Mit meiner Hausarbeit möchte ich mich speziell der zentralen Kontoverse des
Historikerstreits widmen und zwar der Auseinandersetzung zwischen Hermann
Baumgarten und Heinrich von Treitschke. Ich will versuchen, indem ich mich nah
an die geschichtlichen Quellen halte, besonders die Inhalte dieser Kontroverse in den Vordergrund zu stellen und herauszufinden, inwiefern diese eine Rolle auf den Ausgang und auf die gegenwärtige wissenschaftliche Gesamtbetrachtung des Historikerstreits spielen. Obwohl der Hauptteil meiner Arbeit einem Abschnitt von Biefang´s Aufsatz sehr nahe steht, ist er doch von der Konzepetion anders. Mit einer chronologischen Gegenüberstellung der inhaltlichen Abschnitte versuche ich unabhängig von Biefang Problematiken der Grundpositionen, der Arbeitsweise und der politischen Überzeugungen, sowie emotionale Tendenzen zu vermitteln.
Hermann Baumgarten contra Heinrich von Treitschke - Analyse der Kontroverse im Rahmen des Historikerstreits um die "Deutsche Geschichte"
I. Einleitung
Die wichtigste Literatur zu meiner Hausarbeit ist sicherlich die von Andreas Biefang1, der sich als erster intensiv mit dem Streit um den2.Band der „Deutschen Geschichte“ auseinandergesetzt hat. Die Schwerpunkte seines Aufsatzes hat Biefang auf Heinrich von Treitschke und die Spaltung der Nationalliberalen gelegt. Mit meiner Hausarbeit möchte ich mich speziell der zentralen Kontoverse des Historikerstreits widmen und zwar der Auseinandersetzung zwischen Hermann Baumgarten und Heinrich von Treitschke. Ich will versuchen, indem ich mich nah an die geschichtlichen Quellen halte, besonders die Inhalte dieser Kontroverse in den Vordergrund zu stellen und herauszufinden, inwiefern diese eine Rolle auf den Ausgang und auf die gegenwärtige wissenschaftliche Gesamtbetrachtung des Historikerstreits spielen. Obwohl der Hauptteil meiner Arbeit einem Abschnitt von Biefang´s Aufsatz sehr nahe steht, ist er doch von der Konzepetion anders. Mit einer chronologischen Gegenüberstellung der inhaltlichen Abschnitte versuche ich unabhängig von Biefang Problematiken der Grundpositionen, der Arbeitsweise und der politischen Überzeugungen, sowie emotionale Tendenzen zu vermitteln.
In meiner Schlussbetrachtung werde ich dann meine Ergebnisse zusammenfassen und sie mit den Erkenntnissen in Biefangs Aufsatz vergleichen, da dieser als einziger wissenschaftlicher Maßstab2 genommen werden kann.
II. Chronik des Streits zwischen Baumgarten und Treitschke
1. Treitschkes „Deutsche Geschichte“
Die „Deutsche Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts“ war das Lebenswerk von Heinrich von Treitschke, an dem er bis zu seinem Tod arbeitete. Ziel war es eine umfassende nationale Geschichtsschreibung zu schaffen, die sich vom westfälischen Frieden bis zur Reichsgründung erstrecken sollte. Der fünfte und letzte Band im Jahre 1894 endete allerdings mit dem Vorabend der Revolution von 1848.
Mit seiner Darstellung des neunzehnten Jahrhunderts konnte sich Treitschke kaum auf Vorgänger berufen. Als richtungsweisendes Werk galt hier einzig Gervinus`3
„Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen“4, geschrieben in den Jahren 1855-1866. Der Rahmen der Darstellung bildete Europa und hatte als Grundlage den Wandel von der Monarchie zur Demokratie. Treitschke jedoch war in seiner langen Bearbeitungszeit von 1864 an immer stärker von den Erfolgen Bismarcks beeinflusst worden und symbolisierte den
Rechtsruck der Nationalliberalen hin zu konservativen Idealen5. Die deutsche Einigung unter der Vormachtstellung Preußens wurde die zentrale Grundlage der „Deutsche Geschichte“.
