Die Erzieherrolle nach Janusz Korczak

Wie können Pädagogen Kindern Freiheit gewährleisten, ohne sie in Gefahr zu bringen?


Trabajo Escrito, 2021

25 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Janusz Korczak und seine Padagogik
2.1. Korczaks Bild vom Kind und seine Padagogik der Achtung
2.2. Die Grundrechte der Kinder

3. Erziehung nach Janusz Korczak - Kinder bestimmen selbst

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Janusz Korczak stellte als Padagoge und Schriftsteller samtliche Theorien bezuglich des Umganges mit Kindern auf, von denen er selbst als Arzt und Erzieher praktisch Gebrauch machte. So facettenreich wie seine Person ist, sind auch seine padagogischen Ansatze und Erziehungsstrategien.

Besonders interessant empfinde ich in meiner Ausbildung zur Grundschullehrerin die Erziehendenrolle nach Janusz Korczak. Ich habe mich gefragt, was fur den Padagogen, den man mit einer erstaunlichen Wertschatzung des Kindes verbindet, gute Erziehende ausmacht. Denn ich weiB bereits, dass er viel Unabhangigkeit und Freiheit fur die Kinder fordert und somit eine Art „Selbsterziehung“ durch die Kinder angestrebt wird. Wo findet sich dort also die Aufgabe der Erziehenden? Wie konnen diese den Kindern Freiheit gewahrleisten, ohne sie in Gefahr zu bringen oder sie zu missachten?

Um die Erzieherrolle in Janusz Korczaks Padagogik zu verstehen und damit diese Fragen beantworten zu konnen, muss man sich jedoch zuerst einen Uberblick uber Korczaks Padagogik verschaffen. Dazu habe ich mich besonders mit seinen groBten Werken „Wie man ein Kind lieben soll“ und „Das Recht des Kindes auf Achtung“ auseinandergesetzt, um Korczaks Bild vom Kind und die daraus resultierende Padagogik der Achtung zu vertiefen. Deren Grundmomente dienen dem Verstandnis seiner Erziehungsstrategie und damit auch seiner Vorstellung guter Erziehender.

Gerne hatte ich mich in meiner Ausarbeitung noch intensiv auf die Biografie Korczaks und auf seine Praxis in den Waisenhausern, insbesondere auf die Institutionen, bezogen. Leider wurde dies jedoch den Rahmen meiner Arbeit bei Weitem uberschreiten, weshalb ich dieses nur kurz im Zusammenhang mit seiner Padagogik ansprechen werde.

Bevor ich nun mit meiner Ausarbeitung der Erziehendenrolle nach Janusz Korczak beginne, mochte ich anmerken, dass ich zur besseren Lesbarkeit im Folgenden auf die Verwendung geschlechtsneutraler Sprachformen verzichte. Dies bezieht sich besonders auf den Beruf des „Erziehers“, bei dem ich, wie auch in Korczaks Formulierungen, meist das generische Maskulin verwende, aber ausdrucklich darauf hinweisen mochte, dass alle Geschlechter gleichermaBen gemeint sind.

2. Janusz Korczak und seine Padagogik

Janusz Korczak wird 1878 oder 1879 in Warschau in eine assimilierte und angesehene judische Familie geboren.

Ihn zeichnet seine Padagogik der Achtung aus, die er als Leiter zweier Waisenhauser in die Praxis umsetzt. Dazu entstehen unter Anderem einige Institutionen, wie eine Zeitung, eine Tafel und ein Kameradschaftsgericht, die den Kindern eine Partizipation am Leben des Waisenhauses und damit eine Mitbestimmung an ihrem Erziehungsprozess ermoglichen.

Mit den dreiBiger Jahren verschlimmert sich der Antisemitismus unter der Naziherrschaft, woraufhin die Waisenhauser ins Warschauer Ghetto umziehen mussen und spater ins Konzentrationslager nach Treblinka deportiert werden.

Mehrmals bekommt Korczak bis zu diesem Punkt das Angebot, in Sicherheit gebracht zu werden und dem Tod so zu entgehen. Dies lehnt er jedoch stets entschieden ab, da er eine solche Tat als Verrat an den Kindern und an sich selbst betrachtet und besteht dementsprechend darauf, die Kinder zu begleiten.

