Einflüsse der professionell Pflegenden an deutschen Krankenhäusern. Rechtliche, moralische und ethische Aspekte


Thèse de Bachelor, 2020

159 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung/ Summary

Abkürzungsverzeichnis

Hinweis zur gendergerechten Sprache

Streik im Gesundheitswesen

1 Theoretischer Teil
1.1 Begriffsbestimmung
1.1.1 Professionell Pflegende
1.1.2 Streik
1.1.3 Moral
1.1.4 Gewerkschaft
1.2 Rechtliche Aspekte in Bezug auf Streik in der Pflege
1.3 Moralische Aspekte beim Streik in der Pflege
1.4 Verantwortlichkeiten der Arbeitsbedingungen der Krankenpflege im klinischen Setting
1.5 Gewerkschaften im Berufsfeld der Krankenpflege
1.6 Literaturrecherche zum Forschungsstand
1.6.1 Suchstrategie
1.6.2 Gründe für einen Pflegestreik
1.6.3 Erfahrungen und Einstellungen in Bezug auf Pflegestreiks
1.6.4 Auswirkungen von Streik
1.6.5 Resümee und Limitationen der Literaturrecherche
1.7 Die Forschungsfrage

2 Methodik
2.1 Ethische Aspekte
2.2 Samplingverfahren und der Zugang zum Feld
2.3 Die Stichprobe
2.4 Erhebungsinstrument: strukturiertes Leitfadeninterview
2.4.1 Gestaltung des Interviewleitfadens
2.4.2 Analyse der Entstehungssituation
2.5 Auswertungsverfahren
2.5.1 Transkription
2.5.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
3 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
3.1 Soziodemographische Daten aus dem Vorabfragebogen
3.2 Entscheidung für die Pflege
3.3 Bedeutung des Berufes
3.4 Einstellung zu Streik
3.5 Pflegerische Versorgung der Patienten
3.6 Arbeitskollegen
3.7 Notdienstvereinbarung
3.8 Verantwortung und Veränderung
3.9 Einfluss aller Pflegenden
3.10 Einstellung zur Gewerkschaft
3.11 Bewertung der Streikergebnisse 2018 am Klinikum Augsburg
3.12 Bedingungen zur Teilnahme an einem Streik
3.13 Persönliche Anliegen der Befragten

4 Diskussion und Limitationen
4.1 Diskussion
4.1.1 Soziodemographische Merkmale
4.1.2 Weg zum Beruf und seine Bedeutung
4.1.3 Einstellung zu Streik
4.1.4 Moralische Aspekte
4.1.5 Verantwortung, Veränderung und Einfluss
4.1.6 Gewerkschaft
4.2 Limitationen

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Zusammenfassung

Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist, verschiedene Aspekte, die sich auf die Streikbeteiligung auswirken können, zu identifizieren. Dazu wird folgende For­schungsfrage gestellt: Welche Aspekte nehmen Einfluss auf die Streikbeteili­gung professionell Pflegender an deutschen Krankenhäusern?

Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde ein strukturiertes Leitfaden­interview mit fünf Krankenpflegern geführt. Diese Interviews wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Die Ergeb­nisse sind erste Annahmen, die durch weitere Forschung bestätigt oder ver­worfen werden müssen.

Negativ beeinflusst wird die Beteiligung an einem Streik durch:

- Den Umstand, dass in einem Krankenhaus immer eine Notfallversorgung gegeben sein muss.
- Der Gedanke über einen baldigen Ausstieg aus dem Beruf.
- Eine eher tradierte Ansicht des Berufs.
- Eine Gewerkschaft, die sich nicht kämpferisch zeigt und zu geringe Forde­rungen stellt.
- Ein Team, dass gegen Streik ist.
- Die Annahme, dass ein Streik keinen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen hat.

Positiv wird die Streikbeteiligung beeinflusst durch:

- Die eigene Ansicht auf den Beruf der Pflege als modern und professionell.
- Die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft.
- Ein Team, dass den Streik unterstützt.

Keinen Einfluss auf die Streikbeteiligung nehmen:

- Moralische Bedenken im Hinblick auf die Versorgung der Patienten (insbe­sondere, wenn die Notdienstvereinbarung der Gewerkschaft bekannt ist).
- Der Gedanke, dass Arbeitskollegen (oder die Pfleger selbst) aufgrund des Streiks mehr leisten müssen.
- Der Gedanke, wer die Verantwortung bezüglich der Arbeitsbedingungen trägt.

Aufgrund der facettenreichen Aspekte, die die Streikbeteiligung beeinflussen, ist immer individuell abzuwägen, ob und wie interveniert wird oder überhaupt werden kann. Für die Praxis ist es unerlässlich, diese Aspekte zu berücksich­tigen, wenn Mitarbeiter oder Kollegen motiviert werden sollen, an einem Streik teilzunehmen. Allerdings muss die Entscheidung, nicht zu streiken, immer res­pektiert werden, auch wenn die Arbeitsbedingungen noch so prekär sind.

Summary

The aim of this research is to identify various aspects that may affect strike participation. To this end, the following research question is posed: Which as­pects influence the strike participation of professional nurses in German hos­pitals?

To answer this research question, a structured guideline interview was conducted with five nurses. This interview was evaluated using the qualitative content analysis according to Mayring (2015). The results are assumptions that need to be confirmed or rejected by further research.

The participation in a strike is negatively influenced by

- The fact that emergency care must always be available in a hospital.
- The thought of leaving the profession soon.
- A rather traditional view of the profession.
- A trade union that is not combative and does not make enough demands.
- A team that is against strikes.
- The assumption that a strike has no effect on working conditions.

Strike participation is positively influenced by

- A view of the nursing profession as modern and professional.
- Membership of a trade union.
- A team that supports the strike.

Not influencing strike participation

- Moral concerns about patient care (especially if the union's emergency ser­vice agreement is known to the employees).
- The idea that colleagues (or the nurses themselves) will have to work more because of the strike.
- The idea of who is responsible for working conditions

Because of the many different aspects influencing strike participation, it must always be considered individually whether and how to intervene or even if to intervene. In practice, it is essential to take these aspects into account if employees or colleagues are to be motivated to participate in a strike. How­ever, the decision not to strike must always be respected, no matter how pre­carious the working conditions are.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinweis zur gendergerechten Sprache

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Bachelorarbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfa­chung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

Streik im Gesundheitswesen

„Aber das Streikrecht ist das Schwert an der Wand. Das ist, ich will nicht sa­gen schön, es ist ja nicht als Zimmerschmuck gedacht, aber es ist bedrohend und beruhigend in einem. “

(Theodor Heuss auf einer Rede beim DGB-Bundeskongress im Jahre 1954) Dieses Zitat des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers, Theodor Heuss, be­schreibt die Wirkung eines Streiks, der die letzte Stufe der Eskalation im Tarif­kampf darstellt, sehr passend. Mit Hilfe dieses „Schwertes" können Arbeitneh­mer die oft sehr mächtig wirkenden Arbeitgeber „bezwingen". Das Streiken begleitet die Arbeitgeber und Arbeitnehmer seit langer Zeit und ist schon seit Jahrtausenden bekannt. Die erste Aufzeichnung eines Arbeitskampfes geht weit in die Geschichte zurück. Dies wurde nach Straub (1975) bei den Ägyp­tern aus der Zeit Ramses‘ III im 12 Jahrhundert vor Christi dokumentiert. Dort wurden Bauarbeitern die Rationen verwehrt. Deshalb zettelten ebendiese ei­nen Streik in der königlichen Nekropolis an (vgl. Straub 1975, (S. 29).

Im Laufe der letzten Jahrtausende hat sich die Streikkultur weiterentwickelt. In den meisten (demokratischen) Ländern ist das Streikrecht mittlerweile als Ge­setz manifestiert. In Deutschland ist es fester Bestandteil des Grundgesetzes, im Artikel 9 Abs. 3. Nach Dribbusch (2019) wird in Deutschland aber, trotz dieser funktionierenden Gesetze, im Vergleich mit anderen Ländern relativ we­nig gestreikt. Deutschland erreichte in einem internationalen Vergleich ledig­lich den zehnten Platz, mit 16 durch Streik ausgefallenen Arbeitstagen pro 1000 Mitarbeitern. Im Vergleich: Frankreich belegte in dieser Statistik den ers­ten Platz mit 118 durch Streik ausgefallenen Arbeitstagen (vgl. Dribbusch 2019, S. 13).

Wo gestreikt wird, sind Gewerkschaften meist nicht weit. Diese setzen sich für tarif- und berufspolitische Forderungen der Arbeitnehmer ein und versuchen, diese gegenüber den Arbeitgebern durchzusetzen (vgl. Deutscher Gewerk­schaftsbund 2020a, o. S.). So gelang es zum Beispiel der Gewerkschaft IG Metall im Jahre 1984, mit einem fast siebenwöchigen Streik, die 35-Stunden- Woche zu erkämpfen. Dieses Ziel wurde schrittweise errungen und schluss­endlich auch erreicht (vgl. IG Metall 2019, o. S.). In Deutschland ist die Ge­werkschaft ver.di, komba und seit kurzem auch der Bochumer Bund für die Pflege zuständig. Eine 35-Stunden-Woche konnte leider noch nicht verhandelt werden. Was anderen Berufssparten scheinbar leicht fällt, gelingt der Pflege nur in begrenztem Rahmen. Regelmäßig ist zu beobachten, dass bei Tarifver­handlungen nur wenige Pflegende aktiv am Arbeitskampf teilnehmen.

Dabei sind die Arbeitsbedingungen in der Pflege prekär. Dies zeigt sich an­hand verschiedener Gesichtspunkte. Nach Baas (2019) sind ein Beispiel die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle. In der Gesundheits- und Krankenpflege liegt der durchschnittliche Arbeitsausfall im Jahr bei 23 Tagen. Im Vergleich mit allen Beschäftigtengruppen in Deutschland befindet sich die Pflege somit acht Tage über dem Durchschnitt (vgl. Baas 2019, S. 3).

Die große Arbeitsbelastung, viel Verantwortung und Stress, all dies führt nicht nur zu hohen Krankenständen, sondern auch dazu, dass die Pflegenden nicht dauerhaft im Beruf bleiben wollen. Dies wird in einer ersten Auswertung des Fragebogens der europäischen NEXT Studie dargestellt. Fast jeder fünfte Be­schäftigte (19% der Befragten) gibt an, einige Male im Monat an einen Aus­stieg aus dem Beruf zu denken. (vgl. Simon, Tackenberg et al. 2005, S. 51). Seit der Einführung des Fallpauschalen-Gesetzes (DRG-System) 2004 in deutschen Kliniken, hat sich die Arbeitsbelastung durch mehr Patienten mit kürzerer Verweildauer erhöht und intensiviert. 1999 lag das Patientenaufkom­men noch bei 17,1 Millionen Patienten mit einer durchschnittlichen Verweil­dauer von 9,9 Tagen. Bis 2018 stieg es auf 19,3 Millionen Patienten mit einer durchschnittlichen Verweildauer von lediglich 7,2 Tagen an (vgl. Statistisches Bundesamt 2020, o. S.).

