Der Einfluss von Schlüsselereignissen auf das Vertrauen von Rezipienten in journalistische Medien

Eine empirische Studie am Beispiel der Corona-Pandemie


Bachelorarbeit, 2021

69 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theorie und Forschungsstand
2.1 Vertrauen
2.1.1 Vertrauen als sozialer Mechanismus
2.1.2 Vertrauen in Systeme
2.2 Vertrauen in journalistische Medien
2.3 Schlüsselereignisse beim Vertrauen in journalistische Medien

3 Untersuchungsbeispiel Corona-Pandemie

4 Forschungsfrage und Hypothesen

5 Methodik
5.1 Methodenwahl: Quantitative Online-Befragung
5.2 Operationalisierung und Aufbau des Fragebogens
5.3 Durchführungszeitraum, Pretest, und Stichprobe
5.4 Auswertungsverfahren

6 Ergebnisse und Interpretation
6.1 Deskriptive Befunde
6.2 Hypothesenprüfung

7 Diskussion und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Alternative schematische Darstellung eines Verlusts in der Vertrauenszuschreibung

Abbildung 2: Absolute Häufigkeitsverteilung zum allgemeinen Vertrauen in journalistische Medien

Abbildung 3: Absolute Häufigkeitsverteilungen zum Vertrauen in journalistische Medien je nach Thema der Berichterstattung.

Abbildung 4: Gruppierte Häufigkeitsverteilung der Einzelitems zur Performanzwahrnehmung journalistischer Medien

Abbildung 5: Prozentuale Häufigkeitsverteilung zur medienskeptischen Haltung der Rezipienten

Abbildung 6: Prozentuale Häufigkeitsverteilung zur medienzynischen Haltung der Rezipienten

Abbildung 7: Arithmetische Mittelwerte der Eigenwahrnehmung und Medienwahrnehmung von der Realität sowie Diskrepanzwerte.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Multiple lineare Regressionsanalyse zur Hypothesenprüfung 1a

Tabelle 2: Multiple lineare Regressionsanalyse zur Hypothesenprüfung 1b

Tabelle 3: Multiple lineare Regressionsanalyse zur Hypothesenprüfung 1c

Tabelle 4: Multiple lineare Regressionsanalyse zur Hypothesenprüfung 2

Tabelle 5: Korrelationsanalyse zur Hypothesenprüfung 3

Tabelle 6: Korrelationsanalyse zur Hypothesenprüfung 4a

Tabelle 7: Korrelationsanalyse zur Hypothesenprüfung 4b.

Vorwort

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Bachelorarbeit das generische Maskulinum bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Das impliziert jedoch keine Benachteiligung anderer Geschlechter, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

1 Einleitung

Seit dem Jahresanfang 2020 steht das gesellschaftliche Leben weltweit im Zeichen der Corona-Pandemie. Wissenschaftliche Debatten über Gefahr und Ausbreitung des Virus sowie gesellschaftspolitische Diskussionen um potentielle Einschränkungs- und Schutzmaßnahmen sorgen dafür, dass sich die Bevölkerung seitdem täglich mit einer Vielzahl alltags- und gesundheitsrelevanter Informationen auseinandersetzen muss (Jakobs et al., 2021, S. 152). Angesichts derartiger Unübersichtlichkeiten entwickeln die Menschen ein besonderes Bedürfnis nach faktischen und eindeutigen Informationen (Deppe, 2021). In gesundheitsbezogenen Krisensituationen wie der Corona-Pandemie agieren in der Öffentlichkeit dabei vor allem journalistische Medien in der Funktion, „die Bevölkerung über mögliche Gefahren und Präventionsmaßnahmen zu informieren“ (Kamps, Fischer, Michaelis & Olfermann, 2014, S. 139). Für eine erfolgreiche Pandemiebekämpfung sind journalistische Medien in ihrer Vermittlerrolle daher essentiell (Nagel & Schäfer, 2020, S. 243). Diesem Auftrag kommen die Medien in Deutschland seit dem Ausbruch des Virus hierzulande mit einer umfassenden und ressortübergreifenden Berichterstattung in exorbitanter Dimension nach (vgl. Stollorz, 2021). Eine solche quantitativ wie vielfältig überdurchschnittliche mediale Fokussierung auf ein außergewöhnliches Geschehen – wie das der Corona-Pandemie – wird in der Kommunikationsforschung mithin als Schlüsselereignis bezeichnet (Kepplinger, 2011, S. 86).

Während des Schlüsselereignisses der Corona-Pandemie führen die massenhaften Nachrichten und Berichte verschiedener journalistischer Medien sowie der Meinungsaustausch über soziale Netzwerke und nicht zuletzt auch die Verbreitung von Falschinformationen durch alternative Nachrichtenplattformen bisweilen jedoch zu einer Verunsicherung bei den Rezipienten (Jakobs et al., 2021, S. 152). Aus diesem Grund „werden Medien zum Schlüsselakteur für den gesellschaftlichen Diskurs: In der Krise spielen seriöse Quellen, denen die Bürgerinnen und Bürger vertrauen und an denen sie sich orientieren können, eine entscheidende Rolle“ (ebd.). Den entscheidenden Punkt in diesem Zusammenhang stellt der Vertrauensfaktor in etablierte journalistische Medien dar. Denn sowohl in Krisensituationen als auch für das Funktionieren von demokratischen Gesellschaften allgemein ist der Journalismus ein zentraler Baustein (Blöbaum, Hanitzsch & Badura, 2020, S. 2). Vertrauen die Menschen journalistischen Medien und ihren bereitgestellten Informationen nur bedingt oder gar nicht, wenden sich ab und bezichtigen den Journalismus absichtlicher Desinformation, kann dies insgesamt „zersetzend auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt wirken“ (ebd., S. 8).

