BELEGARBEIT GESCHICHTE
Überraschend für die Weltöffentlichkeit wie für die Bonner Parteien legte Kohl dem Deutschen Bundestag am 28. November 1989 ein Programm vor, das im Kern auf eine deutsch-deutsche Konföderation hinauslief. Der DDR wurden wirtschaftliche Soforthilfen und ein Ausbau der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit angeboten. Im Fall grundlegender politischer und wirtschaftlicher Reformen wäre mit einer erheblichen Ausweitung dieser Zusammenarbeit zu rechnen. In einem weiteren Schritt sollte mit gemeinsamen Institutionen auf verschiedenen Ebenen die von Modrow vorgeschlagene „Vertragsgemeinschaft” aufgebaut werden. Im Anschluß an freie Wahlen und die Bildung einer demokratisch legitimierten Regierung wäre der Aufbau konföderaler Strukturen vorstellbar mit dem Ziel, eine bundesstaatliche Ordnung zu schaffen. Besonderes Gewicht legte der Bundeskanzler auf die Einbettung der innerdeutschen Entwicklung in den gesamteuropäischen Integrationsprozeß und die Ost-West-Beziehung. Die Gestalt eines zukünftigen Deutschland wurde bewußt offengelassen, auf das Fernziel einer deutschen Vereinigung aber nicht verzichtet. Die von einer möglichen deutschen Vereinigung betroffenen Staaten, unter ihnen besonders die Siegermächte des 2. Weltkrieges, reagierten auf den Fahrplan der Bundesregierung reserviert. Teilweise fühlten sie sich übergangen, da sie vor seiner Bekanntgabe nicht konsultiert worden waren. Sie befürchteten einen deutschen Alleingang und daraus resultierende Machtverschiebungen in Europa durch ein wirtschaftlich und politisch übermächtiges Deutschland. Doch es gelang der Bundesregierung, die Bedenken zu zerstreuen. Besonders durch die Verhandlungsdiplomatie von Außenminister Genscher setzte sich international die Erkenntnis durch, daß es nicht um eine grundlegende Veränderung der Deutschlandpolitik ging, sondern um die Verwirklichung eines lange angestrebten Ziels auf der Basis bestehender Verträge und Abkommen.
Eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Einheit war das erste Treffen von Kohl und Ministerpräsident Modrow am 19. Dezember in Dresden. Die Verhandlungspartner einigten sich auf eine Erklärung zur Verwirklichung der von Modrow angeregten Vertragsgemeinschaft. Verhandlungen über deren konkrete Ausgestaltung sollte auf Ministerebene zum Jahresanfang beginnen. Dazu wurde in Dresden die Berufung von 11 Kommissionen und Expertengruppen beschlossen. Der Kanzler versprach begrenzte wirtschaftliche Hilfe. Modrows Forderungen nach einem „Lastenausgleich” zwischen der Bundesrepublik und der DDR lehnte Kohl jedoch ab. Darüber hinaus einige man sich auf die Abschaffung von Visapflicht und Zwangsumtausch bei Reisen zwischen West und Ost sowie die baldige Öffnung des Brandenburger Tores. Von Bedeutung für die weitere Entwicklung waren aber weniger die Verhandlungsergebnisse der beiden Regierungschefs als die Atmosphäre des Besuchs, der von heftigen Emotionen der Menschen begleitet wurde.
Im neuen Jahr verschlechterte sich die Lage in der DDR zusehens. Die Regierung zeigt sich außerstande, zukunftsfähige Perspektiven für die Menschen zu entwickeln. Nach wie vor zeichneten sich keine Reformen ab, um die Stabilität im Osten herzustellen. Nach Gesprächen mit der sowjetischen Führung in Moskau versuchte Modrow, die Initiative in der Vereinigungfrage zurückzugewinnen und legte am 1. Februar einen eigenen Plan „Für Deutschland, einig Vaterland - Konzeption für den Weg zu einem einheitlichen Deutschland” vor. Am 13. Februar reiste Modrow gemeinsam mit 17 Regierungsmitgliedern zu einem Arbeitstreffen nach Bonn. In den kühl verlaufenden Gesprächen war man sich lediglich darüber einig, daß es zur deutschen Einheit kommen werde, daß hierüber mit den Siegermächten bald zu verhandeln sei und das die Menschen in der DDR bleiben, statt aus ihr flüchten sollten. Die DDR- Delegation zeigte sich von den beschiedenen Ergebnissen des Besuches enttäuscht. Die Bundesregierung hatte die Regierung der DDR wenige Wochen vor den anstehenden Volkskammerwahlen nicht mehr als ebenbürtigen Partner angesehen. Grundsätzliche Vereinbarungen wollte sie erst mit der neuen Regierung treffen.