Trotz all dieser Probleme und der Chance, diese durch den Arbeitskampf aus eigener Kraft zu verbessern, ist die Streikbeteiligung im Bereich der professi­onell Pflegenden gering. Auf Anfrage gab ver.di keine genauen Zahlen be­kannt. Es wurde anhand verschiedener Zeitungsartikel, die über Streikevents berichteten, die Beteiligung der Pflege abgeleitet. Nach Atterdal nahmen am 05.10.2020 rund 150 Mitarbeiter des UK-Augsburg an einem Streik teil (vgl. Atterdal 2020, o. S.). Mit aktuell etwa 2100 Mitarbeiter in der Pflege (vgl. Uni­versitätsklinikum Augsburg 2020, o. S.) ergibt das eine Beteiligung von ledig­lich circa sieben Prozent. Zudem kann noch erwähnt werden, dass an diesem Streik nicht nur examinierte Krankenpfleger teilgenommen haben, sondern auch anderes Krankenhauspersonal, wie beispielsweise Reinigungskräfte. Dies verringert nochmals den prozentualen Anteil der Pfleger. Eine genaue Angabe kann hier leider nicht genannt werden. Ein weiteres Beispiel ist der

Streik an der München Klinik vom 28.09.2020, bei dem 180 Mitarbeiter (unter anderem Krankenpfleger) teilnahmen (vgl. Schubert und Wetzel 2020, o. S.), was bei einer Anzahl von 5000 Pflegekräften in der München Klinik (vgl. Mün­chen Klinik 2020, o. S.) einer maximalen Beteiligung der Krankenpfleger von 3,6% entspricht (vorausgesetzt es hätten nur Krankenpfleger teilgenommen). Ein Beispiel außerhalb von Bayern war der Krankenhausstreiktag 2015 in Nordrhein-Westfalen. Dort nahmen rund 3000 Krankenpfleger teil (vgl. Behruzi 2016, o. S.). Das Regionaldossier zur Fachkräftesicherung in den Gesund­heitsberufen vom dip (2017) zeigt auf, dass 2015 rund 120.000 Gesundheits­und Krankenpfleger in Nordrhein-Westfalen gearbeitet haben (vgl. Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. 2017, S. 15). Ausgehend von die­sen Zahlen, waren nur circa 2,5% aller Gesundheits- und Krankenpfleger in NRW im Streik. Nach kurzer Recherche lassen sich noch zahlreiche weitere Berichte, mit ähnlich niedrigen Streikbeteiligungen finden. Aus diesen media­len Berichten, aus eigener Erfahrung und vielen Gesprächen mit Krankenpfle­gern aus dem Universitätsklinikum Augsburg zum Thema Streik und der Be­teiligung an diesem, stellt sich nun die Frage, was die Pfleger davon abhält, sich am Arbeitskampf zu beteiligen.

Mit Hilfe dieser Forschungsarbeit sollen verschiedene Aspekte, weshalb die Streikbeteiligung bei professionell Pflegenden in deutschen Krankenhäusern so niedrig ist, herausgearbeitet werden.

Im theoretischen Teil werden relevante Begrifflichkeiten definiert und verschie­dene Arbeitshypothesen erarbeitet. Zudem erfolgt die Darstellung der syste­matischen Literaturrecherche. Anschließend werden die Forschungsfrage und die dazugehörigen Arbeitshypothesen dargestellt. Im Methodik-Teil wird das Untersuchungsinstrument und das methodische Vorgehen der Forschungsar­beit vorgestellt. Im Ergebnis-Teil werden die Ergebnisse der geführten Inter­views präsentiert. Anschließend daran werden diese Ergebnisse in der Dis­kussion interpretiert und in die vorhandene Literatur eingegliedert. Abschlie­ßend werden im letzten Kapitel das Fazit des empirischen Vorhabens gezo­gen, die Forschungsfrage beantwortet und verschiedene Vorschläge für die Praxis und zukünftige Forschungen gegeben.

1 Theoretischer Teil

Im Folgenden werden allgemeine Begriffe bestimmt, die relevant für diese For­schungsarbeit sind. Anschließend werden verschiedene rechtliche und Mora­lische Aspekte zur Thematik Streik angesprochen und die Verantwortlichkei­ten der Arbeitsbedingungen erläutert. Alsdann werden die Gewerkschaften thematisiert. Anschließend erfolgt die Darstellung des aktuellen Forschungs­stands mit der dazugehörigen Literaturrecherche. Abschließend werden die Forschungsfrage und die erarbeiteten Arbeitshypothesen vorgestellt.

1.1 Begriffsbestimmung

Im Folgenden werden verschiedene, relevante Begrifflichkeiten erläutert, um zur Verständlichkeit der Bachelorarbeit beizutragen.

1.1.1 Professionell Pflegende

Der Deutsche Pflegerat e. V. legt in seiner Rahmenberufsordnung von 2004 fest, was der Anspruch an professionell Pflegende ist und welche Verhaltens­regeln gelten. Zudem wird definiert, für wen diese Regeln überhaupt gültig sein sollen. Die Pflegenden sollen beispielsweise dazu beitragen, Krankheiten zu verhindern und Gesundheit zu erhalten, das Ansehen des Berufsstandes zu verbessern und die berufliche Interessensvertretung zu fördern, indem sie sich in Berufsverbänden organisieren. Diese Berufsordnung ist gültig für Altenpfle­ger, Gesundheits- und Krankenpfleger und Gesundheits- und Kinderkranken­pfleger (vgl. Deutscher Pflegerat e.V. 2004, S. 2-4). In dieser Abschlussarbeit sind mit professionell Pflegenden speziell die Gesundheits- und Krankenpfle­ger im klinischen Setting gemeint, die durch den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst regelmäßig von der Gewerkschaft bei den Tarifverhandlungen vertre­ten werden.

1.1.2 Streik

Streik wird definiert als „[..] die gemeinsame vorübergehende Arbeitsniederlegung der gewerkschaft­lich organisierten Arbeitnehmer eines Betriebs." (Pollert, Kirchner et al. 2013, S. 341).

Somit ist also gemeint, dass ein Streik von einer Gewerkschaft organisiert sein muss und nur temporär anhält. Der Streik dient der Durchsetzung verschiedener arbeitsrechtlicher Forderungen. Diese können sich zum Bei­spiel auf tarifliches, wie die Löhne, aber auch auf die Arbeitsbedingungen, wie beispielweise die Arbeitszeit, beziehen (vgl. ebd. S. 341). Im Bereich der Pflege wird größtenteils ein höheres Entgelt und eine verbesserte Personal­ausstattung gefordert.

Wenn die Arbeitnehmer in den Streik eintreten, ist der Arbeitgeber nicht mehr dazu verpflichtet, den Lohn fortzuzahlen. Dies wird dann von den Gewerk­schaften übernommen, solange die Teilnehmer des Streiks Mitglied in der Ge­werkschaft sind. In den meisten Gewerkschaften müssen während einer Ur­abstimmung (ob gestreikt werden soll oder nicht) mindestens 75% der Ge­werkschaftsmitglieder dem Streik zustimmen. Warnstreiks gelten als zeitlich begrenzte Maßnahme, die den Arbeitgeber bei einem Verhandlungsstillstand zum Nachgeben bewegen sollen (vgl. ebd. S. 341). In der rechtlichen Bewer­tung wird nicht zwischen Streiks und Warnstreiks unterschieden. Grundsätz­lich spricht man vor einer Urabstimmung von einem Warnstreik, nach einer Urabstimmung von einem (Erzwingungs-)Streik (vgl. ver.di 2020, o. S.). Fest­zuhalten ist, dass, egal ob Warnstreik oder Erzwingungsstreik, beide in den Tarifverhandlungen als Druckmittel verwendet werden, falls die Verhandlun­gen ergebnislos bleiben.

1.1.3 Moral

Unter Moral ist der konstitutive „[...] Grundrahmen für das Verhalten vor allem zu den Mitmenschen, aber auch zur Natur u. zu sich selbst [..]" (Höffe 1997, S. 204) gemeint. Dieser soll nach Rabe (2009) unsere alltäglichen Handlungen und Urteile bestimmen (vgl. Rabe 2009, S. 61). Gemeint sind damit also ver­schiedene (nicht gesetzliche) Regeln unseres täglichen Verhaltens und des tatsächlichen Umgangs mit anderen Menschen und unserer Umwelt. Bezogen auf die Pflege würde dies die Regeln in Bezug auf das Verhalten und den Um­gang mit den Patienten, Kollegen und Ressourcen bedeuten.

1.1.4 Gewerkschaft

Nach Esser (2014) herrscht in den Sozialwissenschaften ein gewisser Kon­sens, wie eine Gewerkschaft definiert ist. Gewerkschaften sind:

„.autonome Verbände (Koalitionen) von Lohnabhängigen, die sich zur Wahr­nehmung und Durchsetzung ihrer Interessen sowohl im Betrieb wie allgemein in Wirtschaft und Politik zusammengeschlossen haben. Sie sind mit der Durchsetzung der kapitalistisch-industriellen Produktionsweise entstanden, gelten als die ursprüngliche Form der Arbeiterbewegung und stellen bis heute eine ihrer organisatorischen Säulen dar"‘ (Lösche 1995, S. 220, zit. nach Es­ser 2014, S. 86).

Grundlage für eine Gewerkschaft in Deutschland ist der Artikel 9 des Grund­gesetzes, der die Koalitionsfreiheit „[...] für jedermann und für alle Berufe ge­währleistet." (Art. 9 Abs. 3 Satz 1, GG). Müller-Jentsch (2018) bezeichnet die Gewerkschaften als „[...] kartellähnliche Organisationen" (Müller-Jentsch 2018, S. 2), die den Preis für die Arbeit ihrer Mitglieder reguliert. Die Gewerk­schaft schützt durch diese Handlungen die Koalitionsfreiheit und die Tarifau­tonomie (vgl. ebd. S. 3), „[...] zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen [...]" (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG). Somit dienen die Ge­werkschaften ihren zugehörigen Arbeitern (also den Mitgliedern der Gewerk­schaft) und versuchen im Rahmen ihrer gesetzlich gegebenen Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen zu verändern und dadurch zu verbessern.

1.2 Rechtliche Aspekte in Bezug auf Streik in der Pflege

Für die Arbeitnehmer in Deutschland, ist das Recht zu streiken nicht als „Streikrecht" oder ähnliches niedergeschrieben. Das Streikrecht ist in Deutsch­land als Teil der Vereinigungs- oder Koalitionsfreiheit im Artikel 9 fester Be­standteil des Grundgesetzes. Im Artikel 9 Absatz 3 GG steht geschrieben:

„Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedin­gungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewähr­leistet."

Mit Vereinigungen sind hier die Gewerkschaften gemeint, die von jedem Bun­desbürger gebildet werden können. Diese Gewerkschaften werden in einem folgenden Kapitel noch genauer erläutert. Jedem Berufsstand ist es also grundsätzlich möglich, durch das Bilden einer Gewerkschaft in den Streik zur Wahrung oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu treten. Hierbei spricht man von der sogenannten Tarifautonomie, die durch den Artikel 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantiert wird. Nach Jesgarzewski (2019) muss ein Streikziel innerhalb der grundgesetzlich vorgegeben Bestimmungen zuläs­sig sein. Dies ist der Abschluss eines Tarifvertrages, in dem unterschiedliche Arbeitsbedingungen geklärt sind. Am Streik teilnehmen dürfen zuvorderst Mitglieder der Gewerkschaft, aber auch Nichtmitglieder (vgl. Jesgarzewski 2019, S. 43). Rechtswidrig wäre ein sogenannter wilder Streik von Arbeitneh­mern, der nicht durch eine Gewerkschaft geplant und durchgeführt wird, da das Kampfmittel des Streiks aus dem Grundrecht zur koalitionsspezifischen Betätigung hergeleitet wird. Daher sind legale Streiks nur über eine Gewerk­schaft möglich (vgl. ebd. S. 43).

Aber nicht nur die Arbeitnehmer haben Rechte oder Druckmittel im Falle einer Tarifverhandlung. Beispielsweise entfällt nach Pollert, Kirchner et al. (2013) während eines Streiks die Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Es erhalten nur die Arbeitnehmer Streikgeld, die auch Mitglied in der Gewerkschaft sind (vgl. Pollert, Kirchner et al. 2013, S. 341). Diese mögliche Maßnahme des Arbeit­gebers wird Aussperrung genannt. Sie kann strategisch als Angriffs- oder Ver­teidigungsmittel verwendet werden. Meist ist die Aussperrung jedoch eine Re­aktion auf einen (Warn-)Streik (vgl. Jesgarzewski 2019, S. 51).

