„Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ, zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.(…) wie viel Not und Elend (…) hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ‚Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.“1
Mit diesen Worten beginnt Jean Jacques Rousseau eines der Kapitel in seinem Diskurs über die Ungleichheit unter den Menschen. Sie machen ihn zum Wegbereiter der soziologischen Klassenanalyse. Bei Rousseau ist das Eigentum an Ressourcen – hier an Boden – der Grundstein für die Entstehung sozialer Klassen. Mit dem Eigentum eines Akteurs an einer Sache – das macht das Bild von den Pfählen und dem Graben deutlich – ist der Ausschluss anderer Akteure von dieser Sache und damit von deren Nutzen verbunden. Über das Eigentum entsteht dem Eigentümer so ein Vorteil, der zugleich ein Nachteil für den oder die Eigentumslosen ist.
Die Idee vom Eigentum und der damit verbundenen Entstehung von sozialen Klassen wird ein gutes Jahrhundert später von Karl Marx fortgeführt. Ähnlich Rousseau gibt es auch in seinem Gesellschaftsbild eine Klasse von Eigentümern, die Kapitalisten und eine Klasse von Eigentumslosen, die Arbeiter. Der Grundtenor der urmarxistischen Theorie ist bekannt: Da Angehörige der Arbeiterklasse über kein oder zumindest über kein ausreichendes Maß an Kapital zur Sicherung ihrer Existenz verfügen, sind sie gezwungen, ihre Arbeitskraft an die Kapitalisten gegen die Zahlung eines Lohns zu verkaufen. In diesem System, wie Karl Marx es beschreibt, kommt es zur Ausbeutung der Arbeiter, da sich die Kapitalisten des Mehrwerts der Arbeit bedienen. Der Mehrwert entsteht, da die Arbeiter länger für den Kapitalisten arbeiten, als zur Existenzsicherung erforderlich wäre. Er ist mit anderen Worten eine Rente, die durch den Faktor Arbeit entsteht, aber auf Seiten des Kapitals zu Buche schlägt. Diesen Tatbestand bezeichnet Karl Marx als Ausbeutung, die zwangsläufig zu antagonistischen Interessen zwischen der Klasse der Arbeiter und der Klasse der Kapitalisten führt.2 Wie bei Jean Jacques Rousseau ist auch bei Karl Marx das Eigentum an Ressourcen der Ausgangspunkt allen Übels [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kapitalrente und Klassenanalyse
- Der total wealth von Akteuren
- Über Kapitalrenten, antagonistische Interessen und Ausbeutung
- Stärken und Schwächen der Theorie
- Die Erweiterung des total wealth-Konzepts
- Die Bedeutung von ökonomischem Kapital
- Die Eigenschaften von ökonomischem Kapital
- Die Investition in ökonomisches Kapital
- Die Renten aus ökonomischem Kapital
- Zusammenfassung
- Die Bedeutung von Humankapital
- Die Eigenschaften von Humankapital
- Die Investition in Humankapital aus individueller Sicht
- Die Investition in Humankapital aus relationaler Sicht
- Die Renten aus Humankapital
- Zusammenfassung
- Die Bedeutung von Sozialkapital
- Die Eigenschaften von Sozialkapital
- Die Investition in Sozialkapital aus individueller Sicht
- Die Investition in Sozialkapital aus struktureller Sicht
- Die Renten aus Sozialkapital
- Zusammenfassung
- Die Bedeutung von ökonomischem Kapital
- Die Wechselwirkungen von ökonomischem, Human- und Sozialkapital
- Humankapital als Funktion von Sozialkapital
- Exkurs: Kulturkapital statt Humankapital?
- Ökonomisches, Humankapital, Sozialkapital und status attainment
- Zusammenfassung: Das 3K-Modell vom total wealth
- Zusammenfassung und Ausblick: Was bleibt von den Klassen?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, das Konzept des total wealth von Aage B. Sørensen zu analysieren und zu erweitern. Im Zentrum steht dabei die Bedeutung von ökonomischem, Human- und Sozialkapital sowie deren Wechselwirkungen. Die Arbeit untersucht, inwieweit diese Kapitalformen zu sozialen Ungleichheiten, Ausbeutung und antagonistischen Interessen beitragen.
- Das Konzept des total wealth und seine Relevanz für die Klassenanalyse
- Die Bedeutung von ökonomischem, Human- und Sozialkapital
- Die Investition in und die Renten aus den verschiedenen Kapitalformen
- Wechselwirkungen zwischen den Kapitalformen und deren Auswirkungen auf das status attainment
- Die Frage nach der Bedeutung von Klassen im Kontext des total wealth-Konzepts
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die historische Entwicklung des Klassenbegriffs und stellt den Ausgangspunkt der Arbeit, das Konzept des total wealth von Aage B. Sørensen, vor. Das zweite Kapitel widmet sich der rentenbasierten Klassenanalyse nach Sørensen, analysiert die Stärken und Schwächen dieser Theorie und zeigt deren Verbindung zum klassischen Klassenbegriff von Karl Marx auf. Das dritte Kapitel erweitert das total wealth-Konzept um die Dimensionen von ökonomischem, Human- und Sozialkapital. In diesem Abschnitt werden die jeweiligen Eigenschaften dieser Kapitalformen, die Möglichkeiten der Investition in diese Ressourcen und die daraus entstehenden Renten untersucht. Das vierte Kapitel befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen den drei Kapitalformen. Es werden die Ansätze von James S. Coleman und Pierre Bourdieu diskutiert und ein status attainment-Modell entwickelt. Das fünfte Kapitel bietet eine Zusammenfassung der Arbeit und widmet sich der Frage, was von den Klassen im Kontext des total wealth-Konzepts bleibt.
Schlüsselwörter
Total wealth, Klassenanalyse, ökonomisches Kapital, Humankapital, Sozialkapital, Renten, Ausbeutung, antagonistische Interessen, status attainment, soziale Ungleichheit, Klassenbegriff.
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- Stephan Pflaum (Author), 2002, Skilled Out? Über die Bedeutung von ökonomischem Kapital, Humankapital und Sozialkapital, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10599