Verteilung der Geschlechter-Rollen im öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehen

Eine Analyse der ZDF-Sendung PUR+


Forschungsarbeit, 2020

48 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Einleitung

1 Die dispositive Struktur der Medien
1.1 Die Medien modellieren den Menschen als kulturelles Wesen
1.2 Unterscheidung „Geschlecht“ und „Gender“ - Geschlechterdifferenz
1.3 Mannlichkeit und Weiblichkeit als kulturelle Konstruktionen

2 Die Geschlechterverteilung im Kinderfernsehen
2.1 Die sexualisierte Darstellung von Madchen- und Frauenfiguren im fiktionalen Kinderfernsehen
2.2 Genderspezifische Charaktereigenschaften

3 Kinder und Medien
3.1 Mediensozialisation
3.2 Kinder als Fernsehrezipienten
3.3 Der Uses-and-Gratifications-Ansatz
3.4 Qualitat im Kinderfernsehen

4 Das Kinderfernsehprogramm im offentlich-rechtlichen Rundfunk
4.1 Die Entwicklungsgeschichte des Kinderfernsehens in Deutschland
4.2 Der Bildungsauftrag in Bezug auf den offentlich-rechtlichen... Kinderkanal KiKA
4.3 Kinderwissenssendungen
4.4 Vorstellung der Sendung PUR+

5 Methodisches Vorgehen
5.1 Grundgesamtheit und die Auswahl der Sendungen
5.2 Wahl der Forschungsmethode
5.3 Stand der Forschung und Hypothesenbildung
5.4 Entwicklung des Forschungsinstruments
5.5 Reliabilitat

6 Ergebnisse
6.1 Die Geschlechterverteilung unter den „Experten“ (Hypothese Nr. 1)
6.2 Treten weibliche Experten nur in „weiblichen“ Sendungen auf? (Hypothese Nr. 2)
6.3 Die Geschlechterverteilung unter den „Protagonisten“ (Hypothese Nr. 3)
6.4 Die Unterschiede im Redeanteil der Geschlechter (Hypothese Nr. 4)
6.5 Die Altersverteilung unter den Akteuren (Hypothese Nr. 5)
6.6 Unterbrechungen durch den Moderator in Bezug auf Weiblich- und Mannlichkeit (Hypothese Nr
6.7 Verweis auf den Expertenstatus (Hypothese Nr. 7)

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

„Manner erklaren im deutschen Kinderfernsehen (wie auch weltweit) Kindern die Welt" (Gotz 2014a: 52).

In ein Zeitalter, in dem emanzipative und sexualpolitische Bewegungen unser weltliches Verstandnis an vielen Stellen bereits nachhaltig gepragt haben und eine Frau, die sich als Feministin betitelt, langst keiner seltenen Randgruppe mehr angehort, scheint dieses Zitat von Maya Gotz sich nur schlecht einzufugen. Denn ware nicht insbesondere fur die junge Zielgruppe der Kinder ein modernes Rollenverstandnis und ein ausgewogenes Geschlechterverhaltnis in den Reihen der Journalisten, Moderatoren und samtlichen medialen Akteuren von groRtem Interesse? Umso relevanter ist die Auseinandersetzung mit ebendiesem Sachverhalt und die Frage, inwieweit gerade den offentlich- rechtlichen Medien und speziell dem Kinderfernsehen im Prozess des stetigen Wandels des Manner- und Frauenbegriffes, auch unter dem Aspekt der institutionellen Einfuhrung von Gleichheitsnormen eine Verantwortung zugesprochen werden sollte.

Der Forschungsteil dieser Arbeit bezieht sich auf ein im letzten Jahr absolviertes Praktikum beim offentlich-rechtlichen Sender ZDF, genauer in der Redaktion der Kinderwissenssendung PUR+. Unter Bezugnahme auf das weite Feld der Forschung rund um die Thematik Kinder und Medien soll sich hier genauer auf die Darstellung und Reprasentation von Geschlecht in der oben genannten Sendung bezogen werden. Dabei soll abschlieRend die folgende Forschungsfrage beantwortet werden:

Wie werden die Geschlechter in der offentlich-rechtlichen Sendung PUR+ im Laufe des Jahres 2018 dargestellt?

Der theoretische Teil der Arbeit beginnt mit einer Auseinandersetzung mit der Rolle der Medien als „Dispositiv" und geht weiter auf die Art und Weise der Beeinflussung ein, welche die Medien tagtaglich auf die moderne Gesellschaft veruben. Nach einer Abgrenzung der Begrifflichkeiten „Geschlecht" und „Gender" wird nachfolgend auf den Ist-Zustand des Geschlechterverhaltnisses im Kinderfernsehen eingegangen. Ein gleichzeitiger Blick auch auf die Zustande der Geschlechterverteilung und Stereotypisierung im fiktionalen Bereich lohnen, da daraus hervorgehende Defizite den Blick fur die zentralen Aufgaben des non-fiktionalen Kinderfernsehens, sowie fur Wissenssendungen scharfen.

Im darauffolgenden Kapitel wird sich genauer mit der Zielgruppe der Kinder befasst, indem neben dem Aspekt der „Mediensozialisation" auch die Besonderheiten von Kindern als Fernsehrezipienten untersucht werden. Nach einem Exkurs in die Rezeptionsforschung wird sich anschlieRend dem Qualitatsbegriff im Kinderfernsehen gewidmet.

Das letzte Kapitel im theoretischen Teil dieser Arbeit wird eingeleitet durch eine Skizzierung der Entwicklungsgeschichte des Kinderfernsehens, bevor sich auf die Eigenarten des offentlich-rechtlichen Fundaments des Kinderkanals bezogen und ein detaillierterer Blick auf den Bildungsauftrag geworfen wird. Es folgt nach einer Einfuhrung in das Fachgebiet der Kinderwissenssendungen die Vorstellung der untersuchten Sendung PUR + und damit das Schlagen der Brucke zum nachfolgend methodischen Teil dieser Praxisarbeit.