Dies war konträr mit der Auffassung Gervinus, was Treitschke nicht verleugnete, sondern als Ziel seiner Arbeit sah.
„Wenn ich nicht vorher gewusst hätte, dass meine Deutsche Geschichte die Schüler Gervinus bis aufs Blut ärgern würde, hätte ich sie gar nicht geschrieben.“6
Treitschke galt als exzellenter Redner und so waren auch die Bücher der
„Deutsche Geschichte“ in einer „erzählenden Art“ geschrieben worden. Er verzichtete auf Quellen- und Literaturangaben und auf eine explizite Auseinandersetzung mit der Wissenschaft.
Dies war sicherlich vorteilhaft für die außerordentlichen Verkaufserfolge des Werkes. Bis zum Jahr 1906 wurden 21000 Exemplare in sechs Auflagen abgesetzt.7 Vom zweite Band der „Deutschen Geschichte“ erschienen im November 1882 6000 Exemplare als erste Auflage und waren bereits im März 1883 verkauft. Dies hing sicherlich auch mit dem öffentlich geführten Streit zwischen Baumgarten und Treitschke zusammen.
2. Kritik und Erwiderung
Schon kurz nach dem Erscheinen des zweiten Bandes von Treitschkes „Deutsche Geschichte“ verfasst Hermann Baumgarten8 eine Kritik. Drei ausführliche Aufsätze vom 6., 9. und 12. Dezember 1882 erscheinen in den Beilagen der Augsburger Allgemeinen Zeitung.
Heinrich von Treitschke reagierte auf diese Kritik am 15. Dezember mit einer Erwiderung in den preußischen Jahrbüchern9.
Inhaltlich geht Baumgarten in seinem ersten Aufsatz vom 6. Dezember vor allem auf die Herkunft der Quellen ein, aus denen Treitschke Rückschlüsse auf die deutsche Geschichte zieht.
„Treitschke hat schon darin einen schwer begreiflichen Fehler begangen, dass er geglaubt hat, eine deutsche Geschichte der Jahre 1816-19 allein auf die preußischen Archive gründen zu können; denn die wenigen Notizen aus dem Karlsruher Archiv, welche er gelegentlich einstreut, kommen kaum in Betracht.“10
Um eine gesamtdeutsche Geschichte für die Jahre 1816-1819 zu schreiben, ist es für Baumgarten unumgänglich sich mit den Münchener und Stuttgarter Archiven und vor allem mit dem Wiener Archiv zu befassen, um die damalige Zeit historisch-objektiv und wissenschaftlich betrachten zu können.
Treitschke geht direkt in seiner Erwiderung vom 15. Dezember auf diesem Punkt ein. Er macht Baumgarten darauf aufmerksam, dass „die Benutzung des Wiener Archivs, nach den dort geltenden Vorschriften, nur für die Zeit bis zum Jahre 1815 gestattet wird“11 und die preußischen Archive hunderte, bisher unausgewertete, österreichische Dokumente enthält.
Zum Karlsruher Archiv schreibt er:
„Ich kann darauf nur trocken erwidern, dass grade diese Papiere <die Karlsruher Akten> mir besonders lehrreich gewesen sind, weil der badische Hof aus Wien eine Menge vertraulicher Mittheilungen erhielt, welche sich in Berlin nicht vorfinden.“12
Den Vorwurf der Einseitigkeit zu Gunsten Preußens spricht er in diesem Zusammenhang nur mit den Worten ab „Mein ganzes Leben, mit Ausnahme von elf Jahren, habe ich in Mittel- und Süddeutschland zugebracht; die oberländischen Zustände sind mir von Kindesbeinen an vertraut,...“13.