In der Öffentlichkeit und Wissenschaft war ein potentieller Vertrauensrückgang in journalistische Medien – aber auch politische Institutionen – in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Diskussionsgegenstand (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 419). Langzeitstudien widersprechen diesem Eindruck allerdings und zeigen vielmehr einen kontinuierlichen Vertrauenszuwachs (vgl. Jakobs et al., 2021; Schultz et al., 2017; Fawzi, Reinemann & Obermaier, 2019). Auch während der Corona-Pandemie deuten erste empirische Daten auf ein gestiegenes Medienvertrauen hin (vgl. Jakobs et al., 2021). Gleichzeitig jedoch nehmen in einem kleinen Bevölkerungsanteil medienkritische bis teils -feindselige Stimmen zu; insbesondere in der gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierenden und teils verschwörungsideologisch geprägten „Querdenker-Szene“, die den Journalismus in seiner Rolle und Funktion ablehnt (vgl. Nachtwey, Schäfer & Frei, 2020). Gerade im Hinblick auf medienskeptische oder -zynische Personen zeigen erste Erkenntnisse, dass Schlüsselereignisse gravierende Erlebnisse dieser Menschen sein und langfristige Konsequenzen für das Vertrauen in journalistische Medien haben können (Herrmann & Wiafe, 2020, S. 137). Die Auswirkungen von Schlüsselereignissen auf das Medienvertrauen von Rezipienten sind allerdings in der Wissenschaft bislang nur in Ansätzen erforscht (vgl. ebd.).

Das Ziel im Rahmen dieser Forschungsarbeit ist daher zu untersuchen: Inwiefern beeinflussen Schlüsselereignisse das Vertrauen von Rezipienten in journalistische Medien? Konkret soll exploriert werden, wie stark die Menschen journalistischen Medien infolge der Corona-Berichterstattung vertrauen und ob sie in diesem Zusammenhang spezifische Erfahrungen gemacht haben, die ihr Medienvertrauen ursächlich bestärkt oder destruiert haben. Außerdem soll näher auf Verhältnis von medienskeptischen und -zynischen Menschen auf das journalistische Medienvertrauen eingegangen sowie die Verbreitung derartiger Positionen aufgezeigt werden. Dafür werden zunächst die zentralen Begriffe in den Forschungsfeldern Vertrauen, Vertrauen in journalistische Medien und Schlüsselereignisse definiert und zentrale Aspekte herausgearbeitet, um diese weitergehend in den Kontext des aktuellen Forschungsstandes einzubetten. Davon ausgehend wird unter Einbezug der theoretischen Grundlagen und empirischen Erkenntnisse von Herrmann & Wiafe (2020) dargelegt, in welcher Form Schlüsselereignisse als Arten von bestimmten Erfahrungen bei Rezipienten auftreten und welche Wirkungen diese auf das Vertrauen in journalistische Medien haben können. Auf Basis dessen soll anschließend mit einer empirischen Untersuchung in Form einer quantitativen Online-Befragung erhoben werden, wie hoch der Vertrauensgrad der Rezipienten in journalistische Medien ausfällt, welche medienvertrauensstärkende oder -mindernde Erlebnisse Menschen gemacht haben und wie weit verbreitet medienskeptische und -zynische Positionen innerhalb der Bevölkerung sind. Die empirischen Erkenntnisse werden schließlich mit dem Ziel ausgewertet, einen Ausblick darauf geben zu können, inwiefern Schlüsselereignisse das rezipientenorientierte Vertrauen in journalistische Medien beeinflussen können.

2 Theorie und Forschungsstand

Den theoretischen Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit bilden primär drei korrelierende Forschungsfelder: Vertrauen auf der interpersonalen wie systematischen Ebene, Vertrauen in journalistische Medien und Schlüsselereignisse in der Kommunikationswissenschaft. Aufgrund der Mehrdimensionalität dieser Fachgebiete soll die Betrachtung einer jeweiligen Definitionsannäherung nachfolgend zunächst differenziert und vorrangig auf der kommunikationswissenschaftlichen Ebene erfolgen. Unter Einbezug des Forschungsstandes werden anschließend Typen von Schlüsselereignissen charakterisiert und in ihrer Wirkung auf das Vertrauen in journalistische Medien herausgestellt.

