Ist Nicaragua eine defekte Demokratie?


Dossier / Travail de Séminaire, 2018

29 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die defekte Demokratie nach Wolfgang Merkel
2.1 Defekt im Wahlregime und im Teilregime der politischen Teilhaberechte: Die exklusive Demokratie
2.2 Defekt in den bürgerlichen Freiheitsrechten: Die illiberale Demokratie
2.3 Defekt in der horizontalen Gewaltenkontrolle: Die delegative Demokratie
2.4 Defekt im Teilregime der effektiven Regierungsgewalt: die Enklavendemokratie

3. Die historische Entwicklung der Demokratie in Nicaragua

4. Nicaragua: Eine defekte Demokratie?
4.1 Elemente der exklusiven Demokratie in Nicaragua
4.2 Elemente der illiberalen Demokratie in Nicaragua
4.3 Elemente der delegativen Demokratie in Nicaragua
4.4 Elemente der Enklavendemokratie in Nicaragua

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nicaraguas jüngste Geschichte ist von Revolutionen und Konterrevolutionen geprägt. Nach dem Umsturz der Somoza-Diktatur 1979 übernahm die Guerillagruppe und spätere Partei FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional) die Macht im Land. Trotz des anhaltenden Bürgerkrieges während der sandinistischen Revolution von 1979-1990, kam es zu einem stätigen Demokratieprozess, der bis 2000 anhielt (vgl. Reiber 2009: 271-283).

Im November 2016 wurde Daniel Ortega zum dritten Mal in Folge als Präsident von Nicaragua, mit rund 72,5% der Stimmen, bestätigt (vgl. Herrmann 2016). Schon von 1979 bis 1990 regierte er das zweitärmste Land Mittelamerikas als Revolutionsführer (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung). Die politische Lage im Land scheint deshalb auf den ersten Blick stabil zu sein. Doch Oppositionspolitiker Luis Callejas, dessen Partei durch fragwürdige Mittel vom Obersten Wahlrat vor der Wahl verboten wurde, äußerte sich zur Widerwahl Ortegas wie folgt: „Das war keine freie und transparente Wahl. […] Wir fordern die Wiederholung mit Transparenz, fairem Wettbewerb und unter unparteiischer internationaler Beobachtung“ (Zeit Online 2016) . Zudem hat der Präsident mit dem Antritt seiner dritten Amtszeit seine Ehefrau als Vizepräsidentin installiert. Schon im Vorfeld hatten sowohl sie als auch sieben seiner Kinder wichtige politische und wirtschaftliche Posten im Land inne (vgl. Böhler 2016; vgl. Marx 2016). In der Verfassung wird den Wahlen mit dem Obersten Wahlrat als vierte kontrollierende Gewalt jedoch eine große Bedeutung beigemessen. Dieser soll Wahlen beobachten, vorbereiten und umsetzen (vgl. Constitutión Política de la República de Nicaragua Art. 173). Allerdings wurde ihm vorgeworfen nicht unabhängig von der Exekutive zu handeln (vgl. Consorcio de Panorama Electoral 2017)

Fraglich ist deshalb, mit welchen Mitteln der Präsident Nicaraguas seine dritte Amtszeit in Folge erreichen konnte und inwieweit die Gewaltenteilung im Land umgesetzt wird. Gibt es der Verfassung zufolge überhaupt noch eine klare Trennung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative?

Deshalb stellt sich die Frage ob Nicaragua als eine defekte Demokratie oder bereits als autoritäres System bezeichnet werden kann. Im Folgenden soll der theoretische Rahmen anhand des analytischen Konzepts der „defekten Demokratie“ nach Wolfgang Merkel gesetzt werden. Daraufhin wird die historische Entwicklung Nicaraguas hin zur Demokratie betrachtet, um abschließend Merkels Konzept der „eingebetteten Demokratie“ auf Nicaragua anzuwenden.

Als grundlegende theoretische Literatur werden mehrere Werke Wolfgang Merkels verwendet. Für die spätere Analyse wird die Verfassung Nicaraguas von 2016 sowie aktuelle Daten des Freedom House Index und weitere einschlägige Literatur über das Rechtssystem und dessen Umsetzung verwendet.

2. Die defekte Demokratie nach Wolfgang Merkel

Im Folgenden werden die Teilregime der defekten Demokratie erläutert, um anschließend abzugrenzen, wann die Grenze zum autoritären System überschritten wird.

