Extrait
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. grundlegende Betrachtungen
2.1 Begriffsdefinitionen und Überblick Theorien der Kapitalstruktur
2.2 Theorie der Irrelevanz der Kapitalstruktur
2.3 Trade-Off-Theorie
2.4 Pecking-Order-Theorie
3. Kapitalstruktur der Daimler AG und deren Einflussfaktoren
3.1 Datengrundlage und Datenerhebung der Kapitalstruktur
3.2 Entwicklung der Kapitalstruktur der Daimler AG 2002-2017
3.3 Einflussfaktoren für die Trade-Off- oder Pecking-Order-Theorie
3.3.1 Einfluss der Profitabilität auf die Kapitalstruktur
3.3.2 Einfluss der Anlagenintensität auf die Kapitalstruktur
3.3.3 Einfluss der Dividendenausschüttungsquote auf die Kapitalstruktur
4. Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: kapitaltheoretische Grundmodelle
Abb. 2: Trade-Off-Theorie
Abb. 3: Kapitalstruktur und Verschuldungsgrad
Abb. 4: Profitabilität und Verschuldungsgrad
Abb. 5: Anlagenintensität und Verschuldungsgrad
Abb. 6: Investitionsbedarf und Gewinn nach Dividendenausschüttung
Abb. 7: Anteil der ausgeschütteten Dividenden am Konzernergebnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„How do firms choose their capital structures?”1 Diese einleitende Frage von Stewart Myers bildet den Ausgangspunkt dieser Arbeit, die einen Beitrag zur Lösung des von ihm verwendeten Begriffes des „Kapitalstruktur Puzzles “2 liefern will. Hierbei werden die beiden Theorien, die das „Grundgerüst der Kapitalstrukturforschungen“3 bilden, die Trade-Off-Theorie und die Pecking-Order-Theorie auf ihre Gültigkeit untersucht. Untersuchungsobjekt ist die Daimler AG, deren Kapitalstruktur für den Zeitraum 2002 bis 2017 analysiert wird. Es soll untersucht werden, ob die Kapitalstruktur der Daimler AG eher der Trade-Off- oder der Pecking Order-Theorie folgt.
Zunächst wird der kapitaltheoretische Unterbau dargestellt, bevor die Gültigkeit der Theorien anhand von den firmenspezifischen Einflussfaktoren Profitabilität, Anlagenintensität und Dividendenausschüttungsquote überprüft und bewertet wird.
2. grundlegende Betrachtungen
Als theoretische Grundlage und zur Einordnung wird in diesem Kapitel eine kurze Übersicht über die verschiedenen kapitaltheoretischen Modelle gegeben. Ferner wird die Theorie der Irrrelevanz der Kapitalstruktur von Modigliani und Miller (M&M) erläutert, bevor die Theorien des Trade-Offs und der Pecking-Order in ihren Grundzügen vorgestellt werden.
2.1 Begriffsdefinitionen und Überblick Theorien der Kapitalstruktur
Die Kapitalstruktur eines Unternehmens beschreibt die Aufteilung der Herkunft der Finanzierungsmittel nach Eigenkapital (EK) oder Fremdkapital (FK). Das Verhältnis zwischen FK und EK bestimmt den Verschuldungsgrad eines Unternehmens.4 Eine optimale Kapitalstruktur, also ein optimaler Verschuldungsgrad, ist dann gegeben, wenn der Unternehmenswert maximiert wird.5 Der Unternehmenswert wiederum wird maßgeblich durch die Kosten des gesamten Kapitals bestimmt. Zur Ermittlung dieser Kosten sind die durchschnittlichen Kosten des EK und FK zu gewichten (weighted average cost of capital=WACC) und zum Periodenüberschuss des Unternehmens ins Verhältnis zu setzen. Unterstellt man gleichbleibende Periodenüberschüsse, so gilt:6
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieser Feststellung folgend, kann durch eine Optimierung der Kapitalstruktur, die zu einer Senkung der Gesamtkapitalkosten führt, der Marktwert einer Unternehmung gesteigert werden. Die Theorien, die von einer optimalen Kapitalstruktur ausgehen, befassen sich im Wesentlichen mit den Einflussfaktoren, die zu einer Maximierung des Unternehmenswertes beitragen.