6.3. Die Ersten demokratischen Wahlen:
Die ersten Demokratischen Wahlen zur Volkskammer fanden am 18. März 1990 statt. Sie sollte das durch die Veränderungen entstandene Machtvakuum ausfüllen sowie eine demokratisch legitimierte Volksvertretung und eine handlungsfähige Regierung hervorbringen, die als rechtmäßiger Partner zusammen mit Bundestag und Bundesregierung den Prozeß der Vereinigung gestalten konnte.
Insgesamt bewarben sich 24 Parteien, Listenverbindungen und politische Vereinigungen bei den über 12 Mio. Wahlberechtigten um Mandate in der Volkskammer. Abgestimmt wurden nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts ohne prozentuale Sperrklausel. Die Wahlbeteiligung lag bei 93%. Entgegen den Prognosen ging die CDU mit 40,8% als Sieger aus der Wahl hervor und verfehlte mit den anderen Parteien der Alianz für Deutschland nur knapp die absolute Mehrheit. Mit diesen Wahlen zur Volkskammer, war das SED- Regime endgültig und für immer ausgemerzt.
6.4. Die Äußeren Aspekte der Einheit:
Trotz Währungs- und Sozialunion fehlte zur Jahresmitte 1990 noch der Schlußstein am Bau der deutschen Einheit.
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Er bedurfte wegen der alliierten Vorbehaltsrechte und wegen der aus dem Ost- West Konflikt und der Einbindung beider deutscher Staaten in gegensätzliche Bündnisse resultierenden äußeren Rahmenbedingungen der Mitwirkung der 4 Siegermächte des 2. Weltkrieges. Die alliierten hielten den Schlüssel zur Vollendung der Wiedervereinigung in den Händen.
Die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich wurden von den revolutionären Ereignissen in der DDR gleichermaßen überrascht und standen dem Geschehen abwartend gegenüber. Die Alliierten waren daher die Vertragspartner, mit denen die BRD und die DDR zu einer Übereinkunft über die staatliche Einheit gelangen mußten.
Als Ergebnis der zahlreichen diplomatischen und politischen Bemühungen unterzeichneten die sechs Vertreter der Staaten am 12. September1990 in Moskau den „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland” ( Zwei- plus-Vier-Vertrag ).
Parallel zu den internationalen Gesprächen über die äußeren Aspekte erörterten die beiden deutschen Regierungen den inneren Weg zu Wiedervereinigung. Zwei Möglichkeiten standen offen: der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes oder die Ersetzung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung nach Artikel 146 GG.
Eine unabdingbare Voraussetzung für den Beitritt war die Gründung von Ländern in der DDR, um den bundesdeutschen Föderalismus vergleichbare Strukturen zu schaffen. Deshalb beschloß die Volkskammer Mitte Juli die Konstituierung von 5 neuen Bundesländern.
Der Abschluß eines Einigungsvertrages, beruht auf dem ausdrücklichen Wunsch der DDR- Regierung. Sie strebte nicht nur einen geordneten Übergang der DDR in die BRD an. Als politisch, wirtschaftlich schwächerer Partner erhoffte sie sich auch größere Einflußmöglichkeiten auf die Beitrittsmodalitäten.
(7.) Schluß, Zusammenfassung, Bewertung:
Die Wiedervereinigung war ein Ereignis welthistorischen Ausmaßes. Nicht nur die Teilung Deutschlands, sondern auch die Europas war überwunden; der ganze Ostblock brach zusammen und das internationale System veränderte sich grundlegend.
Der Prozeß zur Herstellung der staatlichen Einheit, konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Bei allen Schwierigkeiten, die damals bestanden und heute noch immer bestehen, sollte jedoch nicht vergessen werden, daß wir Zeugen eines historisch einmaligen Vorgangs geworden sind, an dessen Ende Deutschland friedlich und mit Zustimmung aller Nachbarn wiedervereinigt wurde.
