Straßensozialarbeit / Streetwork


Dossier / Travail, 2000

30 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.Handlungfeld der Straßensozialarbeit
1.1Begriff der Straßensozialarbeit
1.2 Inhalte, Methoden und Kompetenzen
1.3 Zur Geschichte von Streetwork in der BRD
1.4 Zielgruppen und Arbeitsfelder
1.5 Begründungs- und Entstehungszusammenhänge von Streetwork-Projekten
(1.5.1 Spektakuläre Problematiken und Aktionen z.B. Gewalttätigkeiten, Kriminalität)
1.5.2 die anvisierten Zielgruppen nehmen bestehende Beratungs- bzw. Freizeitangebote nicht an
1.5.3 Biographische oder lebensweltliche Nähe von Sozialarbeiter zu den Zielgruppen
1.5.4 Prinzipielles Hinterfragen herkömmlicher Angebotsformen und konzeptionelle Umorientierung

2. Streetwork als professionelle Tätigkeit

3. Erforderliche Kompetenzen

4. Sozialpolitische Einbindung von Streetwork

5. Verbreitung von Streetworkansätzen

6. Methoden und Angebotsformen von Streetwork
6.1 Tätigkeitsbereiche der Straßensozialarbei Aufbau und Aufrechterhaltung eines Szenenbeziehungsnetzes Aufgaben- bzw. Zielgruppenspezifische Interventionen Allgemeine soziale Arbeit
6.2 Typische Angebotsformen

7. Aufsuchende Arbeit in den Szenen
7.1 Akzeptierende Jugendarbeit/ Zur Debatte um Straßensozialarbeit mit rechten Jugendlichen von Stephan Voß
7.2 Streetwork in der Drogenszene/ Entwicklung des Arbeitsfeldes nach Ulrich Binder und Paula Marinovic Öffentliche und politische Bewertung

8. Besondere Qualitäten von Streetwork
8.1 Aufsuchen statt abwarten
8.2 Stark ausgeprägte Zielgruppenorientierung
8.3 Besondere Anforderungen an Person und Kompetenz des Streetworkers

9.Rechtsgrundlagen und Finanzierung

10.Probleme und Kritiken
10.2 Fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht für Streetworker
10.3 Fehlende anschließende Unterstützungsmöglichkeiten
10.4 Mangelndes Verständnis und Unterstützung für die Tätigkeit der Streetworker

Zusammenfassung (Schlusswort)

Literaturverzeichnis

Einleitung

Streetwork, zu deutsch Straßensozialarbeit, beschäftigt sich als aufsuchende Sozialarbeit mit sozial benachteiligten, stigmatisierten Personen oder kriminalisierten Gruppen. Dabei begeben sich Streetworker direkt auf die Straße, um die jeweiligen Gruppen oder Szenen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld aufzusuchen, und arbeiten nicht in den Institutionen und Einrichtungen. Der Grund dafür: Die Zielgruppen von Streetwork verfügen über eine große Abneigung gegenüber Institutionen und Einrichtungen und vor deren Angebote.

Die Einführung Aufsuchender Sozialarbeit in der BRD ist sehr unregelmäßig vonstatten gegangen. In einigen Regionen waren schon in den siebziger Jahren Formen von Aufsuchender Sozialarbeit, z.b. im Bereich der Jugendarbeit, vertreten und zum Teil sogar schon regelfinanziert. In anderen Regionen allerdings, ist die Aufsuchende Sozialarbeit erst sehr viel später eingeführt und als ,, neues Modell" erprobt worden oder sogar immer noch relativ unbekannt. Es wird nur in einzelnen Feldern stark darauf zurückgegriffen, wie z.b. in der Drogenhilfe oder der Arbeit mit Straßenkindern.

Trotz dieser ausgeprägten Mängel kann man beobachten, dass Streetwork in den neunziger Jahren zunehmend mehr verbreitet ist. Der Grund dafür ist wohl, dass die meisten Institutionen und Einrichtungen sich auf ihre Konzeptionen und Angebotsformen versteifen. Die Mitarbeiter der Einrichtungen haben es nicht als notwendig gesehen, sich selber auf die Straße zu begeben und sich vor Ort mit ihren Klienten zu beschäftigen. Das Resultat war, dass sich die jeweiligen Problemgruppen von den institutionellen Angeboten entfernten und abwanden und diese nicht mehr aufsuchten. Daher musste man sich mit der Aufs uchenden Sozialarbeit beschäftigen.

Gerade in den neuen Bundesländern gab es eine regelrechte Explosion von Streetwork - Projekten, denn nach der Wende musste eine neue Jugendhilfestruktur entwickelt werden, die sich nicht auf die Tradition der ehemaligen DDR bezog. Besonders deutlich wurde dies in der Arbeit mit gewalt- oder rechtsorientierten Jugendlichen Oft wird Aufsuchende Sozialarbeit mit der Vorstellung verbunden, es sei das letzte Mittel um die ausgegrenzten Gruppen den Institutionen wieder näher zubringen.

Die Sozialbürokratie und die kommunale Jugendpolitik reduzieren Streetwork gerne auf die Eigenschaften, flexibel, effektiv, vorzeigbar und vor allem kostengünstig. Vor allem sind sie darauf aus, wenn ersteinmal durch die vielen Haushaltseinsparungen viele Jugendeinrichtungen geschlossen werden, Streetwork dann als kostengünstige Alternative einzusetzen. Diese Hausarbeit soll nun einen Einblick verschaffen, was Streetwork ist und worum es dabei geht. Der Begriff, verschiedene Methoden und Kompetenzen werden beschrieben. Angebotsformen, Arbeitsfelder, Zielgruppen und Entstehungszusammenhänge werden dargestellt. Ebenso komme ich auch auf die Probleme und Kritiken, wie auf die besonderen Qualitäten von Streetwork zu sprechen. Und ich befasse mich auch kurz mit der Rechtsgrundlage und der Finanzierung.

1.Handlungfeld der Straßensozialarbeit

1.1Begriff der Straßensozialarbeit

Der Begriff Streetwork steht für die Aufsuchende Sozialarbeit Streetwork oder Straßensozialarbeit ist eine Methode, die eine methodische Vorgehensweise, innerhalb verschiedener Praxisfelder der Jugend- und Sozialarbeit bezeichnet. Streetworker arbeiten im wesentlichen nicht nur oder fast gar nicht in den Räumlichkeiten einer Institution, sondern begeben sich direkt in die Lebensumfelder der jeweiligen Zielgruppe, indem sie ihre Treffpunkte aufsuchen. Sie finden ihre Zielgruppen auf Bahnhöfen, öffentlichen Plätzen, Parks, Spielhallen, Diskotheken, Bars, Kneipen, Schnellrestaurants, im sogenannten ,, Red - light - Viertel", Jugendfreizeiteinrichtungen oder ganz einfach auf der Straße, sowie teilweise auch in ihren privaten Lebenszusammenhängen und Wohnungen.

1.2 Inhalte, Methoden und Kompetenzen

Es steht wohl unter den Praktikern und Theoretikern kein Einverständnis darüber ob Streetwork eine eigenständige Methode der Sozialarbeit darstellt. Die Verwendung des Begriffes Streetwork sagt noch nichts aus über den konzeptionellen Hintergrund, die Zielsetzung und den Arbeitsinhalt. Jedoch ist eine fachliche Einschätzung und Bewertung ohne Beachtung dieser Kriterien nicht möglich. Der Einsatz der Methode Streetwork ist noch kein Beweis für innovative Sozialarbeit.

Streetwork lässt sich nicht eindeutig in die klassischen Arbeitsformen der Sozialarbeit, Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit einordnen, sondern umfasst die drei klassischen Methoden. Die individuelle Beratung und Betreuung der einzelnen Zielgruppenangehörigen spielt eine große Rolle. Streetworker greifen nicht selten die Elemente der Gemeinwesenarbeit auf, z.B. dann, wenn sie im sozialem Umfeld ihrer Zielgruppe Stigmatisierung und Ausgrenzung zu verhindern versuchen.

`Das` Streetworkerkonzept gibt es nicht. Aber es gibt eine Reihe schlüssiger Konzepte aus verschiedenen Arbeitsbereichen, in denen Streetwork als Arbeitsschwerpunkt integriert ist. Streetwork sollte aber nicht neben den drei klassischen Methoden, Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit nicht als vierte Methode gesehen werden. Ebenso wenig lässt sich Streetwork einer dieser drei Methoden zuordnen. Doch Streetworker leiten und bedienen sich gerne an den klassischen drei Methoden. Einzelfallhilfe ist ein Eckpfeiler, Bei Streetwork in der Jugendhilfe spielt Gruppenarbeit eine große Rolle und viele Projekte arbeiten gemeinwesenorientiert.