Es zeigt sich, dass die Kritik Baumgartens teilweise auf mangelnder Recherche beruhte, der Vorwurf der Einseitigkeit von Treitschke aber nicht zurückgewiesen wurde. Es muss allerdings beachtet werden, dass er in diesem Kritikpunkt nicht als Fehler ansah. Er äußert diese Überzeugung im Vorwort seines dritten Bandes der
„Deutschen Geschichte“:
„Noch deutlicher als sein Vorgänger zeigt der vorliegende Band, dass die politische Geschichte des Deutschen Bundes nur vom preußischen Standpunkt aus betrachtet werden kann; denn nur wer selber fest steht, vermag den Wandel der Dinge zu beurtheilen. Die Macht Preußens in unserem neuen Reiche ist von langer Hand her durch redliche stille Arbeit vorbereitet; darum wird sie dauern.“14
Am 9. Dezember 1882 erscheint der zweite Teil der Kritik. Baumgarten versucht anhand von Beispielen die grundlegend-verzerrende Darstellungsweise Treitschkes zu belegen. Im Abschnitt „Schmalz und Rotteck“ bezieht er sich auf zwei Ereignisse in Treitschkes 2.Band der „Deutschen Geschichte“. Zum einen ist dies die Beendigung des sogenannten Tugendbundstreits von 1815/16 von Friedrich Wilhelm III durch die Verleihung des rothen Adlerordens an Prof. Schmalz15.
„Was er <Prof. Schmalz> nun aber über die politischen Verbindungen sagte, war ein Gewebe der leersten Phantasien und unwürdigsten Schmähungen. Ohne sich die Mühe zu nehmen, das Dasein solcher Verbindungen mit einem Worte zu beweisen, entwarf er von ihrer Thätigkeit und Wirksamkeit die schwärzeste Schilderung.“16
Mit diesen Worten schildert Baumgarten die Denunziation der geheimen politischen Bunde von Schmalz, die zum größten Teil die Einheit Deutschlands zum Ziel hatten und der Ursprung der deutschen liberalen Parteien waren.
Baumgarten stört in diesem Zusammenhang der „unangenehme Wahrheiten verhüllende Ausdruck“17, mit dem Treitschke die Auswirkungen der Ordensverleihung und die gleichzeitige Erneuerung des Verbots geheimer Gesellschaften beschrieb:
„...aber Jedermann fühlte, dass die arge Saat des Anklägers <Schmalz>, der eben jetzt durch einen preußischen und württembergischen Orden ausgezeichnet wurde,doch nicht auf ganz undankbaren Boden gefallen war.“18
Da Treitschke die Folgen nicht bzw. nur andeutend (siehe Zitat) erwähnte, wirft Baumgarten ihm vor, ein einseitiges Handel des Königs bewusst verschwiegen zu haben. Baumgarten will darauf hinaus, dass die gewählte Beendigung des Tugendbundstreites schwere Konsequenzen für das politische Selbstbewusstsein der Liberalen hatte und das Schweigen Treitschkes hier zu einer Beschönigung des königlichen Handelns führte.
[...]
1 Andreas Biefang, Der Streit um Treitschkes „Deutsche Geschichte“, in: HZ, Bd.262, 1996, S.391-422.
2 Des weiteren spricht die Biographie von Ulrich Langer über Heinrich von Treitschke und die Dissertation von Wolfgang Stark über Hermann Baumgarten den Historikerstreit an, ohne jedoch auf die Inhalte der Kontroverse einzugehn. Vgl.: Ulrich Langer, Heinrich von Treitschke – Politische Biographie eines deutschen Nationalisten, 1999 und Wolfgang H. Stark, Hermann Baumgarten – Ein biographischer Beitrag zur Klärung des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert, Dissertation der Friedrich-Alexander-Universität zu Erlangen, 1973.
