Umgang mit regionalen, ethnischen und geschlechtlichen Stereotypen in Craig Brewers "Black Snake Moan"


Term Paper (Advanced seminar), 2008

19 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Black Snake Moan als Südtaatenfilm

3 Elemente der 'Southern Gothic' in Black Snake Moan
3.1 The Evil Lurking in the Dark
3.2. Family Trouble
3.3. Captivity Narrative

4 Darstellung von Race in Black Snake Moan

5 Darstellung von Sex in Black Snake Moan

6. Schlusswort

7. Bibliographie

Einleitung

Die Werbeplakate zu dem 2007 erschienen Film von Craig Brewer Black Snake Moan konnte man nicht übersehen: im Frühjahr wurde man überall von Samuel L. Jackson im Rippenunterhemd grimmig angestarrt, der eine zu seinen Füßen liegende, halbnackte Christinna Ricci an einer massiven Kette hielt. Der Werbespruch auf dem Plakat lautete: 'Everything is hotter down South'.

In dem Moment, als ich das sah, war mir klar, dass ich dafür nicht ins Kino gehen würde. Ich stellte mir unter dem Film einen amerikanischen Blockbuster vor, der Sex und Gewalt schamlos ausbeutet. Die Werbekampagne war so aggressiv sexistisch, dass man sich wunderte, wie es im Jahr 2007 überhaupt noch möglich ist, so etwas zu produzieren.

Die Kombination 'schwarzer Mann/weiße Frau', im Zusammenhang mit der von der Reklame deutlich gemachten hierarchischen Machtverteilung unter den Figuren (er hält sie an der Kette/sie liegt zu seinen Füßen), wirkte sehr verstörend, weckte aber gleichzeitig Assoziationen mit dem bereits auf der Leinwand Gesehenen. Sehr gut könnte man sich die umgekehrte Rollenverteilung vorstellen: der weiße Mann mit einer angeketteten Schwarzen Frau – er ist der böse Plantagebesitzer und sie ist die ihm schutzlos ausgelieferte Sklavin.

Das war zumindest die gängige Praxis der Werbung für die ersten großen Hollywood-Produktionen, die sich kritisch mit dem Thema der Sklaverei in den Südstaaten zu befassen versuchten. In seinem Buch The Celluloid South zählt Edward Campbell mehrere Beispiele für solche 'sensational advertising techniques' auf: für den 1965 erschienen Film Uncle Tom's Cabin wurde mit einem 'very scantily clad slave girl in the eager clutches of Simon Legree' geworben. Der Werbeplakat zu Slaves (1976) zeigte 'master Stephen Boyd with an open shirt and an unmistakable look, with his nude black mistress' . Einer der Werbesprüche lautete: 'desire knew no color in the savage world of the Old South' (Campbell:185).

Campbell macht deutlich, dass die angewendeten Werbestrategien Zuschauer anlocken sollten, die sich weniger nach einer politischen Lehrstunde sehnten, sondern eher exotische Unterhaltung erwarteten. Der 'Köder' dabei war 'the empasis on multi-racial sex' (Campbell: 186) – in diesem Sinne hat sich im Fall von der Werbekampagne von Black Snake Moan wenig verändert. Und wie bereits in den 1960er-70er Jahren arbeitete die Werbung gegen den Film, in dem sie ihn auf seine exotischen anrüchigen Bilder reduzierte, was jeglicher Aussage, die der Film haben mag, schlecht tat.

An dieser Stelle muss man sagen, dass Brewers Film in der Tat von seiner optischen Ästhetik lebt. Es ist angelegt auf das visuelle Erlebnis und erhebt keinen moralistischen Anspruch im Umgang mit den Themen Rassismus oder Sexismus. In Interviews betont der Regisseur und Drehbuchautor Brewer, dass er den Film wie eine Schallplatte gestalten wollte, unterteilt in einzelne Akte/Lieder, die, jeder für sich, eine bestimmte Stimmung und Atmosphäre vermitteln (Vgl: Brewers Audiokommentar zu Black Snake Moan). Da der Film dem Delta Blues Tribut zollt – einer Musik, die sich durch ihre außerordentlich dunklen, archaischen Motive auszeichnet, - konnte eine Visualisierung dessen nur durch das, was Brewer als 'iconic look' bezeichnet, erfolgen.

Es geht also gar nicht um die angekettete weiße Frau im Haus eines schwarzen Mannes. Brewer und seine Crew betonen immer wieder, dass die Handlung eine 'Fabel' ist, und nicht wortwörtlich genommen werden muss. Darüberhinaus, weiß Brewer ganz genau, dass gerade die Verwendung der Kette ihm die Aufmerksamkeit der Kritiker von allen Seiten verschaffen wird – denn das ist schließlich der Stoff, der nach 'controversy' schreit. Seinen Kommentar zum Film, in dem er viel über seine Beschäftigung mit der religiösen Symbolik in Black Snake Moan gesprochen hat, beendet er mit den Worten: 'I hope I didn't get too hippy and start talking love and God and all that kind of stuff, but, hey, I gave you a woman chained up to a radiator. At least I can give you some variety with all this'.

