E-Kreide, eine elektronische Tafel für die multimediale Lehre


Diploma Thesis, 2000

61 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


0. Inhaltsverzeichnis

2. EINFÜHRUNG
2.1. Kurzbeschreibung
2.2. Beteiligte Personen
2.3. Motivation

3. EXISTIERENDE PROJEKTE
3.1. Erweitertes Whiteboard (Uni Freiburg/Uni Mannheim)
3.1.1. Kurzbeschreibung
3.1.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide
3.2. Virtual Blackboard (Exodus S.A., Griechenland)
3.2.1. Kurzbeschreibung
3.2.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide
3.3. DIANA (HU Berlin/TU München)
3.3.1. Kurzbeschreibung
3.3.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide
3.4. ACIT (Uni Dortmund)
3.4.1. Kurzbeschreibung
3.4.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide
3.5. Resümee

4. ARCHITEKTUR

5. BENUTZERSCHNITTSTELLE
5.1. Benutzerschnittstelle für Vortragende
5.1.1. Einstellungen über Konfigurationsdatei
5.1.2. Beschränkungen für die Verwendung von Applets
5.1.3. Einrichten der WWW-Seiten
5.1.3.1. Offline-Betrachtung
5.1.3.2. Live- und zeitversetzte Betrachtung
5.2. Benutzerschnittstelle für Betrachter

6. ENTWURF UND IMPLEMENTIERUNG
6.1. Gemeinsame Klassen
6.2. Kommunikationsprotokoll
6.2.1. Kodierung von Ereignissen
6.3. Tafel
6.4. Server
6.5. Client
6.5.1. MASI
6.5.2. Behandlung von Ereignissen

7. AUSBLICK
7.1. Verbesserung der Implementierung
7.2. Anpassung an JDK 1.2
7.3. Erweiterungen

8. RESÜMEE

9. ANHANG
9.1. Abbildungsverzeichnis
9.2. Personen
9.3. Literaturverzeichnis, Links

1. Einführung

Was ist E-Kreide?

E-Kreide [8], englisch e-chalk, steht für eine e lektronische Kreide tafel, die zusammen mit Raúl Rojas [5], Lars Knipping [3] und Gerald Friedland [1] von mir [4] an der Freien Universität Berlin entwickelt wurde. Welchen Anteil die beteiligten Personen zum Projekt beigesteuert haben, wird in Kapitel 1.2. erläutert.

1.1. Kurzbeschreibung

E-Kreide ist ein Programm, das es ermöglicht, Vorträge, Vorlesungen, Tutorien, Schulunterricht o.ä. mit Maus und Tastatur zu halten, so dass sie auf dem an den Rechner angeschlossenen Monitor zu sehen sind. Dabei handelt es sich um die technischen Mindestanforderungen, die also ausgesprochen gering sind.

Allerdings ist ein Monitor (heutzutage üblicherweise 19 Zoll) zur Verwendung in einer Vorlesung zu klein. Deshalb bietet es sich hier an, einen Beamer oder einen Plasmabildschirm zu verwenden. Beamer sind in den meisten großen Vorlesungs- sälen vorhanden und bieten den Vorteil, das Tafelbild auf die benötigte Größe bringen zu können. Plasmabildschirme besitzen einen stärkeren Kontrast, sind leuchtstark und haben brillante Farben, der Hörsaal muss daher nicht abgedunkelt werden. Allerdings haben heutige Plasmabildschirme erst eine Diagonale von 120 cm, sie bieten sich deshalb nur für Vorlesungen in kleinen Räumen mit einer Kapazität von bis zu 40 Plätzen an.

Mit einer Maus ist es sehr schwierig, ein lesbares Tafelbild zu produzieren, deshalb ist es zu empfehlen, ein Grafiktablett mit elektronischem Stift zu verwenden. Aus Sicht des Programms verhält es sich wie eine Maus, aber man kann damit wie mit einem Kugelschreiber auf Papier schreiben und lesbare Texte erzeugen. Außerdem besteht bei einem kontaktsensitiven Plasmabildschirm die Möglichkeit, direkt auf den Bildschirm zu schreiben, so dass man eine Vorlesung mit E-Kreide auf einem Plasmabildschirm wie eine herkömmliche Vorlesung mit herkömmlicher Kreide auf einer herkömmlichen Tafel halten kann.

