Resilienzförderung in der Kinder- und Jugendhilfe. Wie gelingt Potenzialaktivierung?


Tesis (Bachelor), 2017

46 Páginas, Calificación: 1,9


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Struktur der Arbeit

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsbestimmung „Resilienz“
2.2 Geschichtlicher Hintergrund
2.3 Das Konzept der Salutogenese von Aaaron Antonovsky
2.3.1 „sence of coherence“ – Kohärenzgefühl
2.3.2 Entwicklung und Veränderbarkeit von Kohärenz
2.3.3 Generalisierte Widerstandsressourcen
2.4 Resilienz als dynamischer Anpassungsprozess

3 Resilienzforschung und relevante Studien
3.1 Kauai–Längsschnittstudie
3.2 Bielefelder Invulnerabilitätsstudie
3.3 Resümee der Forschungsergebnisse

4 Risiko– und Schutzfaktorenkonzept
4.1 Risikofaktorenkonzept
4.1.1 Vulnerabilitätsfaktoren
4.1.2 Risikofaktoren
4.2 Schutzfaktorenkonzept
4.2.1 Personale Ressourcen
4.2.2 Soziale Ressourcen
4.2.3 Familiäre Ressourcen
4.2.4 Resümee Risiko– und Schutzfaktoren

5 Resilienzfaktoren
5.1 Positives Selbstkonzept
5.2 Selbststeuerungsfähigkeit
5.3 Selbstwirksamkeit
5.4 Soziale Kompetenzen
5.5 Umgang mit Stress
5.6 Problemlösekompetenzen

6 Resilienz in der sozialpädagogischen Praxis
6.1 Projekt Petra – PAN
6.2 Fallbeispiel
6.2.1 Verlauf der Hilfe
6.2.2 Resümee

7 Fazit

8 Literatur

1 Einleitung

Die vorliegende Bachelorarbeit fokussiert das Thema Resilienz, als Bestandteil der Sozialen Arbeit, im Bereich der Förderung in der Kinder und Jugendhilfe. Das Interesse für dieses Thema resultiert aus eigener Auseinandersetzung im beruflichen und privaten Kontext. Im Laufe meines Bachelor–Studiums habe ich mich in Form meines Theorieprojektes erstmalig aus fachlicher Sicht mit dem Thema Resilienz beschäftigt und mich dort literaturbasiert eingelesen. Zu diesem Zeitpunkt war ich als Erzieherin in einer Kindertagesstätte eingesetzt und verfügte damit über das nötige Fachwissen, um Resilienz in den Kontext der Pädagogik und der Sozialen Arbeit zu stellen. In der Arbeit mit den Kindern wurde mir die Individualität bewusst, mit der Leben gelebt wird und welche unterschiedlichen Voraussetzungen und Erfahrungen die Kinder mit in die Einrichtung bringen. Diese bilden die Grundlage für die pädagogische Arbeit und gewichten diese zugleich. Da ich neben dem Gruppendienst auch als Leitung der Kindertagesstätte fungierte, sammelte ich im Rahmen des Studiums ebenso Erfahrungen im Bereich der Mitarbeiterführung. Ähnlich wie bei den Kindern zeigten sich auch hier unterschiedliche Biographien und deren Verläufe, die Auswirkungen auf die Arbeitsleistung und pädagogische Haltung hatten. Es gab Erzieherinnen, die auf Niederschläge in Bezug auf die pädagogische Arbeit sehr resilient reagierten, aber auch jene, die es als persönliche Niederlage ansahen und sich selbst und ihre Arbeit in Frage stellten. Der Grund dafür war die Vorerfahrungen jener Individuen und was sie in ihrer Biographie geprägt hat. Für meinen persönlichen Anteil konnte ich immer ein sehr resilientes Verhalten aufweisen, obwohl es auch in meiner Biographie Schicksalsschläge und schwierige Etappen zu meistern gab. Aber die Hoffnung verließ mich nie, weil mein Optimismus größer war als jede Niederlage. Lange Zeit ging ich davon aus, dass diese Einstellung einfach zu meiner Persönlichkeit dazugehört und von Anfang an ein Teil von mir war, der nicht personal gesteuert wurde.

Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema Resilienz und meinen beruflichen Background realisierte ich, dass meine Fähigkeit nicht einfach so vorhanden ist, sondern das Ergebnis mehrerer (Lebens-) Faktoren aus meiner Biographie darstellt. Daraus manifestierte sich die Fragestellung, was Menschen unterscheidet, warum Menschen so unterschiedlich auf Schicksalsschläge und Herausforderungen reagieren und warum es jene gibt, die daraus sogar einen positiven Nutzen ziehen. Was hilft diesen Menschen, trotz allem stark und gesund zu sein und vor allem es auch zu bleiben? Diese Frage beschäftigte mich seit der Abgabe des Theorieprojektes fortlaufend und ist immer wieder Teil meiner beruflichen und privaten Lebenswelt. Im beruflichen Kontext stelle ich mir die Frage, wie im Bereich der Kinder– und Jugendhilfe Resilienz gefördert werden kann, um Kindern die nötige Stärke zur Lebensbewältigung mit auf den Weg zu geben. Die Frage konzentriert sich einerseits darauf, welche Faktoren einen protektiven Einfluss haben und trotz hoher Belastung eine positive Entwicklung ermöglichen, und warum andererseits Kinder und Jugendliche mit ähnlicher Problematik Entwicklungsstörungen aufweisen.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Mit dieser Frage beschäftigt sich auch die Resilienzforschung, die Teil der literaturbasierten Auseinandersetzung in dieser Arbeit sein wird. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen steht in den vergangen Jahren im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit.1 Studien und Recherchen zu diesem Themenkomplex machen deutlich, welchen vielfältigen Risiken und Belastungen Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind, mit der gleichzeitigen Erwartungshaltung, aktiv diese Problematik in Angriff zu nehmen.2 Daraus resultiert die Frage, welche Konzepte und Möglichkeiten in der Lage sind, dies effektiv und wirkungsvoll, zu ermöglichen.3 Durch veränderte Lebensläufe und Biographien sind Kinder und Jugendliche aktuell mit einer Vielzahl von Belastungen und Risikolagen konfrontiert.4 Durch die Komplexität moderner Lebenswelten sind geschützte Entwicklungsräume von Kindern und Jugendlichen seltener geworden, was die Anforderungen an jene Individuen erhöht.5 Diese tiefgreifenden Veränderungen moderner Kinderwelten verdeutlicht die besondere Relevanz der Forschung im Bereich der Resilienz und der psychischen und psychosozialen Schutzfaktoren im Bereich der Kinder– und Jugendhilfe.6 Das Konzept der Schutzfaktoren und das damit verbundene Wissen um die protektive Wirkung jener Faktoren, bilden die Grundlage zur Planung und Fundierung der pädagogischen Arbeit und der damit verbundenen Präventionsmaßnahmen.7 Grundlage der vorliegenden Bachelorarbeit ist die Thesis, durch Potenzialaktivierung Selbsthilfe zu fördern, so dass Kinder und Jugendliche, trotz Belastungssituationen, handlungsfähig bleiben und aktiv ihr Leben meistern können. Durch die aufgezeigte Problemstellung wird transparent, dass das Konzept nicht Druck sein kann, sondern der Ansatz bei den Kindern und Jugendlichen selbst ansetzen sollte und die Förderung der physischen und psychosozialen Kompetenzen im Vordergrund stehen muss. Es soll erforscht werden, inwieweit Resilienzförderung im sozialpädagogischen Kontext genutzt werden kann um Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen. Am Ende dieser Ausarbeitung soll die Frage beantwortet werden, ob die Potenzialaktivierung die Grundlage einer resilienten, pädagogischen Arbeit bilden kann, wie sich dies praktisch darstellen lässt und an welche Grenzen dieses Konzept gelangt.