1.3 Zur Geschichte von Streetwork in der BRD

Der Begriff Streetwork tauchte Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre zum ersten Mal in der Bundesrepublik auf. Man fing an sich verstärkt für Streetwork zu interessieren und sah sich vielerorts im Handlungszwang. Die Soziale Lage vieler Heranwachsender, insbesondere aber von Jugendlichen aus den sogenannten Randgruppen, verschlechterte sich mit der zu dieser Zeit einsetzenden Rezession. Die Sozialen Kontrollen und die Institutionen der Sozialarbeit waren den entstandenen Jugendproblemen nicht mehr gewachsen. Anfangs hat man sich bei ausländischen Streetwork - Projekten, insbesondere in den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Skandinavien über institutionelle Grundlagen und Praxisformen nicht einrichtungsgebundener Sozialarbeit zu informieren. Man sah für die Folgezeit die Möglichkeit, mit der Lebensweltorientierenden Sozialarbeit an die abgeschotteten subkulturellen Bezüge der ,,Problemjugendlichen" heranzukommen und erwartete sich auch Anregungen für andere Bereiche der Sozialarbeit.

Das Interesse an Aufsuchender Sozialarbeit war in der Zeit um 1970 nicht nur sachlich motiviert. In verschiedene Sozialarbeiterische Handlungsfelder wurden Anstöße in Richtung Entinstitutionalisierung und Dezentralisierung sozialer Arbeit mit den Leitprinzipien ,,Betroffenenorientierung statt Kontrolle", ,,Lebensweltansätze statt institutioneller Verwaltung", ,,Solidarisierung statt Ausgrenzung" hineingetragen und gingen von der ,,autoritären Bewegung" aus. Sachlich Gründe Waren für die Einrichtung von Straßensozialarbeit ausschlaggebend.

Konzepte Aufsuchender Sozialarbeit fanden Mitte bis Ende der siebziger zunehmend an Beachtung. Eine Streetworkerstudie von Krausslach von 1978 und vier Bundesweite Streetworkertreffen in den Jahren von 1979 bis 1981 trugen entscheidend mit zur Verarbeitung von Lebensweltnaher Sozialarbeit bei. Im Bereich der Jugendarbeit/Jugendhilfe ging eine Impulswirkung vor allem von Ansätzen ,,Mobiler Jugendarbeit" aus.

Drogen war eines der Praxisfelder in denen schon in den siebziger Jahren Aufsuchende Sozialarbeit im benennenswertem Maße eingesetzt wurde. Der Bereich der Sozialarbeit, der Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre aus der begleitenden Drogenwelle entstand, bot eine Menge Freiräume für die Umsetzung einfallsreicher Ideen als die bereits vorhandenen Praxisfelder.

1.4 Zielgruppen und Arbeitsfelder

Streetwork wird eingesetzt bei der Arbeit mit stigmatisierten und Sozial Benachteiligten oder kriminellen Gruppen. Zunächst besteht zwischen den vielen einrichtungsgebundenen und Lebensweltnahen Angeboten kein Unterschied, jedoch scheint bei vielen Zielgruppen von Streetwork eine Besondere Qualität sozialer Benachteiligung, Stigmatisierung und Kriminalisierung zu geben. Durch die gesellscha ftlich Intoleranz gegenüber ihrem Verhalten, haben sich viele Gruppen in subkulturelle, nur schwer zugängliche Rückzugsräume zurückgezogen. Soziale Benachteiligungen oder Stigmatisierung führen zu existentiellen Notlagen und zu psychosozialen Problemlagen, die kaum lösbar und nur schwer entwirrbar scheinen. Charakter, Grad und Ausprägung dieser Problem- und Notlagen können sich je nach Zielgruppe jedoch deutlich unterscheiden.

Bei den Zielgruppen von Streetwork liegt ein mehr oder weniger ausgeprägte Abneigung gegen einrichtungsgebundene Sozialarbeit vor. Ein institutionenfixiertes Angebot wird Aufgrund von schlechten Erfahrungen und Bestehender Schwellenängste von den Zielgruppen gemieden. Dies trifft mehr oder weniger stark ausgeprägt auf folgende Zielgruppen zu:

- jugendliche an informellen Treffpunkten, die insbesondere Einrichtungen der herkömmlichen Jugendarbeit meiden,
- Mädchen und junge Frauen, in einem eher von gesellschaftlicher Benachteiligung dominierten Milieu,
- Arbeitslose Jugendliche,
- Rocker, Jugend-Gangs, aggressive Jugendliche,
- Jugendliche aus der neuen Jugendszene (Skins, Punks etc.)
- Fußballfans
- Drogenkonsumenten in öffentlichen ( Straßenszene), halböffentlichen (Diskos mit Zugangskontrollen) und privaten Lebensräumen,
- Homosexuelle, Stricher, weibliche Prostituierte.

1.5 Begründungs- und Entstehungszusammenhänge von Streetwork - Projekten

(1.5.1 Spektakuläre Problematiken und Aktionen z.B. Gewalttätigkeiten, Kriminalität)

Unmittelbarer Anlass für die Entstehung von Streetwork-Projekten sind in vielen Fällen spektakuläre Ereignisse. Von derartigen Entstehungs- zusammenhängen berichten z.B. die Nürnberger Jugendstreetworker in einem Erfahrungsbericht: ,, Die Straßensozialarbeit am Hasenbuck verdankt ihr Entstehen letztendlich dem Umstand, das ein paar Jugendliche auf dem Gelände der Bundesbahn eine Crash-Rallye durchführten, und dabei fabrikneue Autos zu Schrott fuhren und einen Schaden von 1 Million DM verursachten. Es bildete sich eine Bürgerinitiative unter der Führung der evangelischen Kirche vom Ortsteil, die forderte, dass von Seiten der Stadtverwaltung etwas für die jugendlichen getan werden müsse." ( Stadt Nürnberg 1987; S.58)

Leider mündet ein derartiger Entstehungszusammenhang nicht selten in den kurz gegriffenen Arbeitsaufträgen, gewissermaßen als ,,Sozialfeuerwehr" die spektakuläre Symptome schnell wieder zu beseitigen.

1.5.2 die anvisierten Zielgruppen nehmen bestehende Beratungs- bzw. Freizeitangebote nicht an

Da viele Jugendliche bzw. junge Erwachsene die Angebote Behördlicher Beratung eher meiden als annehmen, führte es zu der Überlegung, die Angebote aus dem behördlichen Umfeld weg und in die Lebensweltlichen zusammenhänge zu verlagern, dass heißt die Beratung wird vor Ort angesiedelt. Beispielsweise isst in Frankfurt durch die Kooperation mit der Arbeitsverwaltung verschiedene Projekte freier Jugendhilfeträger mit dem Ziel, junge Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Jugendliche mit besonderen Schwierigkeiten im Prozess beruflicher Eingliederung gezie lt zu unterstützen. Diese Streetwork-Ansätze sind insbesondere für Personengruppen entwickelt worden, die durch herkömmliche Berufsberatungsangebote nicht erreicht werden. Die Sozialarbeiter bemühen sich hierbei um den Kontaktaufbau zu den sogenannten ,,Dunkelfeld- Jugendliche", d.h.

zu Jugendlichen, die den Kontakt mit Arbeitsvermittlung und Berufsberatung abgebrochen haben und von daher in amtlichen Arbeitslosenstatistiken nicht eingehen.

Auch in anderen Jugendhilfebereichen wird mit Lebensweltnahen Ansätzen gearbeitet. Jene Jugendliche, die einrichtungsgebundene Angebote der offenen Jugendarbeit (z.B. Jugendfreizeiträume, Häuser der offenen Tür) meiden, versucht man beispielsweise im Rahmen einer ,,Mobilen Jugendarbeit" durch Streetworker in einen freize itorientierten Jugendclub zu integrieren.