Eine Gewerkschaft darf nur zum Streik aufrufen, wenn sie für die Branche zu­ständig und die Friedenspflicht beendet ist (vgl. Berg 2016, S. 116). Friedens­pflicht bedeutet in diesem Kontext eine rechtliche Beschränkung der Streikfrei­heit, die mit dem Inkrafttreten des neu ausgehandelten Tarifvertrags beginnt (vgl. ebd. S. 61).

Ein Sonderfall ist der Pflegestreik in Krankenhäusern. Hier können, anders als in einem produzierenden Gewerbe, nicht einfach die Maschinen stillgelegt werden, da Patienten mit schweren Erkrankungen oder Notfallpatienten wei­terhin versorgt und behandelt werden müssen. Hierbei wird die Gewerkschaft, nach Berg (2016), von einer Notdienstvereinbarung unterstützt. In dieser wer­den die Notdienstarbeiten gemeinsam mit dem Arbeitgeber und der Gewerk­schaft erarbeitet. Es werden unter anderem Art, Umfang und die Personalbe­setzung des Notdienstes im Sinne der Notvereinbarung festgelegt (vgl. Berg 2016, S. 87ff.). Diese Notdienstvereinbarungen dürfen aber nicht zur allgemei­nen Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen, wie das Bundesar­beitsgericht 1982 abgeurteilt hat (BAG vom 30.03.1982-1 AZR 265/80). Dies würde im Falle eines Krankenhauses zum Beispiel bedeuten, dass aufgrund von gesperrten Betten nicht alle elektiven Operationen durchgeführt werden können, sondern nur notfallmäßig operiert wird.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es aus rechtlicher Sicht sei­tens der Pflegekräfte keine Bedenken bezüglich eines Streiks geben sollte. Dies ist begründet durch das grundsätzliche Recht zu streiken, die Not­dienstvereinbarung, die die Patienten schützt und die Gewerkschaften, die den Streik ankündigen und dadurch den legalen Rahmen schaffen. Allerdings ver­ringert sich durch die Notdienstvereinbarung die Anzahl derer, die in den Streik treten dürfen, da die Notfallversorgung der Patienten sichergestellt werden muss. Dies kann also als Grund identifiziert werden, wieso die Streikbeteili­gung im Pflegebereich grundsätzlich schon einmal niedriger ist als beispiels­weise im produzierenden Gewerbe.

1.3 Moralische Aspekte beim Streik in der Pflege

Kranke oder pflegebedürftige Menschen befinden sich in einer verletzlichen Lebenssituation und stehen dadurch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Menschen, die sie pflegen und versorgen (vgl. Lehmeyer 2018, S. 76). Im Krankenhaussetting sind dies die Gesundheits- und Krankenpfleger und ihre Patienten. Durch dieses Abhängigkeitsverhältnis können bei den Mitarbeitern moralische Konflikte entstehen, wenn ein Streik angekündigt wird. Denn durch das Ruhenlassen der Arbeit werden somit im Endeffekt die verletzlichen Pati­enten „alleine" gelassen. Dies widerspricht der grundsätzlichen Haltung, auf­grund derer sich viele Menschen für den Pflegeberuf entscheiden. Eine Studie von Jirwe und Rudman (2012) ergab, dass 75% von über 1000 Befragten Krankenpflegeschülern den Beruf gewählt haben, da sie sich um andere küm­mern und ihnen helfen möchten (vgl. Jirwe und Rudman 2012, S. 1618). Diese moralische Problematik wird auch in einer Studie in der Altenpflege rund um die Thematik Streik deutlich. In dieser wurde aufgezeigt, dass viele Alten­pfleger (knapp 80% der Befragten) davon ausgehen, bei einem Streik ihre Pa­tienten im Stich zu lassen. Dies sei einer der Hauptgründe, wieso Altenpfleger bei Problemen in der Arbeit nicht aktiv werden (vgl. Schroeder 2018, S. 198). Alten- und Krankenpfleger sind natürlich keine homogene Masse, auf die man problemlos solche Studienergebnisse anwenden kann. Allerdings ist vermut­lich anzunehmen, dass generell in Pflegeberufen ähnliche Motivationen in Be­zug auf die Arbeit vorherrschen können. Zusätzlich stellen die Alten- und Kran­kenpflege Berufe mit Dienstleistung am und für Menschen dar.

Vermutlich werden diese moralischen Bedenken und Konflikte zusätzlich durch Führungspersonal bestärkt, welches bei Streiks oft öffentlich bekannt gibt, dass die Patienten unter den Auswirkungen leiden müssen und Streiks nicht zielführend seien (trotz verpflichtender Notdienstvereinbarung, die von beiden Parteien unterzeichnet wird). Beispielhaft ließ der Vorstand der Charité, anlässlich eines drohenden Streiks, folgende Pressemitteilung schriftlich ver­lauten:

„Ein Streik ist allerdings das falsche Mittel, weil er auf dem Rücken der Pati­enten in Berlin und der Charité ausgetragen wird." (Dolderer 2015, o. S.).

Ein weiteres Beispiel ist hier die Pflegedirektorin des Uniklinikums Essen, die während eines Streiks folgende Pressemitteilung verlauten ließ:

„Bei allem Verständnis für die Forderung nach Entlastung an sich, ist die Situ­ation für unsere kritisch kranken Patienten und deren Angehörige nur schwer nachzuvollziehen.“ (Schmidt-Rumposch 2018, o. S., zit. nach Milich 2018, S. 12ff.).

Auch die Führungsebene des Uniklinikums Düsseldorf wandte sich an die Öf­fentlichkeit mit den Worten, den Streik nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen (vgl. Milich 2018, S. 12ff.). Dies ist aber kein Phänomen deut­scher Manager und Vorgesetzter. Beispielsweise wurde während des Streiks israelischer Pflegekräfte 1986 die Aussage „.Patients are losing their lives as a direct result of the nurses strike, [...]“‘ (Giovinco 1993, S. 86) von Ärzten und Beamten aus dem israelischen Gesundheitsministerium getätigt. Diese Pres­semitteilungen, offenen Briefe und Aussagen sollen vermutlich implizieren, dass ein Streik eben nicht legitim oder angemessen sei. Es ist anzunehmen, dass dadurch bei manchen Pflegenden Zweifel aufkommen hinsichtlich der Wirksamkeit der Notdienstvereinbarung und der daraus resultierenden Patien­tensicherheit.

In Gesprächen mit Kollegen am Universitätsklinikum Augsburg zum Thema Streik wurde die Aussage getätigt, dass man durch einen Streik nicht nur die Patienten, sondern auch Arbeitskollegen allein lässt, die dann aufgrund des Streiks eventuell mehr arbeiten müssen. Dies wäre ein weiteres moralisches Hindernis, dass zu einer niedrigen Streikbeteiligung führen kann.

Diese eben genannten möglichen moralischen Hürden führen zur ersten Hy­pothese: „Die Streikbeteiligung bei professionell Pflegenden ist niedrig, da es verschiedene moralische Bedenken im Zusammenhang mit ihrer Arbeit gibt.“

1.4 Verantwortlichkeiten der Arbeitsbedingungen der Krankenpflege im klinischen Setting

Unter Arbeitsbedingungen fallen neben den tariflichen Bedingungen wie Lohn, Arbeitszeit, Urlaub und Zuschläge für beispielsweise Nachtdienst auch die Personalausstattung in den verschiedenen Settings der Pflege. Hier gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte, wie die Verantwortlichkeit bezüglich dieser Bedingungen zu sehen ist. Im Folgenden werden die tariflichen Gegebenhei­ten und die Personalausstattung im klinischen Setting näher erläutert. Grundsätzlich herrscht in Deutschland die verfassungsrechtlich gegebene Ta­rifautonomie, die im Kapitel zu den rechtlichen Aspekten bereits angesprochen wurde. Diese Tarifautonomie wird in der Pflege im Krankenhaus durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst festgehalten und verbindlich gemacht. Nach Michel und von Gradolewski-Ballin (2018) beinhaltet der TVöD-K Rege­lungen zu allgemeinen Vorschriften wie dem Geltungsbereich, Arbeitsvertrag, Nebenabreden und Probezeit. Des Weiteren werden die Arbeitszeiten gere­gelt. Der TVöD-K beinhaltet auch Regelungen zur Eingruppierung der ver­schiedenen Berufsgruppen, den dazugehörigen Entgelten und sonstigen Leis­tungen. Zusätzlich werden Urlaub und Arbeitsbefreiung festgelegt. Ein weite­rer Inhalt sind die Befristung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Übergangs- und Schlussvorschriften (vgl. Michel und von Gradolewski-Ballin 2018, S. 7-9).

Dies zeigt, dass im TVöD-K bereits einige wesentliche Punkte bezüglich der Arbeitsbedingungen verhandelt wurden. Allerdings liegt die grundsätzliche Verantwortung für die Mindestanforderungen bei Tarif- und Arbeitsrechtlichem beim Staat. Er greift somit bedingt in die Tarifautonomie ein. Mit verschiedenen gesetzlichen Regelungen werden Mindeststandards durchgesetzt. Speziell für die Pflege existiert der sogenannte Pflegemindestlohn, der seit dem 01.01.2020 auf 11,35 € die Stunde angehoben wurde. Dieser Pflegemindest­lohn gilt für die meisten Pflegebetriebe, insgesamt für rund 1,2 Millionen Pfle­gende (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2020, o. S.).

Auch für die Pflegepersonaluntergrenzen in Kliniken existieren verbindliche Vorgaben seitens der Bundesregierung, die eine sichere Patientenversorgung gewährleisten sollen. Diese sind im § 6 der Pflegepersonaluntergrenzen-Ver- ordnung festgelegt. Zum Beispiel werden hier in der Geriatrie und der Unfallchirurgie ein Personalschlüssel von zehn Patienten zu einer Pflegekraft in der Tagschicht und in der Nachtschicht ein Schlüssel von 20 Patienten zu einer Pflegekraft festgelegt.

Der Staat kann Gesetze und Verordnungen wie die Pflegepersonaluntergren­zen erlassen. Somit könnte argumentiert werden, dass die Verantwortung für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege im Grunde beim Staat liegt. Diese Ansicht wurde in der bereits erwähnten Studie von Schroeder (2018) in der Altenpflege aufgezeigt. Altenpfleger haben hier angegeben, dass sie die Ver­antwortung zu Verbesserungen in der Pflege vor allem beim Staat sehen (87,5% Zustimmung), mit der Aussage (98,8% Zustimmung): „Die Politik muss endlich handeln!" (Schroeder 2018, S. 182). Als zweiter Verantwortlicher für die Arbeitsbedingungen wurde der Arbeitgeber genannt (78,4%) und die Ge­sellschaft als Ganzes (knapp über 60%). Sich selbst in der Verantwortung über Veränderungen sehen die Beschäftigten als letztes (40,6%) (vgl. ebd. S. 181). Aus persönlicher Erfahrung kann bestätigt werden, dass ähnliche Aussagen in Gesprächen mit Mitarbeitern des Uniklinikums Augsburg während des Warnstreiks 2017 getätigt wurden. Manche Pfleger nahmen laut ihren Aussa­gen nicht am Streik teil, da sie den Staat in der Verantwortung sahen oder der Meinung waren, dass die professionell Pflegenden nichts oder nur wenig durch Streik erreichen können.