2.1 Vertrauen

2.1.1 Vertrauen als sozialer Mechanismus

Vertrauen ist allgemein ein vielschichtiger Forschungsgegenstand, der in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen theoretisch behandelt und empirisch exploriert wird (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 413). In der Literatur existiert daher bislang keine einheitliche, interdisziplinär gültige Begriffserklärung. Vielmehr haben unterschiedliche Perspektiven der psychologischen, neurologischen, biologischen, politikwissenschaftlichen, ökonomischen, soziologischen und kommunikationswissenschaftlichen Vertrauensforschung mannigfaltige Definitions- und Konzeptionsansätze konstituiert (für einen Überblick vgl. Seiffert-Brockmann, 2016, S. 70-136). Vor diesem Hintergrund soll sich Vertrauen nachfolgend primär aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht definitorisch angenähert werden, wobei insbesondere soziologische Ansätze dieses Forschungsfeld maßgeblich geformt und geprägt haben (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 414; Seiffert-Brockmann, 2016, S. 73).

Generell herrscht Konsens darüber, dass Vertrauen sowohl auf der Individual- als auch Kollektivebene einen zentralen psychologischen und sozialen Prozess darstellt (Prochazka, 2020, S. 39). Luhmann (2014) zufolge ist Vertrauen „ein elementarer Tatbestand des sozialen Lebens“ (S. 8). Der Mensch „[könnte] [o]hne jegliches Vertrauen […] morgens sein Bett nicht verlassen“ (ebd.). Simmel (1908) charakterisiert Vertrauen daher auch als „eine der wichtigsten synthetischen Kräfte innerhalb der Gesellschaft“ (S. 346). Im Wesentlichen beschreibt Vertrauen dahingehend einen bestimmten Zustand sozialer Relationen, in derer sich die Beteiligten reziprok aufeinander verlassen können (Endreß, 2018, S. 487). Dieser Konnex setzt sich prinzipiell aus einem Vertrauensobjekt und Vertrauenssubjekt zusammen, wobei Letzteres Vertrauen gegenüber dem Objekt schenkt (Obermaier, 2020, S. 14). Entsprechend des jeweiligen Forschungsinteresses kann diese Beziehung aus dem Blickwinkel des Subjekts, des Objekts oder beider Seiten betrachtet werden (Kohring, 2004, S. 132). Im Hinblick auf das Forschungsziel der vorliegenden Arbeit soll der Schwerpunkt im Folgenden auf der Subjektperspektive liegen, also den Handlungsweisen und Motiven des Vertrauensgebers.

Funktional begründet sich der Vertrauensprozess grundsätzlich darin, dass es einem Subjekt ermöglicht, potentielle Unvorhersehbarkeiten von zukünftigen Ereignissen sowie Handlungen von Personen eingrenzen zu können (Nuissl, 2002, S. 89). Dieses Verständnis basiert auf der Theorie Luhmanns (2014), der zufolge Vertrauen „die Komplexität der zukünftigen Welt reduziert“ (S. 26). Dabei werden Informationen aus der Vergangenheit genutzt und auf die Zukunft übertragen, um bei kommenden Ereignissen mögliche Abläufe und Handlungsoptionen abwägen und ausschließen zu können (ebd.). Da jedoch das Subjekt immer nur begrenztes Wissen über den tatsächlichen Ereignisausgang besitzt, lässt sich mittels Vertrauen in gewissen Maßen „Nichtwissen kompensieren“ (Kohring, 2004, S. 83). Vertrauen beschreibt also nach Simmel (1908) „ein[en] mittlerer[n] Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen um den Menschen. Der völlig Wissende braucht nicht zu vertrauen, der völlig Nichtwissende kann vernünftigerweise nicht einmal vertrauen“ (S. 346). Aufgrund dieser nur rudimentären Informationslage generiert der Vertrauensmechanismus zugleich auch immer bestimmte Erwartungen, wie zukünftige Ereignisse ablaufen und welche Konsequenzen sich für das Subjekt daraus ergeben könnten (Nuissl, 2002, S. 89). Diese Erwartungen basieren wiederum überwiegend auf jenen vergangenen Informationen und gemachten Erfahrungen (Quandt, 2012, S. 8). Damit fungiert Vertrauen für das Subjekt als „Überbrückung eines Unsicherheitsmomentes im Verhalten anderer Menschen“ (Luhmann, 2014, S. 28).

Gleichzeitig ist Vertrauen aber nicht nur bei der Situationsbeurteilung von entscheidender Bedeutung, sondern stets auch Voraussetzung für das eigene soziale Handeln des Subjekts (Nuissl, 2002, S. 100). So versteht Simmel (1908) Vertrauen „als die Hypothese künftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen“ (S. 346). Der Mensch als Vertrauenssubjekt muss täglich zahlreiche Handlungsentscheidungen treffen und wird dabei zugleich auch mit unterschiedlichsten Taten anderer Menschen innerhalb seines sozialen Umfelds konfrontiert (Luhmann, 2014, S. 30). Weil jedoch häufig schnelles Handeln notwendig ist, bleibt dem Subjekt – auch angesichts hoher Komplexität – zumeist nicht genügend Zeit für eine vollständig rationale Abwägung jeder Entscheidungsoption, weshalb es sich in gewissem Grad auf seine Mitmenschen verlassen, ihnen also vertrauen muss (ebd.). Im Moment der Entscheidungsfindung reduziert Vertrauen somit Komplexität, um bestimmte Handlungen zu riskieren, obwohl nicht alle rational essenziellen Informationen vorliegen (Kohring, 2004, S. 185). Nach Luhmann (2014) bezeichnet vertrauensbasiertes Handeln demnach eine „ riskante Vorleistung “ (S. 30). Dabei geht es nicht allein darum, ein generelles Risiko einzugehen, sondern auf Grundlage vorangegangener Erfahrungen eine gewisse Risikobereitschaft zu akzeptieren (Mayer et al., 1995, S. 712). Vertrauen umfasst in dieser Hinsicht also „eine Handlung, die Risiko kompensiert und dadurch Handlungsoptionen aufrecht erhält, die sonst nicht möglich gewesen wären“ (Kohring, 2004, S. 129). Damit verbunden sind immer bestimmte Erwartungen, die keine negativen respektive ausschließlich vorteilhafte Auswirkungen auf das Subjekt haben können (Quandt, 2012, S. 8). Werden diese erfüllt, wird das vertrauensvolle Handeln einer Entscheidung dann rückblickend als positiv bewertet; andersherum kann das Nichteintreten von Erwartungen das Vertrauen beschädigen oder zerstören (Luhmann, 2014, S. 31).

