Erklärvideos als Fördermöglichkeit im Schwerpunkt Lernen. Implementierung an der berufsbildenden Schule


Akademische Arbeit, 2020

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Grundannahmen der inklusiven Schule und Medienbildung
2.1 Schulische Inklusion
2.2 Inklusion an berufsbildenden Schulen
2.3 Inklusive Medienbildung

3. Förderschwerpunkt Lernen
3.1 Sonderpädagogischer Förderbedarf
3.2 Merkmale Förderschwerpunkt Lernen
3.3 Förderungsmöglichkeiten und -maßnahmen

4. Erklärvideos
4.1 Definition und Besonderheiten von Erklärvideos
4.2 Produktion von Erklärvideos an der berufsbildenden Schule

5. Erklärvideos als Fördermöglichkeit im Schwerpunkt Lernen
5.1 Möglichkeiten der Rezeption von Erklärvideos
5.2 Möglichkeiten der Produktion von Erklärvideos
5.3 Implementierung an der berufsbildenden Schule

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Wechsel von der allgemeinbildenden Schule zur Berufsschule stellt einen biografischen Übergang mit besonderen Herausforderungen für Jugendliche und junge Erwachsene im Allgemeinen dar und im Besonderen für Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Um Heranwachsenden einen gleichberechtigten Zugang zur Arbeitswelt zu ermöglichen, gilt es jeden Einzelnen individuell zu fördern und die Diversität der Lernenden als Chance für das schulische Miteinander zu verstehen.

Aber nicht nur die die gemeinsame Beschulung aller Jugendlichen an der berufsbildenden Schule schafft neue Aufgaben für die Lehrkräfte, auch im Rahmen der Digitalisierungsdebatte stehen die Schulen vor großen Herausforderungen in Bezug auf technische und personelle Ressourcen. Die Umsetzung erfolgt sehr divers, es besteht eine Diskrepanz zwischen dem Stand der Wissenschaft und dem Grad der Umsetzung. In den letzten Jahren werden digitale Medien zunehmend in den schulischen Alltag implementiert, dabei entstehen neue Möglichkeiten der Zugänglichkeit für Lernende mit besonderen Bedarfen. Die Informationsbeschaffung über Erklärvideos genießt besonders bei Schülerinnen und Schülern im außerschulischen Kontext Popularität, doch auch als curriculare Einheit kann die Nutzung durchaus neue Perspektiven schaffen. Insbesondere für die Berufsschulen ist die Thematik von besonderem Interesse, zum einen bieten Erklärvideos in der Handlungsorientierung des beruflichen Lernens zahlreiche Möglichkeiten zum anderen stehen gerade die Berufsschulen noch am Anfang der Implementierung von Inklusion.

Die Frage die dieser Arbeit zugrunde liegt lautet daher: „Welche Möglichkeiten bietet die Nutzung von Erklärvideos bei Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen in der berufsbildenden Schule?“. Die Schwerpunktsetzung ist damit begründet, dass der Förderschwerpunkt Lernen die meisten Schülerinnen und Schüler stellt.

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen gilt es zu Beginn die Grundannahmen der inklusiven Schule und Medienbildung darzulegen und anschließend die Merkmale des Förderschwerpunktes Lernen herauszuarbeiten. Dabei sind für die Fragestellung die Fördermaßnahmen von besonderer Relevanz, um im weiteren Verlauf herauszufinden inwiefern Erklärvideos an diesen anknüpfen. Daher muss darüber hinaus festgehalten werden, welche Besonderheiten Erklärvideos aufweisen und welche Möglichkeiten sie aufgrund dieser Eigenschaften schaffen. Auch die Herausforderungen, welche sich durch die Implementierung in den Unterricht für die Lehrkräfte ergeben, werden aufgezeigt und Anregungen zum Umgang gegeben.