Grundsätzlich ist die Entstehung von Bundesgesetzen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch tarifliche Streiks möglich. Nach Geckeler (2006) wird dies am Beispiel des Streiks der Metallarbeiter aus Schleswig-Holstein 1956/57 deutlich. Hier traten über 18000 Metallarbeiter in den Ausstand, um die Fortzahlung des Lohns im Krankheitsfall zu erstreiten. Dies war der längste und umfangreichste Streik in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte. Durch diesen Streik wurden bezahlte Krankheitstage und die Lohnfortzahlung bei je­dem Arbeitsunfall, unabhängig von der zeitlichen Zugehörigkeit des Betriebs, erreicht. Nur kurze Zeit später verabschiedete der Bundestag in Schleswig­Holstein das Gesetz zur wirtschaftlichen Absicherung der Arbeiter im Krank­heitsfall. Es wird angenommen, dass dieses Gesetz ohne den vorangegange­nen Streik nicht entstanden und verabschiedet worden wäre (vgl. Geckeler 2006, o. S.). Aufgrund der vorangegangenen Beispiele, Studien und persönli­chen Erfahrungen wurde die zweite Hypothese gebildet. Diese lautet: „Die Streikbeteiligung von professionell Pflegenden ist deshalb so gering, da sie andere Institutionen in der Verantwortung der Arbeitsbedingungen sehen."

1.5 Gewerkschaften im Berufsfeld der Krankenpflege

Der größte Gewerkschaftsbund nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, ist der Deutsche Gewerkschaftsbund, mit circa sechs Millionen organisierten Ar­beitnehmern. Er ist die internationale und nationale Vertretung der ihm unter­geordneten Gewerkschaften und bietet ebendiesen eine gewichtige Stimme gegenüber den politischen Entscheidungsträgern (vgl. Deutscher Gewerk­schaftsbund 2020b, o. S.)

Unter dem Dach des DGB befindet sich auch die 2001 gegründet Gewerk­schaft ver.di, die sich aufgrund eines starken wirtschaftlichen Wandels und sinkender Mitgliederzahlen aus der ehemaligen Deutschen Angestellten-Ge­werkschaft, gebildet hat. Dies war eine Antwort der DGB-Gewerkschaften auf eben genannte Probleme (vgl. Raehlmann 2017, S. 11). Bei ver.di sind über 1000 andere Berufe vertreten, die in 13 Fachbereiche unterteilt werden, um eine spezifische Vertretung für die jeweiligen Berufe zu erreichen. Der Pflege­beruf ist dabei im Fachbereich 3 vertreten, der sich unter anderem um Pfle­gende in Kliniken, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen kümmert (vgl. ver.di 2020a, o. S.).

Ver.di dürfte die wohl bekannteste, wenn auch nicht einzige Gewerkschaft im Bereich der Pflege sein. Beispielsweise gibt es aktuell noch die Gewerkschaft komba, die sich unter anderem auch für Krankenpfleger einsetzt. Diese ist im Vergleich zu ver.di, (rund 1,95 Millionen Mitglieder), (vgl. Deutscher Gewerk­schaftsbund 2020c, o. S.) mit einer Mitgliederanzahl von rund 90.000 aber re­lativ klein und nur für die Beschäftigten der Kommunen, deren privatisierten Dienstleistungsunternehmen und die im Landesdienst Tätigen zuständig (vgl. komba gewerkschaft 2020, o. S.). Neu hinzugekommen zu den bisherigen Ge­werkschaften, die die Pflege vertreten, ist am 12. Mai 2020 die Spartenge­werkschaft BochumerBund. Diese möchte sich als Gewerkschaft von Pflegen­den für Pflegende besser einbringen und unabhängig den Beruf der Pflegen­den vertreten. Dabei möchte der Bochumer Bund, dass die Gewerkschaft von den Pflegenden selbst organisiert und verwaltet wird (vgl. Bochumer Bund 2020, o. S.).

Fraglich ist, wieso der Anteil der Pflegenden, die sich gewerkschaftlich orga­nisieren, im Vergleich mit anderen Berufsfeldern, geringer ist. Nach Hoffmeyer (2017) sind nur circa neun Prozent aller beruflich Pflegenden gewerkschaftlich organisiert (vgl. Hoffmeyer 2017, o. S.). Unterstützt wird die Aussage durch einen Artikel von Kempe (2019). Er gibt an, dass der Organisationsgrad bei allen Fachbereichen von ver.di im Durchschnitt bei ungefähr zehn Prozent liegt (vgl. Kempe 2019, o. S.). Im internationalen Vergleich hingegen sind beispiels­weise skandinavische Pflegekräfte zu 90% organisiert (vgl. Hoffmeyer 2017, o. S.).

Im nationalen Vergleich mit einer anderen Berufssparte: die IG Metall zählt (Stand 2019) 2,26 Millionen Mitglieder in der Gewerkschaft (vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund 2020c, o. S.). Bei ca. 4,42 Millionen Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen, die von der IG Metall betreut werden, entspricht dies einem Anteil von rund 51% (vgl. IG Metall 2020, o. S.). Der Anteil der Mitglieder ist somit bei der IG Metall mindestens fünfmal so groß als im Fach­bereich 3 bei ver.di. Es zeigt sich also, dass professionell Pflegende in Deutschland, im Vergleich zu anderen Berufen wie den Metallern, oder im in­ternationalen Vergleich mit anderen professionell Pflegenden, in weitaus ge­ringerer Zahl gewerkschaftlich organisiert sind.

An der Gewerkschaft ver.di gibt es verschiedene Kritikpunkte. Nach Remmert (2015) wird bemängelt, dass ver.di den eigenen Angestellten keinen Tarifver­trag bietet und die Löhne mit dem Betriebsrat aushandelt. Dieser ist selbst nicht befugt zum Streiken aufzurufen. Zudem sind Betriebsräte auch dem Wohl des Unternehmens verpflichtet und können deshalb nicht nur die Arbeit­nehmerinteressen vertreten (vgl. Remmert 2015, o. S.). Ein weiterer Kritik­punkt ist, dass ver.di die Bildung von Pflegekammern ablehnt, die für die Pflege viele positive Beiträge leisten könnten. Sie haben diesem Thema ein eigenes Positionspapier gewidmet (vgl. ver.di 2020b, o. S.). Allerdings wäre die Bildung von Pflegekammern sehr wichtig für den Pflegeberuf. Beispiel hier­für sind laut dem DBfK (2020) die Professionalisierung des Berufs durch recht­liche Autonomie, oder wissenschaftliche Untersuchungen zur Darstellung des Pflegeberufes, um daraus zuverlässige Aussagen über diesen tätigen zu kön­nen. Eine Pflegekammer würde eine starke politische Interessensvertretung bedeuten und das Vertretungsmandat von Gewerkschaft, Berufsverbänden und Pflegekammern unterscheidet sich ohnehin deutlich (vgl. Deutscher Be­rufsverband für Pflegeberufe 2020, o. S.). Es ist daher mehr als fragwürdig, dass ver.di die Kammern ablehnt, obwohl diese für einen komplett anderen Themenbereich zuständig wären. Dass ver.di eine riesige Multibranchenge­werkschaft ist, gilt als weiterer Kritikpunkt. So falle es der Gewerkschaft nach Pieper (2007) schwer, die Leistungen auf potenzielle Mitglieder auszurichten, da es schwierig ist, die Interessen von Krankenpflegern und mehr als 1000 anderen Berufsgruppen zusammenzubringen. Deshalb haben beispielsweise Piloten und Lokführer ver.di verlassen. Bei den Ärzten im Marburger Bund ist man von den Gehaltsergebnissen der Tarifkonflikte von 2006 (bis zu 13% Lohnsteigerung) sehr überzeugt (Pieper 2007, o. S.). Diese Ergebnisse lassen hoffen, dass mit der Spartengewerkschaft Bochumer Bund, eine ähnliche Si­tuation wie beim Marburger Bund entstehen wird.

In persönlichen Gesprächen mit Pflegern aus dem Universitätsklinikum Augs­burg stellte sich heraus, dass es Inkongruenzen bezüglich der Ziele, Absichten und der Art der Arbeit von ver.di gab.

Aufgrund dieser verschiedenen Kritikpunkte an ver.di, kann argumentiert wer­den, dass die Krankenpfleger nicht mit der Arbeit der Gewerkschaft zufrieden sind. Da ein Streik aber nur mit der Gewerkschaft legal ist, wurde die Hypo­these drei erstellt, die lautet: „Die Streikbeteiligung professionell Pflegender ist deshalb so niedrig, weil sie von der Arbeit der Gewerkschaft nicht überzeugt sind."

1.6 Literaturrecherche zum Forschungsstand

Im Folgenden wird die allgemeine Literaturrecherche zum Thema Streik in der Pflege vorgestellt. Mithilfe dieser Recherche soll der aktuelle Stand der Pro­fessionsforschung dargestellt werden. Zuerst wird die Suchstrategie erläutert und anschließend werden die Ergebnisse dargestellt.

1.6.1 Suchstrategie

Die Literaturrecherche wurde mithilfe der Datenbanken PubMed, DIMDI, cochrane library und google scholar durchgeführt. Im Laufe der vorhergehen­den Recherche hat sich herausgestellt, dass das Thema Streik eher medial (beispielsweise in Zeitungsartikeln oder durch Meinungen/Beiträgen in Fachzeitschriften ohne empirischen Hintergrund) denn in Studien dargestellt wird. Aus diesem Grund wurde die Suche nach Ergebnissen sensitiv durchge­führt. Es wurden qualitative und quantitative Studien miteinbezogen. Da das Streikrecht seit Jahren unverändert ist, gab es bezüglich des Zeitraums kei­nerlei Einschränkungen. Zur Erstellung des Suchbegriffs wurde systematisch nach dem Begriff „Streik" sowie verschiedenen Begriffen zum Beruf der Pflege in englischer und deutscher Sprache gesucht. Dabei entstand folgende Such­strategie:

(strike OR walk out OR lockout OR streik) AND (nurse* OR health care professio­nal* OR Pflege* OR Krankenpflege* OR nursing union) NOT (physician OR doctor OR Arzt)

Die Seite DIMDI brachte keinerlei Ergebnisse. Auf der Seite cochrane library wurden sechs Treffer angezeigt, allerdings stand keines der Ergebnisse im Zusammenhang mit der Thematik Streik. Auf der Seite PubMed wurden mit der Suchanfrage 912 Treffer anzeigt. Bei google scholar gab es circa 101.000 Treffer, diese wurden nach Relevanz sortiert und es wurden die ersten 20 Sei­ten verwendet. Insgesamt wurden somit 1118 Titel durchsucht. Insgesamt konnten so 34 potenzielle Studien gefunden werden. Eine Studie, die doppelt vorhanden war, wurde ausgeschlossen. Nach Durchsicht der Abstracts konnte eine weitere Studie ausgeschlossen werden. Von 32 Studientexten konnten für zwei der Studien, auch nach längerer Suche, keine Volltexte gefunden wer­den. Vermutlich ist dies dem geschuldet, dass diese Studien schon älter sind und nicht aus dem englischsprachigen Raum stammen. Nach Durchsicht der restlichen 30 Studientexte wurden elf weitere ausgeschlossen. Für die Dar­stellung des Forschungsstandes wurden 19 Studien verwendet. Die Ergeb­nisse der gefundenen Studien wurden in drei Kategorien eingeteilt. Diese wur­den in Anlehnung an die Hypothesen gebildet. Die erste Kategorie: Gründe für einen Pflegestreik wurde an die dritte Hypothese geknüpft. Da Pflegende ver­schiedene Ansichten haben, worum es ihnen im Arbeitskampf primär geht, sind sie mit der Arbeit der Gewerkschaften (also auch den Forderungen in Streiksituationen) nicht zufrieden. Bei der zweiten Kategorie Erfahrungen und Einstellungen in Bezug auf Pflegestreiks und der dritten Kategorie Auswirkun­gen von Pflegestreiks wurde an die erste Hypothese angeknüpft. Es gibt ver­schiedene moralische Bedenken in Bezug auf die Arbeit im Falle eines Streiks.

Durch die verschiedenen (teils negativen) Auswirkungen auf die Patienten, können Dilemma und innere Konflikte für das Pflegepersonal entstehen.

1.6.2 Gründe für einen Pflegestreik

In der Literatur werden unterschiedliche Begründungen für einen Pflegestreik beschrieben. Als Hauptfaktoren werden vor allem Bezahlung und Arbeitsbe­dingungen genannt.