Janusz Korczak stirbt Anfang August 1942 mit und fur seine Kinder.

Korczaks Leben, das er fur seine Heimkinder lebt und stirbt, empfinde ich als sehr aufschlussreich, wenn man sich mit Janusz Korczak und seiner Padagogik beschaftigt.

Denn nicht nur an seinen Theorien kann man erkennen, welche Wertschatzung er den Kindern gegenuberbringt, sondern auch in seiner praktischen Umsetzung in den Waisenhausern mit der Selbstverwaltung durch die Kinder und an seiner Biografie, die letztendlich im gemeinsamen Tod im Konzentrationslager endet.

Unter Padagogik mogen viele Menschen die Wissenschaft vom Kind verstehen. Nicht aber Korczak, dieser definiert die Padagogik namlich ausdrucklich als die „Wissenschaft vom Menschen“ (Korczak 1988, 156). Diese Gleichstellung von Kind und Erwachsenem ist ein, wenn nicht das zentrale Moment der Padagogik Korczaks und wird im Laufe meiner Hausarbeit immer wieder auftauchen.

2.1. Korczaks Bild vom Kind und seine Padagogik der Achtung

Wenn man den Begriff der „Padagogik der Achtung“ hort, denkt man an Janusz Korczak. Zentraler Gegenstand ist die Achtung des Kindes. Dieses soll nicht mehr langer wie ein minderwertiges Wesen behandelt werden, sondern die Menschen sollen erkennen, dass Kinder und Erwachsene den gleichen Wert besitzen. Die Padagogik der Achtung baut auf Korczaks Bild vom Kind als eigenstandigem Individuum auf. Was genau Korczak unter Kindern versteht und wie sich daraus seine Padagogik ableitet, mochte ich im Folgenden erlautern.

Es scheint, als gabe es zwei Arten von Leben mit unterschiedlichem Wert: das der Erwachsenen, welches hoch geachtet wird, und das des Kindes, von geringerem Wert und kaum geachtet. Korczak sieht hier den elementaren Fehler in der Beziehung der Menschen. Seine Hauptaussage ist, dass Kinder von Beginn an Menschen sind und nicht erst zu diesen werden, sie dementsprechend gleichwertig zu achten sind, statt auf die ferne Zukunft des Erwachsenseins vertrostet zu werden. Die Kinder als Belastung wahrzunehmen, statt diese als gleichwertige Menschen zu achten, ist ein groBes Fehlverhalten der Erwachsenen (vgl. Korczak 1970, 23).

Der Gedanke, dass „klein“ mit „weniger bedeutend“ einhergeht, begleitet die Menschen schon von Beginn des Lebens an. Es wird der Anschein erweckt, dass nur GroBes Eindruck macht und Respekt und Achtung verdient, nicht aber das Kleine. Dieses wiederum erscheint als „alltaglich und wenig interessant“ (Korczak 1970, 7). Dadurch entsteht die Auffassung, kleinere Leute hatten geringere Bedurfnisse, Freuden und Sorgen als die GroBen, anstatt die Menschen und deren Belange gleichwertig zu verstehen und zu behandeln (vgl. Korczak 1970, 7).

Als noch schlimmer empfindet Korczak, dass die Erwachsenen ihre muskulare und allgemein korperliche Uberlegenheit ausnutzen, um die Kinder zu bevormunden und zu unterdrucken. So kann ein Kind gegen seinen Willen hochgenommen werden, im Gehen ausgebremst oder nach vorne gestoBen werden, je nach Intention des Erwachsenen. Jeglichem Bemuhen seitens der Kinder wird entgegengewirkt. Sobald die Kinder nicht das tun, was die Erwachsenen verlangen, wird von diesen noch mehr Kraft aufgebracht, um die Kinder gefugig zu machen. Was die Kinder als Konsequenz daraus lernen, ist, dass alle, die alter und starker sind, ihrer Unzufriedenheit freien Lauf lassen konnen, um sich Gehor zu verschaffen, ohne dass es Konsequenzen fur sie nach sich zoge (vgl. Korczak 1970, 7f.)

„Durch unser eigenes Verhalten lehren wir, das, was schwacher ist, geringer zu achten. Eine schlechte Schule, eine dustere Prophezeiung“ (Korczak 1970, 8).

