationen aufzeigen, dass es politische und andere Flüchtlingsgründe gibt, die fast ausschließlich nur Frauen betreffen.

2.1 Historie des Asylrechts

Entstanden ist Asyl(von griechisch á sylon, Unverletzliches, Freistatt) einst aus einem religiösem Hintergrund. Es ermöglichte die Überwindung der Blutrache.

(Nicht)Auslieferungsabkommen gab es bereits sehr früh. So existieren solche Vereinbarungen um das Jahr 1270 v.Chr. etwa zwischen Hethiter-Königen und ägyptischen Pharaonen und auch im kleinasiatischen Raum. Die griechischen Stadtstaaten gewährten wenig später bereits politisches Asyl im modernen Sinne. In Europa entwickelte sich das Asylrecht im Laufe des Mittelalters zunächst primär als Kirchenasyl. In kirchlichen Einrichtungen wurde Verfolgten innerhalb eines Staates Asyl als landesrechtliches Asyl gewährt. Diese Praxis wurde ab dem 13.Jahrhundert (z.B. durch Papst Gregor IX. im Jahre 1238) beschränkt und verlor bis heute zunehmend an Bedeutung.

Mit fortschreitender Säkularisierung des politischen Geschehens gewann auch das völkerrechtliche Asyl als "externes Asyl" stärkere Bedeutung als das "interne" Asylrecht des Kirchenasyls. Seit Gründung des Völkerbundes existiert schließlich ein internationaler Flüchtlingsschutz, der durch Gründung der Vereinten Nationen noch verbessert wurde. Dieser Flüchtlingsschutz spielt sich auf völkerrechtlicher Ebene ab, was ausnahmsweise Einzelpersonen völkerrechtlichen Schutz ermöglicht (normalerweise haben auf völkerrechtlicher Ebene nur Völkerrechtssubjekte, also in der Regel Staaten, gegeneinander Ansprüche und der Bürger muss zur Durchsetzung seiner Interessen innerstaatlich seinen Staat zum Aktivwerden bewegen), woraus aber aus Gründen der Staatenpraxis bis zum heutigen Tage noch kein Menschenrecht auf Asyl hergeleitet werden konnte. Art.14 I der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 sagt zwar:

"Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen."

Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte ist in ihm jedoch lediglich eine besondere Ausprägung des Rechtes auf Freizügigkeit (mithin: des Rechtes sich auf die Flucht zu begeben) und kein subjektiver Anspruch gegenüber anderen Staaten auf Asyl zu sehen. Gewährt ein Staat jedoch - auf völkerrechtlich freiwilliger Basis - Asyl, so muss dies von anderen Staaten als Ausfluss seiner Souveränität akzeptiert werden. Nichts wesentlich neues brachte in dieser Hinsicht auch eine Asylrechtserklärung der Vereinten Nationen vom 14.12.1967, die darüber hinaus auch nur empfehlenden Charakter hatte. In ihr wurde zunächst erneut die oben beschriebene Haltung bestätigt.

1949 fand dann schließlich ein Grundrecht auf Asyl auch Einzug in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Der zweite Satz des Art. 16 II bestimmte:

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."

Im Jahre 1993 änderte schließlich der deutsche Bundestag das Grundrecht auf Asyl. Nach der neuen Regelung haben nur solche Personen Recht auf Asyl, die weder aus einem sogenannten sicheren Drittstaat oder aus einem sicheren Herkunftsland einreisen.2

2.2 Definition von politischer Verfolgung

Der Begriff der politischen Verfolgung im Grundgesetz ist vom Gesetzgeber selbst nach der Novellierung von 1993 nicht näher definiert worden, mit Ausnahme dessen, dass Personen aus sicheren Drittstaaten sich nicht auf den Tatbestand der politischen Verfolgung berufen dürfen. Aufgrund dessen bedurfte es einer näheren Definition durch die Judikative, hier durch dass Bundesverfassungsgerichtes sowie durch das Bundesverwaltungsgerichtes, es darf deshalb zu Recht von ,,einer Domäne des Richterrechts"3 gesprochen werden. Das BVerfGE und das BVerwGE kamen in Ihrer Interpretation der politische Verfolgung zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das BVerfGE hält für die Bewertung der Verfolgung und der Gewährung von politischem Asyl Art. 1 Abs. 3 GG ausschlaggebend.4 Die Menschenwürde sei oberstes Verfassungsprinzip und sei daher das wichtigste Kriterium für politische Verfolgung.

