Ist Pornografie ein soziales Problem?


Dossier / Travail, 2021

16 Pages, Note: 1,5


Extrait


I. Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Abweichendes Verhalten

3. Aktuelle Daten

4. Pornografie als soziales Problem

5. Folgen des Konsums

6. Kritisches Fazit

II. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Sexualität offenbart sich eine der intimsten Facetten des menschlichen Wesens. Es handelt sich um den innigsten Körperkontakt, den zwei Menschen miteinander haben können. Der Psychotherapeut Kornelius Roth behauptet, dass dieser starke menschliche Trieb sich sogar gegenüber den Urtrieben, wie Hunger und Durst, überordnen kann. Dies scheint sich zu bestätigen. Bei einem Experiment mit Ratten haben die Tiere über eine Woche lang kein Futter bekommen. Dabei stellte man fest, dass die Tiere unter bestimmten Bedingungen Sex derNahrung vorgezogen haben (vgl. Roth 2012, S. 61).

Es ist bekannt, dass das Thema der Sexualität gesellschaftlich als private Sache abgestempelt wird. Man wird kaum Menschen in der Öffentlichkeit darüber sprechen hören, die sich über dieses Thema intensiv austauschen. Der Grund dafür ist, dass dieses Thema ein Schamthema unserer Gesellschaft ist (vgl. Roth, 2012, S. 7). Zur Sexualität gehört aber nicht nur das intime Zusammenkommen zweier Menschen. Sondern auch das Thema der Selbstbefriedigung. Neben dem Gefühl der Verbundenheit, Liebe und Intimität hat Sexualität auch die klassische Funktion der Befriedigung, Spaß oder dem Abbau von Stress und Frust. Wo vor einigen Jahren Selbstbefriedigung noch ein Tabuthema war, hat sich mit der schnellen Entwicklung des Internets vieles geändert. Genau hier kommt Pornografie ins Spiel, mit der bereits viele junge Generationen aufgewachsen sind und noch aufwachsen werden. Leimbach spricht in seinem Buch von der gesellschaftlichen Entwicklung von Intimität und Nähe hin zu „virtuellem Sex und einsamenMasturbieren“ (Leimbach2015, S. 116).

Was ist, wenn Sexualität außer Kontrolle gerät und zur Sucht wird? Kornelius Roth arbeitet seit vielen Jahren intensiv mit sex- und pomosüchtigen Patienten. Er behauptet, dass in diesem Falle die Themen Sex und Sucht als zwei große Schamthemen unserer Gesellschaft zusammenkommen, diejedoch verschwiegen und verharmlost bleiben (vgl. Roth 2012, S. 7). Pornografische Inhalte werden gesellschaftlich unterschiedlich eingeschätzt. Konsequenzen sind oft, dass die Konsumenten stigmatisiert werden. Man spricht von Moralverfall und der Verwahrlosung der Jugend (vgl. Schetsche, Lautmann, 2012, S. 886).

Doch inwiefern ist Pornografie tatsächlich ein soziales Problem? Ziel dieser Arbeit ist es, eine Antwort auf diese Frage herauszuarbeiten und Pornografie im Rahmen von deviantem Verhalten kritisch zu analysieren. Zunächst wird kurz beschrieben was Devianz bedeutet. Anschließend wird auf die aktuellen Daten und Forschungen von Pornografie eingegangen. Daraufhin wird das Thema als soziales Problem analysiert und auf seine Effekte und Folgen behandelt. Zum Schluss wird ein kritisches Fazit gezogen über die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema und der Relevanz als soziales Problem. Wichtig ist hierbei zum Schluss herauszuarbeiten, welche Rolle dieses Thema als Suchtkrankheit für die Profession der Sozialen Arbeit bedeutet und wie künftig damit gearbeitet werden kann. In dieser Arbeit wird Pornografie als Medien bezeichnet, die Nacktheit und explizite sexuelle Handlungen zeigen, die den Konsumenten erregen sollen.