Eine nötige Verbesserung der tariflichen Gegebenheiten als Grund für einen Pflegestreik wurde in sechs Studien angesprochen (vgl. Hibberd 1988, S. 17­18; Dingwell 1991, S. 85; Kravitz, Leake et al. 1992, S. 650; Santry 2010, o. S.; Binkowska-Bury, Marc et al. 2013, S. 689).

Einen Gegensatz zeigt hier die Studie von White, Phakoe et al. (2015). Von 69 Befragten gaben hier nur 32% an, für eine bessere Bezahlung zu streiken. Über die Hälfte der Befragten (62%) gab an, dafür nicht streiken zu wollen (vgl. White, Phakoe et al. 2015, S. 1). In dem Paper von Arch und Graetz (1989) wird aufgezeigt, dass nicht nur der Wunsch nach höherer Bezahlung eine Be­dingung (oder der Hauptgrund) für einen Streik sein kann (allerdings ist dies trotzdem ein Grund für Pflegekräfte zu streiken) (vgl. Arch und Graetz 1989, S. 184).

Ein weiterer Grund für Pflegende in einen Pflegestreik zu treten, ist die Ver­besserung der Arbeitsbedingungen (vgl. Arch und Greatz 1989, S. 180; Ding­well 1991, S. 86; Kravitz, Leake et al. 1992, S. 650; Santry 2010, o. S.; Bin- kowska-Bury, Marc et al. 2013, S. 689). Zu den Arbeitsbedingungen zählen beispielsweise eine hohe Arbeitsbelastung und ein hohes Patientenaufkom­men (vgl. Kravitz, Leake et al. 1992, S. 650). Ein weiteres Beispiel ist Unzu­friedenheit mit dem eigenständigen (autonomen) Arbeiten (vgl. Arch und Graetz 1989, S. 181).

Auch hier ist wieder die Studie von White, Phakoe et al. (2015) zu erwähnen. 62% der Befragten gaben hier an, nicht für bessere Arbeitsbedingungen strei­ken zu wollen (vgl. White, Phakoe et al. 2015, S. 4).

Neben den eben genannten, gibt es noch weitere Gründe, die einen Pflege­streik bedingen. Hibberd (1988) beschreibt in seiner Fallstudie, dass neben den ökonomischen Faktoren, vor allem gewerkschaftliche Militanzfaktoren (die neu gegründete Gewerkschaft kam mit kämpferischem [militanten] Eifer an den Verhandlungstisch) und strukturelle Besonderheiten der Tarifverhandlun­gen im öffentlichen Sektor, die Streiks in Alberta bedingt haben (vgl. Hibberd 1988, S. 17-18). Ein weiterer Grund ist, das Ansehen der Pflege durch einen Streik zu verbessern (vgl. Binkowska-Bury, Marc et al. 2013, S. 689).

1.6.3 Erfahrungen und Einstellungen in Bezug auf Pflegestreiks

Die in den verschiedenen Studien beschriebenen Erfahrungen und Einstellun­gen von Pflegenden sind sehr unterschiedlich. Ein Punkt, der in einer Studie angesprochen wurde, sind Probleme mit der Selbstidentität kanadischer Pfle­ger. Im Falle eines Streiks stehen sie „zwischen den Stühlen". Einmal als Pfle­gekraft, die Patienten umsorgt, zum anderen als Person im Arbeitskampf, die Patienten allein lässt (vgl. Brown, Greaney et al. 2006, S. 207). Ähnlich wird es in dem Paper von Hibberd und Norris (1991) beschrieben. Durch einen Streik entsteht für die kanadischen Pflegekräfte ein Dilemma. Sie müssen sich entscheiden, ob sie den Patienten ihren Dienst weiter anbieten oder ob sie zu ihren Kollegen stehen, die eine Verbesserung der Bezahlung und der Arbeits­bedingungen anstreben (vgl. Hibberd und Norris 1991, S. 52). Eine weitere Einstellung wird bei Binkowska-Bury, Marc et al. (2013) angesprochen. Polni­sche Pflegende unterstützen zwar grundsätzlich den Streik, allerdings ist bei ihnen die Angst vorhanden, dass die während dem Streik geleistete Pflege nicht mehr angemessen ist (vgl. Binkowska-Bury, Marc et al. 2013, S. 698). Zwischen diesen drei Aussagen lassen sich Parallelen ziehen: Man lässt den Patienten „alleine", dadurch wird die Pflegequalität insgesamt schlechter.

In der Studie von Hibberd und Noris (1992) wurden irische Pflegekräfte zu der durch einen Pflegestreik bedingten hohen Arbeitsbelastung befragt. Die Pfle­ger äußerten viele Bedenken im Hinblick auf die Betreuung der Patienten und versuchten eine möglichst hohe Sicherheit in der Patientenversorgung sicher­zustellen. (vgl. Hibberd und Noris 1992, S. 487).

In einer Studie unter afrikanischen Krankenpflegern stellte sich heraus, dass viele Teilnehmer (52,7%) gegen einen Pflegestreik sind. Dies wurde zum ei­nen mit der Professionalität des Pflegepersonals und deren beruflichem Status in Südafrika und zum anderen darin begründet, dass ein Streik negative Aus­wirkungen auf die Patienten und die Gemeinde hat (vgl. Muller 2001, S. 44­45).

1.6.4 Auswirkungen von Streik

Pflegestreiks wirken sich einerseits generell auf das Gesundheitssystem, bei­spielsweise auf das Reduzieren von Betten in einem Krankenhaus, anderer­seits auch direkt auf den Outcome von verschiedenen Patientengruppen aus. Die hauptsächliche Wirkung eines Pflegestreiks ist eine Unterbrechung oder Minderung der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen (zum Beispiel durch die Reduzierung der Betten oder das Schließen von Stationen und dadurch die Verringerung der Patientenanzahl) (vgl. Chima 2020, S. 203; Gru­ber und Kleiner 2010, S. 29; Stabler, Schnurr et al. 1984, S. 205; Powell, Walker et al. 1990, S. 423; Belmin, Chatellier et al. 1992, S.151; Abelkader und Macmillan 1990, S. 156). Diese Maßnahmen haben schlussendlich eine direkte Auswirkung auf die betroffenen Patienten. Dies zeigt sich auf unter­schiedliche Weise.

Zur erhöhten Mortalität während eines Pflegestreiks finden sich unterschiedli­che Berichte. So wird in dem Paper von Gruber und Steiner (2010) berichtet, dass die Mortalität während Streiks in New York um 19,4% gestiegen ist. Zu­dem war das Outcome von Patienten wesentlich schlechter gewesen, es gab einen Anstieg von 6,5% von solchen, die wieder ins Krankenhaus eingewiesen werden mussten (vgl. Gruber und Steiner 2010, S. 30).

Dem gegenüber steht das Review von Chima (2020), in dem angegeben wird, dass es keine signifikante Erhöhung der Patientenmortalität während eines Streiks gibt (vgl. Chima 2020, S. 207-208). Unterstützt wird die Aussage des Reviews von einer Studie von Belmin, Chatellier et al. (1992). Hier wurde die Mortalität in einem französischen Krankenhaus während zwei Pflegestreiks untersucht. Es konnte keine deutlich höhere Sterblichkeit der untersuchten (äl­teren) Patientengruppe beobachtet werden (vgl. Belmin, Chatellier et al. 1992, S. 154). Die Studie von Stabler, Schnurr et al. (1990) berichtet von einer er­höhten Mortalität auf einer Intensivstation in Kanada (Alberta), aber von einer konstanten Mortalitätsrate auf einer Normalstation (vgl. Stabler, Schnurr et al. 1990, S. 207). Bei geriatrischen Patienten aus Kanada, die aufgrund eines Pflegestreiks verlegt werden mussten, konnte keine erhebliche Störung der Versorgung oder eine Erhöhung der Leiden der Patienten beobachtet werden (vgl. Powell, Walker et al. 1990, S. 423).

In der Studie von Fiebai, Anya et al. (2005) konnte kein Unterschied in der Anzahl und Art der Entbindungen in einem Krankenhaus in Port Harcourt (Ni­geria) während einem Pflegestreik festgestellt werden (vgl. Fiebai, Anya et al. 2005, S. 454).

In Kenia wurde von einer Verschiebung von Impfungen bei Säuglingen berich­tet. Beispielsweise wurden 56,9% weniger Säuglinge in Bezirkskrankenhäu­sern geimpft. Dem entgegen standen aber glaubensorientierte Gesundheits­einrichtungen: hier gab es einen Anstieg von 362,9% bei Säuglingsimpfungen. Insgesamt wird aber angegeben, dass sich der Streik negativ auf die betroffe­nen Impfdienste ausgewirkt hat (vgl. Njuguna 2018, S. 1283-1285).

Eine Verbesserung des Outcomes wurde bei chronisch psychisch erkrankten Menschen in Israel erkannt. Ihre Funktionalität (beispielsweise bezogen auf soziale Aktivitäten oder Verantwortung für andere Patienten) war während ei­nes Pflegestreiks signifikant höher (vgl. Sigal, Diamont et al. 1989, S. 410). In der Studie von Abdelkader und Macmillan (1990) konnte kein Unterschied in Bezug auf die Suizidalität, den Grad der Gewalt (bei der Aufnahme und wäh­rend des stationären Aufenthalts) von psychiatrischen Patienten in York (Eng­land) erkannt werden (vgl. Abdelkader und Macmillan 1990, S. 156).

1.6.5 Resümee und Limitationen der Literaturrecherche

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Pflegestreik nicht unbedingt negative Folgen für Patienten haben muss (wie gezeigt wurde, gibt es sogar positive Outcomes bei einem Pflegestreik) und es um unterschiedliche Forde­rungen der Pflegenden bei einem Streik geht. Trotzdem stehen Pflegende vor verschiedenen moralischen Hürden und dadurch vor inneren Konflikten, wenn sie in den Arbeitskampf ziehen (wollen).

Insgesamt ist die Professionsforschung zum Themengebiet Streik noch un- ausgereift. Es existieren nur wenige Studien, von denen den meisten auch nicht die höchste Evidenz zugewiesen werden kann. Die Studien wurden oft mit kleinen Fallzahlen durchgeführt oder es waren nur Fallstudien mit geringer Evidenz. Zudem sind viele der Studien schon einige Jahrzehnte alt. Fraglich ist hier, wie sich beispielsweise die Profession und die Sicht der Pflegenden auf sich selbst gewandelt hat. Zudem sind die Arbeitsbedingungen heute im Vergleich zur damaligen Zeit anders. Die Fortschritte in der Pflege und Medizin haben die Arbeit natürlich auch verändert.

Studien zu deutschen Krankenpflegern und Streik wurden nicht gefunden. Die Frage ist, ob Krankenpfleger in Deutschland ein Dilemma erfahren und ob es sie wirklich davon abhält zu streiken. Es ist vorstellbar, dass deutsche Pflege­kräfte ähnliche Konflikte wie ihre internationalen Kollegen aus den vorgestell­ten Studien verspüren, wenn sie streiken wollen und ihre Patienten „alleine" lassen. Allerdings sind soziale und kulturelle Unterschiede zwischen den Län­dern der vorgestellten Studie vorhanden. Zudem kommt, dass das Gesund­heitssystem, die Gewerkschaften und die Gesetze in Deutschland anders ge­staltet sind als beispielsweise in Kanada, Polen oder Südafrika. Deshalb kön­nen die Ergebnisse aus den verschiedenen Ländern eventuell nicht eins zu eins auf die deutsche Pflege übertragen werden.

1.7 Die Forschungsfrage

Nach Recherche von relevanter Fachliteratur zur Thematik in Bibliotheken und den gängigen Forschungsdatenbanken, konnten Eindrücke über den aktuellen Forschungsstand gewonnen werden. Daraus ergab sich die Fragestellung für diese Forschungsarbeit:

Welche Aspekte nehmen Einfluss auf die Streikbeteiligung professionell Pflegender an deutschen Krankenhäusern?