Grundlegend können 4 kapitaltheoretische Modelle zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung unterschieden werden:
Abb. 1: kapitaltheoretische Grundmodelle
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an: Vgl. Perridon, Louis, Steiner, Manfred, Rathgeber, Andreas W., Finanzwirtschaft 2017, S. 560f.
Während die klassischen Kapitalstrukturmodelle von der Annahme des vollkommenen Marktes unter Sicherheit ausgehen, berücksichtigen die traditionellen Modelle Unsicherheitsfaktoren und ein risikoaverses Verhalten der Kapitalgeber. Im erstgenannten Modell hat die Kapitalstruktur keinen Einfluss auf die Kapitalkosten; in den traditionellen hingegen führen die Abwägungen von Renditeerwartungen in Abhängigkeit vom Risiko zur Ableitung einer optimalen Kapitalstruktur.7 Ausgangspunkt der neoklassischen Theorien sind die Befunde von M&M, die unter restriktiven Annahmen in Märkten unter Unsicherheit nachgewiesen haben, dass die Kapitalstruktur für den Unternehmenswert irrelevant ist.8 Aufbauend auf diese Erkenntnisse werden die restriktiven Annahmen von M&M in der Trade-Off-Theorie unter Rückgriff auf die Berücksichtigung von Unternehmenssteuern und Insolvenzkosten modifiziert und die Existenz einer optimalen Kapitalstruktur angenommen.9 Theorien des neoinstitutionellen Ansatz gehen abweichend von den vorherigen Modellen nicht von vollkommenen Märkten aus. Sie unterstellen ungleiche Informationsverteilung (z.B. die Pecking-Order-Theorie10 ) und/oder Interessendivergenzen, die Einfluss auf die Kapitalstruktur einer Unternehmung haben.
Während die vorgenannte Klassifizierung hauptsächlich auf statischen Aspekten beruhen, beziehen neuere Modelle auch interdisziplinäre Ansätze und dynamische Faktoren mit ein.11 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Windows-of-Opportunity-Theorie und die Market-Timing-Theorie zu nennen, die externe Entwicklungen, wie das makroökonomische Umfeld und Bewertungen am Kapitalmarkt als Einflussfaktoren auf die Kapitalstruktur berücksichtigen.12 Diese Arbeit wird sich jedoch auf die statischen Theorieansätze begrenzen.
2.2 Theorie der Irrelevanz der Kapitalstruktur
Im Gegensatz zu der traditionellen These, die -bedingt durch den Leverage-Effekt13 - von einem optimalen Verschuldungsgrad ausgeht, konnten M&M in ihrer 1958 erschienenen Arbeit14 beweisen, dass der Unternehmenswert von der Ausgestaltung der Kapitalstruktur unabhängig ist.
Als Grundlage für die aufgestellten Thesen und zur Reduzierung der Komplexität treffen M&M restriktive Grundannahmen, die unter anderem von einem vollkommenen Kapitalmarkt mit atomischer Konkurrenz, einem risikolosen Zins und homogenen Anteilen15 ausgehen.16
Mithilfe eines Arbitragebeweises zeigen M&M, dass Differenzen im Marktwert zweier Firmen der gleichen Klasse durch Umschichtungen von höher bewerteten Anteilen in niedriger bewertete Anteile eines anderen Unternehmens der gleichen Gruppe zu Preisanpassungen führen. Diese Preisanpassungen stellen sich ein, da Investoren - durch die Aufnahme von zusätzlichen Krediten - einen risikolosen Gewinn (Arbitrage) am Markt erzielen können. Unter den Annahmen eines vollkommenen Marktes kommen M&M zu den folgenden Kernaussagen in Ihrer Theorie:17
These I: Der Firmenwert ist unabhängig von der Kapitalstruktur und bestimmt sich aus der Kapitalisierung der erwarteten Gewinne.18
These II: Die von den EK-gebern erwartete Rendite steigt linear zum Verschuldungsgrad der Unternehmung.19
Der These I folgend bestimmt sich der Unternehmenswert dementsprechend nicht aus der Zusammensetzung der Herkunft der Finanzierungsmittel, sondern allein aus dem Wert, der sich aus der Mittelverwendung (dem Cash-Flow der Investitionen) ergibt.20 Die Kapitalstruktur hat für den Wert einer Unternehmung keine Relevanz.
