Treue im Mittelalter. Die Darstellung der "triuwe" im Nibelungenlied


Dossier / Travail, 2021

14 Pages, Note: 1,3

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bedeutung der triuwe im Mittelalter

3. Die triuwe im Nibelungenlied
3.1 Die Beziehung zwischen Siegfried und Kriemhild
3.2 Das Verhältnis Hagens zu den Königen von Burgund
3.3 Die familiäre Bindung zwischen Giselher und Gunther zu Kriemhild

4. Schluss

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Heinrich von Kleist, ein bedeutender deutscher Dichter, schrieb in einem Brief an Wilhelmine von Zenge: „Nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe“.1 Viele Menschen in der heutigen Zeit teilen diese Ansicht mit Kleist. Wenn man jemanden liebt oder geliebt wird, werden keine Versprechungen gebraucht, welche vielleicht nicht eingehalten werden können, sondern Unterstützung und Freude an gemeinsamen Aktivitäten stellen die Grundlage für eine glückliche Partnerschaft oder Freundschaft dar. Das neuhochdeutsche Wort Treue war im Mittelalter „triuwe“. Diese galt als eine der wichtigsten Tugenden und war von großer gesellschaftlicher und politischer Bedeutung.2

Das Nibelungenlied wurde vermutlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts verfasst und handelt von Siegfried, dem Drachentöter, der an den Hof der Burgunden reist und dort Prinzessin Kriemhild heiratet. Aufgrund eines Verrats stirbt Siegfried und Kriemhild vermählt sich mit dem Hunnenkönig Etzel. Sie plant einen Rachefeldzug gegen Hagen, den Mörder ihres verstorbenen Mannes. Dafür lädt sie ihre Brüder, die Könige, an den Hof von König Etzel ein. Dort kommt es zu einer Schlacht, bei der Hagen, Kriemhild sowie die Könige von Burgund und unzählige weitere Männer sterben. Neben Krieg und Verrat wird auch die Treue thematisiert. Das Nibelungenlied besteht aus 39 Aventiuren und ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil endet mit dem Tod Siegfrieds. Im zweiten Teil wird der Untergang der Burgunden erläutert.3

Die Hausarbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche unterschiedlichen Formen der triuwe sich im Nibelungenlied wiederfinden. Dabei soll gezeigt werden, dass es sich nicht nur um freundschaftliche Beziehungen, sondern ebenso um Rechtsverbindungen handelt.

Um diese These zu belegen, beschäftige ich mich zunächst mit der Bedeutung der Treue im Mittelalter. Anschließend untersuche ich verschiedene Formen der triuwe, die im Nibelungenlied vorkommen. Dafür analysiere ich die Beziehung zwischen Siegfried und Kriemhild, stelle das Verhältnis zwischen Hagen und den Königen von Burgund dar und untersuche die Loyalität von Giselher zu seiner Familie.

Als Grundlage der Arbeit dient die von Joachim Heinzle übersetzte und kommentierte Ausgabe des Nibelungenliedes, auf welche sich alle Seiten- und Strophenangaben im Text beziehen.4

2. Bedeutung der triuwe im Mittelalter

Treue ist eine Tugend, welche von nahestehenden Personen erwünscht wird. Verrat von einem geliebten Menschen ist schmerzhaft und erzürnend zugleich. Wird die Treue gebrochen, sei es innerhalb einer Ehe oder in einer Freundschaft, hat dies in den meisten Fällen Konsequenzen für beide Parteien. Ein Beispiel hierfür ist die Scheidung, welche viele Verhandlungen sowie Einigungen mit sich bringt. Doch welche Bedeutung wurde dieser Tugend von den Menschen im Mittelalter zugesprochen? Diese Frage wird im Folgenden beantwortet.

Simone Schultz-Balluff definiert triuwe folgendermaßen: „[Sie] ist ein zentraler Begriff sozialer Organisation menschlichen Zusammenlebens und stellt damit einen wesentlichen Aspekt mittelalterlicher Kommunikations- und Lebensformen dar“.5Ebenso war sie ein Symbol für die Vollkommenheit.6 Daran lässt sich zeigen, dass die triuwe einen großen Stellenwert im mittelalterlichen Leben hatte. Übersetzt bedeutet es neben Treue auch Zuverlässigkeit, Vertrag oder Bündnis.7 Da der Begriff ins Neuhochdeutsche übertragen auch Liebe bedeuten kann, wird er fälschlicherweise mit minne gleichgesetzt. Eine eindeutige Zuordnung zu dem Bereich der Gesellschaft, Religion oder des Rechts kann nicht erfolgen.8

Anders als in der heutigen Zeit wird im Mittelalter der triuwe eine Rechtsverbindung zugewiesen. Sie ist der wichtigste ethische Faktor im alten germanischen Recht und wird damit begründet, dass auf die Einhaltung der Versprechen bei einem Vertrag oder Bündnis vertraut wird. Mithilfe von verbalen und nonverbalen Äußerungen wird die Übereinkunft besiegelt. Beide Parteien haben die Pflicht, zuverlässig zu handeln und den Vereinbarungen nachzukommen. Dabei muss das Versprechen nicht zwingend zwischen gleichrangigen Personen erfolgen.9 Könige und Vasallen können ebenfalls ein Bündnis eingehen (vgl. Kapitel 3.2). Da es sich um einen Rechtsbegriff handelt, geht es mit einer Rechtsverbindlichkeit einher und das Bündnis oder Vertragsverhältnis besteht auch über den Tod hinaus.10