Durch Darlegen des methodischen Vorgehens soll hier zu Beginn der Forschungsprozess beschrieben werden, indem neben Auswahl der Untersuchungseinheit und der Wahl der Forschungsmethode auch der Stand der Forschung diskutiert wird, aus welchem anschlieRend sieben entsprechende Hypothesen abgeleitet werden. Nach Auseinandersetzung mit dem Codebuch und einem kurzen Abschnitt zur Reliabilitat folgt die Auswertung der erhobenen Daten. In sieben Unterkapiteln, die sich der Uberprufung je einer Hypothese widmen, werden so die Ergebnisse zusammengefasst. Abgerundet wird die Arbeit zuletzt durch ein bilanzierendes Fazit.

1 Die dispositive Struktur der Medien

Der Begriff des „Mediendispositivs" orientiert sich an den Theorien Michel Foucaults, der ein Dispositiv als „gesellschaftliche Konstruktion, die regelt, wie etwas wahrgenommen wird" definiert (Hickethier 2010: 186). Dabei ist ein wesentlicher Grundzug der Dispositive die Regulierung, beispielsweise in Hinblick auf gesellschaftliche Akzeptanz oder Ablehnung von Wissen, Wahrheit oder Sexualitat. Die Funktion des Dispositiv ist strategisch, Machtverhaltnisse werden aufrechterhalten und die Gesellschaft gesichert und durch die „Ausgrenzung der moglichen Irritationen stabilisiert" (ebd.: 186). Nach Erlauterung des Grundprinzips eines Dispositivs liegt die Annahme der Medien als dispositives Instrument nahe, die als eine solche Wahrnehmungsinstanz die Art und Weise wie die Gesellschaft ihre Umgebung erkennt und auffasst, beeinflusst.

Bei Blick auf die dispositive Struktur der Medien gilt der groRe Fokus dieses Ansatzes ublicherweise audiovisuellen Medien. Im Kern steht die Rolle, die die Medien in der Gesellschaft einnehmen: Statt „gesellschaftliches Befinden zu reprasentieren", konstruieren sie eine vollkommen eigene Realitat und wirken „normierend und disziplinierend" (ebd.: 198).

1.1 Die Medien modellieren den Menschen als kulturelles Wesen

Die Wege wie die Medien als Dispositiv den Menschen in seiner Wahrnehmung tagtaglich beeinflussen, lassen sich spezifischer als eine Haufung verschiedener Medieneffekte beschreiben.

So sind die Massenmedien verantwortlich fur eine neue Form des Zeitgefuhls, indem zyklische Zeitformen in lineare Programmstrukturen verpackt werden. Die Zeit wird normiert, Informationen gibt es nur in zeitlich begrenzten Einheiten und es etabliert sich eine notwendige, zeitliche Komprimierung von Vorgangen (Hickethier 2010: 231).

Daruber hinaus formiert sich durch die Medien eine immer starkere „Zeichenhaftigkeit von Welterfahrung", die vielfaltiger und schwerer zu durschauen ist und die sich zunehmend auch auf „hoch spezialisierte Wirklichkeitsfelder (Borse, soziale Systeme etc.)" bezieht (ebd.: 231f).

Die vom Zuschauer im Kino eingeubte Aufmerksamkeitsbindung an das zu rezipierende Medium, welche zum einen durch die physische Fixierung in Sitzreihen sowie durch die Abdunkelung des Saals stattfindet, zum anderen durch eine den Blick leitende Dramaturgie und Kamerafuhrung, fuhrt der Mensch automatisiert auch bei Nutzung von Fernsehen und Computer in hauslicher Umgebung weiter (ebd.: 232). Unter dem Stichwort der „Aufmerksamkeitssteuerung“ findet jedoch nicht nur eine dauerhafte Bindung der Aufmerksamkeit an das Medium statt, vielmehr werde eine Vielfalt von Reizen produziert, welche zu „standiger Ablenkung, Zerstreuung und Destruktion“ auf Seiten des Zuschauers fuhre (ebd.: 232).

Als ein weiterer, zentraler Medieneffekt kann die „Formierung von Emotionalitat“ bezeichnet werden: In diesem Zusammenhang wird insbesondere vom Fernsehen als Instrument des „Mood Management“ gesprochen, das mit einer groRen Vielfalt von Formaten, wie beispielsweise Spielfilmen und Serien aber auch Sportubertragungen, Gameshows und Talkrunden standige Moglichkeiten der Emotionsstimulierung bietet (ebd.: 232). Dabei ist nicht nur die Erregung, sondern auch das Beruhigen - und damit die Moglichkeit der Steuerbarkeit menschlicher Emotion eine bedeutsame Funktion der Massenmedien (ebd.: 232).

Des Weiteren haben auch mediale Selektionsverfahren einen nachdrucklichen Effekt auf die Weltwahrnehmung des Einzelnen. Weit uber die bloRe Themenauswahl in den Nachrichten hinaus sorgen auch „die Wahl des zu Erzahlenden in den Fiktionssendungen und Filmen, die Geschichten und Anekdoten in den Talkshows, die Anlasse und Situationen in den Unterhaltungssendungen“ fur eine Hierarchie, die sich nach scheinbarer Relevanz und Irrelevanz aufbaut (ebd.:232).

Durch die stetige Darstellung menschlichen Verhaltens, egal ob in non-fiktionalen dokumentarischen Formaten oder aber beispielsweise in einem Spielfilm, kreieren die Medien Muster von Verhaltensweisen, die dem Individuum den augenscheinlich groRten Erfolg liefern. Dieses muss ein solches Verhaltensmodell nur annehmen. Das individuelle Verhalten erfahrt dabei einen Prozess der Unterteilung in „Angemessenheit“ und „Unangemessenheit“ (ebd.: 232f).

Als letzter, zentraler Medieneffekt wird die „Sozialisationsfunktion“ bezeichnet, bei welcher Orientierung und Verhalten gegenuber der Umwelt sowohl von Heranwachsenden als auch Erwachsenen beeinflusst werden. Die Medien „steuern die Prozesse der gesellschaftlichen Anpassung (auch dort, wo sie Spielraume gewahren)“ (ebd.: 233).