Diese weite Auslegung des Begriffes von politischer Verfolgung wurde durch dass BVerfGE selbst jedoch stark eingeschränkt. So sei eine Person nur dann politisch verfolgt, wenn Gefahr für Leib und Leben, oder persönlicher Freiheit besteht. Ebensolche Gefahren seien aber nur dann asylbegründet

,, wenn sie nach ihrer Intensität und schwere die Menschenwürde verletzen undüber das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben." 5

Die Auslegung des BVerfGE hat in mehreren Gerichtsverfahren zu umstrittenen Urteilen geführt, da es an den jeweiligen Richtern lag, zu entscheiden, ob eine spezielle Menschenrechtsverletzung über das hinausgeht, was in dem jeweiligen Land als allgemein hinnehmbar zu verstehen sei. Speziell für Frauen ergeben sich hier große Hindernisse bei der Gewährung von Asyl. Die rechtliche und traditionelle Stellung der Frau ist in vielen Ländern wesentlich schlechter als die des Mannes und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Frauen werden dort nicht als solche verstanden und dadurch allgemein hingenommen.6

Das BVerwGE lehnt seine Definition von politischer Verfolgung an die von der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Merkmale in Artikel 1 Abschnitt A Nr. 2. Politisch Verfolgte sind demnach Menschen, die aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politische Überzeugung Gefahr für Ihr Leib und Leben sowie Einschränkungen in Ihrer Freiheit zu befürchten haben.7 Jedoch werden diese umfassende Merkmale näher durch die Trennung der Begriffe ,,politisch" und ,,Verfolgung" vom BVerwGE interpretiert.

Subjektive Flüchtlingsgründe seinen zu unterscheiden von politischen und seien daher nicht automatisch Asylgründe. Die entscheidende Frage lautet also nicht ob jemand einer Gefahr ausgesetzt ist und deshalb flieht, vielmehr ist für das BVerwGE die politische Motivation des Verfolgers von Bedeutung.

,, Maßgebend dafür ob die befürchtete Verfolgung eine politische ist, sind die Gründe, aus denen der Verfolgerstaat die vom asylsuchenden befürchtete Verfolgung betreibt" 8

Die Rechtsprechung fokussierte sich im laufe der Jahre auf diese Fragstellung, mit der Begründung dadurch Objektivität wahren zu können.9

Bei der sogenannten Motivationslehre ist es besonders kritisch zu bewerten dass durch diese Form der Rechtssprechung nicht die Art und schwere der Menschenrechtsverletzung in den Vordergrund tritt, sondern die Bewertung der Täter die jene Verletzung verursacht haben. Die Entscheidung über die Gewährung von Asyl, hängt bei Frauen die vergewaltigt worden sind also an dem Ermessen des Richters inwieweit diese Vergewaltigung politisch motiviert war.

3. Frauenspezifische Flüchtlingsgründe und Hindernisse bei der Anerkennung von Asylanträgen.

3.1 Genitalverstümmelung ist ein Angriff auf Leib und Leben

,,Jedes Jahr werden nach Angaben der

Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwei Millionen Mädchen Opfer der Verstümmelung ihreräußeren Geschlechtsorgane. Insgesamt lebten zur Zeit 85 bis 115 Millionen Frauen und Mädchen, die Opfer dieser kulturellen Praxis der Beschneidung wurden." 10

Es gibt drei verbreitete Arten von Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM.) Entweder werden den häufig noch sehr jungen Mädchen (zwischen 5 und 20 Jahren),

- die Klitorisvorhaut und die Glans der Klitoris bzw. die gesamte Klitoris abgetrennt ( Klitoridektomie ) oder
- zusätzlich die kleinen Schamlippen entfernt ( Excision ) und Haut und Gewebe aus der Vagina herausgeschabt ( Intocision ) .
- oftmals werden auch die großen Schamlippen abgetrennt und die verbleibende Haut zusammengenäht oder mit Dornen aneinander geheftet, so dass nur eine winzige Öffnung verbleibt ( Infibulation )11