Korczak merkt auBerdem an, dass sich zwei Moglichkeiten der Rangfolgen im Leben zeigen: „Entweder das Leben der Erwachsenen - am Rande der Kinderwelt. Oder das Leben der Kinder am Rande der Erwachsenenwelt“ (Korczak 1970, 205). Dass beide Leben gleichwertig nebeneinander herlaufen, gibt es nicht, obwohl dies doch so sinnig und erstrebenswert ware (vgl. Korczak 1970, 205)

Die Angewohnheit der Menschen, Jahre nach Reife zu klassifizieren, die Lebenszeit in reife und unreife Jahre aufzuteilen, ist unbeholfen und falsch, denn „es gibt gar kein unreifes Heute, keine Hierarchie des Alters, keinen hoheren oder tieferen Rang des Schmerzes und der Freude, der Hoffnung und der Enttauschung“ (vgl. Korczak 1970, 28).

Die Kindheit stellt einen groBen und vor allem wichtigen Teil des Lebens dar (vgl. Korczak 1970, 24) und Kinder machen einen erheblichen Teil der Bevolkerung aus. Dementsprechend sollte es unumstritten sein, dass Kinder zu achten und an jeglichen Entscheidungsprozessen zu beteiligen sind (vgl. Korczak 1996, 106).

Eigentlich gibt es auch keinen wesentlichen Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern. Es lasst sich am reinen Verhalten nicht immer unbedingt klar sagen, welcher der Erwachsene ist und welcher das Kind. Wenn die Erwachsenen diese Ahnlichkeitsbeziehung zwischen sich und den Kindern verstanden, ware das Verhaltnisse der Menschen anders, besser (vgl. Korczak 1973, 75).

Auch in ihrer Boshaftigkeit unterscheiden sich die Kinder nicht von den Erwachsenen. Kinder orientieren sich lediglich an ihrem Umfeld, ahmen sowohl gut- als auch bosartiges Verhalten nach und nehmen ein Leben, Bestreben und eine Sprache an, die ahnlich zu dem Milieu sind, in dem sie aufgewachsen sind (vgl. Korczak 1988, 215).

Kinder sind nicht streitsuchtiger als Erwachsene, sie leben allerdings unter erschwerten Bedingungen eng miteinander, unterdruckt von den Erwachsenen. Unter solchen Umstanden, wie sie beispielsweise in einer Schulklasse vorkommen, waren die Erwachsenen mindestens genauso haufig in Streitigkeiten verwickelt, wie es die Kinder sind, so Korczak (vgl. Korczak 1988, 194).

Es ist falsch anzunehmen, Kinder hatten nur eine Zukunft, auf die fokussiert werden muss. Denn genauso wie die Erwachsenen haben auch die Kinder ihre Vergangenheit mit denkwurdigen und schlimmen Erinnerungen, die sie nachhaltig beeinflussen (vgl. Korczak 1970, 25).

Eine elementare Aussage Korczaks ist also die Vergleichbarkeit von Erwachsenen und Kindern, die zur identischen Wertschatzung und Achtung fuhren sollte. Er spricht jedoch nicht nur von den Gleichheiten, sondern fuhrt auch die geringen Unterschiede auf:

So resultiert die Differenz zwischen den Erwachsenen und den Kindern zu einem groBen Teil aus der materiellen Abhangigkeit des Kindes von den Erwachsenen. Die Kinder sind damit den Erwachsenen insofern unterlegen, als dass sie sich zu benehmen verstehen mussen, da sie kein eigenes Geld verdienen, das ihnen Unabhangigkeit verschaffen konnte, sondern von den Erwachsenen versorgt werden mussen (vgl. Korczak 1988, 75).

Der wesentliche Unterschied liegt jedoch in der vergangenen Lebensdauer. „Die Kinder und ich - der gleiche Prozess des Denkens - alles das gleiche, nur lebe ich langer“ (Korczak 1990b, 19). „Wir achten das Kind gering, weil es seine Lebenserfahrung erst noch machen muss“ (Korczak 1970, 12).

Die Unerfahrenheit des Kindes birgt jedoch auch Vorteile, denn durch sie ist das Kind unbeschwerter, nicht von Hemmungen eingeschrankt (vgl. Korczak 1988, 75).