1.5.3 Biographische oder lebensweltliche Nähe von Sozialarbeiter zu den Zielgruppen

Die biographische oder lebensweltlich Nähe zu den gesellschaftlich nicht angepassten Jugendszenen kann bei angehenden Sozialarbeitern oder bei bereits im Berufsalltag stehenden Sozialarbeiten eine Motivation zum Aufbau eines Streetwork-Projekt entwickeln. Praktiker, die in der Fußballfan-, Punk-, oder Rockermilieu tätig sind, berichten häufig davon, durch eine eigene Einbindung in die jeweilige Szene, Anstöße für eine lebensweltzentrierte Arbeit bekommen zu haben. Aus dem ersten nicht beruflich motivierten alltäglichen Umgang mit Jugendlichen aus den genannten Kreisen bilden sich nicht nur interaktionelle Kompetenzen und ein gewisses methodisches Gerüst als Basis für eine junge kulturnahe Jugendarbeit heraus, sonder lässt sie hautnah und augenscheinlich die Tatsache spüren, das viele Jugendhilfeprojekte von Jugendlichen vielfach nicht akzeptiert werden. Durch den alltäglichen Umgang mit Skins, Fans, Punks etc. auf Seiten der Jugendlichen können Sozialarbeiter oftmals gebündelte Problemlagen erkennen. Auch zeigen sich Verhaltensmuster und Verhaltens- orientierungen an denen man mit pädagogisch ausgerichteten Interventionen aussetzen könnte. Vor diesem Hintergrund empfindet man es als Defizit, dass herkömmliche Jugendberatungs- und Jugendbildungsangebote vom Jugendlichen nicht angenommen werden. Durch diese eigenen lebensweltlichen Erfahrungen und durch die Unzulänglichkeiten der traditionellen Jugendangebote ist de Erkenntnis gekommen, lebensweltverankerte, nicht einrichtungsgebundene Sozialarbeit entstehen zu lassen.

1.5.4 Prinzipielles Hinterfragen herkömmlicher Angebotsformen und konzeptionelle Umorientierung

Bei der Entstehung und Be gründung von Streetwork-Projekten werden die einrichtungsgebundenen Angebote oft oder meistens in Frage gestellt. Streetwork-Projekte werden als taktische Maßnahmen konzipiert um Zielgruppen die bisher nicht nur eingeschränkt angenommenen Institutionen Näher zu bringen und vor allem als Alternative zu den einrichtungsgebundenen Angeboten. Streetwork ist kein zusätzlicher Arbeitsbereich, sondern das Hinaus-gehen in die lebensweltlichen Zusammenhänge soll ein Teil einer fundamentalistischen Umorientierung sein. Dies lässt sich mit folgenden Leitprinzipien begründen:

- Das Aufsuchen lebensweltlicher Zusammenhänge kann als wichtiges Lernfeld gesehen werden wo sich Sozialarbeiter über die beschränkten Ausbildungs-Möglichkeiten hinaus für eine betroffenenorientierte Arbeit qualifizieren können. Im unmittelbaren Kontakt im natürlichen sozialen Schauplatz kann man zielgruppentypische Verhaltensorientierungen besser verstehen.
- Streetwork kann als ein bewusster Schritt in Richtung Machtabbau verstanden werden, bei dem die Definitionsmacht über die soziale Situation im entschei- denem Maße vom Sozialarbeiter auf die Zielgruppen übergeht. Die Ratsuchenden müssen sich nicht dem institutionellen Normgefüge anpassen, sondern die Sozialarbeiter den lebensweltlichen Gefüge. Streetwork eröffnet so die Chance zu einer anderen Beziehungsqualität. Der Verzicht auf die Macht- position kann das Entstehen offener und durch Gegenseitigkeit geprägter Vertrauensbeziehungen fördern
- Über lebensweltzentrierte Ansätze kann man das System der Sozialarbeit mit der Lebenswelt der Zielgruppen rückkoppeln. Streetwork soll dazu beitragen, eine Verselbständigung von Institutionen der Sozialarbeit zu verhindern.

(Quelle: ,, Neue Handlungsfelder der Jugendhilfe". Frankfurt 1993)

2. Streetwork als professionelle Tätigkeit

Streetworker benötigen als Arbeitsvoraussetzung eine positive Grundeinstellung gegenüber der Zielgruppe. Hinzu muss die Bereitschaft,

- sich auf die Lebenseinstellungen der Zielgruppe einlassen, die nicht den eigenen entsprechen,
- gewohntes Sozialarbeiterfeld verlassen, um sich in das Lebensumfeld der Ziel-gruppe zu begeben und sich auf ihre Spielregeln einzulassen,
- sich stärker als Person in den beruflichen Interaktionsprozess einzubringen, als in klassische Felder der Sozialarbeit,
- berufliches Handeln flexibel dem jeweiligen Bedarf anzupassen (Arbeitsinhalte,Arbeitszeiten) und sich mit häufig wechselnden Situationen vertraut machen,
- sich mit verschiedenen Rollenerwartungen auseinander zusetzen ( durch Ziel-gruppe, Träger, Öffentlichkeit) seine berufliche Rolle auch gegen Wiederstände klar zu definieren und deutlich zu machen.

Die Zielsetzung ,, Hilfe bei der Lebensbewältigung" bzw. ,, Verbesserung der Lebenssituation" ist an das politische Verständnis sozialer Probleme gebunden und muss die Entwicklung (sozial) politischer Konsequenzen verstärken. Haltung und Professionalität sind kein Wiederspruch. Haltung im oben angegebenen Sinn ist der Baustein von Professionalität. Das professionelle Grundverständiss könnte aus folgenden Bausteinen bestehen:

1. Streetwork ist ein Dienstleistungsangebot und eine professionelle Tätigkeit, also ein Job wie fast jeder andere im Dienstleistungsbereich. Er kann gut oder Schlecht gemacht werden und deshalb sind Streetworker keine Sozialen Wohltäter sonder engagierte Profis.
2. Die Zielgruppe von Streetwork hat einen Anspruch auf Professionalität.
3. Straßensozialarbeit muss fachliche Qualitätsstandards entwickeln und sich daran messen lassen.
4. Der Maßstab ist Wirksamkeit und setzt sich zusammen aus den Kompetenzen: Zielgruppenakzeptanz, Wirtschaftlichkeit, Effektivität.
5. Es müssen arbeitsfeld-, zielgruppen-, und bedarfsangemessene Erfolgskiterien entwickelt und mit den Trägern und Geldgebern abgestimmt werden.
6. Erfolgskontrolle ist notwendig. Um Streetwork zu qualifizieren und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln ist eine Ergebnissicherung, - auswertung und -überprüfung Vorraussetzung. Es ist sachlich notwendig die Frage zu stellen, ob eine soziale Dienstleistung erfolgreich ist und der finanzielle Aufwand gerechtfertigt ist.
7. Prinzipien des Sozialmanagements können durch systematische Planung und den zielgerichteten Einsatz von Ressourcen zur Qualifizierung von Streetwork beitragen.
8.Sozialmanagemant ist einzubinden in ein Konzept sozialpädagogischer Handlungskompetenz.
9. Im Sinne einer verstärkten Versorgungsorientierung schafft Streetwork eine soziale Infrastruktur ( für sozial- und infrastrukturell benachteiligte Zielgruppen).
10. Qualifizierte Streetwork ist an eine auszureichende Grundausstattung Gebunden. Unterhalb dieser Grundausstattung ist nur Elendsverwaltung möglich.
11. Qualität hat ihren Preis. Und zwar bezieht sich das auf die Ausstattungsstandards und die angemessene Entlohnung der Tätigkeit.
12. Macht ist Arbeitsgrundlage und sie bietet den notwendigen Handlungs- und Gestaltungsspielraum um eigene Vorstellungen verwirklichen zu können. Die angesprochene Zielgruppe hat Anspruch auf eine selbstbewusste und fachlich überzeugende Lobby.

(Quelle: Handbuch Aufsuchender Jugend- und Sozialarbeit, 1995; S.17-19)

3. Erforderliche Kompetenzen

Die Frage nach erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten die arbeitsfeldangemessen sind führen zu einem anspruchsvollen Anforderungsprofil:

Parteilichkeit: Arbeitsvoraussetzung ist eine positive Einstellung gegenüber der Zielgruppe. Am ehesten trifft diese Haltung der Bergriff ,,kritische Sympathie".