Die Vorlesungsdaten werden in einem vorher vom Benutzer (dem Vortragenden) spezifizierten Verzeichnis abgelegt. Wenn das Verzeichnis weblesbar ist oder später in ein weblesbares Verzeichnis kopiert wird, kann man sich dann über das World Wide Web die Vorlesung anschauen.

Wer dies tun will, braucht dafür einen Internet-Anschluss und einen javafähigen WWW-Browser. Auch hier sind die Anforderungen also denkbar gering. Der

Benutzer braucht nur die URL der Vorlesung in seinen Browser einzugeben und sieht dann eine zeitgetreue Wiedergabe des Tafelbildes. Er kann die Vorlesung live, zeitversetzt oder auch offline betrachten.

Unter live ist hierbei das direkte Betrachten einer Vorlesung, die gerade läuft, zu verstehen. Zeitversetzt ist ebenfalls das Betrachten einer Vorlesung, die gerade läuft, allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung. Dies bietet sich an, wenn man zu dem Zeitpunkt, an dem die Vorlesung begonnen hat, keine Zeit hatte, sie zu betrachten, sie aber von Anfang an verfolgen möchte. Offline ist das Betrachten einer Vorlesung, die zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden hat. Das Wort offline ist nicht so zu verstehen, dass man die Vorlesung ohne bestehende Internet-Verbindung, was im Sprachgebrauch ebenfalls oft als offline bezeichnet wird, betrachten kann.

Mit einer zusätzlichen Steuerkonsole kann der Betrachter außerdem die Wiedergabe der Vorlesung anhalten sowie vor- und zurückspulen. Um Vorlesungen betrachten zu können, muss er keine weitere Software installieren, es ist kein Plug-in erforderlich.

Da jedoch das Tafelbild ohne die gesprochenen Worte des Dozenten den Vorlesungsinhalt nicht vollständig darstellt und eine Betrachtung des Tafelbildes ohne Ton nicht lebendig genug wäre, sondern eher einschläfernd wirkt, kann man mit Hilfe von World Wide Radio (WWR) [14], das an der FU von Gerald Friedland zusammen mit Bernhard Frötschl [2] entwickelt wurde, den Ton der Vorlesung ebenfalls übertragen. Um zu gewährleisten, dass Tafelbild und Ton auch synchron zueinander verlaufen, wurde die Synchronisationsschnittstelle MASI [11] entwickelt, die in Kapitel 5.5.1. vorgestellt werden.

1.2. Beteiligte Personen

Raúl Rojas war Ideengeber und ist Leiter des Projekts. Lars Knipping hat mich bei auftretenden technischen, entwurfs- und implementierungsspezifischen Problemen beraten und unterstützt. Außerdem hat er die Integration von Applets in das Projekt ermöglicht und einen wesentlichen Anteil an der Einbindung von Mathematica [12]. Gerald Friedland hat MASI entworfen und damit ermöglicht, WWR in das Projekt einzubinden, womit die Audioübertragung realisiert wurde. Ich habe ein Aufzeichnungsprogramm, mit dem Vorträge gehalten und aufgezeichnet werden, ein Kommunikationsprotokoll zwischen Server und Client sowie ein Betrachtungsprogramm, mit dem aufgezeichnete Vorträge betrachtet werden können, entwickelt.

1.3. Motivation

Wozu ist E-Kreide gut?