3 Georg Gottfried Gervinus wurde am 20.05.1805 in Darmstadt geboren und verstarb am 18.03.1871 in Heidelberg. Er studierte in Heidelberg Geschichte und wurde dort 1835 Professor. 1836 wurde er zum Prof. für Geschichte und Literaturgeschichte nach Göttingen berufen. Gervinus schaltete sich mit denGrundzügen der Historikin die theoretische Debatte um Ästhetik und politische Urteilskraft der Historiographie ein. Als Mitglied der „Göttinger Sieben“ wurde er 1837 des Landes verwiesen und ging als Honorarprofessor wieder zurück nach Heidelberg. Seine politische Publizistik machten ihn zu einem der führenden liberal- konstitutionellen Gelehrtenpolitiker im Vormärz und während der Revolution 1848. Als Reaktion auf die Revolutionsniederlage erschien die Einleitung in dieGeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, in der ein föderalistisches Staats- und demokratisches Gesellschaftsprinzip von Gervinus als gesetzmäßigen Emanzipationsprozess betrachtet wurde. Die hier enthaltene Kritik am monarchischen Verfassungstyp brachten ihm 1853 einen Hochverratsprozess und den Entzug seiner Professur. Von 1855 bis 1866 schrieb er dann an den acht Bänden derGeschichte des neunzehnten Jahrhunderts.Im Jahr des innerdeutschen Staatenkrieges 1866 wurde Gervinus zu einem der schärfsten Bismarckkritiker. Walther Killy, Deutsche Biographische Enzyklopädie, München, 1996.
4 Georg Gottfried Gervinus, Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen. 8 Bde. Leipzig 1855-1866.
5 Vgl. Anhang 1.
6 Treitschke an Erdmannsdörffer, 12. Dezember 1882, in: Cornicelius Briefe, Bd. 3, S.545 f..
7 Vgl. Biefang, 1996, S.397.
8 Vgl. Anhang 2.
9 Die preuß. Jbb. galten als liberales Organ der konstitutionell-nationalen Partei von Akademikern und waren inhaltlich für eine Einheit Deutschlands unter der Führung Preußens und Ausschluss Österreichs. Treitschke war von 1858-63 und von 1866-89 Redakteur. „...Treitschkes literarische und politische Tätigkeit war eng mit den Jahrbüchern verbunden“. – Vgl. Georg Iggers, Heinrich von Treitschke, in: Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Historiker Bd.2, Göttingen 1981, S.176.
10 Hermann Baumgarten, Anmerkungen zu Treitschkes „Deutsche Geschichte – 2.Band“, 1883, S.3.
11 Heinrich von Treitschke, Erwiderung an H. Baumgarten, in: Preuß. Jbb., Bd.51, 1883, S.611.
12 Treitschke, Erwiderung, S.612.
13 Treitschke, Erwiderung, S.611.
14 Heinrich von Treitschke, Vorwort zurDeutschen Geschichte des neunzehnten Jahrhundert, Bd. 3, Leipzig, 1885, S.VI.
15 Theodor Anton Heinrich Schmalz (1760-1831) ging 1789 als Ordinarius an die Albertus-Universität zu Königsberg. Hier verfasste er seine ersten Schriften zum Naturrecht, die ihn bekannt machten. Er wechselte nach Berlin und machte sich als Gründungsrektor der Friedrich- Wilhelms-Universität einen Namen als Reformer. 1815 verfasste er eine Broschüre gegen die deutsch-patriotischen Strömungen, welche zum sog. Tugendbundstreit führte. Vgl. http://www.mpier.uni-frankfurt.de/Publikationen/Neuerscheinungen/ICS- 124.htm.
16 Baumgarten, Anmerkungen, S.10.
17 Baumgarten, Anmerkungen, S.15.
18 Treitschke, „Deutsche Geschichte“ – 2.Bd., S.117.
- Arbeit zitieren
- Robert Westermann (Autor:in), 2002, Hermann Baumgarten contra Heinrich von Treitschke - Analyse der Kontroverse im Rahmen des Historikerstreits um die Deutsche Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107098
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