Ziel dieser Arbeit ist es zu verstehen, wie Jugendliche und junge Erwachsene mit dem Förderschwerpunkt Lernen exemplarisch durch Erklärvideos in berufsbildenden Schulen gefördert werden können, um den Anspruch der Gleichberechtigung gerecht zu werden.

2. Grundannahmen der inklusiven Schule und Medienbildung

Zuallererst gilt es das Konzept der schulischen Inklusion zu erläutern, dessen Merkmale festzuhalten und die Besonderheiten in der berufsbildenden Schule herauszuarbeiten. Darüber hinaus werden die Begriffe der Inklusion und Integration im Folgenden voneinander abgegrenzt, da ein einheitliches Verständnis der Inklusionspraxis für die weiteren Analysen grundlegend ist. In jeglichen Bereichen der Gesellschaft können Ausgrenzungsmechanismen wirken, welche bestimmte Individuen an der Teilhabe hindern und somit exkludieren. Einerseits ist hierbei von Relevanz in diesem Zusammenhang Ausgrenzungsmechanismen im Bereich der Medienbildung ausfindig zu machen und andererseits den Einsatz von Medien zur Inklusion zu nutzen.

2.1 Schulische Inklusion

Unter dem Begriff „Inklusion“ versteht man das „einschließen“ aller Individuen in die Gesellschaft als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und alle Lebensbereiche umfassend. Das grundsätzliche Ziel ist es Marginalisierung, Diskriminierung und Stigmatisierung zu erkennen und zu umgehen. Die Verschiedenheit von Personen, Gemeinschaften und Institutionen wird als Ressource angesehen, welche es zu wertschätzen gilt. (Vgl. Ziemen, 2018, S. 7) Damit steht der Begriff der Inklusion komplementär zu dem der Exklusion.

Darüber hinaus muss der Begriff der Inklusion von dem der Integration differenziert werden, um ein einheitliches Verständnis zu ermöglichen. Dies ist besonders wichtig, da die Begriffe der Integration und Inklusion häufig missverständlich verwendet werden. Teilweise wird der Begriff der Integration durch den der Inklusion ersetzt oder sie werden als Synonyme verwendet. Bei den beiden Konzepten handelt es sich jedoch nicht einfach um den Austausch eines Schlagwortes durch ein anderes, sondern vielmehr um zwei unterschiedliche sozialpolitische Konzepte, welche auf verschiedenen Sichtweisen auf die Gesellschaft beruhen (vgl. Schöb, 2013, Integration und Inklusion). Im Vergleich zur Inklusion setzt die Integration Separation voraus und sieht die Heterogenität eher als Belastung an. Zusätzliche finanzielle Mittel werden den Schulen nur für die Kinder mit diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf zur Verfügung gestellt, daraus ergibt sich ein Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma. (Vgl. Benkmann & Heimlich, 2018, S. 35) Die Frage der gemeinsamen Beschulung möglichst aller Kinder und Jugendlichen in einer Schule erhielt durch die im März 2009 in Deutschland in Kraft getretene UN­Behindertenrechtskonvention viel Aufmerksamkeit (vgl. Werning, 2014, S.1). Durch die Behindertenrechtskonvention wurde ein Paradigmenwechsel der Behindertenpolitik auf internationaler Ebene vollzogen, durch welchen das menschenrechtliche Modell von Behinderung das medizinische Modell ablöste. Eine Behinderung wird demnach nicht mehr als individuelles Problem gesehen, sondern als gesellschaftliche Aufgabe Strukturen und Bedingungen die Menschen an der Teilhabe hindern und somit zu Diskriminierung, Aussonderung und Verletzung der Menschenrechte führen zu identifizieren und abzubauen. (Vgl. Degener, 2010, S. 57) Im Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention, welcher sich mit dem Bildungssystem befasst, heißt es „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen [...]“ (Praetor Intermedia UG). Aber nicht nur die Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedarfen in das Schulwesen wird unter dem Begriff der Inklusion verstanden. Die Fragen der Integrationspädagogik, der interkulturellen und der feministischen Pädagogik führten zu einem neuen, breiteren Verständnis von Inklusion, bei dem neben dem Merkmal Behinderung auch auf Prozesse der Exklusion aufgrund von Geschlecht, sozialer Herkunft, Nationalität, Sprache und intellektueller Fähigkeiten eingegangen wird (vgl. Werning, 2014, S. 6).