Gegenüber den anderen Lebensstilen muss Toleranz herrschen. Trotzdem sollte es keine Kritiklosigkeit geben. Professiona lität bedeutet:

1. Fähigkeiten, in politischen Zusammenhängen zu denken und zu handeln.
2. Klarheit und Sicherheit über Funktion und Berufsrolle.
3. Fähigkeit, ziel- und ergebnisorientiert zu arbeiten.
4. Feldkompetenz: arbeitsfeld- und gruppenspezifische Kenntnisse und Wissen um soziale Hintergründe und Lebenssituation der Zielgruppe, regionale/sozial- räumliche Szenenkenntnisse, Verwaltungs- und Rechts- und Institutionenkenntnisse.
5. Fachkompetenz: methodische Sachkenntnis (aufsuchende Arbeit, Beratung, Freizeitpädagogik, Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit), Planungs- und Orientierungsvermögen, konzeptionelles Arbeiten, Management- und Marketingkenntnisse/Öffentlichkeitsarbeit.
6. Mit Distanz und Nähe umgehen zu können und die Fähigkeit der Abgrenzung und Grenzziehung haben: Die Bearbeitung und Klärung des eigenen Verhältnisses zu Verhaltensäußerungen der Zielgruppe mit denen jeder Street- worker in der Praxis konfrontiert wird ist sehr wichtig.
7. Persönliche Kompetenzen: Ein Streetworker muss mehr bieten als die klassischen sozialpädagogischen Kompetenzen und Fähigkeiten. Er muss als Person interessiert und damit für den Adressaten interessant sein. Persönliche Akzeptanz ist Vorraussetzung für fachliche Akzeptanz! Es geht nichts ohne ,,streetcredibility" = Authentzitität+ Glaubwürdigkeit. Zu den Personalen Kompetenzen gehören:

Persönlichkeit /Stabilität /,,Auftreten" /Sicherheit /Selbstbewusstsein / Vertrauenswürdigkeit / stringentes Verhalten /Konsequenz /Entscheidungs-, Konfliktfähigkeit /Durchsetzungsvermögen /Überzeugungskraft /Problemlösefähigkeit /Motivation /Engagement /Offenheit /Klarheit /Verbind- lichkeit /Zuverlässigkeit /Initiative /Ideen /Kreativität /Kontaktfähigkeit / Sensibilität /Einfühlungsvermögen /Differenziervermögen /hohe Frustrationstoleranz /psychische Belastbarkeit /Stressresistenz und Flexibilität. (Quelle: Handbuch Aufsuchender Jugend- und Sozialarbeit, 1995; S.19-20)

4. Sozialpolitische Einbindung von Streetwork

Straßensozialarbeit steht oft im engen Bezug zu politisch brisanten Themen. Nicht selten werden z.B. Streetworkerstellen dann eingerichtet, wenn Verwaltungen oder politische Entscheidungsträger im Zusammenhang mit spektakulären Aktionen von gesellschaftlichen Teilgruppen in Gruppenzwang geraten. Oft handelt es sich um gesellschaftlich stark ausgegrenzte Gruppen oder Szenen mit geringem politischen Einflussmöglichkeiten: Fixer, alleinstehende Wohnungslose, sozialdesintegrierte Jugendliche u.a. Sozialpolitisch muss ein Streetworker deswegen vor allem im Zusammenhang mit der Ausgrenzung solcher Gruppen gesehen werden.

Streetwork kann zum Einen als Verstärkung der druckausübenden Strategie gegen eine Außenseitergruppe konzipiert werden. Die nicht repressiven Einflussmöglichkeiten auf die ausgegrenzte Gruppe gehen als Folge der repressiven Strategie verloren, Streetworker sollen die entstandene Lücke füllen.

Vermutlich lehnen Streetworker die sozialtechnokratische Einbindung der Bundesrepublik ab, die sie zum Vorposten der Kontrollorgane werden lässt. Auf der anderen Seite kann Streetwork auch als Gegengewicht zu einer Politik der Ausgrenzung verstanden werden. Ansätze lebensweltnaher Sozialarbeit sollen dazu beitragen, ausgegrenzten Gruppen wieder soziale und politische Einflussmöglichkeiten zu eröffnen. Dem Streetworker kommt die Rolle eines Anwalts und Interessenvertreters zu, die eines parteilichen Vertreters zwischen seiner Szene einerseits und Sozialpolitik und Institutionen andererseits. Der Sozialarbeiter nimmt durchaus Einfluss auf seine jeweilige Zielgruppe und trägt dazu bei, dass ihre Interessen in Institutionen, Öffentlichkeit, und Politik bekannt werden.

5. Verbreitung von Streetworkansätzen

Es lässt sich wohl kaum zuverlässig sagen, in welchem Umfang Streetwork in der Bundesrepublik praktiziert wird. Genaue Angaben werden durch die arbeitsfeld- Spezifischen Faktoren erschwert. Hier einige dieser Faktoren:

- Durch die Dominanz von zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnissen besteht eine hohe Fluktuationsrate. Veränderungen in den ABM-Richtlinien schlagen von daher stark auf die Zahl der Projekte durch. Es fällt selbst Insidern schwer über das Entstehen und sterben von Projekten zu bewahren.
- Infolge fehlender Forschungsanstrengungen im Bereich Streetwork fehlen Basisdaten für objektive, arbeitsfeldübergreifende quantitative Einschätzungen.
- In der unterentwickelten Fachdiskussion hat sich bisher kein einheitliches konzeptionelles bzw. praxisbezogenes Verständnis darüber entwickelt, was denn unter Streetwork zu verstehen sei. Die Praxis zeigt, das unterschiedliche Vorgehensweisen, mit Streetwork verbunden werden. Einerseits versteht man unter Streetwork den auf vielleicht eine Wochenstunde beschränkten Aufenthalt an Orten, wo die Zielgruppen verkehren, weil der Begriff Streetwork wohl gerade in Mode gerate ist, bzw. weil man zeigen möchte, dass man offen ist für innovative Handlungsstrategien. Andererseits gibt es Streetworker, deren Arbeitsort neben den gelegentlichen Aufenthalten in Institutionen hauptsächlich die Straße ist.

Wenn es aus diesen Gründen auch ein Datenbasis fehlt, Um mengenmäßige Aussagen darüber abgeben zu können, in wie vielen Bundesdeutschen Projekten mit Streetwork - Methoden gearbeitet wird, so kann die quantitative Bedeutung von Streetwork im Vergleich zu anderen Sozialarbeiterischen Handlungsformen dennoch zumindest qualitativ abgeschätzt werden. Von Streetwork -Insidern wird in der Fachdiskussion die Position vertreten, dass Ansätze lebensweltlicher Sozialarbeit im Vergleich zu institutionellen Angeboten in der BRD nur eine niedrige Bedeutung zukommt. Obwohl es heute vielmehr Streetworker in der BRD gibt als frührer, führt Streetwork ein Randdasein.

6. Methoden und Angebotsformen von Streetwork

6.1 Tätigkeitsbereiche der Straßensozialarbeit

Streetwork umfasst folgende Tätigkeitsbereiche:

- Aufbau und Aufrechterhaltung eines Szenenbeziehungsnetzes
- Aufbau und Aufrechterhaltung eines institutionellen Netzes
- Aufgaben- bzw. zielgruppenspezifische Intervention
- Allgemeine soziale Arbeit
- Szeneninteressenvertreters

Aufbau und Aufrechterhaltung eines Szenenbeziehungsnetzes Zu jedem Streetworker gehört die Aufgabe ein Szenenbeziehungsnetz zu der anvisierten Zielgruppe aufzubauen, wenn er es nicht schon aufgrund seiner biographischen Veranlagerung mitbringt. Eine große Rolle spielt die Frage, ob man eine offene oder defensive Kontaktstrategie anwenden soll. Die offensive Strategie wird eher abgelehnt, weil sie nicht so wirksam sei und von den Betroffenen allzu leicht als Bedrohung empfunden werde. Das Thema dürfte jedoch ideologisch überfrachted diskutiert werden, denn ein offensives Vorgehen muss nichts mit der von Kritikern abgelehnten kontrollpolitischen Einbindung zu tun haben.

Der Streetworker wird selber anhand der vorhandenen Kriterien entscheiden ob er defensiv oder offens iv vorgeht. Er wird sich so verhalten, wie er es auch in einer Alltagssituation tun würde, denn eine Aufgesetzte Form der Kontaktaufnahme würde nicht nur falsch und unglaubwürdig wirken, sonder auch eine hohe psychische Belastung hervorrufen.

Die defensive Kontaktaufnahme wird natürlich nicht mit Passivität gleichgesetzt. Es bedeutet nicht, an die Szenentreffpunkte zugehen, dort herumzustehen und zu warten bis man angesprochen wird. Ein Streetworker, der defensiv Kontakt aufnimmt, wird sich so präsentieren, dass er leicht angesprochen werden kann und auf Kontaktsignale achten. Er wird sich z.B. in Diskotheken nicht in dunkle Ecken stellen, sondern sich da aufhalten wo viele Leute vorbeikommen. Kontaktbereitschaft in nonverbalen Signalen zu erkennen, aufzugreifen und weiterzuentwickeln bedarf einer großen Aufmerksamkeit.

Formen der Kontaktaufnahmen können auch nach ihren jeweiligen Inhalten unterschieden werden:

- Der Streetworker stellt seine Person in den Vordergrund und greift nonverbale und verbreitete Signale der Kontaktaufnahme auf oder sendet sie selbst aus. Dies unterscheidet sich nicht wesentlich von den Szenenüblichen Formen des Kennenlernens.
- Der Streetworker nutzt zur Kontaktaufnahme ein Arbeitsthema als Aufhänger. Z.B im Bereich von AIDS- Streetwork durch das Verteilen von Kondomen, Broschüren, Einwegspritzen etc., als Aufhänger für einweiteres Gespräch.
- Der Streetworker stellt von vorneherein seine professionelle Rolle und stellen sich z.B. als Mitarbeiter einer Institution.

