Warum sind Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem benachteiligt?

Schulpraktische Gegenmaßnahmen


Trabajo Escrito, 2020

25 Páginas, Calificación: 1,0

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Migration in Deutschland: Daten zur Situation

3 Entwicklung der Migration seit 1950: damalige und heutige pädagogische Ansätze zur Inklusion

4 Ursachen von geringem Schulerfolg von Kindern mit Migrationshintergrund

5 Theoretische Modelle und Konzepte zur Integration und Inklusion

6 Vorschläge der Wissenschaft an das Schulsystem

7 Schulentwicklung im Zeichen interkultureller Inklusion und konkrete Handlungsempfehlungen für Lehrer*innen und Lehrer

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Migration in Deutschland: seit 2015 ist dieses Thema in Deutschland wieder aktuell wie lange nicht mehr. „Wir schaffen das“ lautet seitdem das Motto in Bezug auf die Einwanderung.

Von dieser sind alle Bereiche des öffentlichen Lebens, der Politik und auch des Privatlebens betroffen. Schon lange vor 2015, eigentlich schon seit den 1950er Jahren, ist Deutschland ein beliebtes Ziel verschiedenster Migrationsbewegungen. Die Bevölkerung unseres Landes ist inzwischen weit entfernt von einer monokulturellen Gesellschaft und zeigt sich mehr und mehr in verschiedensten Facetten.

Umso wichtiger ist es, dass auch im Bildungssystem das Thema Migration mit der gebührenden Wichtigkeit behandelt wird. Zwar bessert sich die Situation ganz allmählich, aber dennoch haben Schüler*innen mit Migrationshintergrund häufig geringeren schulischen Erfolg als Einheimische. Dieses Ungleichgewicht hat eine Bandbreite an Ursachen, die im Anschluss näher beleuchtet werden sollen. Neben vielen anderen Faktoren sind jedoch auch die einzelnen Schulen und somit insbesondere das Personal, sprich Lehrerinnen und Lehrer, gefragt, den schulischen Erfolg aller Schüler*innen bestmöglich zu fördern.

Die Aktualität des Themas ist somit nicht von der Hand zu weisen. In Deutschland besuchen knapp 4 Millionen Kinder mit Migrationshintergrund1 die Schule, sodass bis auf wenige Ausnahmen Klassen eine kulturell sehr heterogene Gruppe bilden. Als angehende Lehrkraft ist es wichtig, seine pädagogischen Kompetenzen auch im Hinblick auf Interkulturalität, Deutsch als Zweitsprache und besondere Lehr-Lernverhältnisse zu erweitern.

Die Schule an sich ist eine Institution von großer Reichweite, in der Kinder neben ihrem Elternhaus die meiste Zeit verbringen. Insofern hat sie einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder und kann einen entscheidenden Beitrag zur Inklusion von verschiedensten Gruppen beitragen. Letzten Endes ist die schulische Bildung aber auch der Schlüssel zu jedwedem beruflichen Erfolg und sollte für jeden Schüler die gleichen Chancen bieten.

2 Migration in Deutschland: Daten zur Situation

Das statistische Bundesamt zählte Stand 2018 über 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland1, davon etwas mehr als 4 Millionen im Schulalter (Destatis 2020a). Weitere Erhebungen zeigen, dass Schüler mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Schüler*innen ohne schlechtere und weniger häufig Schulabschlüsse erreichen (Destatis 2020b). Fast 86% (51,7 Mio.) der Einheimischen haben einen Schulabschluss. Demgegenüber stehen 13,5 Mio Schulabsolventen mit Migrationshintergrund (64,9%), eine Zahl die recht hoch erscheint aber gegenüber der erstgenannten doch die Unterschiede aufzeigt. Noch deutlicher wird der geringere Schulerfolg in Bezug auf die Anzahl der Kinder, die keinen Schulabschluss haben. Hier stehen 1.9% (Schüler*innen ohne Migrationshintergrund) den 9,5% der Schüler*innen mit Migrationshintergrund gegenüber.

Auffällig ist jedoch, dass sich fast ebenso viele Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund als Abiturienten bezeichnen dürfen. Die Haupt- und Realschule wird von den Schülern mit Migrationshintergrund weniger häufig abgeschlossen als von denen ohne. Zu bedenken ist jedoch, dass die Schüler*innen mit Migrationshintergrund prozentual häufiger eine Real- oder Hauptschule besuchen, diese aber nicht abschließen (Destatis 2020c). Daraus ergibt sich ein zweigeteiltes Bild: Auf der einen Seite stehen recht viele Absolventen der Hochschulreife, auf der andern eine große Zahl an jungen Menschen, die keinen Schulabschluss haben.

