James Clavell - Shogun - Tokugawa Ieyasu und Fürst Toranaga aus dem Roman Shogun - Warum werden sie die wichtigsten Männer im Land?


Bachelor Thesis, 2000

22 Pages

Anonymous


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Realität und Fiktion
II.1 Der Aufstieg des Tokugawa Ieyasu zum Shogun
II.2 Die Interpretation durch den Roman ,,Shogun"
II.2.1 Tatsachen
II.2.2 Leichte Abwandlungen
II.2.3 Interpretationen
II.2.4 Ergänzungen

III. Textstellenvergleich
III.1 Der Roman ,,Shogun" im Gegensatz zu Ieyasu- Biographien
III.1.1 Textstellenvergleich aus M. Cooper, Seite 115, und Clavell, Kapitel 11
III.1.2 Text stellenvergleich aus A.L. Sadler, Kapitel XLII und Clavell, Kapitel 33.
III.1.3 Textstellenvergleich aus J.W. Hall, Seite 148f und Clavell, Kapitel 30, S.453ff.
III.1.4 Textstellenvergleich aus J.W. Hall, Seite 146 und Clavell, Kapitel 60, S.1152f.

IV. Schluss

V. Anhang
V.1.Glossar japanischer Begriffe und Schriftzeichen
V.2 Bild Ieyasus
V.3 Kategoriensystem
V.4 Kategoriensystem

0. Gliederung

I. Einleitung

Drei Jahre nach seinem Sieg in der Schlacht von Sekigahara im Jahr 1600 übernimmt Tokugawa Ieyasu das höchste Staatsamt und wird Shogun. Um in dieser Postion durch den Kaiser bestätigt zu werden, musste Ieyasu seine Abstammung aus der Familie der Minamoto beweisen. Und obwohl seine tatsächliche Abstammung von diesem Adelsgeschlecht eher fraglich ist, konnte er unangefochten bis 1614 das Amt legal inne haben. Als er zurücktrat übergab er diesen Titel, der bisher nicht erblich war, an seinen Sohn weiter. In den folgenden 268 Jahren schaffen es seine Nachkommen Japan ganz in ihre Gewalt zu bringen und die unruhige Zeit der Bürgerkriege zu beenden.

Wie konnte es also in jener Zeit ein Mann vollbringen sich selbst zum Landesoberhaupt zu küren, und eine Herrschaft zu begründen die die Geschicke Japans so lange Zeit bestimmte? Waren es die historischen Umstände die einen Mann wie ihn erforderten, oder war er eine Leitfigur, deren Charakter sich die Bürger damals nicht entziehen konnten? Um den Menschen Tokugawa Ieyasu hinter der historischen Figur besser verstehen zu können, lohnt es sich eine Interpretation anzusehen. Geeignet ist der 1975 erschienene Roman ,,Shogun" des Amerikaners James Clavell. In diesem wird das Einleben des Holländers Blackthorne geschildert, der als Kapitän eines Schiffs an der japanischen Küste strandet. Anfangs stößt ihn die fremde Umgebung ab, aber durch seine Liebe zu der Japanerin Mariko und das zunehmende Vertrauen gegenüber dem Fürsten Toranaga lernt er sich einzugewöhnen.

Obwohl Clavell für seine Figur das Alias ,,Toranaga" verwendet, bezieht er sich doch eindeutig auf Ieyasu. Um heraus zu finden inwieweit sich die beiden Personen, Ieyasu und Toranaga, noch ähneln, ist es interessant das Verhältnis zwischen transferierter Realität und Fiktion im Roman zu untersuchen. Aus den dann gewonnenen Kenntnissen sollen Rückschlüsse auf die Intention des Autors getroffen werden, auf die Beweggründe seinen Protagonisten gerade in dieser Art auszugestalten. Selbstverständlich gehört dazu auch die Wirkung der Wortwahl und stilistischer Mittel. Diese unterscheiden sich grundlegend von der Art der Schilderung die in wissenschaftlichen Werken üblicher Weise Verwendung findet, welches in Textstellenvergleichen bewiesen und untersucht werden wird. Am Ende soll deutlich werden auf welch ähnliche oder unterschiedliche Weise Toranaga und Ieyasu das gleiche Ziel erreichen, und die mächtigsten Männer im Land werden.

II. Realität und Fiktion

II.1. Der Aufstieg des Tokugawa Ieyasu zum Shogun

Ieyasu stammte aus bürgerlichem Haus. Sein Vater war der politisch unbedeutende SengokuDaimyo Hirotada, der seinen Sohn bereits als Fünfjährigen als Geisel zu seinen Verbündeten und früheren Feind Imagawa Yoshimoto in die Nachbarprovinz schickt.1 Obwohl der Vater zwei Jahre später stirbt, unternimmt der Junge vorerst keinen Fluchtversuch. Erst als Yoshimoto 1560 von Oda Nobunaga getötet wird und die Verpflichtung des jungen Ieyasu damit erlischt, entweicht er seinen Geiselnehmern.2 In den folgenden Jahren verbündet er sich mit Nobunaga und kann die Imagawa bezwingen.3

1565 und 1566 bringt er die gesamte Mikawa- Provinz unter seiner Kontrolle und er erhält den Titel ,,Herr von Mikawa" (,,Mikawa no Kami").4 In weiteren Eroberungsfeldzügen kann er sein Territorium derart vergrößern dass er 1583 zum ,,Herr der 5 Provinzen" wird. Nobunaga steigt in der Zwischenzeit zum ersten der drei ,,Reichseiniger" des bis dahin durch Bürgerkriege zerspalteten Landes auf, zu denen auch Ieyasu und Nobunagas Nachfolger Toyotomi Hideyoshi zählen. Letztere reißt nach dem Tod Nobunagas 1582 die Macht in Japan an sich.5 Nachdem Ieyasu kurzzeitig versucht ihn daran zu hindern, kommt es doch zur Einigung6. Wohl damit verbunden ist die Ernennung Ieyasus zum ,,kaiserlichen Regenten" (Kampaku) durch Hideyoshi, und als Tausch gegen die von ihm verwalteten fünf Provinzen die Versetzung in das Kanto- Gebiet7. Dort entstehen zwar durch die unvorteilhafte Lage Nachteile, aber da das Gebiet größer und ertragreicher ist kann Ieyasu seine Macht weiter ausbauen8. Durch das Verschenken eines Großteils seines neuen Landes gelingt es ihm zudem, weitere Vasallen zu gewinnen.9

Er macht das Dorf Edo, das zu dieser Zeit aus ca. 100 Häusern besteht und heute Tokio heißt, zu seiner Hauptstadt. 1592 kann er zudem auch verhindern, anders als viele andere Daimyo, an dem Invasionskrieg Hideyoshis in Korea teilnehmen zu müssen wodurch er die Möglichkeit bekommt sein Territorium selbst verwalten und erhalten zu können.10 Kurz vor seinem Tod im Jahr 1598 trifft Hideyoshi Verfügungen seine Nachfolge betreffend und bestimmt seinen unmündigen Sohn zum Nachfolger.11 Ein Gremium aus ,,Fünf Vertretern"(,,Go-tairo") zu dem Ieyasu gehört soll für ihn regieren, während ein weiteres Gremium, ,,Gobugyo" genannt, die Staatsgeschäfte verwaltet. Dazwischen stehen drei ,,Vermittler" (,,churo"), denen unter anderem Ishida Mitsumari angehört.12 Dieser hegt schon früh den Verdacht, Ieyasu wolle die Alleinherrschaft antreten, und versucht anfangs erfolglos, sich gegen ihn mit anderen mächtigen Daimyos zu verbünden.13.