Aus der These II ergibt sich eine Konstanz der durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC). Steigen die Renditeanforderungen der Anteilseigner linear zum Verschuldungsgrad an, ändern sich die WACC nicht. Bei ebenfalls unterstellten konstanten Überschüssen führt eine Änderung der Kapitalstruktur somit nicht zu einer Änderung des Unternehmenswertes (siehe 2.1).
Da in der Realität jedoch keine vollkommenen Märkte existieren, die die angenommenen Bedingungen des Modells von M&M erfüllen, ist eine Übertragung der Theorie der Irrelevanz der Kapitalstruktur auf die Realität nicht möglich.21 Der Wert des Beweises der Irrelevanz der Kapitalstruktur liegt somit auch nicht in der eigentlichen Grundaussage, sondern vielmehr in der Beschreibung der Voraussetzungen, die eine solche Irrelevanz begründen.22 Unterstellt man, entgegen den Erkenntnissen von M&M, eine Relevanz der Kapitalstruktur, bedarf es also der Abweichungen (Marktimperfektionen) von den restriktiven Vereinfachungen des hier vorgestellten Modells. Es bildet eine wichtige theoretische Grundlage für weitere Theorien zur Kapitalstruktur. Der Co-Autor der Irrelevanz Theorie (Merton Miller) beschreibt die Bedeutung in einem späteren Aufsatz so: „.. .showing what doesn't matter can also show, by implication, what does.”23
Unternehmenssteuern und Insolvenzkosten stellen solche Marktimperfektionen dar. Sie sind für die im folgenden dargestellte Trade-Off-Theorie von grundlegender Bedeutung.
2.3 Trade-Off-Theorie
Im Gegensatz zu den vorgestellten Thesen von M&M, geht die Trade-Off-Theorie von der Existenz einer optimalen Kapitalstruktur aus. Diese bedingt sich aus den gegenläufigen Determinanten Unternehmenssteuern und Insolvenzkosten. Die Wirkungsweise dieser Faktoren soll im Folgenden aufgezeigt werden.
M&M hatten bereits im Rahmen ihrer Arbeit zur Irrelevanzthese die Abzugsfähigkeit der FK-Zinsen als möglichen Einflussfaktor auf die Ausgestaltung der Kapitalstruktur thematisiert, kamen aber zunächst zu dem Schluss, dass dessen Bedeutung eher gering sei.24 In einer späteren Arbeit wurde diese Einschätzung von M&M korrigiert und der Einfluss von Unternehmenssteuern auf den Wert einer Unternehmung anerkannt.25
Die Existenz von Unternehmenssteuern führt dazu, dass Unternehmen, die sich über FK finanzieren, über einen Steuervorteil verfügen, der das zur Ausschüttung zur Verfügung stehende Kapital gegenüber einer ausschließlich eigenfinanzierten Unternehmung erhöht. Der Grund hierfür liegt in der steuermindernden Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für FK-Zinsen.26 Unterstellt man einen konstanten Zinssatz für FK, würde dies -mit dem Ziel der Maximierung des Unternehmenswertes- rechnerisch zur einem optimalen Verschuldungsgrad von 100% führen.27 Es bleibt anzumerken, dass mit wachsender Verschuldung auch die Renditeerwartungen der EK-Geber wachsen, jedoch weniger stark, als in einem Modell ohne Steuern. Somit sinken mit zusätzlicher Aufnahme von FK auch die durchschnittlichen gewichteten Kapitalkosten und der Marktwert des Unternehmens steigt.28
M&M weisen in ihrem Korrekturaufsatz daraufhin, dass trotz des positiven Effektes eines wachsenden Verschuldungsgrades auf den Unternehmenswert, Unternehmen die Aufnahme von FK begrenzen. Spezifische Gründe hierfür werden jedoch nicht angeführt, sondern es wird allgemein auf die Notwendigkeit der Vorhaltung von Flexibilität hinge- wiesen.29
Mit der zusätzlichen Einbeziehung der Insolvenzkosten, wird in der Trade-Off-Theorie eine weitere Marktimperfektion in das Modell mit aufgenommen und dem Steuervorteil des FK wird eine gegenläufige, begrenzende Determinante hinzugefügt.30
Insolvenzkosten umfassen nicht nur die Kosten, die im Falle eines tatsächlichen Zahlungsausfalles (default) auftreten, sondern auch solche, die durch eine erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit oder eine drohende Insolvenz entstehen. Es kann zwischen direkten und indirekten Insolvenzkosten unterschieden werden.31
Bei den direkten Kosten einer Insolvenz handelt es sich im Wesentlichen um die administrativen und legalen Kosten, die auf Grundlage des jeweiligen Insolvenzrechtes mit der Abwicklung eines Unternehmens einhergehen.