Dieses Ergebnis bestätigt auch die PISA-Studie von 2018, in der Deutschland als eines der Länder genannt wird, die im Vergleich zu anderen OECD-Ländern besonders durch die geringe Bildung der Einwanderer hervorstechen (PISA 2019 S.180). Dieser Trend scheint sich seit der Jahrtausendwende wenig geändert zu haben, da das Bundesministerium des Innern bereits 2001 besondere Betroffenheit der Zuwanderer von Bildungsdefiziten herausstellte.

Die PISA-Studie zeigt außerdem, dass die Lesekompetenz der Schüler mit Migrationshintergrund deutlich unter der Kompetenz der Schüler ohne Migrationshintergrund liegt (PISA 2019 S. 185): Im Schnitt erreichten erstere in durchgeführten Lesetests 60 Punkte wenigera). An dieser Stelle wird jedoch nicht deutlich, ob dieses Ergebnis eventuell auf sprachliche Barrieren zurückzuführen ist. Bezüglich des kulturellen, ökologischen und sozialen Status der Bevölkerung zeigt die PISA-Studie außerdem, dass sich im unteren Quartal rund 45% der Migranten finden (PISA 2019, S. 183). Dieses ist unter anderem auf eine geringe Bildung zurückzuführen und begünstigt diese wiederum.

An dieser Stelle soll außerdem geklärt werden, was genau Migrationshintergrund bedeutet. Der Begriff wurde erstmals 2005 in Verbindung mit der jährlichen Haushaltszählung genutzt, um auch Zugewanderte mit einzubeziehen, die inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt hatten (Hummrich, Terstegen 2020, S. 9). Die Uneindeutigkeit des Begriffes wird bei Betrachtung der Definition der Kultusministerkonferenz (KMK) deutlich, nach der nur eines der folgen Merkmale erfüllt sein muss, um einen Migrationshintergrund zu haben: 1. Die nicht-deutsche Staatsangehörigkeit, 2. Das nicht-deutsche Geburtsland und/oder 3. Die nicht-deutsche Verkehrssprache in der Familie (KMK 2014, S. 9). Die PISA-Studie unterscheidet in der Hinsicht des Migrationshintergrunds zwischen der Erst- und Zweitgeneration. „Immigrant Students“ sind grundsätzlich Schüler*innen, deren Mutter und Vater in einem anderen Land geboren wurden, in welchem der Schüler/ die Schülerin den PISA-Test bearbeitet hat. „First generation immigrant students“ bezeichnet unterteilig die Gruppe, in denen sowohl Vater und Mutter als auch der Schüler/ die Schülerin selbst in einem fremden Land geboren wurde. Schüler, welche den Test in ihrem Geburtsland durchführten, deren Eltern aber in einem anderen Land geboren wurden, gelten als „second generation immigrant students“ (PISA 2019, S. 179).

Demgegenüber stehen die Angaben von Schüler*innen, die zu ihrem Status befragt wurden. 13% derjenigen, die selbst und deren Eltern in Deutschland geboren wurden, bezeichnen sich immer noch als Ausländer. Sie begründen diese Selbstbezeichnung unter anderem mit einem Gefühl von Fremdheit und Ausgrenzung (Dollase, Bielefeld, Koch 2020, S. 354, zitiert nach Moosblech 1999). Auch wenn dieses mit Sicherheit Gefühle sind, die auch andere Personengruppen erfahren und nicht zwingend mit Migration in Verbindung stehen, deuten sie doch wieder darauf hin, dass die Inklusion von Personen, die von der Mehrheit abweichen, noch vor vielen Herausforderungen steht.

Allen bestehenden Schwierigkeiten zum Trotz muss den Inklusionsbestrebungen jedoch auch zugutegehalten werden, sich seit den Anfängen der Einwanderung deutlich verbessert zu haben.