Aufgrund der Komplexität der Thematik wurden drei Arbeitshypothesen erar­beitet, um die Aspekte, die einen potenziellen Einfluss auf die Teilnahme an einem Streik haben, zu konkretisieren und zu kategorisieren.

Hypothese 1:

Die Streikbeteiligung bei professionell Pflegenden ist niedrig, da es verschiedene moralische Bedenken im Zusammenhang mit ihrer Arbeit gibt.

Hypothese 2:

Die Streikbeteiligung von professionell Pflegenden ist deshalb so gering, da sie andere Institutionen in der Verantwortung der Arbeitsbedingungen sehen.

Hypothese 3:

Die Streikbeteiligung professionell Pflegender ist deshalb so niedrig, weil sie von der Arbeit der Gewerkschaft nicht überzeugt sind.

2 Methodik

Im Folgenden wird das methodische Vorgehen des empirischen Teils der Ar­beit beschrieben. Nach Brandenburg und Schrems (2018) sind Methoden „[...] Methoden sind also in erster Linie Systeme von Regeln, nach denen in transparenter Weise vorgegangen werden soll und die auch die Nutzung be­stimmter Werkzeuge, Verfahren etc. implizieren.“ (Brandenburg und Schrems 2018, S. 26).

Die notwendige Planung, Durchführung und Auswertung eines Forschungs­vorhabens müssen methodisch geleitet sein.

2.1 Ethische Aspekte

Jedes Forschungsvorhaben kann potenziell ethisch bedenkliche Aspekte be­inhalten. Deshalb ist es unerlässlich, vor jeder Untersuchung ebendiese As­pekte zu betrachten und gegebenenfalls zu intervenieren, um die Teilnehmer vor einem möglichen Schaden zu bewahren. Nach Hopf (2016) sind mit dem Wort Forschungsethik alle Grundsätze gemeint, die die Beziehung zwischen dem Forscher und den Teilnehmern der Studie regeln und gestalten sollen. Immer wieder auftretende Fragen, neben dem Prinzip der informierten Einwil­ligung, (also, dass die Teilnehmer über die Vorgehensweise und Absichten der jeweiligen Forschung möglichst ausführlich informiert werden) (vgl. Hopf 2016, S.195-197) sind dabei beispielsweise:

„[...] die Frage nach der Freiwilligkeit der Teilnahme an Untersuchungen, die Frage nach der Absicherung von Anonymitäts- und Vertraulichkeitszusagen, die Frage nach der Vermeidung von Schädigungen derer, die in Untersuchun­gen einbezogen werden (...)“ (ebd. S. 206)

Zuerst wurden die Teilnehmer mündlich bei der Rekrutierung und vor dem Be­ginn des Interviews über das Ziel, die Vorgehensweise, den Datenschutz und die Methoden der Arbeit aufgeklärt. Die Teilnehmer wussten, dass die Gesprä­che aufgezeichnet werden. Die Teilnehmer erhielten circa 5 Tage vor dem In­terview ein Informationsschreiben mit diesen Angaben (siehe Anhang 1). In diesem Zeitraum hatten die Teilnehmer Zeit, Fragen zu stellen. Ebenso wurde vor dem Interview nochmals erfragt, ob es Unklarheiten gibt. Den Teilnehmern wurde zudem mitgeteilt, dass die Teilnahme freiwillig ist und ein Abbruch des Interviews jederzeit ohne die Angabe von Gründen und ohne die Befürchtung von Konsequenzen möglich ist. Jeder Beteiligte unterschrieb eine Einver­ständniserklärung zur Teilnahme am Projekt (siehe Anhang 2).

Den Teilnehmern wurde schriftlich (siehe Anhang 1) und mündlich mitgeteilt, dass die Teilnahme an dem Interview anonym stattfindet und die erhobenen Daten vertraulich behandelt werden. Die Teilnehmer wurden informiert, dass nach dem Transkribieren der Interviews, die Aufnahmen gelöscht und die Ein­verständniserklärungen vernichtet werden. Somit ist es nicht mehr möglich, Rückschlüsse auf die jeweiligen Personen zu ziehen. Orte, Namen oder der­gleichen, die einen Rückschluss möglich gemacht hätten, wurden anonymi­siert. Die Interviewteilnehmer können ihren Beitrag erkennen, da jedem Teil­nehmer eine Nummer (Interview 1 bis 5) zugeordnet wurde, die nur ihnen und dem Forscher bekannt ist.

Zu Beginn des Projekts wurde anhand der Checkliste „Fragen zur ethischen Reflexion" der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaften e.V. (2017) (siehe Anhang 3) das Schaden-Nutzen-Prinzip abgeschätzt (siehe Anhang 3) (vgl. Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaften e.V. 2017, o. S.). Für dieses Forschungsprojekt wurde eine potenzielle Schädigung der Teilnehmer als nicht vorhanden, respektive äußerst gering eingeschätzt.

2.2 Samplingverfahren und der Zugang zum Feld

Nach Mayring (2016) soll die Grundgesamtheit, die beforscht werden soll, ge­nau definiert sein. Des Weiteren soll der Umfang der Stichprobe repräsentativ gewählt und auch nach ökonomischen Überlegungen gewählt werden. Die Auswahl soll nach einem bestimmten Modell ablaufen, wie beispielsweise die reine Zufallsauswahl (vgl. Mayring 2016, S. 55). Da diese Abschlussarbeit zum Thema Streik alle professionell Pflegenden in einem Krankenhaus beinhaltet, wurden als Grundgesamtheit diejenigen Pfleger definiert, die in einem Kran­kenhaus arbeiten und eine Ausbildung in der Krankenpflege abgeschlossen haben. Hierfür wurden nur Pfleger aus dem Universitätsklinikum Augsburg re­krutiert. Hinsichtlich der Fachabteilung, der Anzahl der Berufsjahre, einem akademischen Hintergrund, des Alters oder des Geschlechts gab es keinerlei Einschränkungen. Ausgeschlossen wurden Pflegende, die nicht seit mindes­tens 2018 im Klinikum beschäftigt sind, sowie Auszubildende und Führungs­personal. Von acht Anfragen sagten fünf Pfleger aus dem Universitätsklinikum Augsburg zu. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte durch eine zufällige Rekru­tierung im persönlichen Umfeld des Forschers.

2.3 Die Stichprobe

Insgesamt wurden fünf Krankenpfleger interviewt. Davon waren drei männlich und zwei weiblich. Das Alter reichte von 24 bis 31 Jahre, die Berufserfahrung von einem bis zu sechs Jahren. Alle Teilnehmenden sind und waren, zum Zeit­punkt des Streiks am Klinikum Augsburg 2018, Angestellte des Klinikums. Die soziodemographischen Daten werden im Ergebnisteil genauer beschrieben. Dieses Sample entstand zufällig aus der Rekrutierung von acht potenziellen Teilnehmern.

Die Stichprobe kann als heterogen hinsichtlich der Fachbereiche und des Ge­schlechts bezeichnet werden. Lediglich beim Alter und den Jahren der Berufs­erfahrung gibt es ein potenzielles Bias, da mehr junge Kollegen mit weniger Jahren Berufserfahrung an der Befragung teilgenommen hatten und die älte­ren Kollegen ablehnend bei der Rekrutierung wirkten und schlussendlich nicht an der Forschung teilnahmen (vgl. Kruse 2015, S. 241 - 242).

2.4 Erhebungsinstrument: strukturiertes Leitfadeninterview

Für die Erhebung der Daten wurde das problemzentrierte, strukturierte Leitfa­deninterview gewählt, damit die Befragten möglichst frei, aber zentriert auf die Problemstellung, die der Forschende analysieren möchte, zu Wort kommen können (vgl. Mayring 2016, S. 67).

2.4.1 Gestaltung des Interviewleitfadens

Um das Leitfadeninterview auszuarbeiten, wurde sich des SPSS-Verfahrens von Helfferich bedient, welches in vier zentrale Arbeitsprozesse gegliedert ist. Zuerst wurden in einem Brainstorming einige Fragen gesammelt. Anschlie­ßend wurden die Fragen auf ihre Eignung geprüft, ungeeignete Fragen wurden aussortiert. Sodann wurden die Fragen kategorisiert und abschließend in den Leitfaden subsumiert und unter den drei Arbeitshypothesen eingeordnet (siehe Anhang 6) (vgl. Kruse 2015, S. 228).

Der Aufbau des Interviewleitfadens erfolgte nach einem bestimmten (Struktur) -Prinzip, um eine möglichst flexible beziehungsweise dynamische Offenheit und gleichzeitig eine gewisse Strukturierung zu erzielen. Zuerst wurde mit ei­nem Stimulus respektive einer Leitfrage begonnen, die das thematische Feld offen beginnen und dem Befragten eine Möglichkeit bieten sollte, sich der Thematik selbst zu eröffnen. Im nächsten Block befinden sich die inhaltlichen Aspekte. Hier kann der Forscher die Topics sehen, deren Inhalte er sich von den Fragen erwünscht. Im dritten Block befinden sich Aufrechterhaltungsfra­gen, die den Interviewten zu weiteren, eventuell detaillierteren Aussagen be­wegen sollen. Im vierten Block erfolgen die konkreten Nachfragen zu den er­wünschten Topics, um diese stärker zu steuern und zu strukturieren. Diese wurden zum größten Teil auch offen formuliert (vgl. ebd. S. 212-213).

Alle Fragen wurden einzeln mit Hilfe des Fragen-Bewertungssystems von Faulbaum, Prüfer et al. (2009) systematisch evaluiert und auf mögliche Unver­ständlichkeiten überprüft (vgl. Faulbaum, Prüfer et al. 2009, S. 111-221). Hier wurden keinerlei Auffälligkeiten oder Schwierigkeiten festgestellt.

Das Interview wurde mit zwei Warm Up Fragen begonnen. Diese hatten aller­dings nur indirekt einen Bezug auf das Thema. Mit diesen beiden Fragen sollte die Einstellung der Interviewpartner in Bezug auf ihre Arbeit und was diese für sie bedeutet, geklärt werden. Mit Hilfe der Antworten wird versucht, eine mög­liche Korrelation zwischen den Gründen für die Berufswahl, der Bedeutung des Berufes und der Einstellung zum Streik herzustellen. Daraufhin folgten zehn offene Fragen, die den drei vorgestellten Arbeitshypothesen untergeord­net waren. Abschließend wurden die Teilnehmer noch gefragt, ob sie selbst etwas ansprechen würden, was noch nicht thematisiert wurde (siehe Anhang 6).

Vor den Interviews wurden Vorabfragebögen ausgeteilt, um neben soziode- mographischen Daten die Zugehörigkeit zur Gewerkschaft und die Meinung zu den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung in der Pflege zu erfahren (siehe Anhang 4). Diese Daten wurden erhoben, um eventuelle Zusammen­hänge zwischen den erfragten Daten und dem Antwortverhalten zu erschlie­ßen.

2.4.2 Analyse der Entstehungssituation

Nach Mayring (2015) soll exakt beschrieben werden, wie, von wem und unter welchen Umständen das Material produziert wurde. Von Interesse sind vor al­lem der Forscher und die Befragten, der gefühlsmäßige und kognitive Hand­lungshintergrund des Forschers, die Zielgruppe sowie die Situation beim Erstellen des Materials und der soziokulturelle Hintergrund (vgl. Mayring 2015, S. 55). Die Befragung wurde im Rahmen einer Abschlussarbeit zum Erlangen des Grades „Bachelor of Science“ im Studiengang „Pflege Dual" der Hochschule München durchgeführt.

Bei den durchgeführten Gesprächen handelt es sich um strukturierte Leitfa­deninterviews. Die Reihenfolge der Fragen konnte innerhalb der gebildeten Arbeitshypothesen variieren, außerhalb dieser wurde die Reihenfolge und die Formulierung aber strikt eingehalten. Die Fragen wurden offen formuliert, um eine möglichst offene Antwort von den Teilnehmern zu erhalten.