In dieser Hinsicht gilt es allerdings auch, zwischen Vertrauen und Misstrauen zu differenzieren. So kann Misstrauen nicht schlicht als Pendant zu Vertrauen betrachtet werden (Endreß, 2018, S. 488f.). Vielmehr ist es nach Luhmann (2014) neben fehlendem Vertrauen vor allem ein „funktionales Äquivalent“ (S. 82). Genau wie Vertrauen reduziert Misstrauen zwar die soziale Komplexität, unterscheidet sich aber in den daraus resultierenden Handlungsfolgen (Prochazka, 2020, S. 42). Zugleich werden die damit verknüpften Erwartungen beim Misstrauen ins Negative verändert (Luhmann, 2014, S. 82). Darüber hinaus wird das Subjekt beim Misstrauen „von weniger Informationen stärker abhängig“ (ebd., S. 82f.). Weil Vertrauen aber als essentieller Mechanismus für Handlungs- und Beurteilungsentscheidungen für das Subjekt von elementarer Bedeutung ist, geht es bei einem Vertrauensverlust prinzipiell nie verloren, sondern kann sich lediglich zu Misstrauen wandeln (Prochazka, 2020, S. 42).

2.1.2 Vertrauen in Systeme

Die dargelegte Vertrauensdefinition beschränkt sich bislang allein auf die interpersonale Ebene. Angesichts moderner facettenreicher Gesellschaftsstrukturen ist ein derartiges Verständnis allerdings nicht ausreichend (Kohring, 2004, S. 103). Um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden, weitet sich das interpersonale Mensch-zu-Mensch-Vertrauen im privaten Lebensbereich des Subjekts daher zusätzlich zu einem Systemvertrauen aus (Luhmann, 2014, S. 28). Die Notwendigkeit dessen obliegt den zahlreichen Sozialbeziehungen innerhalb einer Gesellschaft, „die es unmöglich machen, lediglich über eine Orientierung an Personen soziales Vertrauen aufzubauen“ (Endreß, 2018, S. 488). Beim Vertrauen in soziale Systeme wird daher das Funktionskonzept des interpersonellen Vertrauens auf gesellschaftsrelevante Organisationen, Institutionen und öffentliche Einrichtungen transferiert (Høyer & Mønness, 2016). Weil ausdifferenzierte Systeme für das einzelne Individuum ganzheitlich meist schwer zu fassen sind, ergänzt Blöbaum (2014) zwischen der interpersonalen und systematischen noch eine Organisationsebene (S. 27). Grundlegend ändern sich die beteiligten Akteure der Vertrauensrelation auf der System- und Organisationsebene dahingehend, dass „an die Stelle persönlicher Beziehungen die Beziehung zwischen Produzenten einer Leistung und Abnehmern einer Leistung [tritt]“ (Kohring, 2004, S. 131). In diesem Sinne hat das leistungsbeziehende Subjekt – kongruent zum interpersonalen Vertrauen – beim Organisations- und Systemvertrauen insofern ebenfalls bestimmte, auf die Zukunft gerichtete Erwartungen, dass Organisationen oder Institutionen die angebotenen Leistungen entsprechend ihrer Funktion adäquat erfüllen (ebd., S. 110). Eine angemessene Funktionsausübung bedeutet in diesem Zusammenhang, „dass es hier nicht um das Funktionieren an sich geht, sondern um das richtige Funktionieren, das immer aus der Perspektive der Publikumsrolle beurteilt wird“ (ebd.). Anders gesagt: Erfüllt eine Organisation oder Institution innerhalb eines Systems die spezifischen Funktionserwartungen eines Subjekts in sachdienlicher Weise, entsteht eine Vertrauensrelation.

Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive spielt im Zuge dessen vor allem das Modell des öffentlichen Vertrauens eine gewichtige Rolle. Damit werden sowohl die beschriebenen Vertrauensbeziehungen und -handlungen gegenüber gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen eingefasst, als auch die öffentliche Kommunikation über die selbigen innerhalb einer Gesellschaft, wodurch Vertrauensbildung in Systemen überhaupt erst ermöglicht wird (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 420). In seinem Ursprung geht diese Theorie auf Bentele (1994) zurück, der öffentliches Vertrauen in Anlehnung an die soziologischen Konzepte [vgl. Kap. 2.1.1] definiert als „kommunikativen Mechanismus zur Reduktion von Komplexität, in dem öffentliche Personen, Institutionen und das gesamte gesellschaftliche System in der Rolle des ‚Vertrauensobjekts‘ fungieren. Öffentliches Vertrauen ist ein medienvermittelter Prozeß, in dem die ‚Vertrauenssubjekte‘ zukunftsgerichtete Erwartungen haben, die stark von vergangenen Erfahrungen geprägt sind“ (Bentele 1994, S. 141, zit. n. Seiffert-Brockmann, 2016, S. 147).

Die wesentliche Erweiterung gegenüber dem bisherigen Vertrauensverständnis stellt hierbei der medienvermittelnde Prozess als Bindeglied zwischen den Vertrauensobjekten und -subjekten dar. Damit öffentliches Vertrauen entstehen kann, bedarf es journalistischer Medien und organisationsbezogener PR – also Formen öffentlicher Kommunikation –, die zwischen beiden Vertrauensseiten Informationen transferieren (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 420). Darüber hinaus werden zahlreiche bestimmte Vertrauensfaktoren modelliert, die je nach Vorhandensein und Ausprägung über Vertrauenszunahme oder -abnahme entscheiden (ebd., S. 421). Die tatsächliche Aussagekraft der Vertrauensfaktoren wurde empirisch bislang allerdings noch nicht ausreichend überprüft (Seiffert-Brockmann, 2016, S. 149). Als Hauptursache für öffentliche Vertrauensverluste gelten vom Subjekt wahrgenommene Diskrepanzen zwischen erwarteter und tatsächlicher Leistung des Objekts, wobei innerhalb des Modells nach verschiedenen Diskrepanztypen differenziert wird (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 421). Dabei „werden [die Diskrepanzen] vom journalistischen System transportiert bzw. thematisiert“ (ebd.). Insgesamt wird öffentliches Vertrauen als dynamischer Prozess betrachtet, wobei der Vertrauensaufbau grundsätzlich langsamer abläuft als der -aufbau, alleinige Ereignisse starke Vertrauensverluste bewirken können und sich ein potentieller Vertrauensrückgang gegenüber Einzelakteuren auf das Gesamtsystem übertragen kann (Seiffert-Brockmann, 2016, S. 150; Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 421).

2.2 Vertrauen in journalistische Medien

Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits skizziert, sind journalistische Medien – neben organisationsbezogener PR – als Form öffentlicher Kommunikation eine fundamentale Komponente des öffentlichen Vertrauens. Dabei forcieren journalistische Medien nicht nur den öffentlichen Vertrauensbildungsprozess, sondern werden gleichzeitig auch selbst zum Gegenstand von Vertrauen (Blöbaum, 2014, S. 22). Als informationsvermittelndes Element „ist der Journalismus auf das Vertrauen der Gesellschaftsmitglieder in besonderem Maße angewiesen, da mit ihm eine zentrale gesellschaftliche Funktion verbunden ist“ (Schielicke, Mothes & Donsbach, 2014, S. 247). Journalismus als Konstrukt lässt sich dabei generell zwar in drei respektive vier Ebenen aufteilen: die Individualsphäre (Mikroebene) einzelner Journalisten; die Organisations-/Institutionssphäre (Mesoebene) autarker Redaktionen sowie die Medienstruktur- bzw. Gesellschaftssphäre (Makroebene) öffentlicher Medien- und Kommunikationsstrukturen (Beck, 2017, S. 150f.) „Aus der Perspektive des Publikums ist zwischen einem Vertrauen in das System Journalismus und in die Institutionen der journalistischen Medien jedoch kaum zu unterscheiden, denn das System manifestiert sich über seine Institutionen“ (Prochazka, 2020, S. 42f.). Mit Hanitzsch, Van Dalen & Steindl (2018) lässt sich Vertrauen in Journalismus bzw. journalistische Medien insofern als eine Art des Institutionenvertrauens begreifen (S. 5). Auch die vorliegende Arbeit bezieht Vertrauen in Journalismus weniger auf ganze journalistische Systeme als vielmehr auf einzelne Nachrichtenmedien (Blöbaum, 2014, S. 32). Darauf basierend kann Vertrauen in Journalismus nachfolgend als „Vertrauen in ein generalisiertes Kommunikationsmedium“ (Kohring, 2004, S. 141) verstanden werden.