3 Entwicklung der Migration seit 1950: damalige und heutige pädagogische Ansätze zur Inklusion

Die Einwanderung in Deutschland begann um 1950 (Hummrich, Terstegen 2020, S. 7ff), als in der BRD und der damaligen DDR im Zuge großen wirtschaftlichen Aufschwungs mehr Arbeit aufkam, als die einheimische Bevölkerung bewältigen konnte. Im Westen wurde Personen aus dem Süden Europas und aus dem vorderen Asien als Gastarbeiter angeworben, im Osten wurden ab Mitte der 1960er Vertragsarbeiter aus den sozialistischen Bruderländern beschäftigt.

Wie schon die Bezeichnungen andeuten, bestand das Arbeitsverhältnis lediglich auf Zeit. Die Arbeiter wohnten außerdem in für sie hergerichteten Arbeiterheimen und holten selten ihre Familie nach. Familiengründungen gab es kaum. Dazu kam im Westen das Rotationsprinzip, wodurch die Arbeiter lediglich zwei bis drei Jahre in der BRD verbrachten. Alles in allem wurden seitens der Regierung kaum Integrationsbestrebungen unternommen. Nach und nach verließen die Arbeiter ihre Heime, gründeten Familien oder holten jene aus ihrem alten Heimatland zu sich. Im Zuge dessen entwickelten sich kulturell geprägte Stadtviertel, die ihre Struktur zum Teil bis heute gehalten haben.

Die Integrationsbestrebungen der frühen 60er im Westen lassen sich unter der Ausländerpädagogik zusammenfassen und beziehen sich in erster Linie auf die Gastarbeiterkinder, die im Zusammenhang des Familiennachzugs nach Deutschland migrierten (Hummrich, Terstegen 2020, S. 16f). Schwerpunkt dieser Ausländerpädagogik war es, die ,Defizite‘ der Kinder auszugleichen. Darunter fielen sowohl sprachliche Schwierigkeiten, die zugleich als mangelhafte Integrationsfähigkeit gewertet wurden, als auch kulturelle Defizite, die als Überbleibsel aus der vormodernen Gesellschaft des Heimatlandes gesehen wurden. Somit waren die Anfänge der Integration, wenn man sie denn so nennen möchte, eher eine starke Assimilation und ist von Segregation gekennzeichnet. So wurden die Kinder der Migranten zunächst nicht in den Regelklassen beschult, sondern in eigens eingerichteten Sonderklassen von den einheimischen Kindern separiert unterrichtet. Gedeckt wurde dieses Handeln unter dem Vorwand, keinen zu starken Leistungsdruck auf die Kinder ausüben zu wollen (Hummrich, Terstegen 2020, S. 18). Unbeachtet blieben hier die Kinder selbst, deren Leistung ungetestet schlicht nach ihrer Herkunft beurteilt wurde.

Die Ausländerpädagogik wich in den 90er Jahren einer Interkulturellen Pädagogik, die weniger die Defizite als vielmehr die Ressourcen der Migranten in Blick nahm (Hummrich, Terstegen 2020, S.19). Die KMK fasste 1996 Beschluss, die „Interkulturelle Bildung und Erziehung“ sei die gemeinsame Aufgabe aller Bildungseinrichtungen. Daraufhin „etablierte sich die Interkulturelle Pädagogik, die Differenzen bewusst wahrnimmt und Schüler*innen in ihren verschiedenen kulturellen Identitätsentwürfen anerkennt“ (Hummrich, Terstegen 2020, S. 19, zitiert nach KMK 1996).

Doch trotz dieses Beschlusses sind viele der Forderungen der KMK bis heute wenig oder nur teilweise umgesetzt. Dies spiegelt sich sowohl in den Lehrplänen wider als auch in den Beschulungsmaßnahmen im DaZ-Bereich (Hummrich, Terstegen 2020, S. 20). Migranten werden zunächst in DaZ- oder Willkommensklassen beschult, in welchen sie zunächst getrennt von den Kindern unterrichtet werden, von denen angenommen wird, sie seien mit der deutschen Bildungssprache vertraut (Hummrich, Terstegen 2020, S. 20).

Trotzdem zeichnet sich ein positiver Trend ab, der immer mehr auf die Integration, inzwischen aber auch deutlich auf die Inklusion abzielt.

Bevor nun moderne Ansätze zur Unterstützung migrierter Kinder und Jugendlicher genannt werden, seien im Folgenden die möglichen Ursachen für einen geringeren Schulerfolg genannt.