1.2 Unterscheidung „Geschlecht“ und „Gender“ - Geschlechterdifferenz

Als eines der ersten literarischen Werke, die sich der Genderdiskussion widmen, gilt das 1949 erschienene Buch der Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir: In „Das andere Geschlecht“ spricht sie sich erstmals fur eine strukturelle und nicht genetische Komponente aus, welche das Werden und Geworden-Sein von Frauen maRgeblich beeinflusst. „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ lasst sich in diesem Zusammenhang als Hauptaussage ihres Ansatzes ableiten, der die Geschlechterdifferenz als ethisches Problem betitelt (Krainer 2014: 22). Ihr Leitgedanke, der von einer Gestalt- und Wandelbarkeit von Geschlecht und Geschlechtsrollen ausgeht, ist stets Mittelpunkt zentraler, politischer Fragen (ebd.: 22).

Der Begriff „Gender", welcher das kulturelle und gestaltbare Geschlecht bezeichnet und es damit vom genetisch und biologisch bedingten Geschlecht abgrenzt, formierte sich 1955 im Rahmen der Forschungen des US-Amerikaners John Money, der in seinen Experimenten die Erlernbarkeit des Geschlechts beweisen wollte (ebd.: 22).

Als eine im Rahmen der Genderforschung haufig zitierte Person ist auch Judith Butler bekannt: In ihrem 1990 erschienenen Werk „Gender Trouble" pladiert sie fur eine Sichtweise, die „nicht nur das soziale Geschlecht als soziales Konstruktion betrachtet, sondern auch das biologische Geschlecht fur eine hinterfragbare Wahrheit oder eine kulturelle Interpretation des Korperlichen halt" (ebd.: 22). Dabei setzt sie das, was das Individuum als Gender leben konne, in Abhangigkeit zu korperlichen Moglichkeiten, die jedoch bereits kulturell interpretiert seien. Sie bezeichnet die Ausgestaltung des Geschlechts als performativ: „Es sind Sprechakte, die Identitaten als mannlich oder weiblich markieren [.]", so wird erst durch die direkte Bezeichnung, das Geschlecht in Alltagshandlungen in Kraft gesetzt (ebd.: 22).

1.3 Mannlichkeit und Weiblichkeit als kulturelle Konstruktionen

In Hinblick auf den inhaltlichen Fokus dieser Arbeit ist insbesondere ein Blick auf die Art und Weise, wie die Medien die Wahrnehmung der Geschlechtlichkeit konstruieren, angebracht.

So kritisierte Laura Mulvey Mitte der 1970er Jahre die Filmkultur und bezeichnete in ihrem Aufsatz „Visuelle Lust und narratives Kino" diese als „mannlich determinierte Wahrnehmungskonstruktion". Mit ihrer These, Frauen seien in der Filmkunst nur „Objekte mannlicher Schaulust", entwickelte sich eine ganzheitliche feministische Bewegung, in Zuge derer unter dem Titel der „feministischen Filmpraxis" immer mehr Frauen auch hinter der Kamera standen und die Wahrnehmung der Weiblichkeit eigens mitbestimmen konnten (Hickethier 2010: 199).

Dabei lasst sich die kulturelle Determination der Geschlechter jedoch nicht nur in Spielfilmen der 1970er Jahre feststellen: Auch wenn die feministische Kritik prasenter und die Medienproduktionen selbstreflektierter sind - Serien, Dokumentationen und selbst Nachrichten prasentieren durch Rollenbilder und Verhaltensweisen einzelner Figuren eine Geschlechtlichkeit in den Medien. Die dabei erzeugten Bilder werden ohne weitere Reflexion in das Selbstverstandnis der Zuschauer ubernommen (ebd.: 199).

Petra Grimm fuhrt diesen Gedanken weiter und sieht ferner Heranwachsende als besonders anfallig fur die Ubertragung medial erlernter Geschlechterkonstruktionen auf ihre eigene Geschlechtsidentitat:

„Medien sind nicht nur Schauplatz fur Gender-Modelle und Verhaltensregeln fur Geschlechter, sie formulieren auch Werturteile und erzeugen Vorstellungen von Mannlichkeit und Weiblichkeit. Sie definieren mit, wie ,Frauen‘ und ,Manner‘ sein sollen und was als Abweichung gilt. [.] Insbesondere fur Jugendliche sind die in zahlreichen Unterhaltungs- und Informationsmedien dargestellten Rollenbilder Identifikations- und Lehrmaterial fur die eigene Geschlechtsidentitatsbildung. Medien sind insgesamt gesehen somit ein wesentlicher Faktor in der Geschlechterfrage“ (Grimm 2014: 7).

Fleischer, Kroker und Schneider gehen hier weiter und stellen schon bei Kindern ab drei Jahren eine mediale Orientierung im Zuge der Entwicklung der eigenen geschlechtlichen Identitat fest. So wurden die Kinder in Medieninhalten nach Hinweisen darauf suchen, was Weiblich- oder Mannlichkeit auRerlich aber auch hinsichtlich bestimmter Verhaltensweisen bedeutet (Fleischer u.a. 2018: 44).

Die in diesem Zusammenhang interessante Frage, wie Kinder Medien rezipieren, soll ausfuhrlicher in Kapitel 3 beantwortet werden.

2 Die Geschlechterverteilung im Kinderfernsehen

Die in 1.3 erorterte Tatsache, dass schon Kinder ab drei Jahren sich zur Entwicklung ihrer geschlechtlichen Identitat an Medien orientieren, wirft die Frage nach der Darstellung der Geschlechterrollen in diesen Medien auf. In dem Zusammenhang ist insbesondere das Fernsehen von hoher Relevanz, da dieses von knapp 90 Prozent der Drei- bis 13- Jahrigen mehrmals pro Woche genutzt wird (Feierabend/Scolari 2018: 163).