Als jedoch 1599 ein einflussreiches Mitglied der Gotairo, Maeda Toshiie, stirbt, gerät das politische Gleichgewicht im Rat zugunsten Tokugawa Ieyasu ins Wanken.14 Er stellt nun eine Großmacht dar, der andere Daimyos Loyalität schwören.15

Am 21.10.1600 kommt es dann zur Schlacht von Sekigahara gegen Ishido, der es geschafft hat einige Damyos aus dem Westen zu einer Allianz zusammen zu bringen. Der Angriff misslingt jedoch und bei dieser Schlacht werden 87 Daimyo- Familien ausgelöscht. Ieyasu ist nun der wichtigste Herrscher Japans.16

1603 bekommt er dann die Legitimation und das Amt des Shogun durch den Kaiser anerkannt, dies ist zu jener Zeit jedoch nur noch eine Formalität.17

Diese Entwicklung zusammenfassend sieht man, dass Ieyasus Erfolg vor allem auf seiner Fähigkeit beruhte, geschickt Anhänger und Vasallen für sich gewinnen zu können. Da ihm sowohl Nobunaga als auch Hideyoshi wohlgesonnen waren und ihn letzterer nach seinem Tod an der Regierung beteiligte, konnte Ieyasu immer mehr an Macht gewinnen, welches sich nach dem Tod Maeda Toshiies noch intensivierte und schließlich in der entscheidenden Schlacht von Sekigahara seinen Höhepunkt fand.

Da das Hinzugewinnen von Vasallen hier als Ausgangspunkt Ieyasus Karriere und als seine wichtigste Taktik gilt ist nun die Frage, wie er dieses erreichen konnte, selbst als er noch ein unbedeutender Mann war.

James Clavell scheint darauf mit seiner Figur ,,Toranaga" aus dem Buch ,,Shogun" eine Antwort zu finden.

So hat er bei der Bildung des Charakters teils Fakten aus dem Leben Ieyasus übernommen, überwiegend hat er jedoch bekannte Tatsachen, besonders das Wesen und Angewohnheiten Ieyasus betreffend abgewandelt und interpretiert.

II.2. Die Interpretation durch den Roman ,,Shogun"

Im Folgenden sollen diese unterschiedlichen Ebenen des Realitätsbezugs untersucht werden um zu veranschaulichen, wie sehr die Figur Toranaga ihrem realen Vorbild Tokugawa Ieyasu entspricht und auf welche Art Clavell ihn als den mächtigsten Mann in Japan darstellt. Da sich Clavell in seinem Roman fast ausschließlich auf die Begebenheiten und Ereignisse von wenigen Monaten aus dem Jahr 1600 bezieht, und die Informationen über die Biographie Toranagas nicht in chronologischer Abfolge genannt werden, sind die folgenden Textstellen thematisch geordnet.18 Dabei sind die unter 1. aufgeführten Auszüge jene mit dem höchsten Realitätsbezug, während unter 4. die Textstellen genannt werden, die am fiktivsten sind.

1. Tatsachen aus der Biographie Tokugawa Ieyasus, die ge nau auf Toranaga übertragen wurden
2. Leichte Abwandlungen der Realität, vor allem bei Namen.
3. Interpretationen bekannter Tatsachen, die sich dann in abgeänderter Form bei Toranaga wiederfinden, sowie Wertungen Clavells.
4. Von Clavell frei erfundene Ergänzungen zur Figur Toranaga.

II.2.1. Tatsachen

Zu dieser Klassifikation gehören jene Informationen aus der Biographie Toranagas und Tokugawa Ieyasus die bei beiden gleich sind.

So wird Toranaga als ,,kleiner Mann mit einem dicken Bauch und langer Nase"19 beschrieben. Im weiteren werden dicke dunkle Augenbrauen und ein spärlicher grauer Bart genannt. Diese Beschreibung gleicht sehr einem Bildnis von Ieyasu, auf dem deutlich die oben geschilderten Attribute zu sehen sind.

Ein weiteres übereinstimmendes Merkmal beider Personen ist das Geburtsjahr, denn sowohl Toranaga20 als auch Ieyasu21 sind im Jahr 1600 58 Jahre alt. Zudem sind beide Herrscher über das bedeutende Kanto- Gebiet22 und somit die bedeutendsten Daimyo im Land.23 Auch waren beide Vasallen Hideyoshis und wurden nach dessen Tod, wie bereits erwähnt, in den ,,Rat der Regenten" aufgenommen24.

Ebenso hat Clavell die Leidenschaft zur Falkenjagd von Ieyasu auf Toranaga übertragen. Allerdings sind die Motive hierzu bei beiden unterschiedlich: Während Toranaga zum Vergnügen auf die Jagd geht und seine Falken mit seinen Getreuen vergleicht, die es zu trainieren gilt,25 sieht Tokugawa Ieyasu hierbei den reinen Nutzen. Dieser liegt für ihn darin, gewisse im Krieg benötigte Fähigkeiten wie eine gute Kondition auch in der Friedensze it zu trainieren.26

Schließlich sei noch die Vorliebe Ieyasus für Witwen27 bei der Wahl seiner Gefährtinnen genannt, denn auch diese Angewohnheit entspricht der Toranagas.28

II.2.2 Leichte Abwandlungen

Einige über Ieysus Leben bekannte Fakten wurden von Clavell nur ein wenig abgewandelt, das betrifft vor allem Namen und andere historisch unbedeutendere Tatsachen. Einer dieser Namen ist der Toranagas, dessen vollständiger Titel ,,Yoshi Toranaga noh Minowara" ist.29 Tokugawa Ieyasu hingegen trug zwar den Titel ,,Mikawa no kami". Dieses kann mit ,,Herr von Mikawa" übersetzt werden und ist nicht etwa ein Adelstitel, sondern eine nicht vererbbare Ehrenbezeichnung.30 Vermutlich ist der Name ,,Minowara" eine Mischform aus den Namen zweier konkurrierender japanischer Adelsgeschlechter, den Minamoto und Fujiwara31, und somit wohl von Clavell willkürlich gewählt.