4 Ursachen von geringem Schulerfolg von Kindern mit Migrationshintergrund

Der Schüler

Sicherlich können die Kinder nicht für ihren eigenen schulischen (Miss)Erfolg verantwortlich gemacht werden. Dennoch gibt es Faktoren, die die Kinder persönlich betreffen und deshalb unter diesem Punkt gelistet sind, auch wenn die Betroffenen keinen Einfluss auf sie haben.

Auch wenn nicht alle Kinder mit Migrationshintergrund selbst migriert sind, so haben sie doch alle eine ähnliche Erfahrung gemacht. Ob im alten Heimatland oder in den eigenen vier Wänden in Deutschland: Kinder aus Migrantenfamilien wachsen in manchen, nicht allen Fällen, in einer anderen Kultur als der deutschen auf. Ohne stereotypisieren oder werten zu wollen, unterscheiden sich andere Kulturen mehr oder weniger von der deutschen und lassen so die Kinder in einem anderen Umfeld aufwachsen. So bildet sich die Basispersönlichkeit in der Familie, in einer Kultur, die aber unter Umständen auch nur die eigene Familie umgibt. Das bewegen außerhalb dieser Kultur, in der mehr oder weniger fremden deutschen Kultur, kann dann schwer werden (Diefenbach 2007, S. 96). Im schlimmsten Fall sind die aufeinandertreffenden Kulturen so gegensätzlich, dass sie kaum miteinander vereinbar sind. Durch Kontakte und das soziale Leben außerhalb der elterlichen Kultur kann es so zu einem Identitätskonflikt (Erikson 1998, S. 154) kommen. Betroffene möchten ihre ,Erstkultur‘ nicht aufgeben, fühlen sich jedoch auch in der fremden Kultur wohl oder sehen sich gezwungen, auch diese aus privaten oder beruflichen Gründen anzunehmen. . In ihnen entsteht der Konflikt, beide Kulturen wechselseitig je nach Umfeld ,zu benutzen‘ oder aber die verschiedenen Kulturen in einer Person zu vereinen. Dabei kann es zu dem Problem kommen, gegensätzliche Normen und Werte gleichzeitig zu vertreten oder eine Sicht- und Handlungsweise der anderen vorzuziehen.

Darüber hinaus kann es aber auch zu einer Identitätsdiffusion (Erikson 1998, S. 154) kommen. Dabei steht nicht das Vereinen zweier Kulturen in einer Person im Vordergrund, sondern die Anforderungen, die von zwei Seiten an die Betroffenen gestellt werden. Diese können so gegensätzlich sein, dass die Person sie nicht bewältigen kann und das Ich von der Identitätsbildung abgehalten wird. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn im Elternhaus eine zurückhaltende Persönlichkeit, in der Schule aber Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Kreativität gefragt sind.

Auch die Lebenserfahrungen, die Kinder mit Migrationshintergrund mitbringen, weichen oft von denen der Mehrheit ab. Dies hat Auswirkungen auf die kulturelle Identität (Glumpler 1992, S. 131f). Im positiven Fall kann die kulturelle Verschiedenheit zu Anerkennung und gemeinsamem kulturellen Lernen führen, im negativen jedoch auch zu Ausgrenzung und Fremdheitsgefühlen.

All diese Formen der Identitätsbildung beeinflussen die Persönlichkeit und somit auch das Selbstbewusstsein, aber in vielen Fällen auch das soziale Umfeld und die eigenen Lebensvorstellungen. Somit hat die eigene Identität einen großen Einfluss auf den schulischen Erfolg.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Phänomen des ,Stereotysae Thread‘ (Panesar 2020, S. 335 gzitiert nach Aronson 2002). Dabei verinnerlichen Kinder und Jugendliche, dass ihnen aufgrund ihrer Herkunft wenig zugetraut wird und trauen sich in infolge dessen selbst weniger zu. Junge Menschen erfahren schon in früher Kindheit, dass ,Ausländer‘ stereotypisch in wenig angesehenen Berufen tätig sind, dementsprechend weniger Geld zur Verfügung haben und somit sozial, kulturell und ökonomisch zur unteren Gesellschaftsschicht gehören. Auch wenn Kinder die Zusammenhänge, die Gründe und das Ausmaß dessen noch nicht erfassen können, so haben sie doch ein Gespür dafür, wer es gesellschaftlich ,geschafft hat‘ und wer nicht. Dadurch kann sich über die Jahre hinweg die bewusste oder unbewusste Einstellung entwickeln, als Migrant so oder so keine oder nur geringe Chancen zu haben und es gar nicht erst zu versuchen. Auch dieses führt zu einem geringen Selbstbewusstsein und zu einer falschen Selbstwahrnehmung, die für den schulischen Erfolg sehr hinderlich ist.