Mit einem ersten Blick auf die bloRe Verteilung der Geschlechter wird klar: Frauen sind unterreprasentiert. Eine 2007 in 24 Landern durchgefuhrte Medienanalyse zum Kinderfernsehen bestatigt bei den fiktionalen Sendungen 68 Prozent mannliche und nur 32 Prozent weibliche Hauptfiguren (Gotz 2014a: 51). Im deutschen Kinderfernsehen ist dieses Ungleichgewicht mit 74,3 Prozent Jungen- und Mannerfiguren gegenuber 25,7 Prozent Madchen- und Frauenfiguren noch deutlicher (Gotz 2006: 4). Bei den nicht-menschlichen Wesen ist das Geschlechterverhaltnis sogar weit weniger ausgewogen. Auf ein weibliches Tier kommen im fiktionalen Kinderfernsehen drei mannliche. Bei Objekten liegt dieses Verhaltnis sogar bei 1:4 (Gotz 2014a: 51).

Ein ahnliches Bild weisen die non-fiktionalen Kinderwissensendungen auf: Weibliche Akteure sind weitestgehend Co-Moderatorinnen und nur in den seltensten Fallen auf sich allein gestellt zu sehen. Doch durch die wiederrum groRe Anzahl der mannlichen Moderatoren in den Wissenssendungen, wie beispielsweise Peter Lustig bzw. Fritz Fuchs in Lowenzahn, Willi in Willi wills Wissen oder Armin, Christoph und Ralph in Sendung mit der Maus, steht fest: „Manner erklaren im deutschen Kinderfernsehen [.] die Welt.“ (ebd.: 52).

2.1 Die sexualisierte Darstellung von Madchen- und Frauenfiguren im fiktionalen Kinderfernsehen

Kindermedien konstruieren eine Vorstellung von Geschlechtlichkeit: Indem sie Eigenschaften oder spezifische auRerliche Merkmale mit „typisch mannlich“ und „typisch weiblich“ konnotieren, pragen sie die Verhaltensweisen ihrer Zielgruppe, sowie die Art und Weise wie diese ihr Gender „performen" (Gotz 2014b: 89f).

Im fiktionalen Kinderfernsehen werden dabei in der optischen Darstellung die Frauen stark sexualisiert: Unnaturlich lange Beine treffen auf eine Wespentaille und lange Haare (Gotz 2014a: 52). AuRerliche Merkmale, die nicht dem Schonheitsideal entsprechen, sind nur dann zu finden, wenn diese zugleich Problem und Mittelpunkt der Handlung sind.

Im Zuge der Diskussion um die im Kinderfernsehen als makellos und ubertrieben schlank portraitierten Korper wird auch von einer „Hypersexualisierung" gesprochen, die laut Gotz bei funfmal mehr weiblichen als mannlichen Figuren zu erkennen ist (ebd.: 52). Dass dies eher ein Phanomen der heutigen Zeit ist, attestiert ein Blick auf die optische Entwicklung der Biene Maja, die bei Entstehen in den 1970er Jahren noch eine deutlich fulligere Korperform hatte als in ihrer Neuauflage von 2013 (Linke u.a. 2017: 14).

Auch mit Blick auf anatomisch unerreichbare Figuren und Korperbilder sind neben bekannten Beispielen wie der Barbie -Spielzeugfigur zahlreiche Beispiele im Kinderfernsehen zu finden. Um eine Korperform als anatomisch erreichbar oder unerreichbar zu klassifizieren, wird ublicherweise die sogenannte „Waist-To-Hip-Ratio", also das Verhaltnis von Taille zu Hufte berechnet, der bei einer normalgewichtigen Frau bei 0,8 und bei einem normalgewichtigen Kind bei 1 liegt (ebd.: 14). Der niedrigste, noch korperlich mogliche Wert, liegt nach der Pubertat bei einer Frau bei 0,68.

Alles abseits dieses Wertes ist nur durch chirurgische Eingriffe moglich, sind Frauen dementsprechend im Kinderfernsehen dargestellt, gilt ihr Korperbild als verzerrt und unnaturlich (ebd.: 14). Herche und Gotz fanden in ihrer Studie „Der Korper der global vermarkteten Zeichentrickmadchen" eine Unterschreitung dieses Wertes bei mehr als der Halfte der 102 in 24 Landern untersuchten weiblichen Zeichentrickfiguren. Des Weiteren besaRen nur 17 Prozent der weiblichen Figuren keine akzentuierte Taille (Herche/Gotz 2008: 1). Laut Herche und Gotz ein groRes Problem:

„Genau das Fehlen einer Wespentaille kennzeichnet aber die typischen Korperformen eines Kindes oder jungen Madchens. Die Korperschemata stellen in diesem Sinne keine Kinder- oder Jungmadchenfiguren dar, sondern sexualisierte kleine Frauenkorper - oder einfacher gesagt: „Madchen als Sexbomben". Im Bereich des Kinderfernsehens ist dies jedoch weder angemessen noch irgend sinnvoll!" (ebd.: 1).

2.2 Genderspezifische Charaktereigenschaften

Doch nicht nur durch auRerliche Merkmale wird ein Abbild von „Weiblichkeit" in den Medien kreiert. Auch charakterliche Eigenschaften werden klar geschlechterspezifisch verteilt. Maya Gotz untersuchte dies in einer Analyse aus dem Jahre 2006. Nachdem sie die Geschlechterverteilung in ihrer Stichprobe mit 74,3 Prozent mannlichen und 25,7 Prozent weiblichen Hauptfiguren errechnet hatte, formulierte sie sechs auftretende Charaktertypen in fiktionalen Kindersendungen (Gotz 2006: 4f). Wahrend sich weder die Geschlechterverteilung der „Verantwortenden", noch die der „Vermittelnden", der „Egozentrischen", „Wehrhaften" oder „Planlosen" maRgeblich von der der Gesamtverteilung unterschied, konnten einzig bei dem Charaktertypus der „Hilflosen" 44 Prozent weibliche Hauptfiguren, und damit eine beinahe ausgeglichene Verteilung, erfasst werden (ebd.: 6).

In ihren Analyseergebnissen beschreibt Gotz die „Hilflosen" als „Charaktere, die aus einer konkreten Gefahr gerettet werden mussen, weil sie entweder per se total passiv und hilflos sind oder sich trotz eigeninitiativen Charakters in einer Situation befinden, aus der sie allein nicht mehr herauskommen konnen." (ebd.: 6).

