Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde im Zuge der Erzberger‘schen Steuer- und Finanzreformen ein neues, weitreichend reformiertes Steuerrecht für die Weimarer Republik geschaffen. Dieses stellte unter anderem eine Reaktion auf die angespannte fiskalische Situation des Reichs dar. Die Reichsabgabenordnung von 1919 sollte das Mantelgesetz dieses neuen Steuerrechts sein, allgemeine Grundsätze enthalten und so die einzelnen Steuergesetze entlasten und einheitliche Rechtsanwendungsstandards gewährleisten.
§ 4 RAO, die bis dahin einzige Rechtsanwendungsnorm des deutschen Rechts, spielte eine maßgebliche Rolle bei der Schaffung einheitlicher Rechtsanwendungsstandards im deutschen Steuerrecht. Normiert wurde darin unter anderem die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Ferner mahnte die Vorschrift zur Berücksichtigung des Zwecks und stärkte so die Rolle der teleologischen Gesetzesauslegung im Steuerrecht im Allgemeinen. Für jenes bedeutete § 4 RAO damit einen Siegeszug der Interessenjurisprudenz. Beim RFH, der die Norm in der Folgezeit so häufig wie kaum eine andere anwandte, stellte sich eine freiere Rechtsanwendungspraxis ein. In der Folge dieser freieren Rechtsanwendungspraxis emanzipierte sich das Steuerrecht als Teilrechtsgebiet mit eigenständiger Zwecklogik insbesondere vom Zivilrecht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Kontext
- A. Begriffsjurisprudenz und Interessenjurisprudenz
- B. Steuerrecht bis 1919
- C. Finanzielle Lage des Deutschen Reichs infolge des Krieges
- D. Geänderte Staatsauffassung
- Entstehung von § 4 im historischen Kontext
- A. Errichtung des RFH und der Reichsfinanzverwaltung
- B. Entstehung der RAO und Diskussionen um § 4
- § 4 und die steuerrechtliche Rechtsanwendung
- A. Neue steuerrechtliche Rechtsanwendung
- Berücksichtigung oberster Besteuerungsgrundsätze
- Einfluss der Interessenjurisprudenz
- Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse
- Wirtschaftliche Betrachtungsweise
- Typisierende Betrachtungsweise
- Weite und enge Auslegung
- § 4 und § 5
- § 4 und § 80 I 1
- Umgang mit Befreiungs- und Ausnahmevorschriften
- Umgang mit Verfahrensvorschriften
- Handhabung von Rechtsbegriffen anderer Rechtsgebiete
- B. Emanzipation des Steuerrechts vom Zivilrecht
- A. Neue steuerrechtliche Rechtsanwendung
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Rolle von § 4 RAO für die Rechtsanwendung im Steuerrecht. Im Mittelpunkt steht die Analyse des historischen Kontextes der Entstehung von § 4 sowie seiner Auswirkungen auf die steuerrechtliche Rechtsanwendung. Der Fokus liegt auf der Untersuchung, wie § 4 RAO die Entwicklung der Rechtsprechung im Steuerrecht beeinflusst hat.
- Historischer Kontext der Entstehung von § 4 RAO
- Einfluss von § 4 RAO auf die steuerrechtliche Rechtsanwendung
- Zusammenhang zwischen § 4 RAO und der Interessenjurisprudenz
- Entwicklung der Rechtsprechung im Steuerrecht unter Berücksichtigung von § 4 RAO
- Emanzipation des Steuerrechts vom Zivilrecht im Kontext von § 4 RAO
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung führt in das Thema der Seminararbeit ein und erläutert die Relevanz von § 4 RAO für die Rechtsanwendung im Steuerrecht. Sie skizziert die Forschungsfrage und den Aufbau der Arbeit.
- Historischer Kontext: Dieses Kapitel untersucht den historischen Kontext der Entstehung von § 4 RAO. Es analysiert die Entwicklung der Rechtsprechung im Steuerrecht bis 1919 und die politische und ökonomische Situation des Deutschen Reichs. Die Entstehung von § 4 RAO wird im Kontext der Errichtung des Reichsfinanzhofs und der Reichsfinanzverwaltung diskutiert.
- Entstehung von § 4 im historischen Kontext: Dieses Kapitel beleuchtet die Entstehung von § 4 RAO im Detail. Es analysiert die Debatten um § 4 RAO und deren Bedeutung für die steuerrechtliche Rechtsanwendung. Die Entstehungsgeschichte von § 4 RAO wird im Kontext der politischen und ökonomischen Situation des Deutschen Reichs nach dem Ersten Weltkrieg dargestellt.
- § 4 und die steuerrechtliche Rechtsanwendung: Dieses Kapitel analysiert den Einfluss von § 4 RAO auf die steuerrechtliche Rechtsanwendung. Es untersucht die neuen Interpretationsmöglichkeiten, die durch § 4 RAO geschaffen wurden, und deren Auswirkungen auf die Rechtsprechung im Steuerrecht. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Rolle von § 4 RAO bei der Berücksichtigung oberster Besteuerungsgrundsätze, der Entwicklung der Verhältnisse und der Wirtschaftlichkeit bei der Rechtsanwendung.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Seminararbeit sind: § 4 RAO, Steuerrecht, Rechtsanwendung, Interessenjurisprudenz, wirtschaftliche Betrachtungsweise, Entwicklung der Verhältnisse, Emanzipation, Rechtsprechung, historischer Kontext.
- Quote paper
- Maik Kniebel (Author), 2021, Die Rolle von § 4 RAO für die Rechtsanwendung im Steuerrecht. Eine rechtshistorische Untersuchung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1130765