2. Abweichendes Verhalten

Als abweichendes Verhalten (auch: Devianz) bezeichnet man Verhaltensweisen, welche gegen die geltenden sozialen Normen einer Gesellschaft verstoßen (vgl. Peuckert, S. 106.). Wird dieses Verhalten von der Gesellschaft entdeckt, werden soziale Reaktionen hervorgerufen, die darauf abzielen, die Person, welche das deviante Verhalten zeigt, zu bestrafen, isolieren, behandeln oder zu bessern (vgl. ebd.). Wo es Regeln gibt, findet man auch Devianz, da es immer Abweichungen von dieses Regeln geben wird. Das könnte Steuerhinterziehung, Missachtung der Verkehrsregeln oder das Versäumnis sein, seinen Nachbarn zu grüßen (vgl. ebd.). Welches Verhalten als abweichend gilt, wird von der Gesellschaft definiert. Zudem kann ein bestimmtes Verhalten in der Gesamtgesellschaft nicht akzeptabel sein, von einzelnen sozialen Gruppen aber geduldet werden. Und genauso auch andersherum. Zum Beispiel ist der Verzehr von Rindfleisch in westlichen Gesellschaften völlig anerkannt und findet täglich statt. In hinduistisch geprägten Gesellschaften ist dies aber ein klares deviantes Verhalten.

Wichtig ist auch zu erwähnen, dass die Deutung davon, was „normal“ ist, selten hinterfragt wird. Erst eine Abweichung von der angenommenen Normalität bringt ein deviantes Handeln hervor. Stehr schreibt, dass normale Handlungsformen ganz unhinterfragt und selbstverständlich von solchen unterschieden werden können, die gesellschaftlich als abweichend, unpassend oder störend anerkannt sind (vgl. Stehr, 2006, S. 130f.). Daraus entsteht die Annahme, dass man eine Devianz als Merkmal von Menschen deutlich feststellen könne. Die Konsequenz daraus ist allerdings die problematische Zuteilung von Menschen in „normale“ Menschen, die der Normtreue entsprechen und den „Abweichlern“, die in beliebigen Fällen als „kriminell“, „verrückt“, „krank“, „pervers“, „unmoralisch“, „asozial“ u.v.m. bezeichnet werden (vgl. ebd.).

Hierbei sollte auch der Etikettierungsansatz (labeling approach) nicht unerwähnt bleiben. Peuckert erklärt, dass abweichendes Verhalten durch die Merkmale des Handelns und die die Normen, gegen die es verstößt, nicht eindeutig charakterisierbar ist (vgl. Peuckert, 2006, S. 115f.). Von entscheidender Bedeutung sind soziale Zuschreibungsprozesse. „Statt sich auf die Tat und die Täterpersönlichkeit zu konzentrieren, treten die Definitionen und Reaktionen der sozialen Umwelt auf ein konkretes Verhalten in den Vordergrund.“ (ebd., S.116). Howard S. Becker meint dazu, gesellschaftliche Gruppen würden abweichendes Verhalten dadurch schaffen, dass sie Regeln aufstellen, deren Verletzung abweichendes Verhalten konstituiert. Und diese Regeln auf bestimmte Menschen angewendet werden, die sie dann zu Außenseitern abstempeln (vgl. ebd.). Bei diesem Ansatz steht also nicht die Qualität der Handlung einer Person für ein abweichendes Verhalten im Vordergrund. Sondern vielmehr die Konsequenz daraus, welche Regeln andere anwenden und einen „Abweichler“ sanktionieren (vgl. ebd.).

3. Aktuelle Daten

Pornografie gibt es nicht erst durch das Internet, sondern bereits immer. Und sie wird auch so lange existieren, wie die Menschen leben werden. Pornografische Darstellungen lassen sich nicht nur in Höhlen oder Gegenständen von älteren Völkern finden. Als die Stadt Pompeji ausgegraben wurde, fand man dabei ein Bordell, das aus dem Jahr 79 n. Chr. stammen müsste (vgl. Leimbach, 2015, S. 20f). Heute wird davon ausgegangen, dass 46 bis 74 Prozent der Männer und 16 bis 41 Prozent der Frauen in modernen Nationen aktive Pornografiekonsumenten sind (vgl. (vgl. Zattoni, Gül, Soligo, Morlacco, Motterle, Collavino, Bameschi, Moschini & Dal Moro, 2020). Diese Daten werden von einer der beliebtesten Webseiten, Pornhub, unterstützt, die für 2019 über 42 Milliarden Besuche meldete. Das bedeutet, dass die Seite täglich 115 Millionen Mal besucht wurde (vgl. Pornhub, 2019). Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verzeichnete die branchenführende Seite zwischen März und Juli 2020 einen täglichen Anstieg von 26 Prozent (vgl. Thomas, 2021). Auf der Onlineplattform Onlyfans, ähnlich wie Instagram, können Nutzer für zahlende Abonnenten Erotikinhalte oder Nacktbilder veröffentlichen.