1.2 Struktur der Arbeit

Die vorliegende Arbeit wird im ersten Kapitel den theoretischen Hintergrund beleuchten und eine Begriffsdefinition vornehmen, sowie den geschichtlichen Hintergrund erläutern. Der Fokus steht heute nicht mehr nur in der Minimierung von Fehlverhalten, sondern vermehrt auf der Förderung von Kompetenzen und Ressourcen zur positiven Lebensbewältigung. Dieses Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky bildet einen weiteren Abschnitt dieser Arbeit und bildet mit der Studie von Emmy Werner die Grundlage der Gesundheitserhaltung und die Basis der Resilienz. Eingegangen wird im Besonderen auf das Kohärenzgefühl, da dieses Parallelen zu der Resilienz aufweist und wichtige Hinweise liefert. Das zweite Kapitel umfasst den Bereich der Resilienzforschung und hier insbesondere die Arbeit von Emmy Werner, die durch die Kauai-Studie den Grundstein für die Resilienzforschung legte. Weiter werden auch andere Studien transparent geschildert, um die Ergebnisse resümierend im Anschluss zusammen zu fassen. Nachfolgend wird das Risiko– und Schutzfaktoren Konzept in seinen Einzelheiten aufgegliedert, um im nächsten Kapitel die Resilienzfaktoren darzulegen. Diese sind für die pädagogische Arbeit notwendige Bausteine, um mögliche Förderungsansätze klar zu strukturieren, da sie den Präventionsansatz ergeben. Das sechste Kapitel umfasst den praktischen Teil dieser Bachelor Arbeit und nimmt direkten Bezug auf die sozialpädagogische Praxis. Zur besseren Verstehbarkeit wird ein aktueller Stand der Resilienz in der Kinder– und Jugendhilfe angeführt und mit einem gezielten, pädagogischen Arbeitsfeld in den Kontext gebracht. Ihm folgt ein Fallbeispiel aus der Praxis, welches genanntes Konzept und dessen Notwendigkeit verdeutlichen soll. Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse der literaturbasierten Arbeit zusammengefasst und bewertet. Die Thesis, die dieser Arbeit zu Grunde liegt, wird in ihren Facetten beantwortet und es werden konzeptionelle Impulse formuliert, die einen Ausblick auf die weitere, pädagogische Arbeit geben sollen.

2 Theoretischer Hintergrund

Im nachfolgenden Kapitel soll der theoretische und geschichtliche Hintergrund im Bereich der Resilienz in seinen Dimensionen erläutert werden, da diese wichtige Bestandteile des aktuellen Konzeptes darlegen und dem besseren Verständnis der Thematik dienen.

2.1 Begriffsbestimmung „Resilienz“

Der Begriff Resilienz lässt sich von dem englischen Wort „resilience“ sowie aus dem lateinischen Wort „resilere“ ableiten und bedeutet Spannkraft, Elastizität, Strapazierfähigkeit. Resilienz umfasst dabei eine psychische Widerstandsfähigkeit, primär von Kindern, gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken.8 Von Resilienz bei Kindern und Jugendlichen ist die Rede, wenn besondere Widerstände bzw. Schwierigkeiten zu überwinden waren und das Individuum dabei eine besondere Bewältigungsleistung erbracht hat.9 Damit gelten nur die Kinder als resilient, die trotz massiver Beeinträchtigung eine positive Entwicklung vollzogen haben, im Vergleich zu Kindern, die unter gleichen Bedingungen psychische Beeinträchtigungen aufweisen.10 Widerstandsfähigen Kindern gelingt es, Entwicklungsrisiken weitgehend zu vermindern oder zu kompensieren, negative Einflüsse auszugleichen und sich in selben Moment, gesundheitsförderliche Kompetenzen anzueignen.11 Resilienz kann somit als hochkomplexes Zusammenspiel aus Merkmalen des Kindes und seiner Lebensumwelt verstanden werden.12