Wolfgang Merkel differenziert sein Demokratieverständnis in folgende fünf Teilregime. Das demokratische Wahlregime, das Regime politischer Partizipationsrechte, das Regime bürgerlicher Freiheitsrechte, die institutionelle Sicherung der Gewaltenkontrolle und das Teilregime der effektiven Regierungsgewalt (vgl. Merkel 2004a: 7).

Durch die Differenzierung Merkels in Teilregime, können Demokratiedefekte schneller ausfindig gemacht werden (vgl. ebd.: 9). Unter einem Defekt in einem Teilregime wird die Veränderung der Gesamtlogik der rechtsstaatlichen Demokratie verstanden (vgl. Merkel 2016: 468). Merkel et.al. definieren defekte Demokratien deshalb als „Herrschaftssysteme, die sich durch das Vorhandensein eines weitgehend funktionierenden demokratischen Wahlregimes zur Regelung des Herrschaftszugangs auszeichnen, aber durch Störungen in der Funktionslogik eines oder mehrerer der übrigen Teilregime die komplementären Stützen verlieren, die in einer funktionierenden Demokratie zur Sicherung von Freiheit, Gleichheit und Kontrolle unabdingbar sind“ (Merkel et.al. 2003: 66). Ergänzend ist zu beachten, dass auch defekte Demokratien einen "Kernbereich demokratischer Regelsysteme aufweisen müssen“. Dieser liegt vor, wenn es einen Wettbewerb um die zentralen Herrschaftspositionen gibt (Merkel et.al. 2003: 66f).

Merkel unterscheidet in vier Subtypen defekter Demokratien und benennt diese als exklusive Demokratie, illiberale Demokratie, delegative Demokratie und Enklavendemokratie (vgl. Merkel et.al. 2003: 69).

2.1 Defekt im Wahlregime und im Teilregime der politischen Teilhaberechte: Die exklusive Demokratie

Die exklusive Demokratie liegt vor, wenn das Wahlregime und das Teilregime der politischen Teilhaberechte beschädigt sind. Die Dimension der vertikalen Legitimations- und Kontrollfunktion ist nicht voll funktionsfähig und die Souveränität der Individuen kann nicht mehr durch universelle Wahlrechte und deren Ausführung garantiert werden. Teile der wahlberechtigten Bevölkerung können dabei vom universellen Wahlrecht und Zivilrechten ausgeschlossen werden (vgl. Merkel 2004b: 49; vgl. Merkel et.al.2003: 69).

Das Wahlregime ist somit beschädigt, wenn de jure die Staatsbürger vom Wahlrecht willkürlich oder anhand askriptiver Merkmale ausgeschlossen werden oder Nicht-Staatsbürgern unzumutbare Hürden für den Erwerb der Staatsbürgerschaft auferlegt werden. Auch die Einwirkung physischer Gewalt als gezielte Unterdrückung gegen stimmberechtigte Bürger oder die Einwirkung struktureller Gewalt zum Ausschluss von Minderheiten tragen zu einem Defekt im aktiven und passiven Wahlrecht bei (vgl. Merkel et.al. 2003: 80).

Freie und faire Wahlen sind Merkel zufolge dann beeinträchtigt, wenn im offenen Wahlprozess demokratische Parteien und Kandidaten verboten werden oder die Chancengleichheit der Parteien und Kandidaten, etwa durch Beschneidung des Medienzugangs, nicht gegeben ist. Im korrekten Wahlablauf kommt es zudem zu Defekten, wenn es zu Manipulationen im Wahlablauf kommt oder die Wahlbehörde nicht als neutral einzuordnen ist (vgl. ebd.: 80). Das Teilregime ist außerdem beschädigt, wenn es keine mehrheitsrelevante Anzahl ernannter Mandatsträger gibt, die ernannte Autorität keine demokratische Legitimation besitzt oder die Bündelung von Ernennungskompetenzen in der Hand einer Autorität liegen (vgl. ebd.: 80).

Die Grenze zwischen der defekten Demokratie und einem autoritären System ist im universellen Wahlrecht überschritten, wenn „der formale Ausschluss vom demos nicht nach Maßgabe von personenunabhängigen und überparteilich gesetzten Kriterien erfolgt, sondern der willkürlichen Entscheidung politischer Autoritäten unterliegt und den machtpolitischen Kalkülen der Herrschenden folgt“ (ebd.: 79). Für die freien und fairen Wahlen legt Merkel zudem fest, dass Autokratie vorherrscht, wenn Wahlen manipuliert werden, um Herrschaft zu sichern oder zu erlangen. Die Schwelle zwischen Autokratie und Demokratie bei gewählten Mandatsträgern liegt „[…] dort, wo eine mehrheits- oder herrschaftsrelevante Anzahl von Mandatsträgern sich nicht auf eine demokratische Legitimation berufen kann“ (ebd.).