Die Plattform hatte im März 2020 24 Millionen Nutzer. Im Januar 2021 hat sich diese Zahl vervierfacht (vgl. ebd.). Das Online-Portal „Netzsieger“ hat folgende Statistiken zur Pornografie aufgestellt (vgl. Röttgerkamp, 2018): Ein Viertel aller Internetsuchanfragen dreht sich um Pornografie. Täglich wird ein Umsatz von 12,6 Millionen Euro geschätzt. In Deutschland werden mit 12,4 Prozent am weltweiten Traffic pornografische Inhalte am meisten konsumiert. Die Zahlen zeigen, dass Pornografie in unserer heutigen modernen Zeit aktueller denn je ist. Der Konsum sowie das Angebot sind hoch. Jedoch sind diese Daten nicht so leicht zu finden sowie der breiten Öffentlichkeit bekannt. Wieso ist Pornografie trotz seiner Profitabilität und mutmaßlichen Beliebtheit ein Tabuthema?

4. Pornografie als soziales Problem

Scham und Heimlichkeit sind die zwei größten Faktoren, mit denen Pornografie in der Gesellschaft belastet ist. Nach Leimbach schämen sich die meisten Männer und Frauen für ihren Konsum. Sie haben ein schlechtes Gewissen und versuchen den Konsum zu reduzieren bzw. zu beenden, was jedoch selten funktioniert und anschließend mit Selbstvorwürfen endet. Zudem fühlen sich viele Konsumenten betrogen, da ihnen die sexuellen Szenen und Darstellungen sowie die Lust, Befriedigung und das Interesse nur vorgespielt wird (vgl. Leimbach, 2015, S. 43). Ein weiterer Grund für die Tabuisierung könnte die Akzeptanz bei Jugendlichen sein, für die Pornografie normal und harmlos ist. Sie konsumieren die Inhalte zur Ablenkung, Entspannung oder aus dem Mangel an Sexpartner (vgl. ebd., S. 12).

Nach Schetsche und Lautmann ist Pornografie in Deutschland ein „Paradebeispiel eines Sozialproblems“ (Schetsche, Lautmann, 2012, S. 886), verstärkt durch die affektive Verbindung zum Kindesmissbrauch. Die beiden Autoren betiteln das Genre als „ästhetisch unsäglich, sexualethisch bedenklich und geschlechterpolitisch unverantwortlich“ (ebd.). Es werden also drei abweichende Hauptaspekte genannt. Die in der gesellschaftlichen Norm anerkannte Sicht auf Ästhetik, Sexualität und Geschlechter. Daraus könnte sich vereinfacht folgendes Szenario beispielhaft ergeben: Wenn man erfährt, dass zwei Jugendliche pornografische Inhalte konsumieren, wird man diesen beiden zuschreiben, dass sie die normtreuen Ansichten der Gesellschaft zu Ästhetik, Sexualethik und Geschlechter nicht annehmen. Daher werden sie von der Mehrheitsgesellschaft als „krank“, „asozial“ oder „unmoralisch“ betitelt und ausgegrenzt. Denn wie oben erwähnt, wird mit dem Konsum von Pornografie eine affektive Verbindung zu Kindesmissbrauch hergestellt, die dazu führt, dass Konsumenten und Betroffene sofort damit stigmatisiert werden könnten.

Mit der anhaltenden Digitalisierung wird Pornografie immer mehr zu einem hochgereizten Thema. Der Zugang zum Internet und somit zu pornografischen Inhalten, ist nur zwei Klicks entfernt. Also einfach und schnell. Früh warnte man schon, dass mit neuen Kommunikationstechnologien auch die Produktion und Verbreitung von Kinderpornografie steigt (vgl. ebd. S. 887). Man befürchtete auch, dass die Nachfrage nach solchen Materialien stark steigen wird. Daher dient diese Warnung seit den 1990er Jahren immer dazu, staatliche Eingriffe zu legitimieren. Jedoch führt dies zu einem Problem: Konsumenten und Produzenten berufen sich auf verschiedene Rechte, wie die freie Meinungsäußerung, das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die künstlerische Freiheit (vgl. ebd.). Die grundsätzliche Feindseligkeit gegenüber diesen Inhalten würde ein Klima von moralischer Panik erzeugen. Und die undifferenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik führt letztendlich zu verfassungsrechtlichen Konflikten (vgl. ebd.). Die beiden Autoren haben folgende Grundlagen der Problematik zusammengefasst (vgl. ebd., S. 888):