2.2 Geschichtlicher Hintergrund

1955 begann unter der Leitung von Emmy Werner auf der hawaiianischen Insel Kauai eine bedeutende entwicklungspsychologische Längsschnittstudie.13 Das Hauptziel der Studie lag darin, den Lebenslauf der Kinder bis hin zum Erwachsenenalter zu verfolgen, um langfristige Konsequenzen perinataler Komplikationen und risikoreicher Entwicklungsbedingungen für die individuelle Entwicklung zu erfassen.14 Mit dieser wegweisenden Studie lieferte Emmy Werner einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung des Resilienzkonzepts, das im Anschluss daran durch Forschung in verschiedenen Bereichen eine Weiterentwicklung durchlebte.15

Die Resilienzforschung entwickelte sich aus der Entwicklungspsychopathologie.16 Im Jahre 1970 beschäftigte sich diese mit den Risikoeinflüssen auf die Entwicklung von Kindern.17 Hauptbestandteil dieser Untersuchung war den Blick auf Kinder zu richten, die trotz schwierigster Bedingungen eine sehr gute Entwicklung vollzogen.18 Konkret umfasste dies ihre positive und optimistische Lebenseinstellung, die positive Bewältigung des schulischen Alltages und das Eingehen von sozialen Beziehungen.19 Die systematische Resilienzforschung begann gegen Ende des Jahres 1970 in Großbritannien und Nordamerika.20 Ende 1980 wurde Resilienz auch in Deutschland ein Bestandteil der Forschung. Einfluss nahm darauf der Paradigmenwechsel von der Pathologie hin zur Resilienz, der vor allem durch Studien des Medizinsoziologen Aaaron Antonovsky beeinflusst wurde.21 Er prägte den Begriff der Salutogenese, welche ebenso wie die Resilienz den Schwerpunkt auf Ressourcen und Schutzfaktoren der Menschen legt.22 Die wissenschaftliche Blickrichtung wechselte von einem krankheitsorientierten, pathogenetischen Modell hin zu einem ressourcenorientierten, salutogenetischen Modell.23

2.3 Das Konzept der Salutogenese von Aaaron Antonovsky

Wie zuvor angeführt, ist das Thema der Salutogenese vor allem in den Bereichen der Gesundheitsförderung und Prävention sehr aktuell.24 In die gesundheitswissenschaftliche und gesundheitspolitische Diskussion brachte Aaaron Antonovsky erstmals das Thema der Salutogenese.25 Mit diesem Konzept brachte er sein Unbehagen gegenüber der Medizin als Reparaturbetrieb und gegenüber dem pathologischen Blick auf die Gesundheit und den Körper auf den Punkt.26 Dieser rein pathogenetisch–kurativen Betrachtungsweise stellte Antonovsky die salutogenetische Perspektive gegenüber.27 Nicht die Frage nach krankmachenden Faktoren sollte im Zentrum der Beachtung stehen, sondern der Blick auf Ressourcen und Potenziale.28 Die Auffassung die der Medizinsoziologe vertrat war, dass die Frage warum Menschen gesund bleiben, Vorrang vor der Frage nach Ursachen von Krankheiten und Risikofaktoren haben soll.29 Daraus ergibt sich, dass die salutogenetische Perspektive primär ihren Beitrag dazu leistet, nach den Bedingungen von Gesundheit und den implizierten Faktoren zum Schutz der Gesundheit zu forschen.30 Dieser Paradigmenwechsel führt von dem zuvor krankheitszentrierten Ansatz zu einem gesundheitsbezogenen Ansatz, der auf Ressourcen ausgelegt ist.31 Dabei ist anzumerken, dass Antonovsky Salutogenese nicht als Kehrseite des pathogenetischen Ansatzes auffasst.32 Er sieht Krankheit und Gesundheit im Sinne eines Kontinuums an, welches in der Vorstellung nicht an die Idee eines Gleichgewichtes (Homöostase) gebunden ist, sondern an die Idee eines Ungleichgewichtes (Herostase).33 Mit dem Begriff der Herostase sieht Antonovsky die Vorstellung vom Leben verknüpft, in dem es um Selbsterhaltung im Ungleichgewicht geht.34 Äußere Einwirkungen, die als Stressoren benannt werden, versetzen das Individuum in einen Spannungszustand, den es körperlich und seelisch zu bewältigen gilt.35 Ist diese Bewältigung erfolgreich, stärkt dies das Erleben von Kohärenz.36 Sollte die Bewältigung jedoch nicht erfolgreich sein, bedeutet dies zwar Stress für das Individuum, aber dieser Stress muss nicht zwangsläufig auch krank machen.37 Ob in solchen Bewältigungssituationen Ressourcen geweckt und gestärkt werden können, hängt zum einen von der Höhe des Kohärenzsinnes ab und zum anderen davon ob das Individuum über generalisierte Widerstandsressourcen verfügt.