E-Kreide wurde nicht in erster Linie als Teleteaching-Software entwickelt. Die direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht in einer klassischen Vorlesungssituation hat sich in der Lehre bewährt und kann durch keine noch so ausgeklügelte Teleteaching-Software ersetzt werden. So ist etwa das Stellen von Zwischenfragen beim zeitversetzten Betrachten der Vorlesung unpassend, bei der Offline-Betrachtung gar nicht möglich. Selbst bei Live-Betrachtung sind Zwischenfragen in den meisten Teleteaching-Projekten zwar möglich, laufen aber nicht so reibungslos ab wie die Zwischenfrage eines Zuhörers, der direkt im Hörsaal sitzt. Bei E-Kreide ist das Stellen von Zwischenfragen bisher nicht möglich, soll aber in der Zukunft möglich sein. Die Mimik und Gestik des Dozenten könnte nur bei sehr guter Videoübertragung übermittelt werden. Dies ist sehr schwierig, wenn auch Benutzern, die eine Internet-Verbindung über ein langsames Modem haben, ermöglicht werden soll, die Vorlesung zu betrachten. In E-Kreide gibt es bisher keine Videoübertragung, sie soll aber in Zukunft eingebaut werden. Dabei ist aber nicht an ein Video des Tafelbildes gedacht, da es entweder zu schlecht wäre, um das Geschriebene zu erkennen oder eine zu große Bandbreite erfordern würde. Stattdessen wird ein Video des Dozenten übertragen, um seine Mimik und Gestik zu erfassen und die Vorlesung persönlicher zu gestalten. Der Dozent seinerseits bekommt von den Zuhörern, die sich die Vorlesung über das Internet anhören, nur dann ein Feedback, wenn sie Zwischenfragen stellen, er kann nicht in ihre Gesichter schauen, die ausdrücken, ob sie der Vorlesung folgen können oder eventuell Verständnisprobleme haben.

So ist das Betrachten von Vorlesungen nur im Internet und nicht im Hörsaal vor allem dann sinnvoll, wenn die räumliche Distanz ein physisches Erscheinen bei der Vorlesung erschwert oder unmöglich macht, man krankheitsbedingt nicht außer Haus gehen kann oder aus zeitlichen Gründen der Vorlesung nicht beiwohnen kann oder möchte, etwa bei Überschneidungen mit anderen Veranstaltungen oder zu unbeliebten Terminen, etwa früh morgens oder spät abends. Auch wenn man für eine längere Zeit, etwa bei einem Krankenhaus- aufenthalt, Berufspraktikum oder einer Auslandstätigkeit nicht an den Vorle- sungen teilnehmen konnte, kann man sich das Versäumte schrittweise nachar- beiten und so noch in eine Vorlesung einsteigen, bei der man sonst den Anschluss verpasst hätte. Und Menschen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, eine Vorlesung zu besuchen, wird durch E-Kreide ein Studium überhaupt erst ermöglicht.

Die Betrachtung der Vorlesung im Internet zusätzlich zur Betrachtung im Hörsaal bietet die Möglichkeit der Nachbereitung der Vorlesung entweder in zeitlichem Zusammenhang zur Vorlesung oder auch lange Zeit später, etwa bei der Vorbereitung auf eine Klausur oder Prüfung.

Doch auch für die klassische Vorlesungssituation im Hörsaal bietet E-Kreide Vorteile gegenüber der Vorlesung mit realer Kreide. So brauchen die Zuhörer nicht mitzuschreiben, da sie wissen, dass sie hinterher die Vorlesung im Internet noch einmal nachvollziehen können. Sie haben so die Möglichkeit, sich ganz auf den Vortragenden zu konzentrieren. Dieser wiederum braucht sich nicht mit Folien, Power-Point-Präsentationen o.ä. vorzubereiten, sondern kann spontan das Tafelbild gestalten und dabei auch dynamisch auf Fragen und Bedürfnisse des Auditoriums eingehen. Dies wird auch als "Authoring-on-the-fly" bezeichnet.

Wer jedoch seine Vorlesungen gerne mit Folien, Grafiken oder Bildern vorbereitet, kann diese verwenden, sofern er sie in einem Standard-Bildformat (GIF oder JPG) im World Wide Web oder lokal auf dem für die Vorlesung benutzten Rechner ablegt. Diese kann er während der Vorlesung auf der Tafel anzeigen lassen und dynamisch durch Freihandzeichnungen oder Text ergänzen. Hierbei können nicht nur eigene Bilder, sondern durch Angabe einer URL beliebige Bilder aus dem World Wide Web angezeigt werden.

Neben Bildern können bei E-Kreide auch Applets in das Tafelbild integriert werden. Applets eignen sich sehr gut zum Demonstrieren schwieriger Sachver- halte mit Hilfe von kleinen Animationen. So können beispielsweise Algorithmen schrittweise ausgeführt, geometrische Konstruktionen durchgeführt oder biologische Vorgänge simuliert werden. Wie Bilder können Applets selbst vorbereitet sein oder - ggf. spontan, also ohne spezielle Vorbereitung vor der Vorlesung - durch Angabe einer URL von jeder beliebigen Seite aus dem World Wide Web genommen werden. Das Applet wird dann innerhalb des Tafelbildes ausgeführt und die beim Applet anfallenden Events werden aufgezeichnet, so dass sie beim Betrachter der Vorlesung im Internet abgespielt werden können. Allerdings gibt es für die Verwendung von Applets gewisse Einschränkungen, auf die in Kapitel 4.1.2 noch genauer eingegangen wird.