Es gilt festzuhalten, dass das Konzept der Inklusion eine umfassende und uneingeschränkte Teilhabe jedes Einzelnen an der Gesellschaft anstrebt und damit das Recht auf Bildung eine entscheidende Rolle spielt. Im schulischen Rahmen ist das Ziel, jedes Kind individuell gemäß seinen Fähigkeiten zu unterstützen. Dazu ist anzumerken, dass der inklusive Ansatz auch kritisch betrachtet werden kann, da die Ressourcen in der Bildungspraxis nur bedingt zur Verfügung stehen und es durchaus Argumente für geschützte Räume für beeinträchtigte Menschen in bestimmten Bereichen gibt.

2.2 Inklusion an berufsbildenden Schulen

Der Zugang zur betrieblichen Ausbildung soll für Jugendliche mit einer Beeinträchtigung gleichberechtigt erfolgen, dies setzte die UN-Behindertenrechtskonvention fest. Auch der vom Kultusministerium formulierte Anspruch, das Bildungssystem inklusiv zu gestalten, beinhaltet die berufliche Bildung, denn gerade dieser Bildungsübergang entscheidet über den Zugang zur Arbeitswelt, die wirtschaftliche Unabhängigkeit und damit auch über den Platz in der Gesellschaft von jungen Menschen. Die Situation an berufsbildenden Schulen stellt sich anders dar, als in allgemeinbildenden Schulen, da in Niedersachsen im Bereich der Berufsbildung keine Mehrgliedrigkeit herrscht. Folgernd gehören Personen mit dem Förderschwerpunkt Lernen, aber auch Jugendliche mit sozialen und emotionalen Auffälligkeiten schon immer zum Schulalltag einer berufsbildenden Schule. (Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2017, S.4) Damit stellen berufsbildende Schulen den einzigen schulischen Sektor mit impliziter Inklusionserfahrung dar.

Dennoch ist der Übergang von Schule in berufliche Bildung insbesondere für Jugendliche mit Beeinträchtigungen durch viele Hürden gekennzeichnet, daher beginnt nur ein kleiner Anteil von Schulabgängerinnen und Schulabgängern eine reguläre betriebliche Ausbildung (vgl. Bergs, 2017, S. 138-137). Daran lässt sich erkennen, dass die integrative Berufsbildung zwar rechtlich verankert ist, es jedoch noch nicht umfassend in der Praxis durchgesetzt wird. Dies kann dadurch begründet werden, dass die Berufsschule das „letzte Glied der Kette“ der inklusiven Bildung darstellt.

In Niedersachsen ist die inklusive Schule bereits verbindlich zum Schuljahresbeginn 2013/14, zunächst aufsteigend ab Klasse eins und Klasse fünf, eingeführt worden. Für die berufsbildenden Schulen ist die Aufnahme der Schüler und Schülerinnen mit festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung ab dem Schuljahr 2018/19 verpflichtend und ist damit noch sehr aktuell und damit kaum erprobt. (Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2017, S.8) Grundlage ist das Niedersächsische Schulgesetzbuch (§ 4 Absatz 1, Satz 1 NschG). Wie bereits erwähnt zeichnet sich die Berufsbildende Schule nicht durch die Mehrgliedrigkeit aus, daher besuchen alle Jugendlichen, die eine berufliche Qualifizierung anstreben, eine reguläre berufsbildende Schule. In Niedersachsen befinden sich drei Berufsschulen, welche einen besonderen Förderbedarf ausweisen, diese umfassen jedoch lediglich die Förderschwerpunkte Sehen und Hören. (Vgl. ebd., S. 5) Um einen gleichberechtigten Zugang zur Arbeitswelt zu schaffen, und dabei alle Förderschwerpunkte ausreichend zu unterstützen, müssen sich auch die Betriebe an der Neuorientierung beteiligen, da diese bei dualen Ausbildungen maßgeblich zum Gelingen beitragen. Daher benötigen nicht nur die berufsbildende Schule, sondern auch die Betriebe als Partner der Schule, umfassende Informationen, Beratung und Unterstützung. (Vgl. ebd., S. 4)