Zu diesen Ergebnissen passen die Tendenzen, die Gotz nach Vergleich mit US-amerikanischen Studien formuliert:

„Weibliche Figuren sind [...] weniger aktiv, weniger laut, weniger in verantwortungsvollen Positionen und verhalten sich kindischer als mannliche Figuren. [...] Die weiblichen Zeichentrickfiguren zeigen [.] mehr Emotionen, werden mehr im Kontext von Beziehungen inszeniert, sind hilfsbereiter, fragen haufiger nach Hilfe und bitten darum, beschutzt zu werden." (Gotz 2014a: 53) Es fallt demnach auf, dass die weiblichen Protagonisten somit weder primar agieren noch zentrale Schlusselrollen im Handlungsgeschehen innehaben. Daruber hinaus steht im Mittelpunkt meist die Auseinandersetzung mit der eigenen Schonheit und die Sehnsucht oder das Finden der groRen Liebe (ebd.: 54).

3 Kinder und Medien

Mit Blick auf das weitlaufige Feld der Beziehung zwischen Kindern und Medien soll in diesem Abschnitt, passend zum weiteren Design der Arbeit, der Fokus auf die Fernsehnutzung von Kindern gelegt werden.

Mit der Prasenz der Medien im kindlichen Alltag befasst sich regelmaRig der Forschungsverband Sudwest. Dabei zeigten die Ergebnisse der sogenannten miniKIM -Studie von 2014, die sich mit dem Medienverhalten von Zwei- bis Funf- Jahrigen befasst, dass insbesondere der Fernsehkonsum im Freizeitverhalten von Vorschulkindern bereits eine elementare Rolle spielt. So lag der Anteil der Kinder, die jeden Tag fernsehen, mit 44 Prozent auf dem dritten Rang der taglichen Freizeitbeschaftigungen, nach dem drinnen (85 Prozent) und drauRen (63 Prozent) Spielen, jedoch knapp vor dem Anschauen bzw. dem Vorgelesen bekommen von Buchern (43 Prozent) oder dem Malen/Zeichnen/Basteln (25 Prozent) (Medienpadagogischer Forschungsverbund Sudwest 2015: 9).

Die Zeit, die Kinder mit dem Rezipieren medialer Inhalte verbringen, ist dabei vom Alter abhangig und erfahrt im Bezug aufs Fernsehen einen starken Anstieg. Wahrend Zwei- bis Drei- Jahrige beim Fernsehen eine tagliche Nutzungsdauer von 34 Minuten aufweisen, liegt diese bei den Vier- bis Funf- Jahrigen schon bei 52 Minuten (ebd.: 10).

Doch wahrend das Fernsehen in der fruhen Kindheit von hoher Bedeutung ist, findet es bei alteren Kindern haufig Ablose durch alternative audiovisuelle Medien: „Die lineare Fernsehnutzung wird durch eine konvergente Nutzung von Bewegtbildern erganzt, in deren Verlauf sich Nutzung, Gestaltung und Interaktion verbinden und neu definieren.“ (Wegener 2014: 393).

Dieser Wandel ist auch im familiaren Rahmen erkennbar, wahrend das Fernsehen haufig eine gemeinsame Aktivitat mit Geschwistern oder den Eltern ist, werden die neuen Medien, weitestgehend alleine verwendet (ebd.: 395).

Mit Ruckblick auf die vorgestellten Ergebnisse der miniKIM -Studie von 2014 beleuchtet die KIM- Studie das Mediennutzungsverhalten der an die Gruppe der Vorschulkinder anschlieRenden Sechs- bis 13- jahrigen Zielgruppe. Nahm das tagliche Fernsehen bei den Zwei- bis Funf- Jahrigen mit 44 Prozent nur den dritten Rang der haufigsten Freizeitbeschaftigungen ein (Medienpadagogischer Forschungsverbund Sudwest 2015: 9), siedeln die Ergebnisse der KIM -Studie von 2016 das tagliche Fernsehen bei den Sechs- bis 13-Jahrigen auf dem ersten Rang an (Medienpadagogischer Forschungsverbund Sudwest 2017: 10). Demnach sehen 77 Prozent der Sechs- bis 13-jahrigen Kinder jeden Tag, egal uber welchen Verbreitungsweg, fern.

Bei der Frage nach der liebsten Freizeitbeschaftigung landet das Fernsehen mit 31 Prozent bei den Madchen und 32 Prozent bei den Jungen jedoch nur auf dem dritten Platz, nach dem drauRen Spielen (Madchen: 39 Prozent; Jungen: 46 Prozent) und Treffen von Freunden (Madchen: 56 Prozent; Jungen: 54 Prozent) (ebd.: 13).

3.1 Mediensozialisation

Mit dem Einfluss der Medien auf die kindliche Entwicklung beschaftigt sich das Forschungsfeld der Mediensozialisation. Nach Suss, Lampert und Trultzsch-Wijnen umfasse dies „bei Kindern und Jugendlichen [.] alle Aspekte, bei denen die Medien fur die psychosoziale Entwicklung der Heranwachsenden eine Rolle spielen“ (Suss u.a. 2018: 19). Medien seien in diesem Kontext zentraler Bestandteil beim Erlernen spezifischer, gesellschaftlich notwendiger Fertigkeiten und Kompetenzen. Instanzen, die den medialen Umgang ein- und beschranken, wie Erziehungsberechtigte, durch die Gesellschaft gegebene Rahmenbedingungen aber auch Gleichaltrige sowie das Kind selbst, wurden die Mediensozialisation so direkt beeinflussen (ebd.: 19).

Widmer geht uber diese Definition hinaus, indem sie vom starren und einseitigen Wirkungsverlauf der Sozialisation durch die Medien auch auf die wechselseitige Beziehung der Akteure „Medien“ und „Rezipient“ verweist (Widmer 2013: 65). In dem Zusammenhang stellt sie die beiden Fragestellungen: „Was machen die Medien mit den Menschen [.]?“ und „Was machen die Menschen mit den Medien [.]?“ in das Zentrum ihrer Aussage, indem sie neben der Medienwirkungshypothese auch die Medienselektionshypothese aufzeigt und weitergehend fur die Daseinsberechtigung beider Ansatze pladiert (ebd.: 66).