Die zuletzt genannte Praxis nennt man auch Pharaonische Beschneidung; diese ist besonders schmerzhaft, gesundheitsschädlich und am weitesten verbreitet, und führt bei ca. 30% aller Frauen zum Tod durch Verblutung.12 Beschneidungspraktiken sind vor allem in den afrikanis chen Ländern, aber auch im Osman, im Jemen, den Vereinigte Arabischen Emiraten, in Indonesien und Malaysia üblich. Die FGM wird als ein traditionelles Ritual betrachtet, ist gesellschaftlich sehr anerkannt und respektiert :

"Natürlich werde ich an ihnen eine Zirkumzision 13 vornehmen lassen, so wie an ihren Eltern, Großeltern und Geschwistern auch eine Zirkumzision gemacht wurde. Das ist unser Brauch." meinte eine ägyptische Frau über ihre kleinen Töchter . 14

Es soll vor allen Dingen der Keuschheit der Frau dienen, so dass sie bis zu ihrer Heirat jungfräulich bleibt. Aber auch andere Faktoren wie ökonomische Gründe spielen eine Rolle. So gibt es in vielen afrikanischen Ländern Beschneiderinnen, die FGM als Gewerbe betreiben und dies als einzige Einnahmequelle haben.15. Frauen, die sich der FGM entziehen wollen, werden nicht nur in ihrem Heimatdorf geächtet und vertrieben, sondern auch im ganzen Land verfolgt. Eine unbeschnitten Frau kann in den meisten Ländern in denen FGM durchgeführt werden, nicht mehr heiraten. Da in jenen Ländern selbst in einer großen Stadt das Leben aufgrund der Gesellschaftsform als alleinstehende Frau nicht möglich ist, müssen die Frauen sich entweder einer Beschneidung unterziehen um heiraten zu können oder aus Ihrem Heimatland fliehen.16

In vielen Ländern in denen FGM durchgeführt wird, steht die FGM nicht unter Strafe, doch auch in Ländern wie Ägypten, wo die Verstümmelung seit 1958 unter Strafe steht, werden nach Schätzungen der WHO 97% aller Frauen Genital verstümmelt.17 Politik und Justiz unterstützen die FGM sogar, so sagte beispielsweise Jomo Kenyatta der ehemalige Präsident von Kenia, FGM sei ein tief verwurzelter Teil der Initiation und dies sei wesentlich dafür, was ein Kikuyu ausmache. Ihre "Abschaffung würde das Stammessystem zerstören" 18 .

Der ägyptische Gesundheitsminister Ismail Sallam erließ 1996 ein Gesetzt, welches dem medizinischen Fachpersonal untersagte FGM durchzuführen. Ein Jahr später wurde das Gesetzt von einem ägyptischen Gerichtshof aufgehoben.19 Es bleibt also festzuhalten, dass Frauen die es geschafft haben sich einer FGM zu entziehen von gesellschaftlicher wie auch von staatlicher Seite kein Schutz vor einer Zwangsbeschneidung bzw. keine Integration in die Gesellschaft erwarten können. Wenn Frauen sich also nicht verstümmeln lassen wollen bleibt ihnen nichts anders, als die Flucht ins Ausland.

Obwohl diese Praktiken in Deutschland schon seit längerem bekannt sind, wird das erste mal am 20.Juni 1996 vom Magdeburger Verwaltungsgericht (Aktenzeichen 1 A 185/95) einem Asylantrag, wegen drohe nder Zwangsbeschneidung, einer Frau von der Elfenbeinküste stattgegeben. Es bestünde Gefahr für Leib und Leben dieser Frau, da sie weit über ihren Stamm hinaus verfolgt werde und eine Zwangsbeschneidung drohe. Der Staat Elfenbeinküste schütze seine Bürgerinnen nicht vor solchen Eingriffen.20

Wie eben aufgezeigt sind Frauen dieser Gefahr der Zwangsbeschneidung immer ausgesetzt. Wie in 2.2 beschrieben, muss bei einem Asylgesuch in der BRD der politisch motivierte Hintergrund dargelegt werden, um Anerkannt zu werden. Da es bei FGM jedoch äußerst schwierig ist einzelne politische Beweise vorzutragen, wird Genitalverstümmelung als Asylgrund nur sehr selten wie im obigen Fall anerkannt.