In E-Kreide besteht außerdem die Möglichkeit, Befehle für Mathematica einzugeben, deren Ergebnis dann auf der Tafel erscheint. Das Ergebnis kann entweder textuell (z.B. das Ergebnis einer Berechnung) oder eine Grafik sein (z.B. ein Funktionsgraph). Mathematica ist ein allgemeines Softwarepaket für mathematische Anwendungen, das algebraische, numerische und grafische Berechnungen ermöglicht. Dies ist in erster Linie für mathematische Vorlesungen sinnvoll, kann aber auch in anderen Bereichen sehr nützlich sein.

Beim Abspeichern im angegebenen Verzeichnis werden die an der Tafel angefallenen Ereignisse im gleichen Format gespeichert, in dem sie auch an den Client übertragen werden. Dazu wurde ein proprietäres Protokoll entwickelt. Bei den Ereignissen handelt es sich im wesentlichen um Linien (Freihandzeich- nungen), aber auch um über die Tastatur eingegebenen Text, Bilder, Applets sowie Verschiebungen des sichtbaren Bereichs.

Alles in allem ist E-Kreide ein sehr nützliches Werkzeug für die Lehre, dessen Einsatz sich nicht nur auf mathematisch-naturwissenschaftliche Gebiete

beschränkt, sondern aufgrund seiner Vielfalt und Allgemeinheit universell einsetzbar ist. Das gilt so auch für normale Kreide, die sich in der Lehre seit Jahrhunderten bewährt hat. Allerdings sind dort Integration von Applets und Betrachtung im World Wide Web nicht möglich.

2. Existierende Projekte

In diesem Kapitel wird eine Auswahl von bereits existierenden Projekten vorgestellt, die eine gewisse Ähnlichkeit mit E-Kreide haben. Dabei wird aufgezeigt, welche Nachteile sie für die Verwendung in der Lehre haben, die die Entwicklung von E-Kreide notwendig gemacht haben. Andererseits wird auch auf Vorteile der einzelnen Projekte gegenüber E-Kreide eingegangen.

2.1. Erweitertes Whiteboard (Uni Freiburg/Uni Mannheim)

2.1.1. Kurzbeschreibung

An der Universität Freiburg wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim ein erweitertes Whiteboard für Teleteaching und Authoring on the fly [9] entwickelt. Dabei wird Teleteaching mittels einer elektronischen Tafel realisiert. Das Ziel des Whiteboards ist es, gleichermaßen für das Halten von Vorlesungen am Rechner und für Teleteaching geeignet zu sein. Dabei bereitet der Dozent Folien als farbige Postscriptdateien vor und installiert evtl. benötigte Animationen und Simulationsprogramme auf dem Rechner, auf dem die Vorlesung gehalten werden soll. Die bei der Vorlesung anfallenden Audio-, Video- und Whiteboard-Aktions-Ströme werden aufgezeichnet, um hinterher zu einem multimedialen Dokument zusammengefasst werden zu können. Dieses kann dann mit Hilfe eines Receiver-Programms wiedergegeben werden (Replay). Dabei kann man vor- und zurückspulen sowie bestimmte Vorlesungsteile gezielt anspringen. Receiver-Programme wurden für die Plattformen IRIX (SGI), Solaris (Sun) und Linux (PC) entwickelt. Große Datenmengen (Bilder, Folien, Filme, Animationen o.ä.) werden dabei unter einer vorher angekündigten ftp-Adresse abgelegt und müssen von den Empfängern vor dem Replay abgeholt werden. Live-Übertragungen von Vorlesungen sind auch möglich. Dabei wird Mbone verwendet, um Vorlesungen aus Freiburg über Stuttgart nach Mannheim zu übertragen. Die Übertragung wird dabei durch das an der Universität Mannheim entwickelte Scalable Multicast Protokoll (smp) realisiert. Dabei ist es proble- matisch, wenn ein Empfänger in eine laufende Vorlesung verspätet einsteigt (late join). Da es sich um ein Multicast-Protokoll handelt, kann es im schlechtesten Fall sogar den gesamten Ablauf der Vorlesung blockieren.