Weitere Beispiele für abgeänderte Namen sind die des Großvaters Toranagas Chikitada32, in Wirklichkeit ein Vorfahre namens Chikatada33, oder der seines Widersachers Ishido34, mit dem der Daimyo Ishida bezeichnet wird.35 Doch obwohl der Name des Ishidas leicht abgewandelt ist, ist seine Funktion die gleiche. Auch er versuchte Ieyasu an der Machtergreifung zu hindern36

Neben diesen geringen Abweichungen finden sich im Roman ,,Shogun" auch solche Eigennamen, die nicht mehr an das Original erinnern.

So sind die Namen von Toranagas Feinden Iwari, Mikawa, Totomi und Sugara37 von den Bezeichnungen der Teile des bereits erwähnten Kanto- Gebietes übernommen worden, und nur ,,Sugara" erinnert noch an das ursprüngliche Wort ,,Suruga".38

Was die Bezeichnung der Kinder Toranagas angeht so sind diese auch in etwa dem entnommen, was von Ieyasu bekannt ist: Beide waren im Jahr 1600 Väter von je fünf Söhnen und drei Töchtern.39 Clavell benennt hier jedoch die ältesten drei Söhne mit Noboru, Sudara und Naga,40 rein erfundenen Namen die nicht annähernd an die Namen der Söhne Ieyasus erinnern41.

II.2.3. Interpretationen

Da es sich bei dem vorliegenden Werk um einen Roman handelt ist es ganz selbstverständlich, dass die Handlung gelegentlich über das hinaus geht was über die reale Vorlage bekannt ist, und sich, geradezu von dem vom Autor Recherchierten inspiriert, an Interpretationen der Realität heranwagt.

So finden sich auch in dem Buch ,,Shogun" Fakten und Informatio nen zu der Person Toranaga, die zwar zu Ieyasus Charakter wie man ihn sich vorstellt passen würden, aber nicht in einer Biographie belegt sind. Einige Eigenschaften spiegeln auch jenes wieder, was aus jener Zeit über Japaner in Ieyasus Position bekannt ist.

Zu diesem Punkt gehören zudem ebenfalls Wertungen des Autors.

So beschreibt der Seemann Blackthorne42 bei seiner ersten Begegnung Toranaga mit dickem Bauch und spärlichen Bart. Er erwähnt dazu jedoch auch dass dieser, trotz seines recht unbeindruckenden Aussehens, eine imposante Persönlichkeit sei und er die ,,Überwältigende Macht dieses Mannes"43 spüre. Weiter wird in dem Roman ebenfalls von der ,,leichtfertigen sicheren Arroganz"44 des Herrschers gesprochen.

Andere erwähnte Eigenschaften Toranagas sind seine Entschlossenheit45 und seine hervorragende Fähigkeit zum strategischen Planen, die er mehr als einmal unter Beweis stellt. So manipuliert er seine Anhänger und auch Feinde,46 arrangiert politische Hochzeiten sowohl für sich als auch für seine Anhänger und Familienmitglieder47, intrigiert48, und oktroyiert seinem Sohn sogar die von ihm selbst verachtete christliche Konfession auf.49 Tatsächlich ist jedoch Tokugawa Ieyasus intrigantes Geschick nicht eindeutig historisch belegt. Auch wenn seine politischen Strategien und Neuerungen schon in seiner Zeit als Feudalherr der Mikawa- Provinz50 oder später als Shogun51 überliefert sind, kann heute wohl nicht eindeutig gesagt werden ob dies wirklich von ihm allein geplante Neuerungen waren, oder ob er sich dabei eher auf den Rat anderer Personen verließ.

Besonders diese historisch nicht belegbaren persönlichen Eigenschaften und Charakterzüge spielen jedoch im Roman eine entscheidende Rolle und sind deswegen sehr häufig zu finden. So wird er unter Anderem als Arrogant gegenüber seinem Gegenspieler Ishido beschrieben. Dieser sei von geringerer Abstammung als Toranaga, welches diesem immer wieder Gelegenheit gibt sich über Ishido zu erheben.52 Für den Leser wird sogar angedeutet dass Toranaga aristokratisch sei. Dieses zeigt sich sowo hl in der Aussage ,,Stammt von den Minowara ab",53 sowie bei dem langen Titel "Yoshi Toranaga noh- Minowara"54 den Toranaga im Namen trägt und der auch einem Leser, dem japanische Namen nicht vertraut sind an einen europäischen Adelstitel erinnern wird. Dieses bleibt während des ganzen Buches evident, wenn auch nie explizit die Herkunft Toranagas genannt wird. In Wirklichkeit war Ieyasu selbst jedoch, wie bereits erwähnt, von ,,niederer" Abstammung und die Annahme, er könne sich über Ishida oder einen anderen Daimyo ähnlicher Herkunft lustig gemacht haben, ist eher abwegig.

Die Intention des Autors war hier wohl, Toranaga mächtig und beindruckend erscheinen zu lassen. Dazu passen auch andere Angewohnheiten des Generals, die sich nicht eindeutig in einer Ieyasu- Biographie wiederfinden lassen:

Er ist stets umgeben von einer Samurai- Garde,55 ihn anzugreifen erscheint also als kaum durchführbar. Toranaga verlangt ferner von seinen Vasallen absolute Loyalität, ohne dass diese eine Gegenleistung erwarten dürfen.56 Dieses demonstriert die Macht des Herrschers über seine Anhänger. Dazu gehört ebenfalls die Gewähr einer Belohnung. Be i dieser sind sich seine Getreuen, wie die Dame Mariko, gewahr, dass sie von Toranaga jederzeit wieder genommen werden kann.57 Diese Autorität über seine Vasallen zeigt sich auch in dem Umgang mit ihren Leben, denn obwohl er angibt gegen sinnlosen Tod zu sein58 ordnet er dennoch gelegentlich Selbstmord an, welcher befolgt werden muss und wird.59 Diese bedingungslose Loyalität wird zudem auch von ihm gegebenenfalls getestet. So befiehlt er zum Beispiel seiner Schwiegertochter, ihre Kinder und seine Enkel zu töten um auf ihre Reaktion achten zu können.60

Hier dienten als Anregung für Clavell vermutlich die strengen Grundsätze, na ch denen sich der Konfuzianist Tokugawa Ieyasu richtete. Denn auch Ieyasu äußerte sich ähnlich über die Wichtigkeit der Loyalität seiner Vasallen61 und bewies seine eigene, indem er nach dem Tod seines Vaters nicht aus der Geiselhaft bei den Imagawa floh.62

Diese hohen moralischen Grundsätze, der bedingungslose Gehorsam seiner Vasallen bis in den Tod und seine universelle Macht über sie macht aus Toranaga einen Mann, der wahrhaft imposant und unbezwingbar wirkt.

II.2.4. Ergänzungen

Die im Folgenden aufgeführten Beispiele ließen eine Verbindung zur Person Tokugawa Ieyasus oder ihrem (familiären, historischen, etcetera) Umfeld nicht einmal entfernt erkennen, hier hat der Autor Clavell seine ,,dichterische Freiheit" genutzt um die Figur Toranaga auszuschmücken.