Das Teilregime der politischen Teilhaberechte kann Defekte in der Assoziations- und der Meinungs- und Pressefreiheit aufweisen. In der Assoziationsfreiheit liegen diese im Verbot demokratischer Parteien, der gezielten Behinderung der Operationsfähigkeit demokratischer Parteien, dem Verbot verfassungskonformer Organisationen, der gezielten Repression von Interessengruppen sowie der substantiellen Beschneidung der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit per Gesetz und deren dauerhafte Aushöhlung durch Zwangsmaßnahmen. Die Grenze zur Autokratie ist jedoch überschritten, wenn Parteienverbote oder -behinderungen zur Monopolisierung des Parteienspektrums führen (vgl. ebd.: 82f.).

Die Meinungs- und Pressefreiheit ist beschädigt, wenn ein Verbot von Organen mit demokratischen Grundsätzen jenseits der grundrechtlichen Bestimmungen vorliegt, es zu einer Monopolisierung des Informationsflusses durch wirtschaftliche Abhängigkeit von Staat und Regierung kommt oder Organe und Personen selektiven Repressionen wie Zensur, Erpressung oder physischer Gewalt unterliegen. Die Teilnahme am politischen Prozess wäre damit eingeschränkt. Die Grenze von der Demokratie zur Autokratie in der Meinungs- und Pressefreiheit wird überschritten, wenn die Machthaber die Öffentlichkeit monopolisieren (vgl. ebd.: 84)

2.2 Defekt in den bürgerlichen Freiheitsrechten: Die illiberale Demokratie

Eine Demokratie ist illiberal, wenn das Teilregime der bürgerlichen Freiheitsrechte beschädigt und der Rechtsstaat somit defekt ist. Bürgerliche Freiheits- und Schutzrechte des Individuums von Leben, Freiheit und Eigentum schützen den Einzelnen vor Terror, Folter oder Mord (vgl. Grimm 1991: 160ff.). Werden diese Rechte verletzt, ist der Kern des liberalen Selbstverständnisses betroffen. Merkel zufolge liegt eine illiberale Demokratie deshalb dann vor, „wenn frei, allgemein und fair gewählte Regierungen Grund-, Menschen- und liberale Freiheits- und Bürgerrechte verletzen und in diesem Sinne den Rechtsstaat nicht respektieren oder ihn nicht durchsetzen.“ (Merkel 2003: 70).

Die bürgerlichen Freiheitsrechte weisen einen Defekt auf, wenn es zu einer allgemeinen Einschränkung der Grundrechte auf Leben, Freiheit und Eigentum kommt, Teile der Bevölkerung diskriminiert werden, die Grundrechte durch staatliche Akteure verletzt werden oder es zu einer Häufung von Übergriffen durch private Akteure im individuellen Schutzrecht kommt. Im Justizrecht ist das Teilregime beschädigt, wenn es im Zugang der Gerichtbarkeit zu einer rechtlichen Begrenzung oder zu einer Verwehrung für signifikante Bevölkerungsgruppen kommt. Zudem ist die Ungleichbehandlung signifikanter Bevölkerungsgruppen aufgrund ihres sozialen Status vor Gericht ein ausschlaggebender Faktor (vgl. Merkel et.al. 2003: 87). Kommt es zu systematischen oder dauerhaften Verletzungen der Rechte, so ist die Grenze zur autokratischen Herrschaft überschritten (vgl. ebd.: 87).