Das Elternhaus

Auch hier sei erwähnt, dass die Eltern in keiner Weise die ,Schuld‘ am Schulversagen ihrer Kinder trifft. Alle Eltern wollen das Beste für ihre Schützlinge, können es ihnen aber aufgrund verschiedener kultureller Differenzen und anderen Faktoren nicht immer bieten. Gleich zu Anfang muss gesagt werden, dass migrierte Eltern oft selbst hohe Bildungsaspirationen (z.B. Diefenbach 2007, S. 91f; Süssmuth 2009, S. 72) für ihre Kinder haben, oft höhere als Einheimische. Wie kann es dann sein, dass ihre Kinder trotzdem weniger erfolgreich in die Schule gehen?

Gerade bei Eltern, die das Schulsystem der arabischen Länder kennen kommt es häufig zu Missverständnissen. Dort ist die Schule klar vom Elternhaus getrennt, ein Einmischen der Erziehungsberechtigten ist unerwünscht. Im Gegensatz dazu steht das deutsche Schulsystem, in dem viele Lehrer auf die Rückmeldung der Eltern vertrauen und gemeinsam passende Unterrichtsstrukturen geschaffen werden, wenn es Schwierigkeiten gibt. Dazu kommt in vielen Fällen die Unwissenheit „das Wissen über den Aufbau des Bildungssystems, [...] Möglichkeiten der Einflussnahme, über die Bedeutung von Noten für die Übergangschancen oder auch über die Leistungsanforderungen unterschiedlicher Bildungswege“ (Kristen, Granato 2005, S. 27). Dieses Problem geht jedoch in den meisten Fällen auf mangelnde Sprachkenntnisse zurück, die die Kommunikation erschweren.

Schulerfolg ist fast immer durch eine gute Kooperation von Schülern, der Schule, bzw. den Lehrern und den Eltern geprägt. Bricht eine dieser Komponenten weg, wird der schulische Erfolg erschwert. Wenn sich die Eltern nun nicht an das System anpassen und bereitwillig und offen mit der Schule zusammenarbeiten, wirkt sich das häufig auf den Erfolg der Kinder aus (Karakasoglu-Aydin 2001, S. 291f). Dabei geht es nicht um reine Assimilation, sondern eher um kooperatives Arbeiten, das dem Kind eine aktive Teilnahme am Unterricht ermöglicht. Dies erfordert von den Eltern, insbesondere in solchen Kulturkreisen, in denen die Religion eine große Rolle spielt, ein besonderes Maß an Offenheit gegenüber der deutschen Kultur. In diesem Zusammenhang kann es auch zu einem Generationenkonflikt kommen, wenn beispielsweise die Kinder kulturelle Differenzen „gegen den Willen ihrer Eltern überwinden“ (müssen) (Diefenbach 2007, S.92).

Ist der Aufenthaltsstatus der Familie noch nicht geklärt, kann es dazu kommen, dass Familien auch weniger Mühe in die Bildung ihrer Kinder investieren. Sie sind dann der Überzeugung, die in Deutschland erworbene Bildung sei im alten Heimatland, in das sie unter Umständen zurückkehren, nichts wert.

In anderen Extremfällen haben Eltern „Angst vor einer Entfremdung ihrer Kinder“ durch die fremde Kultur und Weltsicht, die in der Schule vermittelt wird (Ceri 2008, S. 44). Aus diesem Grund halten sie unter anderem beharrlich an ihrer eigenen Kultur fest, was wiederum zu einem starken Spannungsverhältnis zwischen den Eltern, der Schule und den Kindern führt und in Identitätskonflikten seitens der Kinder münden kann.

In Bezug auf das Elternhaus greift in weiten Teilen der humankapitaltheoretische Ansatz (Ceri 2008, S. 49f). Dieser geht von der Annahme aus, dass es besonders in Migrantenfamilien an Humankapital mangelt, welches für einen Bildungserfolg im deutschen Schulsystem obligatorisch ist. Dass Familien mit Migrationshintergrund über weniger Geld, Zeit und Aufmerksamkeit verfügen, ist bisher jedoch nur teilweise bestätigt und hängt von vielen weiteren Faktoren ab. Tendenziell haben aber Kinder mit vielen Geschwisterkindern geringere Chancen auf einen (guten) Schulabschluss. Dies hängt an sich wenig mit der Herkunft zusammen, trifft jedoch häufig auf Familien mit Migrationshintergrund zu, in deren Kulturen kinderreiche Familien besonders angesehen sind.