Nachfolgend werden, zum besseren Verständnis und der nachfolgenden Einbettung in den pädagogischen Teil, der „sence of coherence“, also das Kohärenzgefühl, sowie die generalisierten Widerstandsressourcen, näher vorgestellt.

2.3.1 „sence of coherence“ – Kohärenzgefühl

Der „sence of coherence“, oder auch Kohärenzgefühl genannt, wird als generelle Lebenseinstellung aufgefasst.38 Antonovsky sieht das Individuum in der Bewegung zwischen den Zuständen von Gesund– und Kranksein. Jeder Mensch, auch wenn er sich überwiegend gesund erlebt, vereint nach Antonovsky auch kranke Anteile in sich.39 Eine Trennung beider kann aus dieser Perspektive so nicht stattfinden. Der individuelle Gesundheits– bzw. Krankheitszustand wird durch individuelle, psychologische Einflussgrößen bestimmt.40 Diese Bestimmung richtet sich auf die allgemeine Grundhaltung des Individuums und seine Sicht auf die Welt und das Leben. Diese individuellen, sowohl kognitiven, als auch affektiv-motivationalen Grundeinstellungen geben mit ihren Ausprägungen an, wie gut Individuen in der Lage sind, vorhandene Ressourcen zur Lebensbewältigung zu nutzen.41 Die Höhe dieser Ausprägungen wird im Begriff der Kohärenz zusammengefasst, die einen Zusammenhang im Sinn der Stimmigkeit angibt. Je ausgeprägter das Kohärenzgefühl des Individuums ist, desto gesünder sollte es sein bzw. umso eher sollte es gesund werden und bleiben.42 Kohärenz ist dabei ein Faktor, der sich im Laufe des Lebens fortwährend weiter entwickelt und immer wieder durch neue Lebenserfahrungen beeinflusst wird. Der Kohärenzsinn setzt sich aus drei Komponenten zusammen, die nachfolgend eruiert werden sollen.

2.3.1.1 „sence of comprehensibility“ – Gefühl der Verstehbarkeit

Das Gefühl der Verstehbarkeit umfasst die Fähigkeit des Individuums, Eindrücke und Impulse als geordnete, konsistente, strukturierte Informationen verarbeiten zu können.43 Das Individuum muss diese Reize einordnen können, damit sie nicht chaotisch oder unerklärlich sind. Es gilt, ein kognitives Verarbeitungsmuster zur Verfügung zu haben.44