2.3 Defekt in der horizontalen Gewaltenkontrolle: Die delegative Demokratie

Eine delegative Demokratie liegt vor, wenn ein Defekt in der horizontalen Gewaltenkontrolle nachzuweisen ist. Die Legislative und Judikative haben unterdessen nur noch beschränkte Kontrolle über die Exekutive. Dieses Phänomen stellt sich als Problem heraus, da ohne ein „funktionierendes System von checks und balances demokratische Regime ihre Balance verlieren, die Exekutive sich verselbstständigt, die Demokratie ausgehöhlt, korrupt oder anfällig wird für plebiszitäre oder gar autoritäre Regierungsstile“ (Merkel et.al. 2003: 88). Das Prinzip der horizontalen Gewaltenkontrolle bedeutet dabei jedoch nicht, dass die Gewalten strikt voneinander getrennt sind, sondern vielmehr, dass die Gewalten nicht in die Funktionsbereiche der anderen eingreifen können (vgl. Ackermann 2000). Wird von einem Defekt in der horizontalen Gewaltenkontrolle gesprochen, umgehen Regierungen das Parlament, wirken auf die Justiz ein, beschädigen das Prinzip der Legalität, höhlen die Gewaltenkontrolle aus und verschieben die Machtbalance einseitig hin zur Exekutive (vgl. Merkel 2016: 472). Die Regierung ist dabei meist von einem charismatischen Präsidenten geprägt (vgl. Merkel 2004b: 50).

Die Gewaltenkontrolle ist demnach defekt, wenn die Exekutive durch das Parlament oder die Gerichtsbarkeit nur mangelhaft kontrolliert wird oder eine mangelnde Eigenständigkeit der Gerichtsbarkeit vorliegt (vgl. O'Donnell 1997: 117). Merkel et.al. (2003: 89) merkt dazu an, dass die Exekutive zu einem obersten Gesetzgeber wird, je häufiger und umfangreicher ein Staatspräsident sein Legislativrecht zur Setzung unmittelbar geltenden Rechts nutzt. Die Legislative wird dabei zum „Ersatzinitiator“, welcher nur noch dann aktiv wird, wenn es die Exekutive nicht ist. Im Bereich der Judikative sind Richter dann nicht mehr unabhängig, wenn sie von Dritten zu politischen Zwecken beeinflusst werden oder sie in der Verfahrensausübung eine Partei bevorzugen. Zudem gilt Korruption als „generalisierte informelle Regel des politischen Spiels“, da der transparente demokratische Prozess nicht mehr gegeben ist (vgl. ebd.: 89ff.).

Die Grenze zum Autoritarismus ist allerdings überschritten, sobald eine der Gewalten die anderen ausschaltet oder sich dauerhaft deren Kompetenzen aneignet (vgl. Merkel et.al. 2003: 91).

2.4 Defekt im Teilregime der effektiven Regierungsgewalt: die Enklavendemokratie

Die Enklavendemokratie ist dann gegeben, wenn das Teilregime der effektiven Regierungsgewalt beschädigt ist (vgl. Merkel et.al.2003: 69). Dies ist der Fall, wenn Vetomächte, wie Militärs, Machtcliquen, Mullahs oder mafiöse Organisationen, demokratisch gewählten Repräsentanten den Zugang zu politischen Bereichen verweigern. So entsteht ein „eigenes Syndrom verzerrter Machtbildung, Machtausübung und Machtkontrolle“ (vgl. ebd.: 71; vgl. Merkel 2016: 471). Die Bildung solcher nicht-demokratischer Herrschaftsenklaven kann auf außerkonstitutionellem Wege erfolgen, wie etwa durch militärische Gewaltandrohung oder verfassungskonform, indem dem Militär in der Verfassung Einflussbereiche zugeschrieben werden. (vgl. Merkel et.al. 2003: 71) Die effektive Regierungsgewalt ist somit beschädigt, wenn institutionalisierte Vetopositionen zum Schutz politischer Vorrechte vorliegen. Defekte im Interaktionsmodus zwischen Streitkräften und ziviler Polizei sind die indirekte Intervention durch Erpressung, Nicht-Kooperation, Befehlsverweigerung oder Drohung mit Ungehorsam sowie die direkte Intervention durch Obstruktion, politische Partizipation, Putsch und durch den Versuch, eine Regierung auszutauschen (vgl. ebd.: 95).

Sobald gewählte Regierungen jedoch nicht mehr über hinreichend ausgeprägte Kompetenzen verfügen, kann nicht mehr von einem Defekt in der Demokratie, sondern muss von einem autoritären System gesprochen werden. (vgl. ebd.: 94).