Vermutlich aus rein dramaturgischen Gründen wird somit dem Leser über Toranaga berichtet er habe einen Halbbruder namens Zataki63 mit dem er zutiefst verfeindet ist, sich später jedoch wieder versöhnt um in die Schlacht von Sekigahara zu ziehen. Und auch die Angabe, seine Krieger trügen wie er braune Kimonos mit fünf Insignien,64 ließ sich nicht aus der Sekundärliteratur belegen, ebenso besteht das Wappen der Tokugawa nicht aus den im Roman erwähnten fünf Symbolen.

Sehr spekulativ macht Clavell die Andeutung Toranaga könnte der Vater des unmündigen Erben und Sohnes des verstorbenen Reichsregenten Nakamura, Yaemon, sein.65 Besonders entfernt von der Realität ist jedoch eine Szene, in der die Dame Mariko mit Toranaga ein Gedicht erfindet, wobei jeder je einen Vers ergänzen muss.66 Dieses gängige Spiel des japanische Mittelalters gehörte ganz gewiss nicht zu Ieyasus Leidenschaften, tatsächlich hat er sich für die Aufgabe des Vers- Addierens einen eigens dafür eingestellten Gelehrten beschäftigt.67

Ebenfalls konnte die Praxis des gemeinsamen Urinierens nach dem Abschluss eines Vertrages oder Paktes, wie im Roman ,,Shogun" erwähnt,68 nicht aus der Sekundärliteratur belegt werden.

Vergleicht man die erwähnten Textstellen direkt miteinander so fällt auf, dass die unter 1. genannten vor allem historische Begebenheiten beschreiben. Unter 2. finden sich überwiegend Eigennamen, unter 3. Charakterzüge Toranagas und unter 4. seine persönlichen Angewohnheiten. Zwar kann bei den hier genannten Textstellen eine Vollständigkeit nicht garantiert werden, sie stellen jedoch einen Großteil der relevanten Zitate aus dem Roman und sind somit als repräsentativ anzusehen.

Clavell hat also die Charakterzüge Toranagas aus den reinen Fakten interpretiert, welche in der Biographie Tokugawa Ieyasus gegeben werden und somit eine Figur geschaffen, die zwar Ieyasu noch ähnelt aber darüber hinausgeht und ihr sozusagen eine Persönlichkeit und eigenen Charakter gibt.

III. Textstellenvergleich

III.1. Der Roman ,,Shogun" im Gegensatz zu Ieyasu- Biographien

Ordnet man die unter II.2. aufgeführten Auszüge in ein Kategoriensystem nach ihrer Zeitbezogenheit69 so fällt auf, dass sich die meisten Textstellen auf die mittelbare Gegenwart Toranagas beziehen. Es werden wenige Informationen über die Vergangenheit und noch weniger Ausblicke auf die Zukunft unternommen.

Somit beschränken sich die gegebenen Informationen auf einen Zeitraum von wenigen Monaten im Jahr 1600 als Toranaga (oder Ieyasu) bereits eine gewisse Macht in Japan darstellte, das Land jedoch noch nicht kontrollierte. Auch bleibt der Aufstieg und die damit verbundenen Mühen Toranagas so gut wie unerwähnt.

Während in der Biographie Ieyasus überwiegend dessen Beitrag bei Schlachten und der Einigung des Landes hervorgehoben wird, bleibt dies im ,,Shogun" unerwähnt, genau wie die Tatsache dass das reale Vorbild Ieyasu der Begründer einer Shogun- Dynastie ist, die über 250 Jahre an der Macht bleiben soll.

Der Grund weshalb Toranaga auf den Leser dennoch so imposant wirkt ohne dass näher auf den Status des Herrschers oder seine früheren Verdienste eingegangen wird, muss also ein anderer sein.

Im Folgenden sollen vier Textstellen aus dem Roman mit Auszügen aus wissenschaftlichen Werken zum jeweils gleichen Thema verglichen werden.

III.1.1 Textstellenvergleich aus M. Cooper, Seite 115, und Clavell, Kapitel 11

Den ersten Eindruck über Toranaga gewinnt der Leser durch Blackthornes Augen: Er beschreibt das Zusammentreffen mit dem Herrscher und dessen Charakter. Die Begegnung und der Dialog von Toranaga mit dem Seemann wird recht ausführlich geschildert: So wird der Raum beschrieben in dem dass Zusammentreffen stattfindet und der Eindruck vermittelt, dass er gut eingerichtet sei (Vgl.Clavell: "The room was forty paces square and ten high, the tatami mats the best quality ...",). Auffällig sind auch die zahlreich anwesenden Samurai, von denen umgeben Toranaga sich im Schneidersitz auf dem Boden befindet. Er ist mit der Pflege eines verwundeten Falken beschäftigt, und niemand nimmt zu Beginn des Treffens Notiz von dem fremden Europäer.

Die ersten Impressionen Blackthornes sind die des unattraktiven Äußeren des Herrschers, und, einige Zeilen weiter, nach einem Einschub über den Umgang Toranagas mit seinem Falken, der eindrucksvollen Ausstrahlung die ihm dennoch eigen ist. Nach dieser Schilderung ändert sich der Blickwinkel und wird zu dem Toranagas. Er spricht mit seinen Untergebenen und bittet schließlich einen portugiesischen Jesuiten- Priester für ihn zu übersetzen. Als nun das Gespräch beginnt findet sich der Leser wieder in die Perspektive Blackthornes versetzt. Durch den Portugiesen fragt Toranaga den Engländer nach seiner Herkunft, seinem Verhältnis zu den Portugiesen und Spaniern, mit dem sich sein Heimatland im Krieg befindet, und über seine Religion. Blackthorne versucht im Verlaufe des Gesprächs sein Misstrauen gegenüber dem Übersetzer zum Ausdruck zu bringen, sowie seine friedlichen Absichten wie den Wunsch mit Japan Handelsbeziehungen zu forcieren.

Die Beschreibung dieses Gespräches erfolgt sehr detailliert. Dazu gehört ebenfalls die Reglementierung Blackthornes durch Toranaga nur Fragen zu beantworten und selbst keine zu stellen (vgl.: "'what I said is no concern to yours...'"), sowie die Reaktionen Toranagas auf das Gehörte. Er deutet durch seine Wortwahl, aufflammendes Interesse an gewissen Themen an. Diese Fragen und Antworten werden im Verlaufe des Textes als direkte Rede wiedergegeben, ohne dass der Übersetzer noch Erwähnung findet. Besonderes Augenmerk scheint dabei auf Fragen zu liegen, in denen Blackthorne die Unterschiede seiner Kultur zu jener der Portugiesen benennen soll. Toranaga interessieren besonders die unterschiedlichen Konfessionen70 und die politische Auseinandersetzung der drei Länder die sich im Krieg befinden und deren Vertreter nun in Japan sind. Er scheint zu sondieren ob ihm oder der Harmonie im Land durch den Europäer eine Gefahr drohe, jedoch können seine Fragen auch so ausgelegt werden als dienten sie dem Zweck in Blackthorne einen Verbündeten gegen die Jesuiten zu finden. Letzteres bestätigt sich später im Roman. Der Gesprächsverlauf beginnt mit einer Diskussion des Seemanns und des Priesters über den Argwohn des Engländers, der Portugiese werde nicht wortgetreu und neutral übersetzen. Nach einer Ermahnung Toranagas wird der Übersetzer nicht mehr in der indirekten Rede erwähnt, es scheint nun zum direkten Austausch zwischen dem Japaner und Blackthorne zu kommen.