2.1.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide

Die Idee, ein Tool sowohl für das Halten von Vorlesungen im Hörsaal als auch für Teleteaching zu entwickeln, haben das Whiteboard und E-Kreide gemeinsam. Ebenso verhält es sich mit dem Aufzeichnen von Audio-, Video- und Whiteboard- Aktions-Strömen sowie einem Replay, bei dem Spulen möglich ist. Allerdings ist Videoaufzeichnung bei E-Kreide bisher erst in Planung.

E-Kreide bietet aber sowohl dem Dozenten als auch den Studenten mehr Komfort in der Benutzung. So muss der Dozent nicht erst Animationen und Simulations- programme auf dem Vorlesungsrechner installieren. Das Vorbereiten von Folien ist auch nur dann erforderlich, wenn diese wie eine reale Folie auf einmal aufgelegt und nicht an der Tafel schrittweise entwickelt werden sollen. Auch in diesem Fall müssen die Folien nicht auf den Vorlesungsrechner gespielt werden, sondern können auch an einer WWW-Adresse abgelegt werden.

Während beim Whiteboard die Übertragung auch auf studenteneigene Rechner (über ISDN) nur eine Vision darstellt, ist das bei E-Kreide bereits Realität. Der Student muss das Receiver-Programm für das Whiteboard erst auf seinem Rechner installieren, bevor er eine Vorlesung betrachten kann, während für E- Kreide nur das Vorhandensein eines javafähigen WWW-Browsers gefordert wird. Ein weiterer Nachteil des Whiteboards ist seine Plattformabhängigkeit. Insbesondere ist die Zielgruppe durch das Fehlen eines Receiver-Programms für PCs unter Windows stark eingeschränkt. Während beim Whiteboard große Datenmengen über ftp vorher abgeholt werden müssen, sind bei E-Kreide die Datenmengen so klein gehalten, dass sie während der Vorlesung auch bei niedriger Bandbreite (etwa 28.8Kbps-Modem) übertragen werden können.

Die Möglichkeit der Live-Übertragung von Vorlesungen haben das Whiteboard und E-Kreide gemeinsam. Allerdings sind beim Whiteboard Mbone-Tools erforderlich, während bei E-Kreide aufgrund der geringen Datenmenge das Internet verwendet werden kann, wobei zwischen dem Serverrechner (z.B. der Rechner, auf dem die Vorlesung gehalten wird) und jedem Clientrechner eine unabhängige TCP/IP-Socket-Verbindung aufgebaut wird. Dadurch ist im Gegensatz zum Whiteboard der "late join" unproblematisch. Der verspätete Betrachter kann sich sogar aussuchen, ob er die Vorlesung von Beginn an zeitversetzt oder live betrachten will.

Alles in allem hat E-Kreide entscheidende Vorteile gegenüber dem Whiteboard. Lediglich für die Übertragung von Hörsaal zu Hörsaal bei Vorhandensein einer Datenleitung mit sehr hohem Datendurchsatz hat das Whiteboard Vorteile. So können Audio- und Videoströme durch die höhere Bandbreite in besserer Qualität übertragen werden. Allerdings ist es mit Hilfe von WWR möglich, die Datengröße des Audiostroms bei sehr geringem Qualitätsverlust deutlich zu

senken. Sollte dies für den Videostrom ebenfalls gelingen, wäre auch dieser Nachteil ausgemerzt.

2.2. Virtual Blackboard (Exodus S.A., Griechenland)

2.2.1. Kurzbeschreibung

Virtual Blackboard [13] ist ein Projekt, das von Exodus S.A. (Athen, Griechen- land) geleitet wird und an dem u.a. die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung beteiligt ist.

Ziel des Projektes ist es, eine Unterrichtsumgebung zu schaffen, die neue Technologien wie z.B. MPEG4 verwendet, um spezialisierte Vorlesungen zu ermöglichen. Dabei ist an Vorlesungen gedacht, bei denen Studenten sich an verschiedenen Universitäten befinden, mehrere Dozenten an verschiedenen Orten eine Vorlesung halten (z.B. wenn sich einer von ihnen an einer Ausgrabungsstätte befindet) oder die Anwesenheit der Studenten am Vorlesungsort nicht möglich ist (z.B. bei einer medizinischen Operation).