Die Interviews wurden mit einem Mikrophon aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Alle Interviews wurden beim Forscher zuhause geführt. Dies wurde in der Nähe zum Arbeitsplatz begründet. Dadurch konnten die Teilneh­mer vor oder nach der Arbeit vorbeikommen, um an den Interviews teilzuneh­men und mussten sich nicht extra Zeit an einem ihrer freien Tage nehmen. Allen Teilnehmern wurde ein Getränk ihrer Wahl spendiert, um eine gewisse Gegenseitigkeit herzustellen und Dank an der Teilnahme auszudrücken. Die Interviews wurden von Anfang August 2020 bis Anfang September 2020 durchgeführt. Alle Interviews fanden zu zweit, also zwischen dem Forscher und den Befragten statt. Anfänglich wurden der Vorabfragebogen und die Ein­verständniserklärung ausgehändigt und die Teilnehmer nochmals über die Freiwilligkeit und das Projekt aufgeklärt. Die zeitliche Dauer der Interviews va­riierte zwischen 16 und 35 Minuten, im Durchschnitt 23,6 Minuten. Die Teil­nehmer wurden vor dem Interview gebeten, ihre Mobilfunkgeräte auszuschal­ten. Störungen gab es zwei, einmal flog ein Helikopter vorbei, ein anderes Mal fiel das Mikrophon um. Abgesehen davon gab es keine Unterbrechungen.

Alle Interviews wurden vom Forscher durchgeführt und anschließend transkri­biert. Die Transkription erfolgte direkt nach dem Führen des letzten Interviews innerhalb der ersten Septemberwoche 2020. Aus Zeit- und Kostengründen wurde das Transkript nicht nochmals durch- oder gegengelesen.

2.5 Auswertungsverfahren

Im Folgenden wird das Vorgehen bei der Auswertung der Interviewaufnahmen detailliert beschrieben.

2.5.1 Transkription

Die Transkription der Interviews erfolgte mit dem Programm MAXQDA. Beim Transkribieren wurden in Anlehnung an die Regeln von Rädiker und Kuckartz (2019) für die computergestützte Auswertung von qualitativen Inhalten gear­beitet. Für die vorliegenden Interviews wurde sich für ein einfaches Transkrip­tionssystem entschieden, dass im Folgenden vorgestellt wird.

Jeder Beitrag von Forscher oder Teilnehmer wurde als eigener Absatz transkribiert und mit einer Leerzeile vom Gegenpart getrennt. Die Absätze wur­den durch fett geschriebene Kürzel gekennzeichnet. Für den Interviewer gab es das Kürzel „I:" und für die Interviewpartner die Kürzel „B1-5".

Es wurde wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfas­send. Dialekte wurden ins Hochdeutsch übersetzt. Die Sprache und Interpunk­tion wurden leicht geglättet und an das Schriftdeutsch angepasst. Die Ver- schleifungen wurden mit einem „=" vor dem Wort versehen. So wurde bei­spielsweise aus „Das is" ^ „Das =ist". Die Wortstellung oder Grammatikfehler wurden beibehalten. Bei Formulierungshemmungen oder Drucksen wurde ein „(h)" eingefügt.

Wortabbrüche wurden mit Bindestrich gekennzeichnet, also beispielsweise „Pflegenot-", Satzabbrüche mit einem „/", also „wenn ich/ wenn wir...".

Kurze Pausen wurden mit „(.)" gekennzeichnet, längere Pausen mit „(..)". Wenn Wörter oder Sätze besonders betont wurden, wurden diese unterstri­chen, zum Beispiel: „Pflegenotstand“.

Kurze Wörter wie beispielsweise „Genau", „Ja" oder „Nein" wurden in Klam­mern mit dem jeweiligen Kürzel in den Sprechbeitrag eingefügt, Lautäußerun­gen wie „Aha" oder „Mhm" wurden nicht transkribiert, außer sie haben den Redefluss der anderen Person gestört oder sie wurden vor einer längeren Pause beim Sprechen geäußert. Bei Unterbrechungen von außen, wie bei­spielsweise Handyklingeln, wurde die Störquelle in Klammern „(Geräusch)" dargestellt. Lautäußerungen wie lachen etc. wurde in Klammern dargestellt „(lacht)". Wenn Passagen nicht verständlich waren, wurden diese mit „(unv.) kenntlich gemacht.

Alle Orte (außer natürlich, wenn das Klinikum Augsburg genannt wurde) wur­den anonymisiert mit „[Ort]", damit kein Rückschluss auf die betreffende Per­son möglich ist (vgl. Rädiker und Kuckartz 2019, S. 44-45) (siehe Anhang 5).

Im Transkript befinden sich die Zeilennummer links, und die Zeitmarken nach dem Kennzeichen des Sprechers.

2.5.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring

Die Auswertung der Daten erfolgte nach Standard der Hochschule München für angewandte Sozialwissenschaften mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015). Dieser unterscheidet zwischen drei verschiedenen Grundfor­men der Analyse: Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung. Für die vorliegende Forschungsarbeit wurde die zusammenfassende Inhaltsanalyse, mit einer induktiven Kategorienbildung aus dem Material heraus, gewählt, da bisher nur wenig Forschung zur Thematik Streik (speziell bei Krankenpflegern in deutschen Kliniken) existiert (vgl. Mayring 2015, S. 67-79).

Nach der Bestimmung der Analysetechnik wird das Ablaufmodell festgelegt (vgl. ebd. S. 62). Hier wurde das Ablaufmodell der zusammenfassenden In­haltsanalyse (siehe Anhang 7) gewählt. Anschließend werden die Analyseein­heiten definiert. Die Kodiereinheit soll festlegen, welches der kleinste Bestand­teil aus den Interviews sein darf, der unter eine Kategorie fällt. Hier ist die Ent­scheidung auf ein einzelnes Wort gefallen. Die Kontexteinheit legt fest, wel­cher Bestandteil der einzelnen Interviews unter eine Kategorie fallen kann. Hier wurde sich für mehrere Sätze, die eine vollständige, sinnbildende Antwort formieren, entschieden. Die Auswertungseinheit soll festlegen, welche Teile aus dem Text jeweils nacheinander ausgewertet werden. Besonderheit bei der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ist, dass die Auswertungs- und Kontext­einheit zusammengefasst werden, da im ersten Durchgang der Reduktion das einzelne Interview, im zweiten Durchgang die Ergebnisse aller Interviews zu­sammenfallen (vgl. ebd. S. 61, 73).

Nach Bestimmung der Analyseeinheiten erfolgen die Vier-Z-Regeln (siehe An­hang 8). Die vier Schritte sind die Paraphrasierung, bei der alles gestrichen wird, was nicht inhaltstragend ist. Bei der Generalisierung werden alle Para­phrasen auf das angestrebte Abstraktionsniveau gehoben. Bei der ersten Re­duktion und abschließend der zweiten Reduktion werden bedeutungsgleiche Paraphrasen gestrichen und ähnliche zusammengefasst (vgl. ebd. S. 72). An­schließend an die Vier-Z-Regel werden die neuen Aussagen zusammenge­stellt und in Kategorien (in dieser Arbeit die Unterkategorien) sortiert (vgl. ebd. S. 70). Am Ende werden aus diesen gebündelten Reduktionen die Unterkate­gorien erstellt und anschließend mit dem Ausgangsmaterial (den Transkripten) verglichen (vgl. ebd. S. 85).

Die Auswertung wurde mit Hilfe des Programms MAXQDA und Excel vorge­nommen. Im Anhang 9 ist exemplarisch die Auswertung einer Kategorie mit zwei Reduktionsschritten abgebildet.

3 Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Es wurden insgesamt 12 Oberkategorien aus dem Fragenkatalog entworfen, die induktiv durch 34 gebildete Unterkategorien verfeinert wurden (siehe An­hang 10).

Nach Durcharbeit des gesamten Materials wurde die Oberkategorie Verände­rung in die Kategorie Verantwortung subsumiert. Dadurch entstand die Kate­gorie Verantwortung und Veränderung. Die Oberkategorie Anliegen der Be­fragten wurde induktiv aus dem Text abgeleitet.

Alle Unterkategorien wurden induktiv aus dem Text herausgebildet, da keiner­lei (deutsche) Forschung vorhanden ist, respektive in der Literaturrecherche gefunden wurde.

Die deduktiv und induktiv gebildeten Unterkategorien erscheinen nicht in allen Gesprächen, da teilweise sehr individuelle und facettenreiche Antworten ge­geben wurden, die beispielsweise nur auf eine der befragten Personen zutref­fen können. Ebenso folgt die Darstellung der Ergebnisse keiner Gewichtung der Antworten. Die Ergebnisse werden anhand der Reihenfolge der Fragen, in Ober- und Unterkategorie geordnet, wiedergegeben.

Zitate der interviewten Personen sollen das Material veranschaulichen.

3.1 Soziodemographische Daten aus dem Vorabfragebogen

Im Folgenden werden die Daten, die aus den Vorabfragebogen extrahiert wur­den, vorgestellt. Diese erhobenen Daten sind nicht repräsentativ für alle Pfle­genden zu sehen, sondern stellen nur die fünf Teilnehmer des empirischen Vorhabens dar. Es wurde auf das Erstellen eines Profils der Teilnehmer ver­zichtet, da anhand der verschiedenen soziodemographischen Daten eventuell Rückschlüsse auf die jeweiligen Personen gezogen werden könnten.

Es wurden insgesamt fünf Pflegekräfte für dieses Forschungsvorhaben be­fragt. Drei davon waren männlich, zwei weiblich. Das Alter variierte zwischen 23 und 32 Jahren (Mittelwert bei 26,8 Jahren, Median bei 24).

Bei den Jahren der Berufserfahrung wurde die Ausbildung nicht mitgewertet. Berufserfahrung als Pflegehelfer mit abgeschlossener Ausbildung wurde aber darunter gezählt. Die Anzahl der Jahre an Berufserfahrung lag zwischen ei­nem und sechs Jahren. Der Mittelwert liegt bei 2,6 Jahren, der Median bei zwei.

Alle fünf Befragten arbeiten in unterschiedlichen Abteilungen wie: der Notauf­nahme, der Unfallchirurgie, der operativen Intensivstation, der Gynäkologie und Urologie und der Herz-Thorax-Chirurgie.

Von den fünf Befragten waren drei (60%) zum Zeitpunkt der Befragung in kei­ner Gewerkschaft. Zwei davon, also 40 Prozent waren in einer Gewerkschaft, davon ein Befragter bei ver.di und ein anderer Befragter beim neu gegründe­ten Bochumer Bund.

Die Frage: „Wie empfindest du die Arbeitsbedingungen insgesamt in der Pflege“ wurde von zwei Befragten mit „Eher schlecht", ebenfalls von zwei Be­fragten mit „Neutral" und von einem Befragten mit „Eher gut" beantwortet.

Die Frage „Wie empfindest du die Bezahlung in der Pflege?" wurde von jeweils zwei Befragten mit „Eher schlecht" und „Neutral" beantwortet, von einem Be­fragten mit „Schlecht".

Die Frage „Wie empfindest du die Personalausstattung in der Pflege“ wurde von jeweils zwei Befragten mit „Schlecht" und „Eher schlecht" und einmal mit „Neutral" beantwortet.

Die Frage „Findest du, dass sich in der Pflege in Bezug auf die Arbeitsbedin­gungen etwas ändern muss?“ wurde von allen Befragten mit „Ja" beantwortet.

3.2 Entscheidung für die Pflege

Die Oberkategorie Entscheidung für die Pflege beschäftigt sich mit den Be­weggründen der Befragten, wie sie zu einem Beruf in der Pflege gekommen sind. Diese vorab festgelegte Oberkategorie wurde induktiv durch zwei Unter­kategorien Pflege nicht als erste Wahl und Praktikum/Zivildienst erweitert.