Das vereinte Deutschland steht vor neuen Aufgaben. Auf die nationale Einheit wird die europäische Einheit folgen, in die die osteuropäischen Länder einbezogen werden. Die Mauer trennte nicht nur die deutsche Nation, sondern sie trennte auch Westeuropa von Osteuropa. Der Ost- West Gegensatz sieht sich überwunden zugunsten grundlegend neuer Perspektiven für die Gestaltung eines einigen Europas und für eine tragfähige gesamteuropäische Friedensordnung.
Die Bundesrepublik nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Aufgrund der geopolitischen Lage in der Mitte Europas, seiner Bedeutung als europäische Macht und der veränderten europäischen Konstellation kommt Deutschland eine besondere Brückenfunktion zwischen den Ländern der Europäischen Union und denen Osteuropas zu. Nun müssen Antworten gefunden werden auf die Frage, wie die Erweiterung der EU und NATO um die Staaten Ost und Mitteleuropas mit der gleichzeitigen Vertiefung des Integrationsprozesses der Europäischen Union vereinbart werden können. Deutschland ist vereinigt.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in diesem Text?
Dieser Text befasst sich mit dem Prozess der deutschen Wiedervereinigung, insbesondere mit den politischen und diplomatischen Schritten, die dazu geführt haben. Er beleuchtet die Rolle von Helmut Kohl, die Verhandlungen mit der DDR-Regierung unter Modrow, die Bedeutung der ersten demokratischen Wahlen in der DDR und die Rolle der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs.
Welche Rolle spielte Helmut Kohl bei der Wiedervereinigung?
Helmut Kohl, der damalige Bundeskanzler, präsentierte im November 1989 einen Plan für eine deutsch-deutsche Konföderation und bot der DDR wirtschaftliche Soforthilfen an. Er betonte die Einbettung der innerdeutschen Entwicklung in den gesamteuropäischen Integrationsprozess und behielt das Fernziel der deutschen Vereinigung im Auge. Er spielte eine entscheidende Rolle in den Verhandlungen und der diplomatischen Arbeit.
Wie gestalteten sich die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR nach dem Fall der Mauer?
Nach dem Fall der Mauer gab es zunächst Gespräche über eine Vertragsgemeinschaft, später über konföderale Strukturen. Kohl traf sich mit Modrow in Dresden, um über die Ausgestaltung dieser Gemeinschaft zu verhandeln. Die Lage in der DDR verschlechterte sich jedoch zusehends, und die Bundesregierung behandelte die DDR-Regierung zunehmend weniger als gleichwertigen Partner.
Was waren die ersten demokratischen Wahlen in der DDR?
Die ersten demokratischen Wahlen zur Volkskammer fanden am 18. März 1990 statt. Sie sollten eine demokratisch legitimierte Volksvertretung und eine handlungsfähige Regierung hervorbringen, die als rechtmäßiger Partner den Prozess der Vereinigung mitgestalten konnte. Die CDU ging als Sieger aus der Wahl hervor.
Welche Rolle spielten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs bei der Wiedervereinigung?
Die Siegermächte (USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich) hatten aufgrund der alliierten Vorbehaltsrechte und der Einbindung beider deutscher Staaten in gegensätzliche Bündnisse ein Mitspracherecht bei der Wiedervereinigung. Sie mussten einer staatlichen Einheit zustimmen. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 in Moskau regelte die äußeren Aspekte der Einheit.
Welche Möglichkeiten gab es für den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik?
Es gab zwei Möglichkeiten: den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes oder die Ersetzung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung nach Artikel 146 GG. Schließlich entschied man sich für den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes.
Was war der Einigungsvertrag?
Der Einigungsvertrag basierte auf dem Wunsch der DDR-Regierung nach einem geordneten Übergang der DDR in die BRD. Die DDR erhoffte sich auch größere Einflussmöglichkeiten auf die Beitrittsmodalitäten. Er regelte die inneren Aspekte der Vereinigung.
Was sind die abschließenden Überlegungen zur Wiedervereinigung?
Die Wiedervereinigung wird als ein Ereignis welthistorischen Ausmaßes betrachtet. Sie markierte nicht nur die Überwindung der Teilung Deutschlands, sondern auch Europas. Das vereinte Deutschland steht vor neuen Aufgaben, insbesondere im Hinblick auf die europäische Einigung und die Rolle Deutschlands in Europa.
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- Mathias Töpfer (Autor), 2000, Die Deutsche Einheit - Die Friedliche Revolution 1989 in Deutschland, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99958