Virtual Blackboard ist konzipiert für Vorlesungsstoff, der einen hohen Anteil an Multimedia und die Manipulation von dreidimensionalen Objekten erfordert.

Der Vortragende kann dabei multimediale Objekte bereitstellen, so dass eine Vorlesung als Menge von Szenarien, die ihrerseits wieder eine Menge von Objekten darstellen, aufzufassen ist. Er kann entscheiden, wie die Betrachter mit den Objekten interagieren können und interaktiv seine Vorlesung auf diese Aktionen anpassen.

Die Studenten dagegen können die Objekte, die auf ihrem Bildschirm erscheinen, manipulieren (Drag and Drop, rotieren, verschieben etc.), das Livevideo, auf dem sie die Vorlesung sehen, anhalten, zurück- und wieder vorspulen sowie mit anderen Studenten kommunizieren.

Es ist auch möglich, dass zwei Vortragende an verschiedenen Orten eine Vorlesung halten. Dabei haben entweder beide gemeinsam die Kontrolle über das Vorlesungsszenario oder sie können sich die Kontrolle gegenseitig weitergeben.

Leider lässt sich aus der Projektbeschreibung des Virtual Blackboards nicht erkennen, für welche Plattformen es entwickelt wird oder ob, etwa durch Verwendung von Java, Plattformunabhängigkeit erreicht wird.

Abbildung 1 zeigt einen Screenshot eines Studenten, der eine Vorlesung verfolgt, die von zwei Vortragenden gehalten wird. Einer der Vortragenden befindet sich in einer archäologischen Forschungsstelle, der andere in einem Hörsaal.

Wenn der Student nun beispielsweise eine Frage zur dem Szenario angehörenden Amphore hat, kann er auf sie klicken oder sie mit Hilfe von Drag and Drop von der rechts angezeigten Webseite in die Mitte verschieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Screenshot eines Studenten bei Virtual Blackboard

2.2.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide

Im Gegensatz zu E-Kreide ist das Virtual Blackboard ein Werkzeug, das ausschließlich für Teleteaching konzipiert ist. Für die Übertragung des Tafelbildes steht ein Livevideo zur Verfügung, so dass es einer hohen Bandbreite für die Videoübertragung bedarf, um das Tafelbild erkennen zu können. Eine Verwen- dung für Studenten zu Hause am eigenen Rechner über eine langsame Internet- Verbindung (Modem oder ISDN) scheidet damit aus.

Während E-Kreide aufgrund seiner Allgemeinheit ein universelles Werkzeug für alle Vorlesungen ist, findet das Virtual Blackboard lediglich in sehr spezialisierten Fällen Anwendung, hat dort aber Vorteile gegenüber E-Kreide. So ist das Manipulieren, Verschieben und Rotieren von Objekten bei E-Kreide nicht vorgesehen, was in der allgemeinen Vorlesungssituation aber auch nicht unbedingt erforderlich ist. Um diese Funktionalität des Virtual Blackboard auszunutzen, erfordert das Vorbereiten auf Vorlesungen aber beim Virtual Blackboard auch einen großen Zeitaufwand. So muss im obigen Beispiel die Amphore vor der Vorlesung erst sorgfältig modelliert werden, während bei E- Kreide der Dozent sich spontan dazu entschließen kann, eine Amphore an die Tafel zu malen.

Eine Vorlesung, die von mehreren Dozenten an verschiedenen Orten gehalten wird, ist bei E-Kreide nicht möglich. Allerdings wird dies in den meisten Fällen auch nicht benötigt.

Alles in allem lässt sich sagen, dass E-Kreide und das Virtual Blackboard zu unterschiedliche Zielgruppen haben, um direkt Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Während das Virtual Blackboard für ganz spezielle Vorlesungs- situationen konzipiert ist und in diesen auch besser geeignet ist als E-Kreide, stellt E-Kreide in der allgemeinen Vorlesungssituation ein besseres Werkzeug dar.