Die Sätze sind sehr kurz, der Wechsel zwischen beiden wird immer schneller, und zweimal lässt Toranaga den Inquirierten nicht ausreden (Vgl.: "Our church - ", bzw. "They're both - " ). Die Situation scheint wie ein. Dieses schnelle Tempo verlangsamt sich ein wenig als Toranaga speziell auf die Unterschiede der Glaubensrichtungen eingeht. Hier wird nun erstmals wieder ein Gedankengang Blackthornes eingefügt der sich über die Beweggründe zu dieser Frage wundert. Damit nimmt sie eine besondere Stellung ein und wird offensichtlich zur Gretchenfrage.

Die Beschreibung dieser Audienz erstreckt sich auf 15 Seiten. Der Text zum gleichen Thema bei Cooper fällt kürzer aus und nimmt gerade eine halbe Seite ein. Es ist ein Original- Bericht von Will Adams, dem realen Vorbild Blackthornes, über sein erstes Zusammentreffen mit dem künftigen Shogun.

Da dieser Bericht in der ersten Person verfasst wurde wird nur die indirekte Rede verwendet. Er ist mit der originalen Wortwahl abgedruckt, also auch in altertümlichem Englisch (vgl. zum Beispiel "warres" statt ,,wars" ).

Das Kapitel zu dem der Bericht gehört trägt die Überschrift "Audiences", hier steht also nicht der Seemann im Vordergrund, sondern sein Zusammentreffen mit dem Herrscher. Das Aussehen Ieyasus wird hier gar nicht beschrieben. Und auch über Adams Ankunft in Japan wird nichts gesagt, nur die Überfahrt mit einer Galeere Ieyasus zu dessen Hauptsitz nach Osaka findet kurze Erwähnung.

Hingegen wird diese Überfahrt im sehr ausführlich beschrieben und nimmt insgesamt vier Kapitel ein71. Hier hört Blackthorne bereits einige Fakten über die Macht Toranagas und die Begebenheiten im Land.

Will Adams hingegen ging vollkommen unvorbereitet zu der Audienz. So nennt er in seiner Schrift Ieyasu ,,König", welches seine Unkenntnis demonstriert. Den europäischen Einwanderern war lange Zeit nichts von dem japanischen Kaiser bekannt, der zwar das Staatsoberhaupt in Japan war, allerdings die Staatsgeschäft anderen überließ. Bis zu seinem Tode war also Hideyoshi dieser Repräsent, nach ihm, also auch im Mai 1600, in dem die Unterredung mit Adams stattfand, gab es noch keinen legalen Nachfolger. Dass der Seemann ihn dennoch als ,,König" bezeichnet, zeigt von einem großen Eindruck den Ieyasu gemacht haben muss.

Den Inhalt des Gesprächs fasst Adams nur zusammen. Im wesentlichen entsprechen die Fragen denen die auch Toranaga stellt, ohne jedoch eine Besondere zu pointieren.

Den Raum in dem die Audienz abgehalten wird ist bei Adams nicht weiter beschrieben. Dafür erwähnt er das Schloss welches sehr prunkvoll zu sein scheint (vgl.: ,,...the court, beeing a wonderfull costly house guilded with gold in abundance"), also wieder ein Indiz für den überwältigenden Eindruck den die Audienz bei ihm hinterließ. Die Beschreibung des Raumes im ,,Shogun" ist dagegen eher karg. Der Autor hat hier versucht Toranaga als Menschen zu beschreiben, der nicht durch Äußerlichkeiten wie beeindruckendes Aussehen oder prunkvolle Einrichtung seine Macht demonstriert, sondern durch sein Verhalten. Das ist sowohl die Ignoranz gegenüber dem Seemann zu Beginn des Treffens, als auch die Art der Fragestellung, das strenge Verhör bei dem der Leser eine Gefahr für Blackthorne wittert.

III.1.2 Textstellenvergleich aus A.L. Sadler, Kapitel XLII und Clavell, Kapitel 33.

In dem oben genannten Kapitel aus dem Roman ,,Shogun" beschreibt der Seemann Blackthorne eine Übung, die er bei dem Training mit den Truppen Toranagas durchführt. Er beschreibt dabei die Ausstattung der Samurai.

In diesem Zusammenhang wird über Toranaga gesagt "Toranaga(...) insisted that (his) troops be uniformed and punctilious in their dress).

Diese kurze und unwichtig wirkende Passage gewinnt erst an Bedeutung zieht man den Vergleichstext heran:

In dem Kapitel XLII aus dem Buch "The maker of modern Japan - Tokugawa Ieyasu" werden die ,,Persönlichen Angewohnheiten und Ansichten" Ieyasus's ("Ieyasu's personal habits and views") beschrieben. Dazu gehört unter anderem auch die Gewohnheit, stets von den Samurai zu fordern sie sollen gut gekleidet sein.

Während sich James Clavell jedoch weitgehend auf diese Aussage beschränkt die er für Toranaga übernommen hat, bietet Sadler zusätzlich eine Erklärung und detailliertere Ausführungen an. So bestand Ieyasu insbesondere darauf dass die Zähne seiner Krieger bevor sie in eine Schlacht zogen, weiß waren und das Haar und die Kleider wohlriechend. Am wichtigsten erachtete er jedoch das gute Aussehen des Helmes, da dieser im Falle einer Niederlage vom Feind mitsamt dem Kopf genommen wurde.

Eine Erklärung dieser oder ähnlicher Art fehlt bei Clavell gänzlich. Auch wird in dem Roman anders spezifiziert auf was sich das ,,ordentliche Aussehen" bezieht. So werden vor allem die Waffen und die Ausrüstung der Reiter unter Blackthornes Beobachtung erwähnt. Hier lässt sich bereits bemerken dass die Intention der beiden Autoren eine unterschiedliche sein muss. Bei Sadler steht die Gewohnheit Ieyasus seine Krieger zum gepflegten Aussehen zu mahnen als Beispiel um dessen Werte zu erläutern.72 Dieser Text wird auch mit einer Anekdote angereichert, welche ein Zitat bei einer Schlacht Ieyasus wiedergibt. Er hatte bei jenem Anlass den abgeschlagenen Kopf eines Feindes betrachtet und seinen Samurai diesen als Beispiel für einen gut gepflegten Menschen vorgeführt. Hier verwendet Sadler ein direktes Zitat Ieyasus mit dem der Bericht unterbrochen wird.