Die meisten Streetworker benutzen in der Praxis eher die persönliche Form der Kontaktaufnahme, um zu zeigen, dass ihnen der persönlich Kontakt wichtiger ist als der professionelle Hintergrund. Auch hier muss man differenzieren. Von einem Streetworker, der mit der Szene gut vertaut ist, kann ohne größere Schwierigkeiten und negative Konsequenzen eine Themen- bzw. Rollenzentrierte Kontaktaufnahme praktizieren.

Durch Diskussionen der Strategien wird wohl der Eindruck erweckt, das der Aufbau des Szenenbeziehungsnetzes allein vom Streetworker bestimmt wird.

Es wird dabei übersehen, das Streetworker immer lebenswelttypischen Abläufen ausgeliefert ist, egal ob er sich offensiv oder defensiv verhält, ob er seine Person, seien Rolle oder ein Thema in den Vordergrund stellt. Dies zeigt sich deutlich beim ,, Abgescheckt- Werdens" dem kein Streetworker entgeht. Nach dem Aufbau des Beziehungsnetzes geht es darum, das netz zu sichern und auszubauen. Dies passiert durch regelmäßige Anwesenheit an Szenetreffs, Small Talk, die Teilnahme oder Initiierung gemeinsamer Unternehmungen, aber auch durch die Anregung bzw. Unterstützung von Institutionalisierungen wie z.B. Selbsthilfegruppen.

Es passiert nicht selten, das Streetworker sich wegen solcher Aktivitäten, die sich auf den 1. Blick wenig von Freizeitangeboten unterscheiden, mit anderen Kollegen und Vorgesetzten aus den Hintergrundinstitutionen in Legitimationsschwierigkeiten. Dabei wird die emotionale Belastung, die aus den fließenden Übergang von Freizeit- zu professionellen Aktivitäten resultiert, insbesondere, wenn der Streetworker in einer Szene arbeitet, die sich mit dem privaten Freizeitbereich überschneidet, von Außenstehendenleicht übersehen.

Aufbau und Aufrechterhaltung eines institutionellen Netzes Der Aufbau und Aufrechterhaltung eines weiten institutionellen Netzes gehören ebenso zu den Grundvoraussetzungen von Streetwork. Der Streetworker muss Kontakt zu allen Einrichtungen haben, die für seine Szene wichtig sind, z.B. Beratungsstellen, Frauenhäuser, Gesundheitsämter etc. Dies ist notwendig, um den Klienten genau über alle Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren, sie weiterzuvermitteln und vor allem auch um zwischen der Szene und den Institutionen zu vermitteln.

Aufgaben- bzw. Zielgruppenspezifische Interventionen Streetworker haben einen Auftrag der institutionell vorgegeben ist:

Verhinderung von Gewalt, Kriminalität, Krisenintervention in Drogennotfällen, Reintegration von sozial Desintegrierten, AIDS - Prävention u.s.w. Es kommt oft zu Brüchen zwischen dem offiziellen Auftrag und der Aufgabe, die Streetworker sich selbst machen, wenn sich der offizielle Auftrag als zu eng oder kontraproduktiv erweißt.

Ein Streetworker wird Interventionsmöglichkeiten entwickeln, um innerhalb seiner Szene Einfluss zu nehmen. Er wird zum Beispiel bei Gesprächen sein Fachwissen einbringen und versuchen Vorurteile zu wiederlegen. Er wird versuchen seinen Klienten durch konkrete und persönliche Unterstützung aufzufangen.

Nach dem konzeptionellen Vorgehen werden solch Aktivitäten von einem Streetworker erwartet. Dennoch sollte man ihren Stellenwert ganz entschieden wieder in Tätigkeit setzen. Solche Tätigkeiten können nur einen kleinen Teil des gesamten Aktivitätenspektrums ausmachen. Wegen der Erfordernisse aus der täglichen Szenenarbeit, müssen die Tätigkeiten der anderen Bereichen im Vordergrund stehen. Ein Streetworker der sich sehr an seinen Auftrag hält, wird in der Szene nicht akzeptiert werden, bzw. bleiben.

Allgemeine soziale Arbeit

Vom Streetworker werden mehr sozialpädagogische Kompetenzen erwartet als von jedem anderen Sozialarbeiter. So gehört z.B. zur Arbeit des AIDS - Street- workers auch allgemeine Beziehungsberatung, und zu der eines Drogenstreetworkers die Beratung in Selbsthilfefragen. Zu schnell an spezialisierte und möglicherweise kompetentere Institutionen weiterzuvermitteln, würde sich in vielen Fällen problematisch erweißen, da ein solches Vorgehen die Beziehung des Streetworkers zu den betroffenen eventuell gleich wieder zerstört.

Szeneninteressenvertretung

Streetworker kümmern sich oft als erste und einzigste um die Belange einzelner Szenenangehöriger oder ganzen Szenen. Sie kennen die Probleme Nöte ihrer Gruppe oder Szene. Sie ergreifen für einzelne, aber auch politisch und in der Öffentlichkeit für die gesamte Szene Partei und vertreten die Ansprüche und Rechte der Betroffenen. Diese Rolle wird von größeren bürokratischen Institutionen nicht gerne gesehen. Doch gezielte Aktivitäten und politische Szeneninteressenvertretung sind schon in den sozialpolitischen Auftrag an Streetwork mit einzubeziehen.

6.2 Typische Angebotsformen

Im laufe der Jahre haben sich verschiedenartige Streetwork - Konzepte entwickelt, die man grob in folgende Typen unterscheidet:

- Individuenzentrierte Streetwork: Die persönliche Beziehung und der persönliche Kontakt zu den Zielgruppen stellen Streetworker in den Vordergrund. Er betreut individuell, gibt psychische Unterstützung in Krisen, vermittelt konkrete Hilfen, berät über soziale Hilfsmöglichkeiten u.s.w. Derartige individuelle Betreuungen können die gängigen Formen von Beratung, Betreuung und Therapie oft an Wirkung übersteigen. Insbesondere in der Drogenszene wird in dieser Form häufig praktiziert.
- Gruppenzentrierte Streetwork: Hierbei wendet sich der Streetworker an die bestehenden Gruppen und Cliquen, bzw. versucht solche zu initiieren, wie z.B. in der Fußballfanarbeit, Mädchenarbeit, in den Ansätzen der mobile Jugendarbeit.
- Multiplikatorenzentrierte Streetwork: Hier wird eine Art Schneeballeffekt in der anvisierten Szene initiiert, z.B. durch den Aufbau und die Unterstützung von Selbsthilfeinitiativen. Entsprechende Ansätze entstanden in einigen Orten im Praxisfeld AIDS- Streetwork in der homosexuellen Szene.

Mit der Strukturszene variiert die Form des Angebots: Wenn sich die betroffene Szene durch eine ausgeprägte und offene Infrastruktur auszeichnet, werden völlig andere Angebote erforderlich, als in den zersplitterten Szenen. Für Jugendliche in einem intakten Gemeinwesen wird sich ein angebots- und gruppenzentrierter Streetwork-Ansatz als Sinnvoll erweißen, währen sich bei der Arbeit mit sozial desintegrierten Fixern in einer Großstadt und stark kriminalisierten Szene eher ein individuenzentrierter Ansatz angebracht ist.

7. Aufsuchende Arbeit in den Szenen

7.1 Akzeptierende Jugendarbeit/ Zur Debatte um Straßensozialarbeit mit rechten Jugendlichen von Stephan Voß

Die Zielgruppe vieler in den letzten Jahren entstandener Projekte sind rechtsorientierte Jugendliche. Hier stellt sich die Frage, ob Streetworker besondere Fähigkeiten und Haltungen benötigen, um mit diesen Jugendlichen zu arbeiten. In den Auseinandersetzungen darum, was mit rechtslastigen Jugendlichen getan werden sollte, spielt die Konzeption einer Akzeptierenden Jugendarbeit eine zentrale Rolle. Dieser Begriff ist in der pädagogischen wie auch in der politischen Diskussion in den letzten Jahren so umstritten wie kein anderer.

Wenn man sich vor Augen hält, dass es für die Einen der meist entwickelte Bericht einer Jugendarbeit mit rechten Jugendlichen ist, ein Ausdruck der Reflexion mehrjähriger pädagogischer Praxis in diesem Bereich, werden die verschiedenen Positionen zu dem Begriff deutlich. Für die anderen aber sollte es aus dem Vokabulargestrichen werden, weil es für missverständlich gehalten wird, denn wer diesen begriff benutz, kann verdächtigt werden die Meinung der anvisierten Zielgruppe zu teilen.