In dieser Arbeit vertrete ich die Meinung, dass Black Snake Moan, bei aller Abstraktion, die er für sich beansprucht, den konkräten Umgang mit den Themen Südstaaten, Ethnizität und Geschlecht nicht vermeiden kann. Indem er sich für eine bestimmte Geschichte entscheidet, in der er diese Themen aufgreift, stellt sich Craig Brewer in einen diskursiven Zusammenhang und sein Film nimmt folglich Platz in einem bestimmten Kontext ein.

In dieser Arbeit werde ich aufzeigen, dass Brewer hierbei auf viele traditionelle Elemente des 'Südstaatenfilms' zurückgreift und intertextuelle Zusammenhänge zu vielen literarischen und filmischen Werken herstellt. Andererseits arbeitet Brewer viel mit 'Dekonstruktion' und geht bewußt auf ein kontroverses Terrain zu, wobei er es nicht jedem Zuschauer recht machen kann. Vor allem in dem Umgang mit dem Thema Geschlecht präsentiert sich der Film sehr archaisch, wodurch er eine Ambivalenz im Umgang mit Zerstörung, Erschaffung und Wiederbelung bestimmter Stereotype zeigt.

Der Film wird zunächst in seinem südstaatlichen Kontext und insbesondere in seiner Verwendung der 'southern gothic' Motive betrachtet. Da Black Snake Moan in erster Linie von seiner Atmosphäre lebt, ist diese regionale Färbung für ihn von essentieller Bedeutung. Um die Bedeutung der Atmosphäre zu verdeutlichen, werden einige Motive des Gotizismus, von denen der Film Gebrauch macht, näher angeschaut. Nachdem ich die 'Regionalität' des Films erforscht habe, werde ich mich den Darstellungen von Sex & Race zuwenden. Das Ziel dieser Arbeit, wie bereits im Titel angedeutet, ist es, den Umgang mit Stereotypen im Film zu untersuchen.

In der Einleitung zu der Filmanthologie Hollywood's Image of the South. A Century of Southern Films stellen die Autoren Larry Langman und David Ebner die These auf, dass es, in Analogie zum Western, den sogennanten Southern als Genre des Hollywood-Films gibt. Die Filme, die diese Kategorie füllen, zeichnen sich dürch die Hervorhebung bestimmter regionaler Besonderheiten, und prägen somit das Bild von den Südstaaten im Bewußtsein der Zuschauer.

Sowohl der 'Wilde Westen' wie auch der 'alte Süden' werden für die Leinwand immer wieder neu zum Leben erweckt, und ihre filmischen Darstellungen nehmen einen direkten Einfluß auf die Wahrnehmung realer Orte, deren Vergangenheit sie für sich als Schauplatz für die Abenteuer der Haupthelden beanspruchen.

Das klassische Film-Klischee vom Süden zeigt das Plantagenleben als die Oase der Reinheit und Unschuld, wo alle glücklich sind, bis die skrupellosen Yankees diese Welt für immer zerstören. Das andere Klischee, etwas später durch Filme wie Mandingo entwickelt, zeichnet den 'alten Süden' als die Hölle schlechthin, bevölkert von geldgierigen Rassisten, die ihre Sklaven gerne und ausgiebig quälen. Erstaunlicherweise schaffen es diese beiden Stereotype, die sich eigentlich per se ausschließen, nebeneinander zu existieren: Gone With the Wind ist immer noch ein beliebter Klassiker (nicht nur wegen seiner hochwertigen Produktion), und gehört neben Uncle Tom's Cabin zum Filmkanon.

Aus diesen konträren Sichtweisen auf den 'alten Süden', etwickeln sich Stereotype, die in die filmischen Darstellungen vom Leben in dem Süden von heute miteinfließen: Unschuld und Rassismus, der Drang des Südstaatlers zur Unabhängigkeit und der Druck und klaustrophobische Atmosphäre des Lebens in einer kleinen Gemeinde – das alles sind Themen der Südstaatenfilme.

Craig Brewer, der sich mit Black Snake Moan an die Verfilmung vom Leben im ländlichen Tennessee wagt, hat gegenüber vielen Hollywood-Regisseuren, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen, den Vorteil, dass er genau weiß, wovon er spricht: es ist beeindruckend zu wissen, wie persönlich seine Vorgehensweise ist. Er filmt teilweise in den Trailern von seinen Verwandten, in seiner Heimatstadt, in den Bars, wo er in Memphis Bier trinkt, mit Menschen, die er seit Jahren kennt. Fast jeder Nebendarsteller, egal wie klein seine Rolle auch sein mag, ist irgendwie persönlich mit ihm verbunden – viele Darsteller sind Musiker, die er kennt und bewundert. In seinem Audiokommentar zum Film spricht er viel von der Bedetung, Schauspieler regional zu 'casten'. Zum Beispiel, wenn er die Szene im 'Juke joint' filmt, besteht die Menge der Tanzenden (bis auf Christina Ricci) aus den Leuten aus der Region – denn die anderen 'just don't know how to juke ', wie Brewer meint.