Diese Ausmaß von Genitalverstümmelung tritt ausschließlich bei Frauen in Erscheinung, und unterstützt dadurch die Forderung nach einer Erweiterung des Artikels 16GG um frauenspezifische Flüchtlingsgründe.

3.2 Vergewaltigung als politisch motivierte Tat

Ich möchte in diesem Teil aufzeigen, das politisch motivierte Vergewaltigungen ein Asylgrund darstellen. Ferner möchte ich kurz darauf eingehen, dass auch nach unpolitischer sexueller Gewalt ein Leben für Frauen in ihrer Heimat schwer oder gar nicht möglich ist. Vergewaltigung wird von der deutschen Ausländerbehörde oft als unpolitische Einzeltat abgetan und dadurch nicht als asylrelevant beurteilt.21

Betrachtet man sich die Hintergründ der Vergewaltigung jedoch genauer, so lassen sich gezielte politische oder gesellschaftliche Motivationen feststellen.

In den allermeisten Ländern der Welt ist Politik eine Männerdomäne. Frauen die sich in patriarchalen Gesellschaftsformen in politische Angelegenheiten mischen werden hart bestraft und sehr häufig sexuell gefoltert. Frauen sollen in ihrer geschlechtlichen Identität dadurch zerstört werden.22 Das politische Engagement ist meist keine direkte politische Tat, da sie wie eben erwähnt keinen Zugang zur Politik haben, trotzdem unterstützen sie Männer als Bote, Wasserträger, Näherin und ähnlichem. Diese Form von politischer Aktivität wird in Deutschland jedoch nicht in Zusammenhang mit politischer Verfolgung gebracht und Vergewaltigungen aufgrund dieser Aktivitäten nicht als politisch motivierte. Selbst wenn die Frau oder die Töchter eines politisch aktiven Mannes, nicht als Helferinnen in Erscheinung treten, werden sie von Folter und Vergewaltigung heimgesucht. Sei es um denn Aufenthaltsortes des untergetauchten Mannes zu erfahren, oder um die Familie zu demütigen und zu Entwürdigen. Oftmals werden Frauen auch vor ihren bereits inhaftierten Männer sexuell missbraucht um den Widerstand ihrer Ehemänner zu brechen. In Gesellschaftsformen in denn der Mann traditionell ,,der Beschützer der Familie" seien soll wird dieses Mittel häufig mit Erfolg angewandt. Die Familie ist dadurch entstellt und in ihrer Gesellschaft nicht mehr Anerkannt oder wird sogar von dieser ausgestoßen. Diese Ächtung von Seiten der Gesellschaft kann sogar zum Selbstmord der Vergewaltigten Frau führen, da sie sich schuldig für diese Vorfälle fühlt. Eine türkische Frau berichtet:

,, Es wurden Gerüchte verbreitet, dass ich unter Folter vergewaltigt worden sei. Eine junge Frau von Bekannten, die in derselben Situation war wie ich , hat deswegen Selbstmord begangen. Mein Vater ging damals zum Begräbnis, und hörte die Mutter der Toten weinend sagen: ,,Mein Gott ! Zum Glück ist meine Tochter nicht wie die Tochter von A. geworden." Daraufhin hat mein Vater den Kontakt zu diesen Leuten abgebrochen. Ich habe mich auch von Ihnen distanziert. So kannte ich mich schützen." 23

40 hinduistische Tamilinnen begingen 1986 Selbstmord, nachdem sie von Soldaten vergewaltigt worden sind.24

Auch unpolitisch motivierte sexuelle Übergriffe, führen zur Ächtung in der Gesellschaft, da nicht der Hintergrund oder die Täter als Schuldige subjektiv empfunden werden, sondern die vergewaltigten Opfer selbst.