Der Begriff ,, Akzeptierende Jugendarbeit" stammt aus der Drogenarbeit und wurde dann die Beschreibung mit rechten Jugendlichen übernommen. In der letzten Zeit spielt der Begriff eine große Rolle in der Auseinandersetzung mit gewalttätigen und gewaltbereiten Jugendlichen und entfaltete eine besondere pädagogische und politisch Brisanz. Um dieses zu verstehen sollte man einen Blick auf die Bereiche werfen, die Jugendarbeit und soziale Arbeit auszeichnet und in denen der Begriff eine Rolle spielt. Dazu reicht es aus, einige zentrale Kennzeichen dieser Bereiche hervorzuheben.

Die Jugendlichen mit den in diesen Bereichen gearbeitet wird, verstoßen gegen gesellschaftliche Normen: Sie konsumieren illegale Drogen, sie verwenden Gewalt als ein Mittel, um ihre Ziele durch zusetzten, Gewalt ist für sie mit Spaß verbunden, sie benutzen faschistische und nationalsozialistisch Symbole, sie verhalten sich in verschiedensten Formen kriminell. Auch durch andere Weise werden diese Jugendlichen als auffällig störend empfunden, wie durch ihr Outfit, an den Orten an denen sie sich aufhalten.

Von diesen Jugendlichen fühlen sich andere oft bedroht: Manche werden schon durch ihr Äußeres als bedrohlich empfunden, illegaler Drogenkonsum an öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen ängstigt besorgte Eltern, eine Gruppe Von Skinheads, z.B. in öffentliche Verkehrsmitteln sorgt bei anderen Fahrgästen für Bedrohungsgefühle, Hooligans lassen Fußballvereine um ihr öffentliches Ansehen fürchten, autoknackende und klauende Jugendbanden Vergreifen sich sogar am Garanten für den freien Bürger.

Sie bereiten staatlichen Institutionen erhebliche politische Probleme: das Ansehen der BRD kann in Mitleidenschaft gezo gen werden, egal ob durch randalierende Hooligans, Negativschlagzeilen von rechten Jugendlichen, oder der zunehmenden Zahl der Drogentoten. Vor allem kommt es zum politischen Problem, wenn man nicht in der Lage ist etwas gegen diese Jugendlichen zu tun und das Problem nicht in den Griff bekommt.

Sie repräsentieren auch gesellschaftliche Konflikte: Nicht nur Jugendliche konsumieren Drogen, sondern auch andere und das sogar im erheblich größerem Maße. Nicht nur Jugendliche verstoßen gegen Normen sondern auch so manche vom Volk gewählte Repräsentanten der Gesellschaft. Nicht nur Jugendliche üben Gewalt aus, sondern in den Familien wird Gewalt ausgeübt, in den Medien wird die ständig dargestellt, es werden Kriege geführt, etc. Gleichzeitig bieten diese Jugendlichen Anderen auch wichtiges an: Man kann sich von ihnen Abgrenzen, sie zur eigenen Selbstdefinition nutzen, sich als jemand ganz anderes empfinden, der mit solchen Menschen und deren Parolen gar nichts zu tun habe, sie dienen als Sündenböcke und als solche werden sie zur Entlastung eigener Probleme funktionalisiert, für die Politik sind sie möglicherweise funktional, weil durch Individidualisierung von gesellschaftlichen Problemen abgelenkt werden kann und die frage ausgeblendet wird, in welchem gesellscha ftlichen Klima ihr Verhalten stattfindet.

Diese Jugendlichen werden ausgegrenzt oder Grenzen sich selbst aus und erleben gerade damit Beachtung. Sie werden in der Öffentlichkeit nur noch als ganz kleiner teil wahrgenommen.

Es gibt starke Tendenzen diese Jugendlichen aus den Einrichtungen und der Jugendarbeit auszugrenzen, deswegen ist die Arbeit mit ihnen so schwierig. In den alten Bundesländern hat Jugendarbeit in den rechten Szenen nur sehr wenig stattgefunden. Die herkömmliche Sozialarbeit konnte die vielen Probleme nicht lösen weil sie keinen Zugang zu den Jugendlichen gefunden hatte. Die Jugendlichen scheinen sehr Selbstbewusst zu sein, sie sind repressiven Strukturen nicht zugänglich, sie verweigern normale Gesprächskultur, sie durchschauen viele Systeme und Strukturen, sie habe oft gute Argumente. Es scheint als ob Jugendliche in diesen Bereichen, geltende Werte und Normen verletzen, weil sie sich den gestellten Anforderungen verweigern. Sie passen sich nicht an, reagieren eingeschränkt auf Strafen, und entziehen sich häufig dem geltenden Sanktionssystem.

In diesem Bereich taucht also der Bergriff Akzeptierende Jugendarbeit auf, obwohl andere Forderungen viel logischer erscheinen: Jugendlichen müssen ganz klar Grenzen gesetzt werden, man muss ihnen deutlich machen, dass es so nicht weitergeht. Vom Jugendlichen werden Einkehr und Umkehr gefordert und wenn dieses nicht geschieht scheinen nur repressive Mittel gegen ihr Verhalten anzukommen.

Würde man Akzeptanz so verstehen, so verstehen, dass die Verle tzung der geltenden Normen akzeptiert werden, wäre dies in zweierlei Hinsicht sehr brisant: Die Geltung der Normen wäre in Frage gestellt und die Möglichkeit, die diese jungen Menschen für ihre eigene Interessen funktionalisieren würden verschwinden.

So ist es verständlich, das starke Tendenzen vorhanden sind, diesen Begriff abzulehnen. Andererseits gibt es Gründe den Begriff zu verwenden, da er aus der Praxis mit Menschen entstanden ist.

Mit Akzeptanz ist nicht gemeint, die Handlungen und Überzeugungen von Jungen Menschen gut zu heißen. Gerade durch die bestehenden Differenzen wird dieser Begriff so betont, denn gerade die Werte und Normen dieser Jugendlichen lassen davor zurückschrecken mit ihnen zu arbeiten. Mit Akzeptanz ist die Fähigkeit gemeint, den jungen Menschen als Ganzes zu sehen und stellt hohe Anforderungen: Man lässt sich auf den jungen Menschen ein, man nimmt ihn an und respektiert ihn, man rechnet damit, das in jedem jungen Menschen ein positiver Kern steckt, der aber auch verschüttet sein kann.

Man sollte keine der beiden Seiten (Täter/Opfer) ausblenden. Würde man ihn nur als Opfer ansehen, wäre die verantwortungslos den richtigen Opfern gegenüber.

Man könnte ihnen keine Verantwortung für ihre Tat zuschreiben. Würde man sie nur als Täter sehen, würde man der Tatsache, dass sie ebenso Opfer sind nicht gerecht werden. Der Zugang zu Jugendlichen bleibt versperrt und würde diejenigen die dazu beigetragen haben, das aus den Jugendlichen Täter geworden sind aus ihrer Verantwortung entlasten.

Wer akzeptierende Jugendarbeit betreibt, erkennt die Schwierigkeiten die darin liegen zu bestimmen, bei wem die Verantwortlichkeit liegt. Es gibt unterschiedliche Beziehungen der Sozialarbeit mit dem Jugendlichen:

- Der Pädagoge lehnt es ab, mit bestimmten Jugendlichen zu arbeiten, er grenzt sie aus, oder formuliert Bedingungen, die vom Jugendlichen erfüllt werden müssen. Er möchte mit ihnen arbeiten, aber so wie er das will, wollen sie nicht. Die Jugendlichen werden ausgegrenzt.
- Er arbeitet mit diesen Jugendlichen, weil er ihnen helfen möchte, d.h. er will dass sie sich ändern, und organisiert einen entsprechenden Lernprozess, ohne seine eigenen Werte und Normen zu prüfen.
- Er kann mit diesen Jugendlichen arbeiten und sich als Helfer zur Selbsthilfe verstehen, sie darin unterstützen ihren Lernprozess erfolgreich zu gestalten, ohne das er seine Werte und Normen überprüft.
- Er arbeitet mit diesen Jugendlichen, indem er sich mit ihnen in einen gemeinsamen Lernprozess begibt, der Veränderungen auf beiden Seiten ermöglicht. Die Werte und Normen des Jugendlichen stehen zur Diskussion.