2.3 Inklusive Medienbildung

Im Zusammenhang mit modernen Lehr-Lernkonzepten ist aktuell die Medienbildung und der Einsatz von Medien in Schule ein zentrales Thema. Aus diesem Grund ist diese auch im Rahmen der Inklusion genauer zu betrachten. Medien werden im bildungssprachlichen Bereich als ein Hilfsmittel zur Vermittlung von Information und Bildung gesehen (vgl. Duden 2017). Neben einer Vielzahl von Möglichkeiten, die die Nutzung von Medien in Lehr­Lernprozessen eröffnet, bergen diese aber auch Risiken, wie die Benachteiligung sozialer Gruppen durch unterschiedliche Zugangs- und Verarbeitungsmöglichkeiten, welche analysiert und evaluiert werden müssen.

Da die Nutzung von digitalen Medien heute selbstverständlich zur Lebenswelt der Jugendlichen gehört und die Barrierefreiheit dieser über den Grad der Partizipation und Diversität in der digitalen Gesellschaft entscheidet, wird der Bereich der Medienbildung immer relevanter.

Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert aus diesem Grund neben einer gemeinsamen Beschulung aller Kinder und Jugendlichen außerdem eine Reduzierung jeglicher Kommunikationsbarrieren und damit die Gewährleistung eines Zugangs zu Kommunikation, Information, Sprache und Kommunikationstechnologien (vgl. Praetor Intermedia UG).

In der Disziplin der Medienpädagogik hat die Medienbildung daher den Anspruch, die mediale und selbstbestimmte Partizipation insbesondere auch von benachteiligten Menschen und Gruppen fördern zu wollen, da Medien als gesellschaftskonstituierend verstanden werden (vgl. Bosse & Schluchter & Zorn, 2019, S. 23). Bei der Gestaltung der Medienbildung ist es daher für die heterogene Lerngruppe unerlässlich die physischen, intellektuellen, sozialen und emotionalen Fähigkeiten der Nutzerinnen und Nutzer miteinzubeziehen, um ein gleichberechtigtes Lernen zu ermöglichen (vgl. Bosse, 2012, S. 3).

In der inklusiven Medienbildung wird sich mit folgenden drei übergreifenden Feldern der medialen Teilhabe befasst: die Teilhabe in Medien, die Teilhabe an Medien und die Teilhabe durch Medien (vgl. Bosse & Schluchter & Zorn, 2016, S.28).

Im Kapitel „Erklärvideos als Fördermöglichkeit im Schwerpunkt Lernen“ werden die Felder der Teilhabe an Medien und der Teilhabe durch Medien genauer beleuchtet, um herauszufinden ob Erklärvideos den Anspruch der inklusiven Medienbildung gerecht werden können.

3. Förderschwerpunkt Lernen

Der Fokus der Analyse dieser Arbeit liegt auf Inklusion von Lernenden mit Unterstützungsbedarf beim Lernen. Deshalb wird sowohl der Begriff des Sonderpädagogischen Förderbedarfs definiert und sich dabei auf seine Aufgaben in der schulischen Förderung fokussiert, als auch die Merkmale und Diagnostik von dem Förderschwerpunkt Lernen erläutert.