2.3.1.2 „sence of manageability“ - Gefühl der Handhabbarkeit

Handhabbarkeit meint die innerliche Überzeugung des Individuums, das eine Situation bewältig bar und Schwierigkeiten lösbar sind. Antonovsky fasst dies im Begriff des instrumentellen Vertrauens zusammen und definiert es als Wahrnehmung über geeignete Ressourcen für die Begegnung der Anforderungen.45 Dabei geht es nicht nur um den Glauben des Individuums an sich selbst, sondern auch um die Überzeugung, das andere Personen oder eine höhere Macht bei der Bewältigung helfen können.46

2.3.1.3 „sence of meaningfulness“ – Gefühl von Sinnhaftigkeit

Diese Komponente beschreibt das Ausmaß, in dem das Individuum sein Leben als emotional sinnvoll empfindet.47 Dies meint die Einschätzung und Gewichtung der vom Leben gestellten Probleme und ob sich die Investition von Energie zu deren Bewältigung als sinnvoll erweist. Diese motivationale Komponente sieht Antonovsky als die bedeutsamste an.48 Ohne die Erfahrung der Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit des eigenen Lebens – und vor allem Erlebens - ergibt sich trotz einer hohen Ausprägung der beiden anderen Komponenten, kein hoher Wert in Gesamtbetrachtung des Kohärenzgefühles.49 Ein Individuum, das sein Leben als sinnlos erachtet, wird alle Bereiche des Lebens als Last empfinden.

2.3.2 Entwicklung und Veränderbarkeit von Kohärenz

Zusammenfassend ergibt sich aus den genannten Dimensionen das Kohärenzgefühl, dass das Ausmaß ausdrückt, wie das Individuum sein Leben bewältigt und dabei gesund bleibt. Es braucht das dynamische Gefühl des Vertrauens, das Herausforderungen aus der inneren und äußeren Erfahrungswelt strukturierbar und erklärbar sind, dass Ressourcen vorhanden sind um diese Anforderungen zu bewältigen und dass diese Anforderungen die Investition und das Engagement verdienen.50

Ein hohes Kohärenzgefühl ermöglicht dem Individuum, flexibel auf Anforderungen zu reagieren und entsprechende Ressourcen zu mobilisieren.51 Der Kohärenzsinn wirkt so als flexibles Steuerungselement, welches das Individuum in Bewältigungssituationen für sich nutzen kann. Der „sense of coherence“ entwickelt sich im Laufe der Kindheit und Jugend und wird durch Erfahrungen und Erlebnisse geprägt und geformt. In dieser Lebensphase sind Veränderungen im Bereich der Kohärenz noch möglich. Mit etwa 30 Jahren, so schildert es Antonovsky, ist das Kohärenzgefühl ausgebildet und relativ stabil.52

Ob sich das Kohärenzgefühl stark oder auch schwach ausbildet, ist dabei vor allem abhängig von den generalisierten Widerstandsressourcen und deren Verfügbarkeit.53

2.3.3 Generalisierte Widerstandsressourcen

Antonovsky beschäftigte sich im Rahmen seiner Forschung lange damit, nach verschiedenen Faktoren zu suchen, die eine erfolgreiche Bewältigung von Spannungszuständen erleichtern.54 Diese Faktoren beziehen sich auf individuelle Variablen, wie Körper oder Intelligenz, aber auch auf soziale und kulturelle Faktoren, wie soziale Unterstützung, finanzielle Möglichkeiten und kulturelle Stabilität.55 Alle Faktoren zusammengefasst, ergeben die generalisierten Widerstandsressourcen nach Antonovsky. Generalisiert meint, in diesem Fall, dass sie in Situationen aller Art wirksam sind und dem Individuum nicht nur begrenzt verfügbar sind. Widerstand meint, dass die vorhandenen Ressourcen die individuelle Widerstandsfähigkeit des Individuums erhöhen.56 Widerstandsressourcen nehmen eine bedeutende Rolle ein, da sie Raum bieten, um kohärente Lebenserfahrungen zu machen (z.B. in einer Partnerschaft), die die eigene Biographie prägen und stabilisieren. Sie wirken, ergo, als Potential, welches in der Bewältigung eines Spannungszustandes, aktiviert werden kann. Daraus ergibt sich, dass Individuen nicht nur ihr eigenes Kohärenzgefühl stärken müssen, um Anforderungen adäquat zu bewältigen, sondern im gleichen Maße generalisierte Widerstandsressourcen aufbauen müssen, die ihnen die Möglichkeit eröffnen, Potentiale zu aktivieren.