Akzeptierende Jugendarbeit wiedersetzt sich der Kultur des ,, in den Griff bekommen". Sondern kuliviert etwas anderes: Die Ganzheitliche Sicht von Problemen, die Fähigkeit zur Empathie, des Zuhörens, offene Prozesse zuzulassen, die eigene Betroffenheit empfinden zu können, die eigene Verwicklung der Probleme zu sehen und zu würdigen. Sie lässt sich nicht in Einzeitschema pressen und hat auch kein Interesse ein Problem so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen.

,,Es geht hier nicht um Missverständnisse, sondern es geht um Grundsätzliches, und ich plädiere für eine Bedingungslose Akzeptanz auch derer, die Normen verletzen, seien sie Jung oder Alt." ( ,,d.Verf. Stephan Voß, Handbuch Akzeptierende Jugend- und Sozialarbeit, 1995; S.128)

(,, Vergleich hierzu: Handbuch Akzeptierende Jugend- und Sozialarbeit, 1995)

7.2 Streetwork in der Drogenszene/ Entwicklung des Arbeitsfeldes nach Ulrich Binder und Paula Marinovic

Die Drogenhilfe ist noch ein junges Arbeitsfeld in der Sozialarbeit. Der Konsum illegaler Drogen wurde in den sechziger Jahren auch in Deutschland zu einem brisanten Thema. In den siebziger Jahren Entstand ein Hilfesystem Das sich stark an den Beratungs- Therapie- und Selbsthilfemodellen Orientierte. Ein Merkmal dieser Modelle waren die stark autoritären Strukturen. Durch die Einrichtungen waren die Abhängigen starken Anpassungszwang und strengen Anforderungen ausgesetzt, wie Pünktlichkeit, Offenheit und äußere Anpassung durch Kleidung.

Das Hilfesystem wurde ausgeweitet und hat immer mehr abhängige erreicht. Von den Mitarbeitern wurden differenzierte Arbeitsansätze entwickelt. Die Herausbildung von Streetwork kann hier beispielhaft als eine Öffnung der Drogenhilfe nach Außen Gesehen werden, und zwar um hinauszugehen und Kotakt zu den Drogensüchtigen zu suchen, die selbst keinen Kontakt zu den Hilfesystemen finden konnten oder wollten.

Streetwork bekam neben Beratung und Therapie einen gleichberechtigten Stellenwert. Die Einführung von Streetwork war der erste Schritt in die Akzeptierende Drogenarbeit.

Streetwork bedeutet, man begibt sich an die Orte, wo sich Drogensüchtige aufhalten. Man erlebt ihre Lebensumstände mit, knüpft Kontakte und baut Vertrauen auf. Man steht vor Ort mit Hilfeangeboten zur Verfügung. Zu den erlebten Lebensumständen gehört auch das Gespräch mit Passanten, Geschäftsbesitzern und der Polizei in der Szene. Die Betroffenheit der Gesprächspartner muss ernstgenommen werden. Gespräche können sogar zu Einstellungsänderungen bei beiden Parteien führen.

Die Kontaktaufnahme stand bei der Entwicklung von Streetwork im Vordergrund.

Man möchte Konsumenten erreichen, die den Weg in die Beratungsstelle nicht gefunden haben. Die Hemmschwellen sollen abgebaut werden. Die Straßenarbeit wird in drei Komplexe gegliedert:

1. Grundversorgung und Gesundheitsvorsorge
2. Vermittlung und Versorgung von Information über Angebote im Hilfesystem
3. Einzelgespräche

1. Grundversorgung und Gesundheitsvorsorge

Mit der Entdeckung des HIV- Virus und der Beobachtung des Austausches von gemeinsamen Spritzbesteck ( ,,needle - sharing") gewann die Aufgabe an Bedeutung.

Ein Vorsorgeangebot hat sich entwickelt. Dazu gehört die Abgabe von Sterilem Spritzbesteck, Alkoholtupfern, Kondomen und Verbandmaterial, die Entsorgungsmöglichkeiten für gebrauchte Spritzen und Nadeln. Dadurch wurde bei den Drogenkonsumenten eine hohe Akzeptanz erzielt. Es ergeben sich Gespräche über Betreuung und eigenverantwortliche Gesundheitsvorsorge. Die Versorgungsangebote können auch einen Störfaktor bei intensiven Gesprächen darstellen.

2.Vermittlung und Information über das Hilfesystem

Szeneklienten haben einen sehr hohen Informationsbedarf. Dies bezieht sich auf Wohn- und Arbeitsangelegenheiten, strafrecht liche Fragen, Schuldenregulierung, Therapie-, Beratungs- und Entgiftungsmöglichkeiten und Substitutionen. Man hat als Streetworker die Aufgabe fragen zu beantworten, Fehlinformationen zu berichtigen, Ängste und Vorurteile ernstzunehmen und abzubauen.

3.Einzelgespräche

Durch diese bekommt man einen Einblick in die Gefühlswelt der Drogenkonsumenten. An bekommt Einblick in Trauer, Angst, Wut und Verzweiflung. Es wird die Erleichterung bei den Drogenkonsumenten, drüber sprechen zu dürfen sichtbar. Es werden nicht selten Gespräche über Missbrauch, Gewalterfahrung, Angst vor dem Sterben, den Verlust eines Nahestehenden Menschen und die Einsamkeit geführt.

Die Gespräche diesen dem betroffenen als eine Art Ventil, wo nur sie bestimmen wie viel sie an die Oberfläche lassen. Diese unverbindliche Art erleichtert die Schritte in Richtung Veränderung.

Die Prioritäten der drei dargestellten Elemente werden von jedem Drogenkonsumenten selbst bestimmt.

Strukturelle Hemmnisse

Finanzen

Streetwork kann immer nur so gut sein, wie das Angebot das Streetworker machen können. Die Qualität des Angebotes hängt natürlich vom Vorhandensein der verschiedenen Hilfsmöglichkeiten ab, die wiederum von der Finanzierung abhängen.

Z.B braucht ein drogenabhängiger obdachloser Mensch schnell eine Unterkunft und kein Beratungsgespräch. Ein fehlender Platz für den Entzug wird nicht durch ein nettes Gespräch ersetzt. Das Verständnis für Sorgen und Nöte der Drogenabhängigen schafft keine Anlaufstelle die Überlebenshilfen bietet.

Repressionen

Bei uns herrscht für Drogenabhängige ein großes Ungleichgewicht zwischen Repressionen und Hilfen. Großaktionen der Polizei sind keine Seltenheit. So demonstriert der Staat der alarmiertenÖffentlichkeit, dass etwas für ihre Sicherheit getan wird.

Die Folgen sind, dass sich der Heroinpreis verdoppelt hat und die süchtigen mehr Geld beschaffen müssen durch Beschaffungskriminalität. Die Polizei fängt Kleindealer und erhöht unfreiwillig die Gewinne der Drogenbosse und sorgt für mehr Kriminalität.

Repressive Maßnahmen auf offener Drogenszene sind für die Streetwork nur hinderlich. Sie führen zum zerschlagen der Szene und zum Abtauchen der Abhängigen. Der Zugang in die Szene wird somit für den Streetworker erschwert.

Der Vorwurf ist aber den politischen Verantwortlichen zu machen. Sie müssen künftig dafür Sorge tragen, das Drogenabhängigen mehr Hilfeangebote bereitgestellt werden. Diese Maßnahmen sind zwar teuer, sind aber wegen ihrer Therapeutischen Wirkung durchaus auch unter Kostengesichtspunkten eine sinnvolle Alternative.

Öffentliche und politische Bewertung

Die Medienberichtserstattung, die oft nur von Sensationsgier geleitet ist, erzeugt ein einseitiges Bild von Drogenabhängigen. Sie werden als kriminelle dargestellt, die unsere Sicherheit und Ordnung gefährden, was zur

legementierung von repressiven Maßnahmen führt.

Es werden sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in der politischen Diskussion zu oft die ordnungspolitischen Aspekte besprochen, wie Symptome und Folgen von Sucht. Die Ursachen bleiben dabei immer im Hintergrund. Der Streetworker trägt durch seinen hautnahen Kontakt dazu bei, veränderte Blickwinkel über Drogensüchtige zu erzielen. Sie mischen sich mit ihren Erkenntnissen und Erfahrungen in politisch Diskussionen ein und tragen zu einem Bewusstseinswandel bei. Sie sind Bedarfslagen und Betroffenen am nächsten.

(vergleich hierzu: ,, Handbuch Aufsuchender Jugend- und Sozialarbeit,1995; S.196)

8. Besondere Qualitäten von Streetwork

8.1 Aufsuchen statt abwarten

Gegenüber anderen Ansätzen zeichnet sich Streetwork durch die Idee des Abwartens aus. Die Hemmschwelle vor der Inanspruchnahme von Hilfemöglichkeiten wird wesentlich herabgesetzt, ein Faktor der besonders mit der Arbeit bei Außenseitergruppen zugute kommt.