3.1 Sonderpädagogischer Förderbedarf

Der Förderschwerpunkt Lernen, auf welchen im Weiteren genauer eingegangen wird, fällt unter die Kategorie des sonderpädagogischen Förderbedarfs. Die sonderpädagogische Förderung wird wie folgt definiert: „Aufgabe sonderpädagogischer Bildung ist die Förderung in sensorischen, motorischen, kognitiven, sprachlich-kommunikativen, emotionalen und sozialen Entwicklungsbereichen und die Vermittlung spezieller Kompetenzen im Kontext eines Lebens mit Behinderung in den Schwerpunkten Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung, geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Sehen, Hören und Kommunikation, Autismus und Krankheit“ (vgl. Kriszio & Prado, 2013, S. 4). Der Anspruch auf Förderbedarf ist von der Kultusministerkonferenz sehr offen formuliert, das heißt, dass jeder Anspruch hat, der die Förderung benötigt, dabei ist auch die Zuordnung zu mehreren Förderschwerpunkten möglich. Kein Anspruch auf sonderpädagogischen Förderbedarf besteht bei Schwierigkeiten in einem spezifischen Kompetenzbereich, wie z.B. bei der Lese- und Rechtsschreibschwäche (vgl. Borsch, 2018, S. 108). Da das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung häufig durch Lebenserschwernisse beeinflusst wird, gilt es Erfahrungen der Ausgrenzung, welche die Entwicklung dieser negativ beeinflussen, durch Unterstützung und Beratung zu minimieren. Aufgabe der sonderpädagogischen Schulpädagogik ist es eine Umgebung der Wertschätzung zu schaffen, Offenheit und Kommunikation zu ermöglichen und pädagogische Beziehungsangebote zu eröffnen, um den Heranwachsenden Erfahrungen der Selbstwirksamkeit machen zu lassen. (Vgl. ebd., S.5). Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung beschreibt, dass eine Person davon ausgeht Handlungen erfolgreich aufgrund seiner Kompetenzen selbständig ausführen zu können. Diese Erfahrungen werden durch individualisierende Maßnahmen in der Schule bestärkt.

Damit jedem Lernenden ein individualisiertes Konzept zur Verfügung gestellt werden kann, werden diagnostische Verfahren genutzt, um passende Lern-, Förder- und Unterstützungsangebote zu planen und zu gestalten. Dennoch wird ein neues Verständnis von Diagnostik etabliert, welches die Etikettierung als Notwendigkeit kritisiert, um die notwendige Ressourcen zu Verfügung gestellt zu bekommen. In einem inklusiven Verständnis von Diagnostik ist insbesondere die Bedeutung diagnostischer Informationen für die Förderplanung und Förderung wichtig. Dabei wird der Fokus weniger auf die Eigenschaften des Individuums gelenkt, sondern auf die Kontextfaktoren der schulischen und außerschulischen Umwelt des Individuums. (Vgl. Hedderich & Biewer & Hollenweger & Markowetz, 2016, S. 318)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass genaue Kenntnisse über den Lern- und Entwicklungsstand eines Kindes oder Jugendlichen die Voraussetzung für die Gestaltung von passenden Unterrichtsangeboten und eine optimale Förderung darstellen (vgl. Kriszio & Prado, 2013, S. 5), daher ist die Ausbildung, das sonderpädagogisches Fachwissen von Lehrkräften und die Diagnostik für eine angemessene Förderung von hoher Bedeutung.

3.2 Merkmale Förderschwerpunkt Lernen

Laut der Bertelsmann Stiftung sind im Schuljahr 2013/14 in Deutschland etwa 500.500 Personen dem Förderschwerpunkt Lernen zugeordnet. Mit 38,8 Prozent stellt der Förderschwerpunkt Lernen die größte Gruppe an Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf. (Vgl. Klemm, 2015, S. 31) Aufgrund dieser Tragweite, lässt sich die Frage ableiten, was diese Kinder und Jugendlichen kennzeichnet und inwiefern sie sich von Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf unterschieden und die Betroffenen gefördert werden können. Bevor auf den Aspekt der Förderung genauer eingegangen wird, gilt es den Förderschwerpunkt Lernen zu definieren.