2.3. DIANA (HU Berlin/TU München)

2.3.1. Kurzbeschreibung

DIANA [7] ist ein gemeinsames Projekt der Humboldt-Universität zu Berlin und der Technischen Universität München. Ziel von DIANA ist es, breitbandige Kommunikationsnetze zu nutzen, um räumliche Trennung in der Lehre durch multimediales Teleteaching und Distance-Learning zu überwinden. Dabei geht es vor allem um garantierte Bandbreitenbereitstellung, Ausfallsicherheit und Übertragungssicherheit.

Distance-Learning soll dabei nicht nur in ausgewählten Veranstaltungen verwendet werden, sondern regulärer Bestandteil des Lehrangebotes sein. Motiviert wurde dies an der HU Berlin durch die räumliche Trennung des Instituts für Informatik in Berlin-Adlershof und den übrigen Universitätseinrichtungen in Berlin-Mitte. Vorlesungen sollen dann von Adlershof nach Mitte, aber auch in die TU München übertragen werden.

Dazu wird zunächst ein Gigabit-Kommunikationsnetz aufgebaut. Dieses soll u.a. auch Videoübertragung in Fernsehqualität ermöglichen. Abbildung 2 zeigt die technische Ausstattung des Hörsaals in Berlin-Adlershof, die für Distance- Learning mit DIANA erforderlich ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Hörsaalausstattung Berlin-Adlershof

Es werden bei DIANA keine neuen Distance-Learning-Applikationen entwickelt, sondern existierende kommerzielle Applikationen an die neue Umgebung

angepasst und später so weiterentwickelt, dass sie das breitbandige Kommunika- tionsnetz auch ausnutzen. Im wesentlichen sollen Bild und Ton, aber auch rechnergestützte Animationen (z.B. Petrinetzsimulationen) zum Einsatz kommen. Die Bildübertragung schließt auch eine Tafelkamera mit ein, um das Tafelbild separat übertragen zu können. Bei am Rechner gehaltenen Vorlesungen ist auch an eine Übertragung des Computerbildes und an eine Übertragung einer Präsentation komplett im voraus gedacht, wobei während der Vorlesung dann nur noch Kontrollkommandos übertragen werden.

Nicht geplant ist ein asynchroner Lehrbetrieb, also das Betrachten von Vorlesungen zeitversetzt oder offline. Ebenso ist Home-Learning, also das Betrachten von Vorlesungen am eigenen Rechner über das Internet nicht vorgesehen. Die Möglichkeit der Benutzung von schmalbandigen Übertragungs- formen wie etwa ISDN und Übertragungen ohne Qualitätsgarantien, z.B. über das Internet, wird ebenfalls nicht berücksichtigt.

2.3.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide

Da im Projekt DIANA keine eigene Distance-Learning-Software entwickelt wird, es sich bei E-Kreide aber zumindest in einem Teilaspekt um eine solche handelt, lassen sie sich sehr schwer miteinander vergleichen. DIANA und E-Kreide verfolgen beide unterschiedliche Ansätze. Während bei DIANA aufwendige Technik vorgesehen ist, wie aus der Hörsaalausstattung in Berlin-Adlershof ersichtlich ist, um breitbandige Übertragungskanäle zu nutzen, kommt E-Kreide mit einer sehr geringen Bandbreite aus. Bei DIANA geht es ausschließlich darum, Vorlesungen synchron, also live, in einen anderen Hörsaal zu übertragen, dagegen ist E-Kreide auch für zeitversetzte und Offline-Übertragung von Vorlesungen über das Internet auf studenteneigene Rechner zu Hause verwendbar.

Kritisch am Projekt DIANA anzumerken ist, dass eine breitbandige Übertragung nicht unbedingt den großen Qualitätsvorteil bringt, der den betriebenen Aufwand rechtfertigen würde. Der Ansatz, erst ein sehr leistungsfähiges Netz zu bauen, um anschließend vorhandene Software so zu erweitern, dass sie die neu gewonnene Leistungsfähigkeit des Netzes auch ausnutzen, erscheint fragwürdig. Aufgrund der speziellen Netzwerktopologie sind die bei DIANA gewonnenen Erfahrungen auch schwer auf andere Universitäten übertragbar.