8.2 Stark ausgeprägte Zielgruppenorientierung

Man findet in kaum einem Sektor eine derart ausgeprägte Parteilichkeit für ,,ihre" Szene oder Gruppe wie unter den Streetworkern. Sie orientieren sich ausführlich an den Bedürfnissen und Interessen ihrer jeweiligen Zielgruppe. Dies zeigt sich in mehrfachen Punkten:

- in den persönlichen Umgangsformen, die sie in ihre Szene entwickeln,
- in der Ausrichtung der eigenen Arbeit am Lebensrhythmus der Zielgruppe
- in dem Versuch, die Hintergrundinstitutionen dahingehend zu verändern, dass sie ihre Bedürfnisse der Szene stärker berücksichtigen,
- in den vielfältigen Aktivitäten zur Vernetzung individueller und kollektiver Interessen der betreuten Szene.

8.3 Besondere Anforderungen an Person und Kompetenz des Streetworkers

Es stellen sich hohe Qualitätsansprüche an die menschliche Person des Streetworkers: Kontaktfähigkeit, Erfahrung im Umgang mit der betroffenen Szene, Anpassungsfähigkeiten an deren Gewohnheiten, eine grundsätzlich positivakzeptierende oder zumindest tolerante Haltung zu den Szenennormen, Eine persönlich gut integrierte emotionale Auseinandersetzung mit den Themen, die in der Szene eine wichtige Rolle Spielen.

Um den Ansprüchen gerecht zu werden, muss der Streetworker ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz in Sozialberatung und in der psychosozialen Unterstützung mitbringen.

9.Rechtsgrundlagen und Finanzierung

Rechtgrundlagen, die die Finanzierung von Streetwork - Angeboten, gab es bis zur Einführung des KJHG, für kein Arbeitsfeld in dem mit Streetwork - Ansätzen gearbeitet wurde. Das KJHG verpflichtet das Jugendamt, bei der Bezuschussung eines Projektes die gleichen Maßnahmen zugrunde liegen. Es besteht der Anspruch auf finanzielle Gleichstellung mit vergleichbaren Projekten ( vergleich hierzu: KJHG §74,5).

Auch Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbände beteiligen sich mit Finanzierungsangeboten.

Im Bereich der Mobilen Jugendarbeit sind Projekte zuschussfinanziert. Wenn durch Haushaltdefizite die öffentlichen Fördermittel ausbleiben muss die jeweilige Kirchengemeinde den Abmangel übernehmen.

10.Probleme und Kritiken

10.1 Versuche Streetwork in eine repressive, ausgrenzende Strategie einzubeziehen

Von politischer und institutioneller Seite versucht man Streetwork immer noch in kontrollpolitische Zusammenhänge einzubinden. Verlangt man von Streetworkern, dass sie sich in eine repressive Politik einfügen und gegen ihre Szene dort bestimmte Normen einfordern, wäre dies das Ende der Parteilichkeit von Streetwork. Dies hat zur Folge für den Streetworker, das Scheitern eines Arbeitsansatzes.

10.2 Fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht für Streetworker

Vor allem Streetworker, die in kriminalisierten Szenen arbeiten werden häufig Zeugen strafrechtlicher Vorgänge, oder erfahren diese aus Gesprächen mit den Betroffenen. Der § 203 des STGB verpflichtet Streetworker (als Sozialarbeiter) zur Verschwiegenheit, aber es gibt für sie kein Strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht. Konkrete Fälle, die Streetworker in Gerichtsverfahren miteinbeziehen, können mit einem Schlag seine Arbeit zerstören.

10.3 Fehlende anschließende Unterstützungsmöglichkeiten

Ein Streetworker ohne eine Szenennahe Hintergrundinstitution und ohne Netz von Anschlusssituationen, steht mit leeren Händen in der Szene. Die existierenden institutionellen Netze weisen in der Regel schon im unmittelbarem Umfeld große Lücken auf, in manchen Praxisfeldern stehen also praktisch keine Ressourcen zur Verfügung.

10.4 Mangelndes Verständnis und Unterstützung für die Tätigkeit der Streetworker

In bürokratisch organisierten Institutionen stoßen Streetworker oft auf Verständnislosigkeit bei Vorgesetzten und Kollegen. Ihre Arbeit wird oft als Freizeitaktivität abgestempelt und misstrauisch angesehen. Die emotionale Belastung wird nicht wahrgenommen und findet keine Berücksichtigung. Die effektive Arbeit wird durch unflexible Arbeitszeitregelungen, Berichtspflichten und Bürokratisierung verhindert. Ämter verlangen von Streetworkern, dass sie ihre Arbeitszeiten und -orte im voraus als Dienstplan angeben sollen. Die Gehalteingruppierung liegt weit unter der des Sozialarbeiters.

Zusammenfassung (Schlusswort)

Es fiel mir sichtlich schwer, diese Hausarbeit zu schreiben. Erst einmal war es die erste Hausarbeit, die ich im Studium geschrieben habe und wusste deshalb auch nicht so Recht, wo ich denn nun anfangen sollte. An dieser Stelle möchte ich einmal betonen, das mir das Heftchen: Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten keine besonders große Hilfe war. Ganz im Gegenteil, es hat mich eher noch mehr irritiert.

Was ich sehr bedrückend fand war, dass ich fast gar keine Literatur über Streetwork finden konnte. Von 1995 war das jüngste Buch was ich auftreiben konnte. Jetzt wo ich mit meiner Hausarbeit fertig bin, habe ich das Verständnis dafür, warum dem so ist. Streetwork ist ein noch leider viel zu unbekannter Bereich der Sozialarbeit, der bei vielen Institutionen auf Unverständnis stößt. Ich habe aber festgestellt, dass Streetwork eine ganz weit reichende Palette an Angeboten und Projekten anbietet. Daher ist es mir unverständlich warum das Potenzial von Streetwo rkern und Streetwork oft so ungenutzt bleibt. Ich glaube würde man das Potenzial eher nutzen, würde man sicher auch in pädagogischer Weise viele Fortschritte in der Näherbringung von Institutionen und Einrichtungen erzielen.

Was gerade Junge Leute brauche sind keine Regeln und Strafen, sondern sie brauche Verständnis und Vertauen. Sie brauchen eine helfende Hand und keine klugen Ratschläge von irgendeinem Sozialarbeiter, der noch nie einen Blick hinter die Kulissen des Betroffenen geworfen hat. All dies könnte Streetwork durchaus erarbeiten, wenn man es zulassen würde.

Literaturverzeichnis

Für diese Hausarbeit wurde folgende Literatur verwendet:

1. Perspektivenwandel in der Jugendhilfe. Band 2. Expertisentexte Publiziert in: Kreft, D./ Lukas, H. u.a.
2." Neue Handlungsfelder in der Jugendhilfe". Frankfurt 1993 ( Eigenverlag des ISS - 2. Auflage)
3."Handbuch Aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit" Herausgeb.: Gerd Becker und Titus Simon Juventa Verlag Weinheim und München 1995

Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Straßensozialarbeit / Streetwork
Université
University of Applied Sciences Braunschweig / Wolfenbüttel
Auteur
Année
2000
Pages
30
N° de catalogue
V99974
ISBN (ebook)
9783638984072
Taille d'un fichier
511 KB
Langue
allemand
Mots clés
Straßensozialarbeit, Streetwork
Citation du texte
Nadine Stehr (Auteur), 2000, Straßensozialarbeit / Streetwork, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99974

Commentaires

  • invité le 6/7/2007

    literaturangabe.

    hey nadine

    ich finde deine hausarbeit sehr gut. es waere nett, wenn du mir sagen koenntest, woher du den absatz mit den drei arbeitskonzepten von streetwork hast? [individuenzentriert//gruppenzentriert//multiplikatorzentriert]

    wuerde mir sehr weiterhelfen!

    gruß und danke schonmal,
    anna

  • invité le 4/7/2001

    Anfrage.

    Hallo Nadine,
    ich habe Deine Hausarbeit gelesen, die mir gut gefallen hat. Ein paar Dinge wollte ich übernehmen. Du hast ab und an etw. zitiert und als Zitatangabe "ebenda" angegeben, dass aber in deiner Literaturangabe gar nicht vorkommt. Könntets du mir bitte den Titel, Autor, Ort und Jahr kurz mailen? Würde mich sehr freuen, da ich die Hausarbeit gerne abgeben würde.
    Vielen Dank für Deine Bemühungen und wünsch dir super schöne Semesterferien mit viel Sonne und vor allem Urlaub.
    Machs gut Kerstin

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Titre: Straßensozialarbeit / Streetwork



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