Soziales Umfeld und Lernumgebung

Wie bei allen Kindern spielt auch das soziale Umfeld und die Lernumgebung eine bedeutende Rolle beim Schulerfolg. Ein erster Aspekt ist die Zusammensetzung der Schülerschaft. Die PISA-Studie 2000 hat gezeigt, dass die Leseleistung der Schüler*innen abnimmt, wenn der Anteil der Schüler*innen, deren familiäre Verkehrssprache nicht Deutsch ist, 20% übersteigt (Stanat 2003, S, 256). Gerade in Großstädten und Ballungsräumen kommt es dadurch zu einem doppelten Problem: Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien besuchen die Schule in ihrem Stadtviertel, wo sie jedoch in erster Linie auf ,Leidensgenossen‘ treffen, da das gesamte Viertel ähnliche soziökonomische und kulturelle Strukturen aufweist. Ohne Vorbilder aus bildungsnahen Schichten, ungeachtet des Migrationshintergrundes, fällt es ihnen schwer, selbst gute Leistungen zu erbringen. Dadurch kann es zum einen zu dem oben beschriebenen Leistungsabfall kommen. Zum anderen wird jedoch genau dort, wo es am nötigsten ist, ein gemeinsames inklusives Lernen nicht möglich (Dollase, Bielefeld, Koch 2020, S. 352).

Zu beobachten ist außerdem die erschreckende Praxis, dass Kinder mit Migrationshintergrund trotz gleicher Leistungen weniger häufig eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten (Panesar 2020, S. 335, zitiert nach Jennessen et al. 2013). Gegensätzlich oder vielleicht auch im Einklang dazu werden Kinder, von denen die Lehrkraft einen Gymnasialbesuch erwartet, umso häufiger aufgerufen (Penesar 2020, S. 335). So trägt diese Form der informellen institutionellen Diskriminierung dazu bei, die Segregation noch zu erhöhen. Migrantenkinder werden an die Haupt- oder Realschule verwiesen. Genau dort wird die Leistung der Schüler am wenigsten gefördert (Schallock 2016, S. 323). Erfolgreicher sind dagegen Schüler*innen, welche eine Gesamtschule besuchen (Diefenbach 2003, S. 77-95). Diefenbach konnte in einer langen Beobachtung von zehn Jahren (1990 bis 2000) feststellen, dass die Schüler*innen dort tendenziell einen besseren Schulabschluss absolvieren.

Zu den eher persönlichen Umgebungsfaktoren gehören die Wohnverhältnisse. Durch die kulturellen Unterschiede haben Kinder unter Umständen viele Geschwister, mit denen sie sich ein Zimmer teilen (Uysal 1998, S. 163) müssen, oder die sie betreuen müssen. In beiden Fällen fehlt der Raum und auch die Zeit, sich konzentriert mit der Schule zu beschäftigen. Dazu kommen in den oben erwähnten schwachen sozioökonomischen Stadtvierteln preisgünstige Bauweisen der Häuser mit etwa dünnen Wänden, welche Lärm durchlassen und so die Konzentration stören oder im Allgemeinen angespannte Nachbarschaftsverhältnisse.

Durch ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren, nicht zuletzt durch geringe finanzielle Mittel, sprachliche Schwierigkeiten aber auch Ausgrenzung, kommt es dazu, dass sich ein Minderheitenstatus durch „Marginalisierung und geringe Partizipationschancen“ (Auernheimer, Rosen 2017, S. 436) ergibt, welcher mehr oder weniger die Faktoren der Lehr- und Lernumgebung bündelt und zu geringem schulischen Erfolg beiträgt.

[...]

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Warum sind Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem benachteiligt?
Subtítulo
Schulpraktische Gegenmaßnahmen
Universidad
University of Paderborn
Calificación
1,0
Año
2020
Páginas
25
No. de catálogo
V1003463
ISBN (Ebook)
9783346381194
ISBN (Libro)
9783346381200
Idioma
Alemán
Palabras clave
Migration, Schule, Inklusion, schüler mit migrationshintergrung
Citar trabajo
Anónimo, 2020, Warum sind Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem benachteiligt?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1003463

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