- Religiöse Kritik, die jede Darstellung und sexuelle Handlung ablehnt, die nicht innerhalb einer Ehe und im Sinne der Fortpflanzung ausgeführt wird
- Linke Kritik, die behauptet, dass die massenhaft produzierte und profitorientierte Pornografie die menschliche Intimität und Sexualität verdinglicht
- Feministische Kritik, die es verachtend findet, dass das weibliche Geschlecht zu einem Objekt gemacht wird
- Gesellschaftliche Kritik, die eine Verwahrlosung der Jugend befürchtet

Diese genannten Aspekte vertreten mehrheitlich verschiedene gesellschaftliche Gruppen, die Pornografie als soziales Problem wegen der genannten Gründe ansehen.

Jedoch besteht hier eine Schwierigkeit. Nämlich zu klären, was in diesem Kontext als Pornografie gilt und was nicht. Früher war es alles, was scham-verletzend war und eine sexuelle Erregung ausgelöst hat (vgl. ebd.). Mit dem technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt hat sich aber auch der Stoff gewandelt, der nach dem hier gemeinten Verständnis unter Pornografie fällt. Spricht man nämlich nur von sexuell­obszönen Bildern und Filmen, fallen hierunter bereits viele Unternehmen, die nach dem Prinzip von „Sex Sells“ Marketingkampagnen durchführen. Die Autoren fassen aber unter Pornografie alles zusammen, „was den Sexualtrieb 'aufstachelt', den Menschen zum bloßen Objekt sexueller Begierde 'degradiert' und den genitalen Bereich 'grob sinnlich' darstellt.“ (ebd.).

In der Umgangssprache kann man sagen, dass Pornografie als etwas bezeichnet wird, das abstoßend ist und Menschen konsumieren, die nicht in Ordnung sind (vgl. ebd., S. 889). Es enthält also immer eine subjektive und moralische Bewertung. Ganz egal um welche Diskussionsgrundlage es sich handeln sollte, bleibt der Eindruck und Beigeschmack, dass es schlecht, unmoralisch und schmutzig ist (vgl. ebd.). Im World Wide Web dominiert das altbekannte Bild von Pornografie: Nackte Körper, überwiegend von Frauen, von allen Seiten belichtet und ein verstärkter Fokus auf die Genitalien. Dies würde man als klassische Pornografie betiteln. Jedoch findet man neben diesen gewöhnlichen Formen auch vieles, was von der Sexualforschung als abweichend beschrieben wird: Fetischismen, Pädophilie, Gewalt und andere Bestialitäten (vgl. ebd., S. 890). Das massenmedial verbreitete Material lässt sich zum großen Teil ais jugendgefährdend, frei verkäuflich und im Sinne des Gesetzes als einfache Pornografie beschreiben (vgl. ebd.).

Betroffene sind hauptsächliche Jugendliche und Frauen. Sexualpolitik hat das Ziel, Kindern und Jugendlichen eine ungestörte sexuelle Entwicklung zu bieten, diejedoch von Pornografie gestört wird (vgl. ebd., S. 891). Nicht nur der Einsatz von Kindern und Jugendlichen in pornografischen Filmen wird kritisiert. Es wird zudem behauptet, dass der Konsum gerade bei Heranwachsenden die Einstellung fördere, Frauen als Sexualobjekte abzustempeln (vgl. ebd.). In einer Studie ließ sich bei niederländischen Jungen und Mädchen eine Korrelation dieser Einstellung feststellen. Erwähnenswert ist zudem das Verhältnis der Geschlechter innerhalb der Problematik. Die Hauptzielgruppe sind Männer, die einen Orgasmus erzeugen wollen. Frauen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Zwar selten als Opfer, aber dafür freudig erregt mitspielend (vgl. ebd., S. 892).

[...]

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Ist Pornografie ein soziales Problem?
Université
SRH University of Heidelberg
Note
1,5
Auteur
Année
2021
Pages
16
N° de catalogue
V1132385
ISBN (ebook)
9783346503510
ISBN (Livre)
9783346503527
Langue
allemand
Mots clés
Devianz, Soziales Problem, Sucht, Pornografie, Abweichendes Verhalten, Soziale Arbeit
Citation du texte
Orhan Gül (Auteur), 2021, Ist Pornografie ein soziales Problem?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1132385

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