Indirekte Insolvenzkosten resultieren hauptsächlich aus einem (Vertrauens-) Verlust verschiedener Stakeholdergruppen (z.B. Kunden, Angestellte, Lieferanten), die sich vom Unternehmen abwenden (könnten). Zusätzlich sind mangelnde Liquidationserlöse aufgrund von Zeitdruck oder der Zwang zum Verkauf von profitablen Unternehmensteilen aufgrund von Liquiditätsbedarf denkbar.32
Diese Kosten steigen mit zunehmender Verschuldung und werden von den Kapitalgebern (EK und FK) antizipiert und mit entsprechend steigenden Risiko- und Renditeaufschlägen eingepreist. Somit steigt mit zunehmender Verschuldung das Insolvenzrisiko. Dieses führt zu einer Erhöhung des WACC und einer Reduzierung des Unternehmenswertes.
Abb. 2: Trade-Off-Theorie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an: Shyam-Sunder, Lakshmi, Myers, Stewart C., Testing Trade-Off Pecking, 1999, S. 220
Die Trade-Off-Theorie der Kapitalstruktur beschreibt die gegenläufige Abhängigkeit und Austauschbeziehung (Trade off) der beiden Faktoren Steuervorteil der FK-Zinsen und Insolvenzkosten. Sie geht von einer Kapitalstruktur aus, die es ermöglicht den Wert eines Unternehmens durch Verschuldung gegenüber einer ausschließlich auf EK basierenden Finanzierung zu steigern. Der Unternehmenswert findet sein Optimum in dem Punkt, in dem der Nutzen (Barwert des Steuervorteils) einer zusätzlichen Verschuldungseinheit die Kosten (Barwert der Insolvenzkosten) einer zusätzlichen Verschuldungseinheit gerade noch übersteigt.
Verkürzt lassen sich die Aussagen zur Trade-Off Theorie auf die folgende Formel redu- 33 zieren:33
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.4 Pecking-Order-Theorie
Ausgehend von der Trade-Off-Theorie sollten Unternehmen, die sich ähneln und/oder derselben Branche angehören, auch über ähnliche Kapitalstrukturen verfügen. In der Realität konnten jedoch stark heterogene Strukturen beobachtet werden, die somit im Gegensatz zu den Thesen einer optimalen Kapitalstruktur der Trade-Off-Theorie stehen.34 Mithilfe von Infomationsasymmetrien zwischen Management und (existierenden und zukünftigen) Eigentümern verfolgt die Pecking-Order-Theorie einen Ansatz, der solche Gegensätze zu erklären versucht. Grundannahme in diesem Modell ist die Existenz vollkommener Märkte; allerdings gehen Myers und Majluf abweichend hiervon von der Marktimperfektion der Infomationsasymmetrie sowie einem passiven Verhalten der Anteilseigner aus.35 Es wird ein Informationsvorsprung des Managements gegenüber den Eigentümern unterstellt, der einerseits als „natürlich“36 angesehen wird und dessen Überwindung andererseits mit (hohen) Kosten verbunden sein kann.37
Dieser Informationsvorsprung wird von den Kapitalgebern antizipiert und die Finanzierungsentscheidungen des Managements entsprechend interpretiert. Die Erkenntnisse fließen in die Entscheidung der Kapitalgewährung mit ein.
Ausgehend von der Einschätzung des Managements bezüglich des aktuellen Firmenwertes, sind zwei Szenarien denkbar: Unter Berücksichtigung der zukünftigen Investments liegt zum Zeitpunkt der Kapitalaufnahme entweder eine Unterbewertung oder eine Überbewertung des Unternehmens vor.38
Liegt eine Unterbewertung vor, würde die Ausgabe von neuem EK zu einem zu niedrigen Marktpreis (unter Marktwert) erfolgen, der die Anteile verwässern würde und lediglich die Neueigentümer auf Kosten der Alteigentümer bevorteilen würde.39 Im Sinne der Alteigentümer verzichtet das Management auf die Emittierung von EK und präferiert die FK-Aufnahme. Diese Finanzierungsentscheidung würde durch (existierende und potentielle) Kapitalgeber als optimistisch interpretiert.