Rückbezogen auf das erarbeitete Vertrauensverständnis manifestiert sich Vertrauen in journalistische Medien prinzipiell in dem Verlassen auf das adäquate Funktionieren und Umsetzen der gewährleisteten gesellschaftlichen Leistungen (ebd.). Die vorrangigen Funktionsleistungen journalistischer Medien liegen dabei in der „Auswahl (Selektion), Herstellung und Bereitstellung sowie die Präsentation von Themen mit Faktizitätsanspruch (Bericht über tatsächliche Ereignisse und Sachverhalte) für die öffentliche Kommunikation […]“ (Beck, 2017, S. 148). Darüber hinaus sollen die ausgewählten Themen aktuell und relevant sein, sprich einen Gegenwarts- und Publikumsbezug besitzen (Meier, 2018, S. 14). Mit der Publikation von Nachrichten und Beiträgen über Themen aller Gesellschaftsbereiche stellt Journalismus Öffentlichkeit her und offeriert diese Informationen unter Einbezug von Massenmedien an ein breites gesellschaftliches Publikum (Neuberger & Kapern, 2013, S. 29; Meier, 2018, S. 14). Insgesamt „trägt [Journalismus] damit – systemtheoretisch formuliert – zur Selbstbeobachtung der Gesellschaft bei und synchronisiert die Weltgesellschaft“ (Beck, 2017, S. 148). Auf diese Weise liefert Journalismus Akteuren anderer Systeme wichtige Informationen zur eigenen Umweltbetrachtung und nimmt dadurch eine Sonderrolle im Gesellschaftssystem ein (Kohring, 2004, S. 152). Meier (2018) nennt Journalismus daher auch den „‚Schlüsselberuf‘ für die moderne Demokratie“ (S. 16), an den bestimmte Anforderungen gestellt werden. Denn aus demokratietheoretischer Perspektive ergeben sich bestimmte Hauptaufgaben als Prämisse der Funktionserfüllung: So soll Journalismus erstens mit einem breiten Themen- und Meinungsspektrum seine Rezipienten gleichermaßen vielfältig wie ausgewogen informieren. Zweitens Mächtige aus Politik und Wirtschaft in angemessenem Umfang kritisieren und kontrollieren, um Missstände und politische Willkür öffentlich transparent zu machen. Darüber hinaus soll Journalismus den gesellschaftlichen Diskurs beleben und mithin bürgerliche Partizipation ermöglichen. Das Konglomerat aus Information, Kritik und Kontrolle sowie Partizipation unterstützt schließlich die aktive Meinungsbildung des einzelnen Individuums (ebd.). Als maßgebliche Bedingungen zur Umsetzung dieser Aufgaben gelten für journalistische Medien eine staatsferne Organisation sowie die redaktionelle und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Dritten (Beck, 2017, S. 149; Meier, 2018, S. 17).

Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus der Rezipientenperspektive journalistischer Medien nun bestimmte normative Erwartungen, dass diese ihrem gesellschaftlichen Leistungsauftrag inhaltlich wie rechtlich weitestmöglich nachkommen (Kohring, 2004, S. 141). Ob und inwiefern journalistische Medien aber jene genannten Aufgaben- und Funktionsleistungen tatsächlich entsprechend vollumfänglich umsetzen, ist für das Publikum zwangsläufig nicht immer unmittelbar ersichtlich, weshalb „das Vertrauen in journalistische Medien den Rezipienten primär ermöglicht, auf Basis der Berichterstattung eine Meinung zu bilden oder zu handeln und dabei mit dem Risiko umzugehen, dass sie nicht vorhersehen können, ob diese ihre Leistungen angemessen erbringen“ (Obermaier, 2020, S. 67). Daraus lassen sich zweierlei zentrale Aspekte ableiten: Zum einen ist Vertrauen in journalistische Medien mit der Beziehung zwischen den Rezipienten als Vertrauenssubjekten auf der einen und journalistischen Medien als Vertrauensobjekte auf der anderen Seite relational gekennzeichnet (Blöbaum, 2014, S. 31). „Um am sozialen und politischen Leben teilhaben zu können, sind die Menschen auf die mediale Vermittlung von Informationen angewiesen“ (Blöbaum et al., 2020, S. 8). Weil journalistische Medien qua ihrer Funktionen „abstrakte Vertrauensobjekte“ (Obermaier, 2020, S. 69) darstellen, ist die Vertrauensbeziehung zum anderen elementar abhängig von der adäquaten Leistungserfüllung journalistischer Medien im Sinne der Rezipientenerwartungen (Hanitzsch et al., 2018, S. 5). „Vertrauen in Journalismus – als der eine Part der Vertrauensrelation – ist damit ein strikt rezipientenorientiertes Konstrukt“ (Kohring, 2004, S. 141). Gemäß des erarbeiteten Vertrauensverständnisses [vgl. Kap. 2.1] gehen Rezipienten beim Vertrauen in journalistische Medien also das Risiko ein, ihre eigenen Situationsbeurteilungen und Handlungsweisen auf durch journalistische Medien bereitgestellte Informationen zu begründen, ohne dabei genau zu wissen, inwieweit diese korrekt oder vollständig dargestellt werden (Matthes & Kohring, 2003, S. 10). „Vertrauen in Journalismus zeigt sich also, wenn für Vertrauenssubjekte bestimmte Anschlusshandlungen in Frage kommen, die auf einer Akzeptanz von Informationen aus den Medien beruhen“ (Prochazka, 2020, S. 43). Die Notwendigkeit dessen gründet aus Rezipientensicht darauf, dass journalistische Medien ebendiese meinungs- und entscheidungsrelevante Informationen bereitstellen, die sich Rezipienten ob des Umfangs, Zugangs und Komplexitätsgrades derer nur begrenzt selbst beschaffen könnten (Obermaier, 2020, S. 68; Blöbaum, 2014, S. 19). Auf diese Weise „reduziert Vertrauen in journalistische Medien Komplexität und entlastet Rezipienten“ (Obermaier, 2020, S. 68).