Grundsätzlich lassen sich vier verschiedene Arten der triuwe unterscheiden. Die erste Form ist der religiöse Aspekt. Hier geht es um das Vertrauen auf Gott, um beispielsweise nach dem Tod in das Paradies gelangen zu können. Die Gottestreue wird jedoch in der nachfolgenden Ausführung nicht berücksichtigt. Die Loyalität zu Mitgliedern der eigenen Familie stellt eine weitere Art der Treuebindung dar. Wie oben bereits erläutert, zählt die Rechtsgebundenheit ebenso dazu. Durch die Ablegung eines Eides wurden die Dienstpflichten des Vasallen gesichert. Verletzte er seine Pflichten, wurde dies mit Meineid gleichgesetzt und galt als Todsünde. Umgekehrt geht der Dienstherr die Verpflichtung ein, für den Schutz des Vasallen zu sorgen. Die vierte Form bezieht sich auf die Verlässlichkeit und Beziehung zwischen zwei Personen. Hierzu gehören die Freundschaft als auch die Liebe beziehungsweise Ehe.11

Im Gegensatz zu Tugenden wie êre oder mâze bezieht sich die triuwe nicht nur auf das höfische Umfeld, sondern auf alle Bereiche des Lebens. Ein Beispiel hierfür ist, dass Mönche ihre Gelübde einhalten müssen und die Bauern für die Dienstleistungen verantwortlich sind. „Die Notwendigkeit, Bindungen einzugehen, um mit Umweltfaktoren zurechtzukommen, und die Angewiesenheit auf diese Bindungen zwingen die Gesellschaft, auf die Wahrung der Treue besonderen Wert zu legen.“12 Daraus lässt sich schließen, dass das Treueversprechen einen wesentlichen Grundsatz für das Zusammenleben darstellt. Treuebruch und Betrügereien wurden schwer bestraft. Problematisch war es, die Zuverlässigkeit des Gegenübers zu erkennen. Im Mittelalter hatten die Menschen die Vorstellung, dass sich die positiven und negativen Eigenschaften auf der Oberfläche des Körpers zeigen. Als Kennzeichen für Untreue galt ein ruheloser Blick.13

Hiermit kann gezeigt werden, dass der triuwe im Mittelalter eine viel größere Bedeutung beigemessen wurde als es in der heutigen Zeit getan wird. Ohne diese Tugend hätte das Zusammenleben zu einer Zeit, in der Bündnisse das Überleben sicherten, nicht funktioniert. Aus diesem Grund wurde das Brechen eines Eides unter anderem auch mit dem Tod bestraft.

[...]


1 Kleist, Heinrich von: Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden. Band 4. Briefe von und an Heinrich von Kleist 1793-1811. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1997. S.54.

2 vgl. Schultz-Balluff, Simone: triuwe-Verwendungsweisen und semantischer Gehalt im Mittelhochdeutschen. In: Verwandtschaft, Freundschaft, Bruderschaft. Soziale Lebens- und Kommunikationsformen im Mittelalter. Hrsg. von Gerhard Krieger. Berlin: Akademie Verlag 2009. S.271.

3 vgl. Heinzle, Joachim: Das Nibelungenlied. Eine Einführung. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1994. S.12-20.

4 vgl. Heinzle, Joachim (Hrsg.): Das Nibelungenlied und die Klage. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Text und Kommentar. Berlin: Deutscher Klassiker Verlag 2015. S.10-747.

5 Schultz-Balluff, S.: triuwe-Verwendungsweisen und semantischer Gehalt im Mittelhochdeutschen. S.271.

6 vgl. Ehrismann, Otfrid: Ehre und Mut, Âventiure und Minne. Höfische Wortgeschichten aus dem Mittelalter. München: Beck 1995. S.211.

7 vgl. Schultz-Balluff, S.: triuwe-Verwendungsweisen und semantischer Gehalt im Mittelhochdeutschen. S.271.

8 vgl. ebd. S.272.

9 vgl. ebd. S.273.

10 vgl. ebd. S.289.

11 vgl. Ehrismann, O.: Ehre und Mut, Âventiure und Minne. S. 213-215.

12 Hempel, Heinrich: Der zwîvel bei Wolfram und anderweit. In: Erbe der Vergangenheit. Germanistische Beiträge. Festgabe für Karl Helm zum 80. Geburtstage 19. Mai 1951. Hrsg: o.A. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1951. S. 158.

13 vgl. ebd.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Treue im Mittelalter. Die Darstellung der "triuwe" im Nibelungenlied
Université
http://www.uni-jena.de/
Note
1,3
Année
2021
Pages
14
N° de catalogue
V1064573
ISBN (ebook)
9783346481160
ISBN (Livre)
9783346481177
Langue
allemand
Mots clés
trauer, mittelalter, darstellung, nibelungenlied
Citation du texte
Anonyme, 2021, Treue im Mittelalter. Die Darstellung der "triuwe" im Nibelungenlied, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1064573

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