Clavell hingegen lässt diese Information über Toranagas Eigenheit, in dem äußeren Erscheinungsbild der Samurai, nur ganz nebensächlich einfließen.

Wichtiger scheint hier zu sein dass nur er und Ishido ihre Männer uniformieren, und dass selbst Blackthorne diese Praktik nicht aus Europa kannte. Andere Daimyo sähen dies sogar als "unnecessary innovation".

Untersucht man die beiden Vergleichswerke auf formaler Ebene, so fällt auf, dass in dem Kapitel "Ieyasu's personal habits and views" die Beschreibungen zum Charakter Ieyasus ungegliedert ineinander übergehen.

Sie erscheinen hier wie die Erzählungen eines zeitgenössischen Augenzeugen. Hinzu kommen die bereits erwähnten Anekdoten und wörtlichen Reden die den Text ,,lebendiger" gestalten, da sich der Leser in das Geschehen direkt hineinversetzt fühlt. Sie lassen ihn allerdings auch weniger objektiv erscheinen.

In dem gewählten Abschnitt zur Kleidung der Krieger wird eine Aussage Ieyasus vorangestellt ("Ieyasu always used to impress on his men that when warriors went out to battle they should go prepared to die there"). Diesem Satz folgen detailliertere Ausführungen, also auf welche Dinge sich das ,,vorbereitet" sein ("prepared") im Einzelnen bezieht. Diese Ausführungen gehen anschließend in die bereits erwähnte Anekdote der "Osaka summer campaign" über, wobei zum Teil auch die indirekte, später selbst die direkte Rede, verwendet wird. Betrachtet man diese Entwicklung von dem nichtssagenden Satz zu Beginn des Abschnitts bis zum Ende, an dem die direkte Rede Ieyasus aufgenommen wird, so fällt auf, dass die Sätze immer länger werden, so als würde sich auch der Redefluss steigern. Das hier verwendete stilistische Mittel, nämlich der Verzicht auf einen rein sachlichen Bericht und damit verbunden das Ausschmücken mit Anekdoten und wörtlicher Rede, findet sich genau genommen auch bei James Clavells ,,Shogun". Allerdings ist hier noch einen Schritt weiter gegangen worden indem den Figuren ein eigenes Leben gegeben und fiktive Dialoge sozusagen in den Mund gelegt wurden.

Auch die Beschreibung der Krieger wird somit nicht von einem autoritären Erzähler gegeben sondern indirekt durch die Beobachtung Blackthornes. Der Leser nimmt also an dem Geschehen Teil und kann die detailliert beschriebenen Bilder vor seinem geistigen Auge sehen.

Durch die etwas andere Beschreibung des Inhaltes der Aussage, Toranaga achte auf das Aussehen seiner Männer, bekommt diese Grundeinstellung eine vollkommen andere Richtung. So stehen hier besonders die Extravaganz Toranagas sowie die gute Ausrüstung seiner Truppen im Vordergrund.

Die Information, dass Toranaga/ Ieyasu mit dem Uniformieren der Truppen neue Wege ging, fehlt bei Sadler hingegen gänzlich.

III.1.3 Textstellenvergleich aus J.W. Hall, Seite 148f und Clavell, Kapitel 30, S.453ff.

Auch in der im Folgenden beschriebenen Textstelle wird Toranagas kriegerisches Geschick hervorgehoben.

Bei einer Inspektion seiner Truppen erinnert sich Toranaga, wie er Herrscher des Kwanto-Gebietes geworden ist. Demnach belagerte General Nakamura,73 der spätere Ta iko, die Schlossstadt von Odawara, in der sich der Beppu Clan verschanzt hatte welcher ihn als letzter an seinem Aufstieg hinderte. Diese Belagerung dauerte elf Monate und 150 000 Soldaten waren involviert.

Als während dieser Belagerungszeit der gemeinsame neugeborene Sohn Nakamuras und seiner Frau Ochiba stirbt, macht diese Toranaga dafür verantwortlich. Sie überredet ihren Mann, Toranaga den Ansturm auf die Burg leiten zu lassen, da sie überzeugt ist er müsse dabei umkommen. Die Attacke gelingt jedoch, der Beppu- Clan wird vernichtet und Nakamura wird zuerst Kwampaku und später Taiko.74

Die realen Begebenheiten differieren jedoch von dieser Version, zumindest nach John W. Hall.

So stellt dieser keine direkte Verbindung von der Belagerung der Burg in Odawara zu Ieyasu her.

Auf Seite 148 unten wird beschrieben wie Hideyoshi mit 200 000 Anhängern, also ca. 50 000 mehr als Toranaga zur Verfügung standen, die Belagerung der Burg begann in der sich der Hojo- Clan75 verschanzt hatte. Diese Belagerung dauerte zudem auch nicht elf, sondern nur zwei Monate.

Erst zwei Seiten später, auf Seite 151 unten, wird Tokugawa Ieyasu erwähnt. Allerdings auch nur in dem Zusammenhang dass er in das Kanto- Gebie t versetzt wurde, welches früher den Hojo gehörte.

Im Roman ,,Shogun" scheint sich gleichsam ein Rollenwechsel vollzogen zu haben: Während Clavell die Einnahme der Burg an Toranagas Geschick und Entschlossenheit fest macht, der die Mauern sprengte während Nakamura in seiner Trauer über den verstorbenen Sohn die Stadt zerstörte, erwähnt Hall ein Zutun Ieyasus bei der Belagerung überhaupt nicht.

Dieser Textauszug stammt aus einem Kapitel dass sich im Besonderen der Karriere Hideyoshis widmet. Und so wird dieser hier als kühler Stratege geschildert, der auch Ieyasu in das Kanto- Gebiet versetzte. Dieses geschah womöglich, da er ihn und seinen Clan als potentielle Angreifer fürchten musste und sie deswegen aus der geographischen Mitte Japans entfernen wollte.

Auffällig ist darüber hinaus die Diskrepanz bei den Angaben über die Dauer der Belagerung und der Anzahl der benötigten Streitkräfte beider Figuren, wobei Letzteres nicht sehr ins Gewicht fällt und einfach darauf beruhen kann dass die Autoren beider Werke sich auf verschiedene Quellen beziehen.

Stärker divergiert jedoch die Angabe der Belagerungszeit von zwei Monaten bei Hall zu elf bei Clavell. Der Grund für diese Übertreibung könnte darin liegen dass somit die ganzen Umstände noch mehr dramatisiert werden, und Toranagas Leistung die Burg zu stürmen nach einer solch langen Zeit noch erstaunlicher erscheint.