Ebenso wie das Konzept der Salutogenese, in ihm hervorgehoben das Kohärenzgefühl, kann Resilienz nicht als stabile Eigenschaft angesehen werden, sondern als das Ergebnis einer prozesshaften Entwicklung, welche sich dynamisch anpasst.

[...]


1 Vgl. Bengel, J. et al. (2009), S. 3.

2 Vgl. ebd.

3 Vgl. ebd.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl. Bengel, J. et al. (2009), S. 10.

7 Vgl. ebd.

8 Vgl. Wustmann, C. (2004), S. 18.

9 Vgl. Wustmann, C. (2004), S. 18.

10 Vgl. ebd.

11 Vgl. ebd.

12 Vgl. Bengel, J. et al. (2009), S. 20.

13 Vgl. ebd, S. 14.

14 Vgl. ebd.

15 Vgl. ebd S. 14.

16 Vgl. Fröhlich, Gildhoff. et al. (2009), S. 13.

17 Vgl. ebd.

18 Vgl. ebd.

19 Vgl. Fröhlich, Gildhoff. et al. (2009), S. 13.

20 Vgl. ebd.

21 Vgl. ebd.

22 Vgl. ebd.

23 Vgl. Wustmann, C. (2004), S. 26.

24 Vgl. Bengel, J. et al. (2001), S. 9.

25 Vgl. ebd.

26 Vgl. Wydler, H. et al. (2002), S. 11.

27 Vgl. Bengel, J. et al. (2001), S. 9.

28 Vgl. Wydler, H. et al. (2002), S. 11.

29 Vgl. Bengel, J. et al. (2001), S. 9.

30 Vgl. ebd.

31 Vgl. ebd .

32 Vgl. ebd.

33 Vgl. Wydler, H. et al. (2002), S. 21.

34 Vgl. ebd.

35 Vgl. ebd.

36 Vgl. ebd.

37 Vgl. ebd.

38 Vgl. Wydler, H. et al. (2002), S. 22.

39 Vgl. ebd.

40 Vgl. Bengel, J. et al. (2001), S. 28.

41 Vgl. ebd.

42 Vgl. ebd.

43 Vgl. ebd, S. 29.

44 Vgl. ebd.

45 Vgl. ebd.

46 Vgl. ebd.

47 Vgl. Bengel, J. et al. (2001), S. 30.

48 Vgl. ebd.

49 Vgl. ebd.

50 Vgl. ebd.

51 Vgl. ebd.

52 Vgl. ebd., S. 31.

53 Vgl. ebd., S. 31.

54 Vgl. ebd., S. 34.

55 Vgl. ebd.

56 Vgl. ebd.

Final del extracto de 46 páginas

Detalles

Título
Resilienzförderung in der Kinder- und Jugendhilfe. Wie gelingt Potenzialaktivierung?
Universidad
University of Applied Sciences Fulda
Calificación
1,9
Autor
Año
2017
Páginas
46
No. de catálogo
V1128735
ISBN (Ebook)
9783346493545
ISBN (Libro)
9783346493552
Idioma
Alemán
Palabras clave
resilienzförderung, kinder-, jugendhilfe, potenzialaktivierung
Citar trabajo
Lisa Günther (Autor), 2017, Resilienzförderung in der Kinder- und Jugendhilfe. Wie gelingt Potenzialaktivierung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1128735

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