Von dem stetigen Wandel, dem die Medien durch gesellschaftliche Veranderungen unterzogen sind, wird auch die Wirkungsweise der Mediensozialisation beeinflusst. Dies soll nachfolgend exemplarisch am Beispiel der Kommerzialisierung der Medien aufgezeigt werden, die auch fur die Qualitat der Kindermedien eine wichtige Rolle spielt.

Widmer definiert Kommerzialisierung als wirtschaftliches, auf Gewinn ausgerichtetes Handeln, in Bereichen, die vorher nicht marktorientiert waren (ebd.: 69). Mit Blick auf die Medien habe dieser Prozess direkte Auswirkungen auf den gesamten Medienentstehungsprozess: So komme es „vermehrt zu einem Kostenwettbewerb anstelle eines Qualitatswettbewerbs" welcher die innovative Medienproduktion hemme und die Gewinnmaximierung allem voransetze (ebd.: 70f).

Konkret seien hohe Einschaltquoten die einzige Moglichkeit, das Interesse der Werbewirtschaft an einem Medienprodukt zu wahren. Dies sorge laut Widmer fur eine massenattraktive Ausrichtung der Programme, dessen oberstes Gebot es sei, ein werbefreundliches Umfeld zu schaffen (ebd.: 70f). Die Rolle der Medien als Gut mit hoher, demokratiepolitischer Bedeutung und institutionalisierten, gesellschaftlichen Funktionen werde geschwacht und an dessen Stelle traten Medieninhalte, denen es an Vielfalt und Anspruch fehle und deren Profitsteigerung sich gehauft uber die Verbreitung nicht publizistischer Inhalte realisieren lasse (ebd.: 69ff).

In Bezug auf die kindliche Mediensozialisation ist laut Widmer insbesondere der Aspekt der starkeren Orientierung von Medieninhalten an der okonomischen Rentabilitat problematisch, welcher der inhaltlichen Qualitat vieler Formate zum Opfer fallt (ebd.: 71). Daruber hinaus sei auch die Vielzahl der stark werblich genutzten Medienangebote Grundstein maRgeblicher Veranderungen in der Mediensozialisation. Durch die Fulle der verschiedenen Formate und insbesondere durch die permanente Umwerbung der Medienrezipienten sei eine stetige Auseinandersetzung mit dem Gesehenen notwendig. Kinder spielen fur die Werbewirtschaft in diesem Zusammenhang deswegen eine so elementare Rolle, da die Unternehmen versuchen, sich durch das Umwerben und Locken der Heranwachsenden den groRen Einfluss, den diese bei familiaren Kaufentscheidungen innehaben, zu Nutze zu machen (ebd.: 70f).

3.2 Kinder als Fernsehrezipienten

Zu der Frage, was Kinder als Fernsehrezipienten von Erwachsenen unterscheidet, lasst sich neben den sozialen Rahmenbedingungen insbesondere auch das familiare Umfeld als entscheidendes Abgrenzungsmerkmal auflisten. Widmer verweist in diesem Zusammenhang auf den starken „Zusammenhang zwischen der formalen Bildung resp. dem sozialen Status der Eltern und der Mediennutzung der Kinder" (Widmer 2013: 89). Daruber hinaus gelten jedoch neben dem Stellenwert des Fernsehens auch die Wohnverhaltnisse und der Tagesablauf in der Familie, sowie die grundsatzliche Familienkonstellation als wichtiger Einflussfaktor auf den kindlichen Fernsehkonsum. Praferenzen bezuglich privatwirtschaftlichen oder aber offentlich-rechtlichen Sendern wurden dabei genauso wichtige Orientierung bieten wie auch die Vorliebe fur bestimmte Programme und Formate (ebd.: 89).

Die Motive, nach denen Kinder das Bedurfnis nach Fernsehen verspuren, sind dabei vielfaltig: Neben der Langeweile ist ein haufiger Grund auch ein Gefuhl der Einsamkeit, welches durch die Beschaftigung mit dem Fernsehen kompensiert werden soll (ebd.: 90). Mit Verweis auf die Ergebnisse der KIM -Studie 2008 spricht Widmer des Weiteren auch von einer Eskapismus-Funktion, und bezeichnet das Fernsehen fur Kinder als Ort der Zuflucht vom Alltag und von belastenden Situationen, die sie in der realen Welt beschaftigen (ebd.: 90).

Als wesentliche Funktion des Fernsehens beschreibt Widmer das Folgende:

„Kinder lernen etwas uber die Welt und gleichzeitig uber sich selbst, indem sie Aktivitaten und Erfahrungen von Fernsehfiguren beobachten und mit ihrem eigenen Leben vergleichen konnen. Sie konnen so mit Hilfe von Fernsehinhalten ihren Alltag besser bewaltigen" (ebd.: 91).

Im Hinblick auf die Frage, wie Medien auf Kinder wirken, gilt insbesondere die Rezeptionssituation als signifikant, die diese in den Sozialisationsprozess der Kinder einordnet. Je nach Auspragung unterschiedlichster Faktoren sind sowohl positiv konnotierte Wirkungen, wie beispielsweise ein Wissenszuwachs, als auch negative Wirkungen, wie beispielsweise gewalttatiges Handeln, zu beobachten (ebd.: 91). Neben der Rezeptionssituation gilt jedoch auch die kognitive und emotionale Entwicklungsstufe des Kindes als ausschlaggebend fur die Reaktion auf den Fernsehkonsum (ebd.: 91).

So lost ein bedrohliches Aussehen einer Figur, die beispielsweise im Fernsehen prasentiert wird, bei Kindern bis zum sechsten Lebensjahr, also in der praoperationalen Phase, Angst aus. Eine gewisse „Angstlust" und die nach der Angst folgende Auflosung der Situation ist wiederrum ein bei Kindern beliebtes Unterhaltungselement, welches ihnen das Gefuhl vermittelt „etwas Spannendes zu erleben" (ebd.: 90).