Jedoch scheint bei Clavell der zukünftige Taiko und Herrscher Hideyoshi schwächer zu sein als Toranaga. Er hat in elf Monate nicht erreichen können was Toranaga mit einem Kraftakt scheinbar in Kürze gelang, die Burg zu stürmen. Und dieses obwohl er den Angriff von der vom Feind gut übersehbaren Vorderseite gegen die Burg anging (vgl.: Clavell: (...)by frontal attack). Der Beppu- Clan konnte besiegt werden. Die Tatsache dass ihm dieses scheinbar unmögliche Unterfangen gelingt und er dem Tod entgeht, in den ihn die Dame Ochiba schicken wollte, demonstriert dem Leser erneut die Stärke und Unbezwingbarkeit Toranagas. Bei Hall findet sich keinerlei direkte Rede. Da in dem Buch ,,Das japanische Kaiserreich" Informationen über die japanische Geschichte in sehr komprimierter Form wiedergegeben werden, wäre solche auch sicherlich fehl am Platz. Es fehlt darüber hinaus eine Erläuterung weshalb Hideyoshi die Stadt Odawara verwüstete, denn dass er es tat wird sowohl bei Hall als auch bei Clavell erwähnt.

Zum Vergleich: In dem Roman wird die Rede der Dame Ochiba direkt wiedergegeben, einerseits wohl um den Leser besser an den Rückblick heran zu führen, so dass dieser nicht mehr all zu abstrakt wirkt, andererseits auch um ihre Worte eindringlicher und somit die Situation für Toranaga gefährlicher erscheinen zu lassen.

Der Textabschnitt endet mit der Bemerkung dass, nach dem erfolgreichen Ansturm, Nakamura Kwampaku und danach Taiko wurde. Die Bedeutungen dieser japanischen Termini wird nicht offen gelegt, ein Anhang oder ähnliches fehlen gänzlich. Und obwohl diese Rückblende durch eine Bemerkung ausgelöst wird, Toranaga habe in jener Zeit das Kwanto- Gebiet bekommen und der Leser somit erwartet darüber informiert zu werden, wird nicht mehr erwähnt wie er dieses letztlich erhielt.

Es scheint also auch hier, als würden militärische Toranagas Leistungen in Vordergrund zu stehen die ihn fähiger als den verstorbenen Herrscher des Landes, Nakamura, erscheinen lassen.

III.1.4 Textstellenvergleich aus J.W. Hall, Seite 146 und Clavell, Kapitel 60, S.1152f.

Dass Toranaga neben den erwähnten Fähigkeiten auch weise und weit in die Zukunft plant, wird in dem im Folgenden bearbeiteten Textauszug beschrieben:

Zum Ende des Buches sieht Toranaga von einem Felsen auf das darunter liegende Land und sinniert über die bevorstehende Schlacht mit Ishido und dessen Alliierten. Dabei spekuliert er über den Austragungsort sowie den möglichen Aus gang der Schlacht.

Ein geeigneter Ort scheint ihm das Dorf Sekigahara zu sein. Seine Chancen auf den Sieg sieht er dadurch gesteigert dass er mit dem Daimyo Kiyama vereinbaren wird, dass dieser im passenden Augenblick die Seiten wechselt. Er soll auf Toranagas Seite gegen Ishido und damit auch gegen einen Feind Kiyamas unter den Westarmeen kämpfen. Um mögliche Interventionsversuche der Mutter des Erben Yaemon bei Toranagas Machtübernahme macht er sich ebenfalls nur wenige Sorgen, denn er ist sicher dass die Mutter weiß, sie müsste in dem Falle um das Leben ihres Sohnes bangen. Ob er selbst beabsichtigt den Sohn zu bedrohen oder ob er erwartet dass dies von anderer Seite geschieht bleibt offen, jedoch ist es wahrscheinlich, dass er damit zum Ausdruck bringt, er selbst stelle eine Bedrohung dem Jungen gegenüber dar.

Die Schlacht an der Tokugawa Ieyasu teilnahm fand nach John W. Hall ebenfalls bei Sekigahara statt, und auch sie wurde dadurch entschieden dass ein Mann, Kobayakawa, die Seiten wechselte und so an Ishida einen Verrat begann. Hall nennt das Schlachtfeld ,,historisch" und spricht ebenfalls von der zuvor getroffenen Abmachung mit Kobayakawa, überzulaufen.

Ein solcher Rückblick findet sich nicht bei Clavell. Nach diesen zukunftsorientierten Überlegungen folgt nur eine kleine, kursiv gedruckte, Information zum Ende des Buches in der beschrieben wird, dass es im gleichen Jahr bei den Bergen um Sekigahara zu dem Kampf kam. Toranaga gewann und ,,40 000 Köpfe wurden genommen"(Vgl.: "Forty thousand heads were taken") wurden.

Jedoch wird der Preis aus diesem Sieg nicht erwähnt: Die Herrschaft über Japan und später die Shogunats- Dynastie, deren Begründer Ieyasu war.

Anders bei Hall: Er erzählt Ieyasus Geschichte weiter und auch seinen Einzug in Osaka, bereits zehn Tage nach dem Sieg bei Sekigahara, wonach er als ,,militärischer Herrscher des Landes" galt.

Allerdings wird hier nicht versucht zu erklären weshalb Kobayakawa sich zu dem Verrat überreden ließ. Die Theorie, er wollte Rache nehmen an einem Feind, der auf Ishidas Seite kämpfte, erscheint nur im ,,Shogun". Dafür wird bei Hall allerdings noch ein zusätzlicher Grund für den Sieg angeführt: Einige Truppen auf Ishidas Seite nahmen gar nicht erst an dem Kampf teil.

Über die Anzahl der ,,genommenen Köpfe", also der besiegten und getöteten Männer, wird hier ebenfalls keine konkrete Aussage getroffen. Statt dessen wird gesagt dass ,,der Kampf unter großem Gemetzel verloren" ging.

Warum bleibt die zukünftige historische Entwicklung Japans und die persönliche Toranagas in dem Roman offen? Hierauf lässt sich nur antworten dass es nicht weiter von Belang ist, und somit die Geschichte bereits zu Ende ist.

Während Ieyasu tatsächlich erst nach der gewonnenen Schlacht von Sekigahara der mächtigste Mann im Land war, ist es Toranaga bereits schon auf dem Hügel, als er sich einen geeigneten Ort für den Kampf aussucht. Er hat alle möglichen Widersacher unter Kontrolle und kann der Schlacht auch ruhig entgegensehen, denn er weiß ja bereits wie sie ausgehen wird. Er hat die Fäden in der Hand, er bestimmt wie sich die Dinge in den nächsten Jahren entwickeln werden.

Das Shogunat ist ihm sicher.

IV. Schluss

Während der Ausarbeitung der Thematik hat sich ergeben, dass die Fragestellung der Aufgabe nicht ganz gerecht wird. Denn während Tokugawa Ieyasu über Jahre hinweg der mächtigste Mann in Japan wird, ist es Toranaga bereits.