Im Falle einer Überbewertung wäre aus Sicht der bestehenden Eigentümer das Ausbringen von neuem EK eher vorteilhaft, da durch den zu hohen Ausgabepreis Wert von den neuen zu den alten Anteilseignern transferiert würde. Eine Finanzierung über EK würde jedoch durch den Markt als „bad news“40 und das Verhalten des Managements als pessimistisch interpretiert. Die Platzierung von neuem EK wäre nur unter großen Preisabschlägen möglich, die deutlich unter dem aktuellen Marktwert lägen. Im Endeffekt wird auf die Ausgabe von EK verzichtet und stattdessen, falls möglich, die Aufnahme von FK präferiert.
Den Thesen der Pecking-Order folgend, erklären die Informationsasymmetrien die Präferenz von FK gegenüber EK, bei der Finanzierung aus externen Quellen. Die Emittie- rung von EK bildet den Ausnahmefall und erfolgt nur, wenn andere Finanzierungsquellen zu teuer oder riskant wären. Aufgrund des Verwässerungseffektes kann es aus Sicht der Alteigentümer durchaus rational sein, auf eine Investition mit einem positiven Kapitalwert zu verzichten, wenn alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten erschöpft sind. Um solche Engpässe - und damit einhergehende lohnende, aber verpasste Investitionen - zu vermeiden, haben intern generierte Mittel (Gewinne) die höchste Präferenz in der Rangfolge der Finanzierungsinstrumente. Zusätzlich wird die Bildung eines finanziellen Puffers als wertvoll und erstrebenswert erachtet.41
Somit ergibt sich eine Rangordnung der Finanzierungsinstrumente:42
1. Unternehmen präferieren Innen- vor Außenfinanzierung.
2. Ist externe Finanzierung notwendig, wird die Finanzierung durch FK vorgezogen.
3. Ist die Aufnahme von FK zu teuer, zu riskant oder unmöglich, wird EK als letzte
Möglichkeit herangezogen.43
Die Kapitalstruktur nach der Pecking-Order orientiert sich nicht, wie die Trade-Off-The- orie, an einem optimalen Verschuldungsgrad, sondern ist vielmehr das Ergebnis des externen Finanzierungsbedarfes, des nicht durch Innenfinanzierung gedeckten Kapitalbedarfs. Eine Zielkapitalstruktur unterstellt die Pecking-Order nicht.44
3. Kapitalstruktur der Daimler AG und deren Einflussfaktoren
In diesem Kapitel wird die Entwicklung der Kapitalstruktur der Daimler AG im Betrachtungszeitraum aufgezeigt und die Annahmen zur Berechnung erläutert. Anschließend wird die Validität der Trade-Off- und der Pecking-Order-Theorie anhand der Determinanten Profitabilität, Anlagenintensität und Dividendenausschüttungsquote überprüft.
3.1 Datengrundlage und Datenerhebung der Kapitalstruktur
Die Untersuchung der Kapitalstruktur bezieht sich in dieser Arbeit auf den Zeitraum 2002 bis 2017 und erfolgt auf der Basis von Marktwerten. Die hierfür notwendigen Daten wurden der Investors Relations Homepage der Daimler AG entnommen.45
Die (Re-) Finanzierung über FK gestaltet sich bei der Daimler AG sehr vielschichtig und komplex. Die Daimler AG greift in diesem Bereich auf „... ein breites Spektrum von unterschiedlichen Finanzierungsinstrumenten in verschiedenen Währungen und Märk- ten.“46 zurück. Zur Vereinfachung und aufgrund der hohen Komplexität werden die Marktwerte des FK den Buchwerten des FK gleichgesetzt.
Mezzanine Finanzierungsformen wurden im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht und werden, falls vorhanden, dem FK zugeordnet.
Der Marktwert des EK berechnet sich aus der Anzahl der ausgegebenen Stückaktien des jeweiligen Jahres multipliziert mit dem Kurswert. Für den Jahreskurswert wird ein Mittelwert, basierend auf den Schlusskursen des letzten Handelstages eines Quartals gebildet.
Die Summe aus den Marktwerten des EK und des FK des jeweiligen Jahres entspricht dem Unternehmenswert des jeweiligen Jahres.