3. Die historische Entwicklung der Demokratie in Nicaragua

Zum Ende der Somoza-Diktatur, welche von 1936-1979 Bestand hatte, wurde die politische Legitimität des Regimes von der Kirche, ökonomischen Eliten, Arbeitern, der Mittelklasse, Studenten, der indigenen Bevölkerung und den Bauern nicht weiter akzeptiert (vgl. Staten 2010: 63). Korruption und politische Repression hatten die Amtszeit der Somoza-Familie geprägt und im Land herrschten große ökonomische und politische Missstände. Die Lebensverhältnisse der ärmeren Nicaraguaner und der Mittelschicht verschlechterten sich zu diesem Zeitpunkt trotz wirtschaftlichem Aufschwung aufgrund der Ölkrise und fehlenden Lohnerhöhungen in den 70er Jahren immer weiter (vgl. Reiber 2009:271). Zudem missbrauchte die Somoza-Regierung ihre Macht zu eigenen wirtschaftlichen Vorteilen, was zum Verlust des innen- und außenpolitischen Rückhalts führte (vgl. Schobel u. Elsemann 2008: 419). Formal hielt die diktatorische Regierung während ihrer Amtszeit zwar an der Verfassung von 1911 fest und es fanden Wahlen statt, zu welchen auch die Opposition zugelassen wurde, die Verfassungswirklichkeit sah jedoch anders aus. Die gesetzlich verankerten Rechte der Bevölkerung wurden missachtet und die bis dato verankerte Familiendynastie weiter ausgebaut (vgl. Walker 2003: 139f.)

Der revolutionäre Aufstand von einem Zusammenschluss mehrerer Guerillagruppen 1979 führte zum Umsturz der Somoza-Diktatur und zum Sieg der linksgerichteten Sandinistischen Befreiungsfront FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional) (vgl. Parsa 2004: 3). Der Einmarsch der FSLN am 19. Juli 1979 in Managua läutete zum Bedauern der USA das Ende der Somoza-Diktatur ein (vgl. Schobel u. Elsemann 2008: 420). Die Junta de Gobierno de Reconstrucción Nacional bestimmte das Estatuto Fundamental (Grundgesetz) zum geltenden Recht und setzte somit die somozistische Verfassung und alle somozistischen Institutionen außer Kraft. Die Bürgerrechte, die Rechtsgleichheit, Religions- und Gewissensfreiheit sowie die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit erhielten ihr eigenes Kapitel im Grundgesetz. Zudem wurde das Prinzip der Gewaltenteilung verankert und Junta, Staatsrat und die Gerichtshöfe stellten die oberste Gewalt dar. Da das Grundgesetz als ein einfaches Gesetz konzipiert wurde und keinen Verfassungsrang erlangen konnte, konnte es von der Junta abgeändert werden. Diese ergänzten 1979 dieses durch das Estatu sobre Derechos y Garantías de los Nicaragüenses (Übersetzt: Statut über die Rechte und Sicherheiten der Nicaraguaner). Dieses garantierte der Bevölkerung direkte Beteiligung an Entscheidungen, die klassischen Bürger- und Menschenrechte, eine Ausweitung des Asylrechts sowie das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch die sozialen Grundrechte, wie das Recht auf Arbeit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und der Urlaubsanspruch, wurden gestärkt. Das Grundgesetz und seine Erweiterung bildeten bis zum Inkrafttreten der neuen Landesverfassung von 1987 die verfassungsrechtliche Grundlage der nicaraguanischen Gesellschaft (vgl. Fuchs 1988: 695f.). Die neue formaldemokratische Verfassung nach lateinamerikanischem Muster wurde am 19. November 1986 verabschiedet und trat am 09. Januar 1987 in Kraft. Diese wurde nicht nur von der sandinistischen Partei ausgearbeitet, beteiligt waren auch oppositionelle Parteien und die Zivilgesellschaft. In der Verfassung waren unter anderem die Unabhängigkeit und Souveränität des Landes (Artikel 1), das Demokratieprinzip nach partizipativen und repräsentativen Muster sowie allgemeine, gleiche, direkte, freie und geheime Wahlen zur Wahl der Volksvertreter (Artikel 2) und die Erweiterung der klassischen Gewaltenkontrolle durch die elektorale Gewalt, dem Wahlrat (Artikel 7), verankert. Die Verfassung sah zudem einen mächtigen Präsidenten vor (vgl. Schobel u. Elsemann 2008: 423).

[...]

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Ist Nicaragua eine defekte Demokratie?
Université
University of Bonn
Note
1,3
Auteur
Année
2018
Pages
29
N° de catalogue
V1012783
ISBN (ebook)
9783346407269
ISBN (Livre)
9783346407276
Langue
allemand
Mots clés
Nicaragua, defekte Demokratie, Fallstudie, Internationale Politik
Citation du texte
Ann-Kathrin Falke (Auteur), 2018, Ist Nicaragua eine defekte Demokratie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1012783

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