Die Kinder sind den Erwachsenen lastig, weshalb diese versuchen, die Storung durch die Kinder moglichst gering zu halten. Gleichzeitig sind es aber die Erwachsenen, die ihre Identitat vor den Kindern verstecken, was von einer groBen Unsicherheit ihrerseits zeugt (vgl. Korczak 1988, 74).

Denn das Kind ist unbeschwert, es ist ein gluckliches Wesen, das sich mit wenig zufriedengibt und sich an den Kleinigkeiten des Lebens erfreuen kann Die Erwachsenen haben diese Fahigkeit meist verlernt und gonnen sie den Kindern nicht. Stattdessen fertigen sie die Kinder schnell als unreif und unzurechnungsfahig ab (vgl. Korczak 1970, 12).

Die Reinheit und Unbeschwertheit der Kinder und die Kindheit an sich sind also etwas, vor dem die Erwachsenen, denen diese Merkmale verlorengingen, Achtung, „wenn nicht gar Demut“ (Korczak 1970, 36) haben sollten.

Ein Grund fur die Erwachsenen, die Kinder geringer zu achten, ist, dass sie mehr norgeln und jammern. Kinder weinen allerdings deshalb haufiger als Erwachsene, da sie gefuhlsvoller sind. Sie empfinden Leid starker als Erwachsene. Diese wiederum haben vergessen, dass auch sie so empfanden, und achten das Leid der Kinder dementsprechend weniger, tun es als Nichtigkeit ab (vgl. Korczak 1973, 85f.).

Nicht zu vergessen ist, dass das Wachstum eine sehr anstrengende und kraftezehrende Arbeit fur das Kind bedeutet. Die Aufgabe der Erwachsenen ist dabei, dies zu erkennen und den Prozess des Wachstums mit den einhergehenden Geheimnissen und Schwankungen jeder Art akzeptieren, respektieren und achten zu konnen (vgl. Korczak 1990a, 38).

Dabei sind die Kinder alle verschieden und entwickeln sich auch unterschiedlich schnell und ausgepragt. Selten verlauft die Entwicklung wie erwartet, sie kann sowohl positiv als auch negativ von der Vorstellung der Eltern abweichen (vgl. Korczak 1990a, 27ff.).

AbschlieBen mochte ich dieses Kapitel gerne mit einem Zitat Korczaks, das das bereits Gesagte noch einmal schon zusammenfasst:

Wollte man die Menschheit in Erwachsene und Kinder teilen und das Leben in Kindheit und Reife, so gibt es hier wie dort unzahlige Kinder. Wir nehmen sie - von unseren eigenen Auseinandersetzungen und Sorgen absorbiert - nur nicht wahr, so wie wir fruher fur Frauenfragen, Belange der Bauern oder Probleme der unterdruckten Bevolkerungsschichten und Nationen blind waren (Korczak 1988, 73f.).

Es bedarf also einer Revolution der Aufmerksamkeit der Erwachsenen, weg vom egoistischen Denken und der daraus resultierenden Missachtung der Kinder und hin zu einer Gleichstellung der Werte mit gleicher Achtung und Beteiligung, besonders an Prozessen, die die Kinder direkt betreffen.

Dass Korczak die Geringschatzung der Kinder mit vergangenen Missstanden wie der Missachtung von Frauen und anderen vormals deutlich benachteiligten Gruppen vergleicht, lasst auf seine Hoffnung auf zukunftige Besserung schlieBen.

[...]

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Die Erzieherrolle nach Janusz Korczak
Subtítulo
Wie können Pädagogen Kindern Freiheit gewährleisten, ohne sie in Gefahr zu bringen?
Universidad
University of Cologne
Calificación
1,3
Autor
Año
2021
Páginas
25
No. de catálogo
V1045367
ISBN (Ebook)
9783346470331
ISBN (Libro)
9783346470348
Idioma
Alemán
Palabras clave
Janus Korczak, Erzieher, Erzieherrolle
Citar trabajo
Sarah Erken (Autor), 2021, Die Erzieherrolle nach Janusz Korczak, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1045367

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Título: Die Erzieherrolle nach Janusz Korczak



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