Empirische Studien zeigen innerhalb der Bevölkerung Deutschlands grundsätzlich ein stabiles Medienvertrauen. Der ‚Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen‘ zufolge hatten im Jahr 2020 rund 56 Prozent der Bevölkerung ein ausgeprägtes Vertrauen in journalistische Medien; 28 Prozent der Befragten vertrauten zumindest in Ansätzen; und nur 16 Prozent wiesen wenig bis gar kein Vertrauen auf (Jakobs et al., 2021, S. 153). Im Jahresvergleich zeichnet die seit 2015 durchgeführte Studie zudem einen kontinuierlich positiven Trend in der Zunahme des allgemeinen Medienvertrauens: Waren es 2016 nur 41 Prozent, die den journalistischen Medien voll und ganz respektive eher vertrauten, lag der Wert vier Jahre später um 15 Prozentpunkte höher (ebd.). Diese Beobachtungen korrespondieren mit den Befunden von Schultz, Jackob, Ziegele, Quiring und Schemer (2017), die im Vergleich von 2008 zu 2016 eine Zunahme des Medienvertrauens um zwölf Prozentpunkte dokumentierten (S. 248). Diese Stabilität bestätigt sich auch im internationalen Vergleich: Bereits 2017 gaben 50 Prozent der deutschen Bevölkerung an, ein vollumfängliches bis gut ausgeprägtes Vertrauen in journalistische Medien zu haben, womit Deutschland im weltweiten Ranking im oberen Drittel gelistet wird (Newman, Fletcher, Kalogeropoulos, Levy & Nielsen, 2017, S. 20). Bei einer Befragung hinsichtlich bestimmter Leistungserwartungen an journalistische Medien konnten Schultz et al. (2017) außerdem zeigen, dass diese aus Rezipientensicht die Kriterien der Vollständigkeit, Präzision und Ausgewogenheit bei der Berichterstattung hinlänglich erfüllen (S. 248).

Komplementär zum Vertrauen in journalistische Medien – ähnlich wie beim allgemeinen Vertrauensbegriff – kann die Rezipientenhaltung allerdings auch in Medienmisstrauen umschlagen, das sich insofern ausdrückt, als dass Rezipienten ihre Beurteilungs- und Handlungsentscheidungen nicht oder nur sehr vorbehalten auf medienvermittelte Informationen stützen (Prochazka, 2020, S. 43). „Medien nicht zu vertrauen bedeutet [aber] nicht zwangsläufig, ihnen zu misstrauen“ (Blöbaum et al., 2020, S. 10). Statt einer simplen Vertrauens-und-Misstrauens-Polung werden in der Literatur daher häufig die Begriffe Medienskepsis und Medienzynismus als konzeptionelle Gegensätze zu Medienvertrauen verwendet (Jackob et al., 2019, S. 23). Eine der weitverbreitetsten Definitionen für Medienskepsis stammt von Tsfati (2002), der media skepticism beschreibt als „a subjective feeling of alienation and mistrust toward the mainstream news media“ (S. 35). Jackob et al. (2019) wenden allerdings ein, dass Skepsis nicht per se mit einer grundsätzlichen Ablehnung gleichzusetzen ist, sondern vielmehr ein kritisch-konstruktives Hinterfragen von Inhalten und Arbeitsweisen journalistischer Medien fokussiert (S. 23). Weitergefasst lässt sich Skepsis demnach charakterisieren als „eine Art intellektueller Zurückhaltung, ein kritischer, rational begründbarer Zweifel und eine Distanz, zum Hinterfragen anhält und aus der Grundhaltung entsteht, nichts mit Gewissheit wissen zu können“ (Jackob, Schultz, Ziegele, Schemer & Quiring, 2017, S. 120). Eine derartige skeptische, mediendistanzierte Rezipientenhaltung impliziert dabei aber keinesfalls automatisch ein fehlendes Vertrauen in journalistische Medien (Blöbaum et al., 2020. S. 11). Im Gegenteil: Der Studie von Jackob et al. (2019) zufolge weisen Medienskeptiker, die journalistische Medien zwar konstruktiv kritisieren wie hinterfragen, zugleich jedoch Fehler zugestehen und keine absichtlichen Meinungsmanipulationen vermuten, sogar ein höheres Medienvertrauen auf (S. 31f.).