Fur die Wirkungsweise des Fernsehens relevant ist daruber hinaus auch die Tatsache, dass Kinder, die nur wenig fernsehen, deutlich emotionaler auf Inhalte reagieren als sogenannte „Vielseher" (ebd.: 92). Auf der Suche nach Emotionen liegt auch das wesentliche Interesse der Kinder beim unterhaltsamen und fiktionalen Angebot statt bei Informationen und Nachrichten (ebd.: 90). Widmer warnt in diesem Zusammenhang jedoch vor einer Vernachlassigung der beiden Letzteren:

„Unterhaltung und Information durfen aber auf keinen Fall als Gegensatze verstanden werden [...], wie die grosse [sic!] Anzahl an Info- und Edutainmentsendungen zeigen. Das Fernsehen wird von den Kindern durchaus als Quelle zur Befriedigung von Informationsbedurfnissen eingesetzt [.]. Dabei sind besonders diejenigen Informationen fur die Kinder interessant, zu denen sie keinen unmittelbaren Zugang haben" (ebd.: 91).

In Bezugnahme auf die Fokussierung dieser Arbeit auf Kinderwissenssendungen ist auch Hagemanns Forschung zu den unterschiedlichen Arten der Vermittlung von Wissen interessant. Sie bezeichnet als wichtige Voraussetzungen fur eine positive Bewertung der Sendungen durch die Kinder „eine nachvollziehbare Demonstration der Themen, die Bestatigung des Wahrheitsgehalts durch Autoritaten und aufeinander abgestimmte Bilder und Tone." (Hagemann 2010: 49). Daruber hinaus seien bei der Moderation auch „Sympathie, Kompetenz, Humor, einfache Wortwahl und ein ansprechender auRerer Eindruck der Moderatoren“ relevant (ebd.: 49).

3.3 Der Uses-and-Gratifications-Ansatz

Mit einem tieferen Blick auf das weite Feld der Rezeptionsforschung ruckt insbesondere der Uses-and- Gratifications-Ansatz ins Interesse. Zentrale Forderung desselben ist es, den Rezipienten als aktiv zu registrieren, statt ihn als passiven Empfanger der Medieninhalte zu sehen (Hugger 2008: 173).

In Abgrenzung zum Stimulus-und-Response-Modell, und damit der traditionellen Idee einer „direkten Wirkung der Medien auf das Publikum“, fragt der Uses-and-Gratifications-Ansatz „nach den Gratifikationen, die die Nutzer von bestimmten Medienangeboten erwarten. Mediennutzung ist folglich als aktives, zielgerichtetes und sinnhaftes soziales Handeln zu verstehen.“ (Fruh 2008: 179; Hagemann 2010: 32).

Stellvertretend fur einen linearen Verlauf der Massenkommunikation wird dem Rezipienten eine „eigeninitiative Position“ zugesprochen: „Erst die mit seinen individuellen Bedurfnissen verbundenen Erwartungen an die Medien fuhren dazu, dass ein Kommunikationsprozess entsteht“ (Hugger 2008: 173).

Dabei muss die Selektion aus Angeboten zur Bedurfnisbefriedigung nicht auf die Medien beschrankt sein. Vielmehr stehen mehrere Handlungsmoglichkeiten zur Auswahl, von denen die Medienangebote nur einen Teil einnehmen und in direkter Konkurrenz zu nicht-medialen Angeboten stehen (Hagemann 2010:33). „So kann etwa das Bedurfnis nach Unterhaltung zwar mit Hilfe von Fernsehsendungen, gleichwohl aber auch durch soziales Miteinander mit Freunden gestillt werden“ (Hugger 2008: 173).

Insbesondere in der deutschen Adaption des hier sogenannten „Nutzenansatzes“ wird die Hauptidee eines aktiven Rezipienten durch Ansatze des Symbolischen Interaktionismus erganzt. Indem dem Rezipienten zusatzlich die Fahigkeit zur Reflexion zugesprochen wird, werden die Medien in eine Position geruckt, in welcher sie statt vorgefertigter Reize, „interpretationsbedurftige ,Wirklichkeitsangebote‘" liefern, „die erst vom Rezipienten definiert werden mussen" (ebd.: 174).

Statt eines bloRen Reaktionsvermogens hat das Publikum die Moglichkeit in Bezug auf seine Umwelt zu handeln und diese mit Bedeutungen und Wertungen zu versehen. „Vielmehr hangt die Bedeutung eines Medieninhalts von der Interpretation des handelnden Individuums ab" (ebd.: 174).

3.4 Qualitat im Kinderfernsehen

Trotz einer unbestrittenen Notwendigkeit von qualitativem Kinderfernsehen ist die Menge an wissenschaftlichen Studien, die sich mit der Thematik auseinandersetzt, gering (Widmer 2013: 178f). Grunde dafur liegen laut Widmer unter anderem in der mangelnden Allgemeingultigkeit hypothetischer Qualitatskriterien:

„Qualitat ist kein objektives Merkmal eines Programmangebots; der Beobachter beurteilt bestimmte Auspragungen aus einem bestimmten Werte- und Normenkontext und spricht dann von einer bestimmten Qualitat [...]. Bei Qualitat im Kinderprogramm handelt es sich um einen Annaherungswert, der multifaktoriell und mehrperspektivisch ein vielfaltiges Programm beurteilen will [.]“ (ebd.: 178).

Grewenigs Aussage ist drastischer: Indem er den privatwirtschaftlichen Sendern die Gleichsetzung von Qualitat mit einer hohen Einschaltquote vorwirft, spricht er ihnen gleichwohl die Gewinnmaximierung als oberstes Gebot zu. Weiterfuhrend verweist er auf den offentlich-rechtlichen Bildungsauftrag und listet die fur die nicht-kommerziellen Sendern hochsten gesetzten Ziele fur Kinderformate „Bildung, Information und Unterhaltung“ auf (Grewenig 2005: 6).

Daruber hinaus manifestiert er zehn „Qualitatskriterien fur gutes Kinderprogramm“, von welchen kurz eine Auswahl erlautert werden soll: Mit seiner Forderung von einer Ansprache der Kinder in ihren direkten Lebenswelten pladiert Grewenig fur Medieninhalte mit Themen und Figuren, zu denen die Zuschauer einen personlichen Bezug haben. Dabei sei es ebenso wichtig, statt amerikanischen oder japanischen Lebenswelten vermehrt deutsche und europaische Kulturen im Kinderprogramm widerzuspiegeln (ebd.: 6).