Der Prozess, der aus ihn den mächtigsten Mann in Japan macht, ist bei ihm ausgesetzt. Seine Macht wird nur noch durch sein Wesen zum Ausdruck gebracht. Ihm fehlt so gut wie jegliches Vorleben, vergangene oder zukünftige Verdienste werden nur bedingt angedeutet. Anders ist es bei Ieyasu, der sich auf seiner Karriere als Sohn politisch unbedeutender Eltern zu dem Vollender der Reichseinigung emporhob. In den Geschichtsbüchern, wie zum Beispiel dem von Hall, wird dazu wenig von der Zeit um 1600 geschildert. In dem Jahr scheint allein die Schlacht bei Sekigahara relevant. Wichtiger ist die Entwicklung zuvor, die jedoch nicht mit Ieyasu, sondern viel mehr mit Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi begann, so wie die Jahre nach 1603, in denen Ieyasu das Land regierte und eine Shogunats- Dynastie begründete.

In seiner Vergangenheit war Ieyasu begünstigt durch sein Geschick Vasallen gewinnen zu können, so wie den glücklichen Umstand des ,,Aussterbens" einiger seiner Widersacher, wie Imagawa Yoshimoto oder Maeda Toshii.

Clavell hat es in seinem Roman jedoch geschafft solche Fragen über den politischen Hintergrund oder die historischen Umstände bei der Lektüre nicht aufkommen zu lassen. Bei ihm stehen die Zwischenmenschlichen Beziehungen im Vordergrund. Um die Begebenheiten dem Leser besonders nah zu bringen wird häufig die indirekte oder direkte Rede verwendet. Dadurch, dass der Erzähler jedoch immer neutral in seiner autoritären Position bleibt, kommt auch der Leser nicht dazu sich durchgängig in einer der Hauptfiguren zu versetzen. Während Ieyasus Autorität mit den Jahren wachsen muss, ist Toranagas Macht in ihm selbst, in seinem Charakter, und nicht in seinem Wirken manifestiert.

[...]


1 Totman, 1988: S.9

2 Totman, 1988:Ebd.

3 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

4 Sadler, 1937: S. 37

5 Bildatlas der Weltkulturen-Japan, 1988: S.132

6 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

7 J.W.Hall, 1997: S.162ff

8 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

9 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

10 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

11 J.W.Hall, 1997: S. 153

12 J.W.Hall, 1997: Ebd.

13 J.W.Hall, 1997: S. 163f.

14 J.W.Hall, 1997: Ebd.

15 J.W.Hall, 1997: S. 164

16 J.W.Hall, 1997: Ebd

17 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

18 Im Anhang finden Sie ein Kategoriensystem, dass die Zuordnung der einzelnen Textstellen zeigt und sie ebenfalls in Gegenwarts- Vergangenheits- und Zukunftsbezogenheit unterteilt

19 "Vgl. Clavell, 1986: Kap. 10, Seite 191:(...) short man with a big belly and a large nose"

20 Clavell, 1986: Kap. 47, S. 805 Shogun

21 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

22 Clavell verwendet in seinem Roman die Holländische Schreibweise ,,Kwanto" Vgl. Kap.1, S. 47

23 Clavell, 1986: Kap. 36, S. 592

24 Clavell, 1986: Kap. 3, S. 66

25 Clavell, 1986: Kap.11, S. 97

26 Sadler, 1937 : S. 344 f.

27 Sadler, 1937: S. 332 ff.

28 Clavell, 1986: Kap.37, S. 606

29 Clavell, 1986: Kap. 47, S.811

30 Sadler, 1937: S. 37

31 Hall, 1997: S. 69

32 Clavell, 1986; Kap.3, S. 57

33 Sadler, 1937: S. 347

34 Clavell, 1986: Kap.1, S.47

35 Hall, 1997: S. 163

36 Hall, 1997: Ebd.

37 Clavell, 1986: Kap. 32, S. 498

38 Hall, 1997: Ebd.

39 Clavell, 1986: .Kap. 18, S.283; Kap. 39, S. 626 Bzw. Sadler: S. 333

40 Clavell, 1986: Ebd.

41 Sadler, 1937: S. 333

42 Blackthorne steht synonym mit dem englischen Seemann Will Adams, dem ersten Nicht- Portugiesen der in Japan mit seinem Schiff landete und zu einem engen Berater Ieyasus wurde.

43 Clavel, 1986: Kap. 10, S. 190 : "overwhelming power of the man"

44 Clavel, 1986: Kap. 30, S. 452 : "(...)easy confident arrogance(...)"

45 Clavel, 1986: Kap. 43, S. 722

46 Clavell, 1986: Kap.49, S.847 Kap. 18, S. 279

47 Clavell, 1986: Kap. 37, S.606

48 Clavell, 1986: Kap. 12, S. 209

49 Clavell, 1986: Kap. 43, S. 731

50 Totman, 1988: S.11f

51 Kodansha Encyclopedia, 1999: Stichwort "Tokugawa Ieyasu"

52 Clavell, 1986: Kap.47, S. 803; Kap.16, S. 242

53 Vgl. Clavell, 1986: " Descended from the Minowara " Kap. 3, S. 71

54 Clavell, 1986: Kap.49, S.847

55 Clavell, 1986: Kap.20, S. 308

56 Clavell, 1986: Kap. 39, S. 642

57 Vgl.: Clavell, 1986: " That Toranaga gives, he can take away " Kap. 41, S. 683

58 Clavell, 1986: Kap.50, S. 861

59 Clavell, 1986: Kap.11, S.211

60 Clavell, 1986: Kap. 49, S. 846 f.

61 Sadler, 1937: S. 360ff

62 Totman, 1988: S. 9 ff

63 Clavell, 1986: Kap. 60, S.1151

64 Clavell, 1986: Kap.53, S.934

65 Clavell, 1986: Kap.55, S.993

66 Clavell, 1986: Kap.37, S. 606

67 Sadler, 1937: S. 305

68 Clavell, 1986: Kap. 18, S. 285

69 Das Kategoriensystem finden Sie im Anhang

70 Blackthorne ist Protestant wie die meisten Engländer seiner Zeit, während die Portugiesen und Spanier überwiegend Katholisch waren

71 Kapitel 7 bis einschließlich 10

72 In dem Kapitel ,,Personal habits and views" werden auch eine Reihe weiterer Angewohnheiten genannt, die den selben Zweck erfüllen. Der genannte Textausschnitt stellt dabei nur eine Auswahl dar.

73 Dieser entspricht wohl Hideyoshi

74 Hideyoshi wurde allerdings zuerst Taiko und dann Kampaku.

75 Diese Familie entspricht dem ,,Beppu- Clan" im ,,Shogun"

Excerpt out of 22 pages

Details

Title
James Clavell - Shogun - Tokugawa Ieyasu und Fürst Toranaga aus dem Roman Shogun - Warum werden sie die wichtigsten Männer im Land?
Year
2000
Pages
22
Catalog Number
V99973
ISBN (eBook)
9783638984065
File size
492 KB
Language
German
Keywords
James, Clavell, Shogun, Tokugawa, Ieyasu, Fürst, Toranaga, Roman, Shogun, Warum, Männer, Land
Quote paper
Anonymous, 2000, James Clavell - Shogun - Tokugawa Ieyasu und Fürst Toranaga aus dem Roman Shogun - Warum werden sie die wichtigsten Männer im Land?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99973

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