Eine allgemeingültige Definition für die Probleme im Lernen liegt in Deutschland jedoch nicht vor, noch nicht einmal die Bezeichnung des Personenkreises erfolgt einheitlich (vgl. Benkmann & Heimlich, 2018, S. 72). Ein kurzer Blick in die Historie zeigt, wie sich die Terminologie in dem letzten Jahrhundert veränderte. Schulversager wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „Schwachsinnige“ bezeichnet. Dieser Begriff wurde in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland durch den der „Lernbehinderung“ abgelöst. Seit 1994 spricht man offiziell von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischen Förderbedarf im Schwerpunkt Lern- und Leistungsverhalten. Außerdem findet man heute Begriffe wie Lernbeeinträchtigungen oder Lernschwierigkeiten, diese Begriffe sind aus wissenschaftlicher Perspektive jedoch ungenau, da es keine allgemein akzeptierte Theorie dieser Begriffe gibt. (Vgl. Werning & Lütje-Klose, 2016, S. 18) Außerdem kann auch pädagogisch-psychologisch hinterfragt werden, in wie weit eine weitere Differenzierung vom Förderschwerpunkt Lernen zur Verbesserung der Lebenslage von Betroffenen beiträgt, oder ob dies nur eine weitere Etikettierung darstellt. Aufgrund der Schwierigkeiten die Begriffe der Lernschwierigkeiten und Lernbeeinträchtigungen voneinander abzugrenzen, hat sich im Laufe der Zeit ein weites Verständnis des Förderschwerpunktes Lernen ergeben. Gravierende Probleme beim Lernen unterschieden sich demnach von allgemeinen Lernschwierigkeiten, welche bei jedem Auftreten können, in ihrer Art diese zu bewältigen. Die meisten Menschen schaffen es eigenständig diese Probleme zu lösen, Individuen mit dem Förderschwerpunkt Lernen sind hingegen auf die Hilfe anderer, in einigen Fällen auch auf professionelle heil- und sonderpädagogische Unterstützung, angewiesen. Dabei ist es zunächst zweitrangig, ob diese Schwierigkeiten vorübergehend oder dauerhaft sind, in einem oder in mehreren Schulfächern bestehen und welche Ursache ihnen zu Grunde liegt, da sich primär auf die rechtzeitige Implementierung der Fördermaßnahmen fokussiert werden sollte. (Vgl. Heimlich, 2016, S. 31)

Um einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen nachzuweisen werden diagnostische Verfahren eingesetzt, wie beispielsweise die Befragung, Beobachtung und informelle und standardisierte Testverfahren. Die diagnostischen Erkenntnisse und eine zusammenfassende Beschreibung des Kindes oder Jugendlichen mit seinen Fähigkeiten und seinen Entwicklungsperspektiven sind Grundlagen des Förderplans, welcher zur bestmöglichen Unterstützung des Betroffenen beitragen soll. (Vgl. Kriszio & Prado, 2013, S. 13)

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Erklärvideos als Fördermöglichkeit im Schwerpunkt Lernen. Implementierung an der berufsbildenden Schule
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Veranstaltung
Seminar: Inklusion in und durch Medien – mehr Anschluss statt Ausschluss
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
21
Katalognummer
V1032013
ISBN (eBook)
9783346435866
ISBN (Buch)
9783346435873
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inklusion, Medienpädagogik, Erklärvideos, Berufsschulpädagogik, Lernbeeinträchtigung, Förderschwerpunkt Lernen
Arbeit zitieren
Monja Karkoska (Autor:in), 2020, Erklärvideos als Fördermöglichkeit im Schwerpunkt Lernen. Implementierung an der berufsbildenden Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1032013

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