Pflege nicht als erste Wahl

Einer der fünf befragten Pflegekräfte gibt an, dass die Pflege nicht die erste Wahl war. Das Studium der Pflege wurde gewählt, da eine gewisse Nähe zum Studium der Medizin vorhanden ist, was ursprünglich von dem Befragten ge­wünscht war.

„Ich wollte eigentlich Medizin studieren, (..) hatte aber den Numerus clausus nicht (..)...“ (Interview 1, Z. 5-6), „Und da habe ich dann halt eben =gesagt, ja ich suche =einen Beruf, beziehungsweise ein Studium, das eben Medizin sehr ähnlich ist. (..) Und dann hat die gesagt, ja es gibt übrigens ein Studium fü- in der Pflege und das wusste ich gar nicht. Und dann =habe ich gesagt ok, ja, das kommt ja dem so am =nächsten sag ich jetzt mal (..). Und dann bin ich in die Ausbildung und das Studium gekommen.“ (Interview 1, Z. 9-14).

Praktikum/ Zivildienst

Drei der fünf Befragten geben an, über ein Praktikum in die Pflege gekommen zu sein

„Ich habe mich für den Beruf der Pflege entschieden, weil (..) es war eigentlich eher ein Zufall, durch ein Praktikum. (.) Ich generell gern mit Menschen arbeite und (.) ja durch das Praktikum bin ich eigentlich =darauf gekommen.“ (Interview 2, Z. 3-6).

Einer der Befragten ist über den Zivildienst an den Beruf gelangt

„Und dann bin ich durch Zufall, durch den Zivildienst in das Krankenhausset- ting gekommen. =Habe dort ein Jahr gearbeitet, das hat mir dann so gut ge­fallen, dass ich mich dann während dem Jahr dazu entschieden =habe, (.) danach, gleich im Anschluss die Ausbildung zu machen. (.) Genau.“ (Interview 4, Z. 5-9).

Wie aus den zitierten Antworten auch zu entnehmen ist, wird von zwei Befrag­ten erwähnt, dass die Wahl eher zufällig war. Ein weiterer Grund ist der Aspekt, dass die Arbeit mit Menschen im Praktikum gefallen hat.

3.3 Bedeutung des Berufes

Die Oberkategorie „Bedeutung des Berufes“ beschäftigt sich mit der individu­ellen Bedeutung für die Befragten, Krankenpfleger zu sein. Es wurden induktiv drei Unterkategorien gebildet, Menschen helfen, Allgemein und Bedeutung der Pflege in der Öffentlichkeit.

Menschen helfen

Drei der fünf Befragten geben an, dass für sie die Bedeutung Krankenpfleger zu sein darin liegt, anderen Menschen zu helfen „Also, dass was immer so jeder sagt so, klar, Menschen helfen (..).“ (Interview 1, Z. 16-17).

Ein weiterer angesprochener Aspekt ist, Verantwortung zu übernehmen und auch den Aspekt der Gesundheitspflege zu wahren

„Was noch (..) Verantwortung übernehmen (.). Für die Sorgen der Patienten da sein, sich vielleicht nicht nur auf die Krankheit zu fokussieren, sondern auch auf die Gesundheit (..) genau." (Interview 1, Z. 17-19).

Eine weitere Bedeutung wird darin gesehen, dass in den verschiedenen Fach­bereichen entweder der Genesungs- oder Sterbeprozess begleitet wird „(...) der Menschen hilft und den Genesungsprozess begleitet oder auch den Sterbeprozess. Je nachdem welche Abteilung." (Interview 4, Z. 18-20).

Allgemein

Für zwei der fünf Befragten ist die Pflege in erster Linie ein (hochprofessionel­ler) Beruf mit einer anerkannten Berufsbezeichnung.

„Genau. Aber Krankenpfleger ist trotzdem ein Beruf, der für mich, ein hoch­professioneller Beruf ist, (...)" (Interview 4, Z. 17-18).

Von zwei Befragten wird ebenfalls die allgemeine Freude an der Arbeit ge­nannt. Zudem beschreibt ein Pfleger, dass es, aufgrund der Arbeitsbedingun­gen und dem Ankämpfen gegen unflexible Strukturen, ein anstrengender Be­ruf ist „Es (.) bedeutet für mich einerseits, ein gutes Gefühl bei der Arbeit zu haben, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber auch sehr/ ein Beruf der sehr an =den Kräften zehrt. Einerseits durch Arbeitsbedingungen, Schichtdienst, solchen Sachen. Aber auch durch ankämpfen gegen vollkommen unflexible Strukturen. Also man (.) redet gefühlt gegen =eine Wand, wenn man Miss­stände ansprechen möchte, oder was ändern möchte. Dann hat man das Ge­fühl es gibt/ man hat gar keine Chance was zu verändern." (Interview 4, Z. 11­17).

Zwei der Pfleger geben an, dass die verschiedenen Facetten des Berufes für sie wichtig sind, wie beispielsweise die Teamarbeit, der soziale sowie medizi­nische Aspekt.

Bedeutung in der Öffentlichkeit

Ein Befragter beschreibt, neben der Bedeutung des Berufes für sich, noch seine persönliche Annahme über die Bedeutung des Berufs „Krankenpfleger" aus Sicht der Öffentlichkeit. Nach den Angaben des Befragten wird die Pflege in der Öffentlichkeit nicht als hochprofessionell angesehen, sondern als ein Dienstleister, der nicht selbstständig agiert. Die Wertschätzung der Öffentlich­keit bezieht sich nur auf den sozialen Aspekt, nicht auf die hohen (intellektuel­len) Anforderungen des Berufs

„Und (.) der eigentlich eine/ ein hochprofessionelles Bild ist, oder Beruf ist, welcher aber nicht in der Öffentlichkeit so anerkannt wird. In der Öffentlichkeit sind wir eher ein (..) Dienstleistungsberuf, der eher die/ das ausführt, oder so ist das öffentliche Bild, der =das ausführt, was die Ärzte einem sagen und nicht eigenständig (.) hochprofessionell arbeitet, sondern eher zuarbeitet. Und diese Wertschätzung, die von der Öffentlichkeit kommt, bezieht sich eher auf das wie toll das ist, dass es/ jemand einen sozialen Beruf ausübt, aber man sieht dann nicht, die hohen Anforderungen. Also man hat nicht die Wertschät­zung wie beim ärztlichen Personal mit, das müssen ja intellektuelle Leute sein, weil die mü- haben 1,0 Abitur, haben 7 Jahre studiert. Sondern es beruft sich rein auf das (.) Soziale. Also, dass wir/ manchmal hat man auch das Gefühl, wir sind halt die Naiven, die das noch machen. Überhaupt, so." (Interview 4, Z. 20-31).

3.4 Einstellung zu Streik

Die folgende Oberkategorie beschäftigt sich mit den grundlegenden Einstel­lungen der Befragten zum Thema Streik. Es wurden induktiv drei Unterkate­gorien gebildet, die die Einstellungen einteilen, Positiv/ Chancen, Neutral und Negativ/ Bedenken.

Positiv/ Chancen

Hervorzuheben ist, dass alle fünf Befragten positive Aspekte in einem Streik sehen. Grundsätzlich positiv sehen ihn drei der Pfleger „Also ich denk mir, es ist gut, dass es Leute gibt, die sich dafür einsetzen (..) sowas muss es immer geben, wird es auch immer geben, ist ja auch gut so." (Interview 1, Z. 26-27). „(.) Das finde ich gut. Das würde ich unterstützen.“ (Interview 5, Z. 13).

Wie aus dem letzten Zitat zu entnehmen ist, wird von einem Pflegenden der Streik direkt unterstützt. Ein anderer Pflegender beschreibt, dass er die Idee unterstützt und damit diejenigen, die streiken gehen wollen „Ich denk mir da eher so, klar wer was machen will wieso nicht. Ein bisschen muss man sich ja aufmerksam machen.“ (Interview 3, Z. 30-31).

Drei der Befragten geben an, dass der Streik ein notwendiges, respektive gu­tes Druckmittel ist, um den Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber Gewicht zu verleihen „(...) =sind Streiks halt das Mittel der Wahl der Gewerkschaften, um halt ein gutes Druckmittel zu haben.“ (Interview 4, Z. 57-58).

Einer der Befragten betont, dass es für die Pflege Chancen geben und etwas vorangebracht werden muss „Ja es muss ja eigentlich =eine Chance für die Pflege geben, weil Streik/ man darf/ man muss ja auch Streiken, um irgendwas voranzubringen. (.) Ja, klar, Chancen wären halt mehr Personal, bessere Bezahlung (.) =ein besserer Personalschlüssel geht ja damit einher. Ja.“ (Interview 2, Z. 41-44).

Neutral

Vier der Befragten treffen eher neutrale Aussagen. Einer der Befragten gibt zum Beispiel an, sich über das eigene Engagement im Falle eines Streiks un­sicher zu sein „Persönlich würde ich jetzt nicht wissen, ob ich mich da jetzt selber enga- engagieren würde." (Interview 1, Z. 28-29).

Ein anderer gibt an, dass seine Einstellung Streiks gegenüber grundsätzlich neutral ist und er nicht über einen Streik nachdenkt „Mir geht da =gar nix durch den Kopf (...) (Interview 3, Z. 24-25).

Einer der Befragten erzählt, für ihn sei das Wissen über und die Identifikation mit den Forderungen bei einem Streik sehr wichtig „Erstmal (.) ist es glaub ich wichtig zu wissen was genau gefordert wird. Man hat ja in der Vergangenheit auch Situationen gehabt, wo es nicht um das Geld ging. Sondern, rein/ zum Beispiel nur um die Verbesserung der Arbeitsbedin­gungen, also ist es schon mal wichtig, sind die Forderungen so, dass ich mich damit identifizieren kann und dass ich dafür auch streiken gehen würde." (In­terview 4, Z. 34-38).

Einer der Befragten thematisiert, dass er keine Bedenken hinsichtlich eines Streiks hat, wenn die Versorgung der Patienten gewährleistet ist „Also soweit die normale Versorgung der Patienten gewährleistet ist, habe ich da keine Bedenken. (Interview 5, Z. 21-24).

Negativ/ Bedenken

Einer der Befragten gibt an, dass ein Streik nichts bewirkt, da die Notbeset­zung das System dennoch am Laufen hält. Die Politik nimmt den Streik nicht ernst und reagiert nicht „Die Politik =nimmt das zwar wahr, aber es hat keinen Zweck. Es ist ja immer Notbesetzung da oder sowas und dann läuft das (...)" (Interview 3, Z. 28-29), „Weil es (h) es =ist/ es bringt einfach nichts. Es ist/ es bringt nichts. Die Politik, die lacht sich den Arsch ab. So." (Interview 3, Z. 36-37).

Zwei Pflegekräfte äußern Bedenken. Ein Pflegender gibt an, dass es durch Streiks möglicherweise zu einer höheren Arbeitsbelastung der Kollegen kommt „Also vielleicht, höhere Arbeitsbelastungen für die anderen, die nicht strei­ken?" (Interview 1, Z. 34-35).

[...]

Fin de l'extrait de 159 pages

Résumé des informations

Titre
Einflüsse der professionell Pflegenden an deutschen Krankenhäusern. Rechtliche, moralische und ethische Aspekte
Université
Munich University of Applied Sciences
Note
2,0
Auteur
Année
2020
Pages
159
N° de catalogue
V1022824
ISBN (ebook)
9783346458087
ISBN (Livre)
9783346458094
Langue
allemand
Mots clés
Pflege, Streik, Arbeitskampf, Krankenhaus, Streikbeteiligung, verdi, ver.di, Bochumer Bund der Pflegenden, Krankenpflege, Tarif, Tarifvertrag, Gewerkschaft
Citation du texte
Lucas Fehr (Auteur), 2020, Einflüsse der professionell Pflegenden an deutschen Krankenhäusern. Rechtliche, moralische und ethische Aspekte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1022824

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