Als weiteres zentrales Qualitatskriterium sieht Grewenig die Information (ebd.: 7). Weltliche Ereignisse, wie Terroranschlage, Fluchtlingswellen oder Naturkatastrophen, deren Berichterstattung Kinder in ihrer Umwelt ausgeliefert sind, gehoren eingeordnet in groRere Zusammenhange: „Das Kinderfernsehen hat die Pflicht, ihnen Erklar-Muster fur das, was in der Welt passiert, mit an die Hand zu geben“ (ebd.: 7).

Zuletzt gehort laut Grewenig jedoch auch das Schaffen von Interesse und Motivation fur die reale Lebenswelt hinter dem Fernseher zu einer wichtigen Aufgabe des Kinderfernsehens (ebd.: 8). Insbesondere sei es wichtig, Kinder zu mobilisieren und sie zum Aktivsein und Entdecken ihrer direkten Umwelt anzuregen. Mit der Aussage, dass das Stellen von Fragen ein zentraler Schritt zur Erlangung von Wissen sei, verweist er auf das Grundprinzip des Traditionsformates Sendung mit der Maus und formuliert abschlieRend: „Selber machen ist wichtiger als selber sehen!“ (ebd.: 8).

Widmer sammelte im Zuge ihrer Forschung weitreichende Erkenntnisse zum Qualitatsbegriff aus den verschiedenen Rezipienten-Perspektiven, wie der aus Sicht der Eltern, der Fernsehschaffenden, der Medienwissenschaftler, aber auch der der Hauptzielgruppe, der Kinder. Mit den Ergebnissen der Letzteren soll sich nachfolgend kurz auseinandergesetzt werden.

Zunachst spricht Widmer den Kindern die Fahigkeit zu, eine auf bestimmte Qualitatsmerkmale bezogene Erwartungshaltung gegenuber einer Sendung zu besitzen (Widmer 2013: 187). Mit zunehmendem Alter der Kinder werde dieses „Gespur fur Qualitat“ konkreter und ganzheitlicher. In einem Prozess, in welchem bereits bekannte Fernsehformate mit neuen verglichen wurden, konnten sich so individuelle Anspruche eines Kindes an die Qualitat einer Sendung herauskristallisieren (ebd.: 187).

Als zentrale Forderung von Kindem an fur sie zielgruppengerechte Fernsehformate formuliert Widmer den Uberbegriff Unterhaltung, welchen sie in „Spass [sic!], Witz und Humor" unterteilt (ebd.: 187). Daruber hinaus seien jedoch auch „Spannung, Aufregung und Dramatik" von groRem Interesse, genauso wie Verstandlichkeit, wenn Sachverhalte erklart wurden (ebd.: 187).

Wenn Figuren und Charaktere Bestandteil des Formats seien, ware neben „dem Fantastischen" auch eine Authentizitat und Glaubwurdigkeit fur die Kinder von hoher Bedeutung (ebd.: 188).

4 Das Kinderfernsehprogramm im offentlich-rechtlichen Rundfunk

Als gemeinschaftliches Spartenprogramm der offentlich-rechtlichen Anstalten der ARD und des ZDF ist am 01.01.1997 KiKA, der Kinderkanal, im Fernsehen auf Sendung gegangen (Flugge 2009: 226). Neben „Serien, Spielfilmen" und „Magazinprogrammen", sind auch „Dokumentationen, Informationssendungen, Specials und Thementage, Eigenproduktionen, Live-Sendungen, zahlreiche Erstausstrahlungen" und Klassiker aus dem Kinderprogramm von ARD und ZDF Teil der Programmstruktur (ebd.: 226). Der Sender bietet uneingeschrankt gewalt- und werbefreie Inhalte an, dessen Strukturen sich zudem vom Rundfunkauftrag ableiten, auf den in 4.2 noch genauer eingegangen wird (ebd.: 226).

Als Teil des offentlich-rechtlichen Rundfunks finanziert sich auch der KiKA aus dem Rundfunkbeitrag von 17,50 €, den in der Bundesrepublik Deutschland jeder Haushalt monatlich errichten muss. Der Kinderkanal speist sich aus dem Anteil der ARD -Gemeinschaftsausgaben (Norddeutscher Rundfunk 2019).

Wie im Kinderfernsehen ublich, wird auch beim KiKA der GroRteil der Sendezeit durch fiktionale Inhalte bestuckt (Kruger 2009: 419). Dennoch nimmt der Kinderkanal der offentlich-rechtlichen Sender hier eine Sonderstellung ein, denn wahrend der privatwirtschaftliche Konkurrent Super RTL einen Fiktionsanteil von 94 Prozent aufweist, sind es beim KiKA nur 74 Prozent, womit etwa ein Viertel der Sendezeit non-fiktionalen Programmen, wie beispielsweise solchen aus der Sparte der Information, verbleibt:

„Vor allem der Sendezeitanteil fur kindgemaRe Informationsangebote, denen der KI.KA 15 Prozent und Super RTL sowie Nick nur 5 Prozent der Sendezeit einraumen, bestatigt das Selbstverstandnis des offentlich-rechtlichen Kinderprogramms, neben der Unterhaltung auch groRere Nutzungschancen fur Wissens- und Bildungsinhalte anzubieten" (ebd.: 419).

4.1 Die Entwicklungsgeschichte des Kinderfernsehens in Deutschland

Die ersten Kinderfernsehsendungen, publiziert ab dem 25. April 1952, nur kurz nach Beginn des Fernsehversuchsprogrammes des Nordwestdeutschen Rundfunks, fuhrten zunachst das fort, was

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Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Verteilung der Geschlechter-Rollen im öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehen
Untertitel
Eine Analyse der ZDF-Sendung PUR+
Hochschule
Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
48
Katalognummer
V1031835
ISBN (eBook)
9783346438638
ISBN (Buch)
9783346438645
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlechter, Kinderfernsehen, öffentlich-rechtlich, Diversität, Repräsentation, Pur+, Kinderwissenssendung
Arbeit zitieren
Hannah Kersting (Autor:in), 2020, Verteilung der Geschlechter-Rollen im öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031835

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