Festzuhalten bleibt, dass Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt in vielen Ländern, vor allen in islamischen Staaten tabuisiert ist. Ein Leben nach einer Bekannt gewordenen Vergewaltigung ist in dieser Gesellschaft kaum noch möglich.

Repressalien gegen sich selbst und der Familie machen das Leben fast unmöglich. Der Staat vernachlässigt sein Pflicht, den Straftaten nachzugehen und den Frauen Schutz zu bieten. Die deutsche Ausländerbehörde verkennt diese Situation, und aufgrund der Problematik der Beweisführung werden viele Asylgesuche aufgrund von sexueller als ,,offensichtlich unbegründet". Sexuelle Folter wird in der Regel bei Frauen angewandt, es gibt zwar auch sexuelle Folter bei Männern, jedoch werden diese Aufgrund von aktiven politischen Taten an den Männern verübt. Diese Männer haben aufgrund Ihre politische Aktivität die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen. Frauen, da sie meistens nicht direkt an politischen Aktivitäten teilnehmen, trotzdem sexuell gefoltert werden, haben diese Möglichkeit nicht.25 Eine Erweiterung des Artikel 16 GG, würde hier Abhilfe schaffen können. Frauen könnten sich direkt auf sexuelle Folter berufen, um eine Asylantrag zu stellen.

3.3 Spezielle Problematiken bei Asylverfahren von Frauen

Frauen stellen in Deutschland nur einen Anteil von ca. 20-30 Prozent aller Flüchtlinge. Global betrachtet ist das Verhältnis jedoch umgekehrt. Nach Schätzungen des UN- Flüchtlingskommissariats sind von 19 Millionen Menschen auf der Flucht 80 Prozent Frauen und Kinder. Die meisten von ihnen bleiben jedoch ihren Heimatländern oder in den Anrainerstaaten.26

Frauen haben in der Regel weniger Geld um eine Flucht nach Europa anzutreten außerdem haben sie meistens noch ihre Kinder bei sich, die eine lange beschwerliche Flucht körperlich nur schwer durchstehen können.27 Frauen, die es trotz dieser erschwerten Umstände nach Deutschland geschafft haben, stehen in Deutschland vor einem neuen frauenspezifischen Hindernis, dem Asylverfahren. Der Asylantrag selbst ist für viele Frauen schon schwer überwindbar, da laut § 8.2 Asyl Verfahrensgesetz die Gründe der Flucht schnellstmöglich mündlich vorgetragen werden müssen:

,, Der Ausländer muss persönlich bei der Ausländerbehörde erscheinen, sich selbstüber die Tatsachen erklären, die seine Flucht vor politische Verfolgung begründen, und die erforderlichen Angaben machen... ". 28

Für Frauen, die aufgrund von Vergewaltigung aus ihrem Heimatland geflohen sind, ist diese Anhörung fast nicht zu bewältigen. Die Entscheider bei dieser Anhörung sind 70% Männer. Der Anteil von Männern bei den Dolmetschern liegt sogar bei 80%. Eine Frau, aus einem islamischen Herkunftsland ist weder der Umgang mit fremden Männern gewohnt noch ist er ihr erlaubt. Eine iranische Lehrerin, die mit einem männlichen Kollegen in einem Auto fuhr wurde mit 75 Peitschenhieben für den Umgang mit fremden Männern bestraft.29 Über sexuelle Gewalt mit einem wildfremden Mann zu sprechen, würde jede Frau vor große Schwierigkeiten stellen, selbst wenn sie den Umgang mit Männern gewohnt ist. Bei der Anhörung schildern daher viele Frauen nicht ihren konkreten Fall, sondern flüchten sich aus Scham oder Angst in allgemeingehalten Flüchtlingsgründe.30 Von einer präzisen Darstellung der Sachverhalte hängt jedoch im wesentlichen die Anerkennung ab.

Auf die Frage eines Reporters an die Flüchtlingsbetreuerin und Diplom Psychologin Ruth Nickel, ob sie Folteropfer kenne, deren Asylanträge abgelehnt worden sind antwortet sie:

,, Ja, [...]. Dazu zählen Frauen, die sich geschämt haben,über ihre Vergewaltigung im Angesicht der männlichen Dolmetscher und sonstigen Verfahrensbeteiligten zu sprechen.". 31

Im Verlauf des Interviews sagte die Psychologin außerdem, dass es in einer Therapie sehr lange dauere, bis gefolterte Menschen Vertrauen zu anderen Menschen herstellen können bzw. über ihre Erlebnisse berichten können.