3.2 Entwicklung der Kapitalstruktur der Daimler AG 2002-2017
Basierend auf den erhobenen Werten ergibt sich für die Entwicklung der Marktwerte und des Verschuldungsgrades der Daimler AG folgendes Bild:
Abb. 3: Kapitalstruktur und Verschuldungsgrad
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung
Im Jahr 2007 hatte die Daimler AG die Abgabe seine Mehrheitsbeteiligung an der Chrys- ler Group abgeschlossen.47 Hieraus resultiert der deutliche Rückgang des Marktwertes vom Jahr 2006 auf 2007. Hiermit geht ebenfalls eine Verschiebung innerhalb der Kapitalstruktur einher. Während der Verschuldungsgrad in den Jahren 2002 bis 2006 mit geringer Schwankungsbreite bei ca. 80% (Mittelwert 2002-2006: 80,5%) liegt, geht er 2007, nach dem Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an Chrysler, kurzfristig auf 58,9% zurück. In den letzten zehn Jahren des Betrachtungszeitraumes sind wiederum stabilere Werte mit geringeren Schwankungen zu beobachten. Der Verschuldungsgrad variiert von 2008 bis 2017 zwischen Werten von 65,9% (2015) und 75,8% (2009). Der Mittelwert für diesen Zeitraum beträgt 70,8%. Somit kann die Kapitalstruktur in zwei Phasen eingeteilt werden. Die Phase 1 umfasst die Jahre 2002 bis 2006 und weist bei geringen Schwankungen einen mittleren Verschuldungsgrad von 80,5% auf. Phase 2 fällt auf den Zeitraum 2008 bis 2017 und weist, mit leicht höheren Schwankungsbreiten, eine mittlere Verschuldung von 70,8% aus.
[...]
1 Myers, Stewart C., Capital Structure Puzzle, 1984, S. 575.
2 Im Original: „capital structure puzzle” Myers, Stewart C., Capital Structure Puzzle, 1984, S. 575.
3 Schneider, Hilmar, Determinanten, 2010, S. 31.
4 Vgl. Wolf, Birgit, Hill, Mark, Pfaue, Michael, Strukturierte Finanzierungen, 2011, S. 31.
5 Vgl. Wolf, Birgit, Hill, Mark, Pfaue, Michael, Strukturierte Finanzierungen, 2011, S. 31.
6 Vgl. Perridon, Louis, Steiner, Manfred, Rathgeber, Andreas W., Finanzwirtschaft, 2017, S. 569.
7 Vgl. Perridon, Louis, Steiner, Manfred, Rathgeber, Andreas W., Finanzwirtschaft, 2017, S. 560f
8 Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 261ff.
9 Vgl. Kraus, Alan, Litzenberger, Robert H., State-Preference-Model, 1973, S. 911ff
10 Vgl. Myers, Stewart C., Majluf, Nicholas S., Corporate Financing, 1984, S. 3ff
11 Vgl. Hermanns, Julia, optimale Kapitalstruktur, 2006, S. 83ff. Eine grundlegende Klassifizierung in statische und dynamische Theorien der Kapitalstruktur findet sich auch bei Schneider, Hilmar. Vgl. Schneider, Hilmar, Determinanten, 2010, S. 9ff.
12 Vgl. Hermanns, Julia, optimale Kapitalstruktur, 2006, S. 114ff
13 Der Leverage-Effekt besagt, dass durch die Substitution von EK durch FK die durchschnittlichen Kapitalkosten gesenkt werden können und somit zu einem steigenden Unternehmenswert führen. Da mit steigender Verschuldung auch die Risikoprämien und -aufschläge der Kapitalgeber steigen, hängt der optimale Verschuldungsgrad in der traditionellen Sichtweise im Wesentlichen von der Sensibilität des Verschuldungsrisikos ab. Vgl. Perridon, Louis, Steiner, Manfred, Rathgeber, Andreas W., Finanzwirtschaft 2017, S. 562-570.
14 Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 261ff.
15 M&M unterstellen, dass die Anteile („shares“) innerhalb einer Gruppe von Firmen perfekte Substitute darstellen. Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 266.
16 Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 265ff.
17 M&M stellen insgesamt drei Thesen („propositions“) in Ihrer Arbeit auf, von den an dieser Stelle nur die für diese Arbeit relevanten Thesen I und II vorgestellt werden.