Es ist nicht der erste Film, den Craig Brewer der Musik und der Gegend um Memphis widmet – sein erstes erfolgreiches Projekt Hustle & Flow handelte von der Gangsta-Rap Subkultur in Memphis – damals, in 2005, erhielt er den Academy Award für den Titelsong. Und bereits damals hat der Film einiges an Kontroversen ausgelöst im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit Brewer die Stadt realistisch abbildet.

Aus dieser Debatte hat der junge Regisseur offensichtlich gelernt und sagt deshalb im voraus: 'Really we're doing a fable here. We're not trying to do some sort of realistic portrayal of the South...'

Damit nimmt er seinen Kritikern im voraus die Luft weg. Und das Kapitel von dieser Arbeit scheint erledigt zu sein, wenn Mister Brewer nicht doch immer wieder in seinem Kommentar auf das Thema 'Süden' zu sprechen kommen würde. Er erhebt zwar keinen Anspruch auf ein flächendeckendes Bild vom US-Amerikanischen Süden, erzählt aber eine sehr persönliche Geschichte, die mit seiner Jugend, mit dem Aufwachsen in der Region untrennlich verbunden ist – und somit eine sehr subjektive Sicht auf den Süden bittet.

Neben seiner Beschäftigung mit dem Blues, sind Neurosen ein zentrales Thema im Film. Es ist die Figur von Ronnie, mit der sich Brewer am meisten identifiziert. Wie Ronnie im Film, erlebte auch Craig Brewer mehrere Panikattacken, ausgelöst vor allem durch 'Lärm', in jüngster Vergangenheit, was ihm die Idee für den Film gab. Die Rolle von Ronnie spielt Justin Timberlake, der ebenfalls in der Gegend um Memphis aufwuchs und sich, wie er sagt, mit der Geschichte, die der Film erzählt, identifizieren kann.

Allgemein lässt sich sagen, dass die meisten Charaktere im Film sehr skizzenhaft gezeichnet sind: da gibt es die 'white trash neglectful mother', den schwarzen Priester, der auch schimpft und trinkt, den großen schwarzen Crack-Dealer und den weißen Typen, der vom 'Penisneid' geplagt wird. Das alles gibt der Geschichte einen bestimmten 'Wiedererkennungswert' – wie Brewer über Timberlake sagt – 'We knew Ronnies'.

Das 'Lokalkolorit' zeigt sich nicht nur in solchen offensichtlichen Symbolen, wie die Kleidung von Rae (sie läuft im knappen T-Shirt mit Sezessionskrieg-Symbol rum), sondern auch in vielen kleinen persönlichen Details, wie das Trinken von 'moonshine', Biscuits-Backen zum Mittagessen, usw..Von seiner Ästhetik ist er sehr an die Dokumentation Deep Blues von Robert Mugge angeleht. Und wie bereits schon gesagt, zollt er Tribut an die Bluesmusiker aus der Delta Gegend.

Bereits der Titel des Films ist einem Lied von Blind Lemon Jefferson entlehnt. Es ist erstaunlich, wie detailliert die Musik ausgewählt ist. Sogar Songs, die nur wenige Sekunden in Hintergrund zu hören sind, haben für Brewer große Bedeutung. Sowohl große Stars (auf lokaler Ebene), als auch in Vergessenheit gerate Musiker werden hier in einer oder anderen Form zitiert. Der Film fängt mit einem Ausschnitt aus dem Archivmaterial, in dem man Son House über Blues sprechen hört: 'There's only one kind of blues that consists between male and female'. Son House kommt nochmal zu Wort, unmittelbar bevor die Handlung einen Wendepunkt erfährt – als Ronnie wieder im Leben von Rae auftaucht. Es wird offensichtlich, dass das Leben von Rae und Lazarus vom Blues geprägt ist, es ist der Blues der den 'Exorzismus' von Rae's Dämonen und die Heilung von Lazarus' Wunden vorantreibt.

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Details

Title
Umgang mit regionalen, ethnischen und geschlechtlichen Stereotypen in Craig Brewers "Black Snake Moan"
College
University of Potsdam  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Course
Der US-amerikanische Süden in Texten der amerikanischen Gegenwartsliteratur
Grade
1,3
Author
Year
2008
Pages
19
Catalog Number
V113080
ISBN (eBook)
9783640133048
ISBN (Book)
9783640134847
File size
500 KB
Language
German
Keywords
Umgang, Stereotypen, Craig, Brewers, Black, Snake, Moan, US-amerikanische, Süden, Texten, Gegenwartsliteratur
Quote paper
Julia Fatianova (Author), 2008, Umgang mit regionalen, ethnischen und geschlechtlichen Stereotypen in Craig Brewers "Black Snake Moan", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113080

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