Das Oberverwaltungsgericht Oldenburg wies die Ausführungen einer unterdrückten und vergewaltigten Christin aus dem Libanon als ,,nicht glaubhaft" zurück, weil die Asylbewerbein nicht gleich bei der ersten Anhörung vor dem Bundesamt über ihre Vergewaltigung sprach. Ihren Einwand das es sich bei dem Dolmetscher um einen Mohammedaner gehandelt habe, und sie deswegen zu diesem Zeitpunkt keine nähere Begründung abgeben wollte, ,,vermag das Gericht nicht zuüberzeugen" 32 Eine weitere Schwierigkeit für Frauen besteht darin, dass wie schon oben erwähnt ihre politischen Aktivitäten oftmals nicht als solche Anerkannt werden.

Doch gerade Basisaktivitäten die diese Frauen erledigen, sind für politische Organisationen wichtig. Sie sind keineswegs wie deutsche Asylgericht entschieden haben, reines Mitläufertum, sondern politische aktive Personen, die auch als solches verfolgt werden.33. Das Bundesamt kann die politische Aktivität einer Asylbewerberin aus Äthiopien, die regimefeindliche Flugblätter der EPLF34 verteilt hat, nicht als solche erkennen, da sie wenn sie so politisch aktiv gewesen wäre, doch nicht in die BRD geflohen, sondern in die befreiten Gebiete der EPLF gegangen wäre um sic h dort weiter politisch zu engagieren. Wäre sie wirklich politisch verfolgt, so wäre es ihr ,,wohl kaum geglückt... ausäthiopien auszureisen" 35 Politisch aktive Frauen werden jedoch in noch größerem Maße politisch verfolgt, weil sich die Verfolgung nicht nur auf ihre politische Aktivität stützt, sondern zusätzlich auf das ,,Frau- Sein" Eine Frau habe sich schon mal gar nicht in Politik einzumischen.36

4. Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass es durchaus Flüchtlingsgründe gibt, die fast ausschließlich Frauen betreffen. Die von mir analysierten Gründe sind keinesfalls lückenlos und könnten noch um viele weitere Aspekte erweitert werden die ich hier aufgrund des Umfanges nicht schildern konnte. Es wurde jedoch deutlich, dass viele Frauen keinen Schutz vor Folter und politischer Verfolgung genießen, weil das bundesdeutsche Asylgesetz keine geschlechterspezifischen Anhaltspunkte für verfolgte Frauen aufweist. Da man die Ignoranz deutscher Richter und Beamten gegenüber Frauen nicht von heute auf morgen abschaffen kann, sollte der Staat gesetzliche Maßnahmen ergreifen, um flüchtigen Frauen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Eine Maßnahme wäre die hier erörterte Erweiterung des §16 GG. Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden, könnten sich auf solch einen Absatz berufen und wären nicht einer männerdominierten Behörde ausgeliefert, die all zu oft frauenspezifische Flüchtlingsgründe als nicht glaubhaft zurückweist.

[...]


1 TAZ Nr. 3970 Seite 31 vom 27.03.1993

2 Microsoft Encarta 2000

3 Marx, Rheinhard, Asylrecht, Rechtsprechungssammlungen und Erläuterungen, BadenBaden: 1984:148

4 Potts, Lydia: Frauen, Flucht, Asyl: eine Studie zu Hintergründen, Problemlagen und Hilfen Bielefeld : Kleine 1993

5 BVerfGE 54, 341 (357)

6 Potts, Lydia: Frauen, Flucht, Asyl: eine Studie zu Hintergründen, Problemlagen und Hilfen Bielefeld : Kleine 1993

7 Buhr, Kornelia : Frauenspezifische Verfolgung als Annerkennungsgrund im Asylrecht, in Demokratie und Recht 2/88 1988

8 BVerwGE E55, 82., in Marx 1984 : 555

9 Marx, Rheinhard, Asylrecht, Rechtsprechungssammlungen und Erläuterungen, BadenBaden: 1984:151

10 TAZ Nr. 4694 Seite 8 vom 12.08.1995

11 Terre des femmes URL: http://www.terre-des- femmes.de

12 Frauennews URL: http://www.frauennews.de/themen/genital.htm

13 Beschneidung

14 amnesty international URL : http://www.amnesty.de/de/2914/FGM2.htm

15 Evangelische Kirche in Deutschland Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen URL : http://www.ekd.de/EKD-Texte/genital/genital2.html