18 Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 268.
19 Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 271.
20 Vgl. Brealey, Richard A., Myers, Stewart C., Allen, Franklin, Corporate Finance, 2006, S. 448.
21 Vgl. Schneider, Hilmar, Determinanten, 2010, S. 10.
22 M&M sind sich selbst der Realitätsferne ihrer Annahmen bewusst und bezeichnen diese als „drastisch, aber notwendig“ „These and other drastic simplifications have been necessary Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 296.
23 Miller, Merton H., M&M after thirty years, 1988, S. 100.
24 Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Cost of Capital, 1958, S. 293ff.
25 Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Corporate Taxes, 1963, S. 433ff.
26 Ein Unternehmen, welches sich ausschließlich durch EK finanziert kann seine Ausschüttungen an die EK -geber nicht absetzen. Vgl. Brealey, Richard A., Myers, Stewart C., Allen, Franklin, Corporate Finance, 2006, S. 469ff.
27 Vgl. Miller, Merton H., M&M after thirty years, 1988, S. 112.
28 Vgl. Perridon, Louis, Steiner, Manfred, Rathgeber, Andreas W., Finanzwirtschaft, 2017, S. 583ff.
29 “Vgl. Modigliani, Franco, Miller, Merton H., Corporate Taxes, 1963, S. 442.
30 Für die Determinante der Insolvenzkosten wird in der englischsprachigen Literatur der Begriff „bankruptcy costs“ (vgl. Kraus, Alan, Litzenberger, Robert H., State-Preference-Model, 1973, S. 911ff.) oder „costs of financial distress“ (vgl. Brealey, Richard A., Myers, Stewart C., Allen, Franklin, Corporate Finance, 2006, S. 476ff.) verwandt.
31 Vgl. Berk, Jonathan, DeMarzo, Peter, Corporate Finance, 2017, S. 587ff.
32 Vgl. Berk, Jonathan, DeMarzo, Peter, Corporate Finance, 2017, S. 588ff.
33 Vgl. Kraus, Alan, Litzenberger, Robert H., State-Preference-Model, 1973, S. 918.
34 Vgl. Myers, Stewart C., Capital Structure Puzzle, 1984, S. 578.
35 Vgl. Myers, Stewart C., Majluf, Nicholas S., Corporate Financing, 1984, S. 6ff.
36 Myers und Majluf argumentieren, dass die größere Nähe des Managers zur Organisation und dem operativen Geschäft einen solchen Informationsvorsprung natürlicher Weise generiert. „.. .naturally creates asymetric information.“ Myers, Stewart C., Majluf, Nicholas S., Corporate Financing, 1984, S. 15.
37 Vgl. Myers, Stewart C., Majluf, Nicholas S., Corporate Financing, 1984, S. 15.
38 Vgl. Brealey, Richard A., Myers, Stewart C., Allen, Franklin, Corporate Finance, 2006, S. 490ff.
39 Es wird unterstellt, dass das Management ausschließlich im Interesse der bestehenden Eigentümer handelt. Vgl. Myers, Stewart C., Majluf, Nicholas S., Corporate Financing, 1984, S. 8.
40 Vgl. Myers, Stewart C., Capital Structure, 2001, S. 91.
41 Vgl. Myers, Stewart C., Majluf, Nicholas S., Corporate Financing, 1984, S. 46f. Myers und Majluf verwenden den Begriff “financial slack”, der hier mit „finanzieller Puffer“ übersetzt wurde. Vgl. ebd. S.46.
42 Vgl. Myers, Stewart C., Capital Structure Puzzle, 1984, S. 581.
43 Die Ausgabe von mezzaninem Kapital ist als feinere Unterteilung ebenfalls möglich und steht in der Rangfolge vor der Emittierung von „reinem“ EK. Vgl. ebd. S. 581.
44 Vgl. Hermanns, Julia, optimale Kapitalstruktur, 2006, S. 77.
45 Vgl. https://www.daimler.com/investoren/, Zugriff am 01.06.2018ff.
46 Geschäftsbericht der Daimler AG 2017, S. 112.
47 Vgl. Geschäftsbericht der Daimler AG 2007, S. 38.
- Citation du texte
- Sebastian Rätz (Auteur), 2018, Die Kapitalstruktur der Daimler AG zwischen 2002 und 2017, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1037443
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