2.4. ACIT (Uni Dortmund)

2.4.1. Kurzbeschreibung

ACIT [6] steht für A nimation von C omputergrafik im I nterne t und wurde am Lehrstuhl für Graphische Systeme der Universität Dortmund entwickelt.

Es ermöglicht Studenten gemeinsam in einer über das World Wide Web verbreiteten Online-Lehrveranstaltung Applets zu benutzen. Die Applets sind mehrbenutzerfähig und können synchron und zentralgesteuert im Netz verteilt werden. Dabei bedienen Benutzer das Applet interaktiv. Dessen Aktionen werden über das Netz an einen Server geschickt und von diesem synchronisiert. Das Applet dient hierbei als Werkzeug, mit dem ein Lehrender mehreren Lernenden bestimmte Sachverhalte vermitteln kann. Dabei hat jeder ein Exemplar des Applets auf seinem Bildschirm.

Einsatzgebiet von ACIT ist die Computergrafik, allerdings lässt die Konzeption auch einen Einsatz in anderen Gebieten zu.

Abbildung 3 zeigt ein Beispiel für ein ACIT-Applet, das einen Algorithmus zur adaptiven Flächenapproximation darstellt. Im oberen Teil sind der Parameter- bereich der Fläche und das Ergebnis zu sehen, im unteren Teil kann sich der Benutzer schrittweise durch den Algorithmus arbeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Beispiel für ein ACIT-Applet

ACIT-Applets sind zunächst normale Applets, die auf Benutzereingaben reagieren, haben aber zusätzlich die Eigenschaft, dass jede Aktion des Benutzers an einen Server gesendet wird, der diese auswertet und ggf. an andere Applets Informationen sendet. Auf diese Art und Weise kann beispielsweise der Lehrende in seinem Applet Aktionen beim Lernenden ausführen. ACIT-Applets bieten sich aber auch für die Offline-Nutzung an. Dort entfällt dann einfach das Senden von Aktionen an den Server.

Um die Entwicklung von ACIT-Applets zu erleichtern, wurden die Kommunika- tionsmechanismen zwischen Server und Client in einer tieferen Softwareschicht programmiert. Anwendungsprogrammierern steht eine komfortable Schnittstelle mit wiederverwendbaren Ein- und Ausgabekomponenten zur Verfügung.

2.4.2. Kritik und Vergleich zu E-Kreide

Da ACIT in Java geschrieben ist, bietet es wie E-Kreide den Vorteil der Plattformunabhängigkeit. In beiden Fällen braucht der Benutzer keine zusätzliche Software zu installieren, sondern kommt mit einem javafähigen WWW-Browser aus.

Bei ACIT ist es möglich, dass der Benutzer mit seinen Eingaben Einfluss auf das Verhalten des Applets nehmen kann. In E-Kreide ist dies prinzipiell zwar denkbar, dass man in die Tafel integrierte Applets als Benutzer verändern kann. Allerdings kann es zu Problemen führen, wenn sowohl der Vortragende als auch der Lernende Aktionen am Applet ausführen, weshalb bei E-Kreide entschieden wurde, Aktionen des Benutzers nicht zuzulassen. Dafür können bei E-Kreide auch beliebige Applets verwendet werden und nicht nur spezielle auf die Kommuni- kation zwischen Lehrendem und Lernendem vorbereitete Applets. Genau darin liegt der größte Nachteil von ACIT. Die Verwendung ist entweder auf Computer- grafik beschränkt, oder man muss Applets für die Lehre als Vortragender selber programmieren, was als Vorbereitung auf eine Vorlesung zu aufwendig ist. Sofern jedoch ein ACIT-Applet zu dem Thema vorhanden ist, über das man vortragen möchte, ist die Verwendung von ACIT für sinnvoll.

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Details

Title
E-Kreide, eine elektronische Tafel für die multimediale Lehre
College
Free University of Berlin  (Institut für Informatik)
Grade
1,3
Author
Year
2000
Pages
61
Catalog Number
V1005
ISBN (eBook)
9783638106207
File size
1059 KB
Language
German
Keywords
E-Kreide, Fernunterricht, Präsenzunterricht, Java, Tafel, Video, Audio, Internet-Learning, E-Learning
Quote paper
Wolf-Ulrich Raffel (Author), 2000, E-Kreide, eine elektronische Tafel für die multimediale Lehre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1005

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