16 Terre des femmes URL: http://www.terre-des- femmes.de/genitalverstuemmelung

17 amnesty international URL : http://www.amnesty.de/de/2914/FGM10.htm

18 amnesty international URL : http://www.amnesty.de/de/2914/FGM2.htm

19 amnesty international URL : http://www.amnesty.de/de/2914/FGM10.htm

20 TAZ Nr. 5216 Seite 16 vom 30.04.1997

21 Weber, Ralf Extraumarisierte Flüchtlinge In Deutschland Campus 1998

22 Gottstein, Margit Frauenspezifische Verfolgung und ihre Anerkennung als politische Verfolgung im Asylverfahren. In Ashkenasi, Abraham Das weltweite Flüchtlingsproblem Bremen 1988

23 Zitat n. Wicker, Hans -Rudolf : Die Sprache extremer Gewalt. Arbeitsblätter Nr. 6/1993 Institut für Ethnologie der Universität Bern

24 Issel, Barbara : Flüchtlingsfrauen - doppelt verfolgt In Appel, Roland : Die Asyllüge, ders. Roth 1993

25 Weber, Ralf Extraumatisierte Flüchtlinge In Deutschland Campus 1998

26 TAZ Nr. 4844 Seite 13 vom 08.02.1996

27 Potts, Lydia: Frauen, Flucht, Asyl: eine Studie zu Hintergründen, Problemlagen und Hilfen Bielefeld : Kleine 1993

28 § 8.2 AsylVfG +

29 Das Bundesamt für die Annerkennung von Ausländischen Flüchtlingen lehnt ihren Asylantrag mit der Begründung von fehlenden politischen Hintergründen ab, außerdem handelte es sich ,, um einer Strafe, die zur Aufrechterhaltung der islamischen Ordnung ergriffen wurde" Bundestamt für die Anerkennung Ausländischer Flüchtlinge v. 13.01.1987 - 439-11117-85

30 Potts, Lydia: Frauen, Flucht, Asyl: eine Studie zu Hintergründen, Problemlagen und Hilfen Bielefeld : Kleine 1993

31 TAZ Nr. 4590 Seite 5 vom 07.04.1995 Interview von Walter Jakobs

32 VG Oldenburg U. v. 09.02.1989, S. 14, 5 OS VG A 356/88

33 Schuckar, Monika : Flüchtlingsfrauen aus dem Iran unter bundesdeutschen Asylbedingungen vor dem Hintergrund frauenspezifischer Flüchtlingsmotive, in Ashkenasi. Abraham (Hg.) Das weltweite Flüchtlingsproblem Bremen 1988 und amnesty international Frauen im Blickpunkt zwischen Auflehnung und politischer Verfolgung 1991

34 Eritrean People Libaration Front

35 Bundesamt- Entscheidung vom 10.09.1987, AZ, : 225-05828-26

36 amnesty international Frauen im Blickpunkt zwischen Auflehnung und politischer Verfolgung 1991

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Inwiefern ist es empfehlenswert den Artikel 16 GG um frauenspezifische Flüchtlinsgründe zu erweitern?
Université
Free University of Berlin
Cours
Menschenrechte
Auteur
Année
2000
Pages
13
N° de catalogue
V99952
ISBN (ebook)
9783638983853
Taille d'un fichier
482 KB
Langue
allemand
Mots clés
Inwiefern, Artikel, Flüchtlinsgründe, Menschenrechte
Citation du texte
Joachim Bühler (Auteur), 2000, Inwiefern ist es empfehlenswert den Artikel 16 GG um frauenspezifische Flüchtlinsgründe zu erweitern?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99952

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