Im Gegensatz dazu existiert bei einer in der Literatur als Medienzynismus bezeichneten Rezipientenhaltung keinerlei Vertrauen in journalistische Medien; die konstruktiv-kritische Skepsis wird durch eine pauschale, zumeist irrational geleitete Ablehnung von Medien ersetzt (Jackob et al., 2017. S. 119). Medienzynismus beinhaltet zudem nicht nur eine generelle Abwendung und Nicht-Berücksichtigung von den durch etablierte journalistische Medien bereitgestellten Informationen, sondern auch die Negation anderer gesellschaftspolitischer Institutionen und Systeme (Blöbaum et al., 2020, S. 12). Jackob et al. (2019) nach korreliert eine medienzynische Haltung daher oftmals mit Politikverdrossenheit und Demokratieunzufriedenheit sowie gar dem Glauben an verschiedene Verschwörungstheorien (S. 32). Folglich „[werden] den Medien niedere Motive unterstellt, ebenso wie der Politik: Sie werden als selbstsüchtig, sensations-gierig und verlogen wahrgenommen – eine verächtlich-abwertende, destruktive Haltung entsteht […]“ (Jackob et al., 2017. S. 119). Aus diesem Grund sehen Medienzyniker in journalistischen Medien einen schädigenden Faktor für das gesellschaftliche Allgemeinwohl (Obermaier, 2020, S. 85). Eine medienzynische Haltung attribuiert deshalb, dass „Medien und Politik Hand in Hand arbeiten, um das Volk zu manipulieren oder die Menschen systematisch zu belügen“ (Jackob et al., 2019, S. 33). Als weitere Merkmale zeigen sich außerdem, dass Medienzyniker anstelle etablierter vielfach alternative Medien im Internet nutzen und ob ihrer demokratieablehnenden Einstellung zumeist radikale politische Parteien bei der Wahl präferieren (Schultz et al., 2017, S. 256; Jackob et al., 2019, S. 33).

Empirische Daten jedoch weisen darauf hin, dass der Anteil medienzynischer Rezipienten in der Bevölkerung Deutschlands insgesamt eher gering ausfällt. So konnten Jackob et al. (2019) rund ein Fünftel der Befragten bei ihrer Studie der Gruppe der Medienzyniker zuordnen (S. 29). Im Längsschnittvergleich nimmt die Anzahl derer, die medienzynische Positionen vertreten, allerdings weiter beständig ab (Jakobs et al., 2021, S. 154). Ferner bestätigt sich zudem, dass Medienzyniker kaum bis gar kein Medienvertrauen besitzen (Jackob et al., 2019, S. 29; Jackob et al., 2017, S. 126). Wenngleich Medienskeptiker dagegen zwar sowohl beim Medienvertrauen als auch beim interpersonalen Vertrauen hohe prozentuale Werte aufweisen, ist die Anzahl derer mit einem Gesamtanteil von 61 Prozent deutlich höher bemessen (Jackob et al., 2019, S. 29). Davon ausgehend sollen für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit im nächsten Schritt spezifische Ursachen und Auslöser in Form von Schlüsselereignissen beleuchtet werden, die sowohl zu medienskeptischen Ansichten als auch zu Vertrauensverlusten in journalistische Medien führen und damit tendenziell medienzynische Haltungen begünstigen können.

2.3 Schlüsselereignisse beim Vertrauen in journalistische Medien

Als zentraler Ausgangspunkt lässt sich auf Basis der vorangegangenen theoretischen Erkenntnisse dazu festhalten, dass Vertrauen in journalistische Medien essentiell vom Erfüllen rezipientenorientierter Erwartungen an medienspezifische Leistungen abhängig ist. Unter der Berücksichtigung jener spezifischen Erwartungen machen Rezipienten im zeitlichen Verlauf immer wieder eigene Erfahrungen mit der journalistischen Medienperformanz, wodurch anschließend wiederum neue, zukünftige Erwartungen entstehen (Blöbaum, 2020, S. 17). Die Entstehung oder Erosion des Medienvertrauens ist daher entsprechend von Diskrepanzerfahrungen [siehe Kapitel 2.1.2] zwischen den von Rezipienten an journalistische Medien gestellten Erwartungen und den tatsächlich erbrachten Leistungen determiniert (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 421). Folglich können wahrgenommene Diskrepanzerfahrungen im Umgang mit journalistischen Medien sowohl eine medienskeptische Haltung begünstigen (Blöbaum et al., 2020, S. 17) als auch „einen Einfluss auf das Vertrauen in die Medien haben“ (Herrmann & Wiafe, 2020, S. 135). Je höher das Diskrepanzlevel dabei ausfällt, desto größer ist das Risiko für einen generellen Vertrauensverlust in journalistische Medien (Grünberg, 2015, S. 34). Die gemachten Rezipientenerfahrungen jedoch beschränken sich freilich nicht auf einige wenige Situationen, sondern tangieren verschiedene Lebensphasen und -kontexte, weshalb „[e]ine umfassende Analyse von lebensgeschichtlichen und medienbiografischen Erfahrungen, die ausschlaggebend für die Entwicklung von Medienskepsis sind, auf Basis einer Befragung von Rezipierenden nur schwer zu leisten [ist]“ (Blöbaum et al., 2020, S. 17). Aus diesem Grund konzentriert sich die vorliegende Arbeit nachfolgend allein auf bestimmte Einzelereignisse, die – im Zusammenspiel mit anderen medienbiografischen Faktoren – medienskeptische bzw. vertrauenseinbüßende Wirkungen fördern können: sogenannte Schlüsselereignisse.

In der Kommunikationswissenschaft stellen Schlüsselereignisse prinzipiell Ereignisse dar, „welche die Aufmerksamkeit der Medien nachhaltig fesseln und deren folgende Berichterstattung maßgeblich prägen können“ (Arendt, Brosius & Hauck, 2017, S. 136). Es handelt sich dabei – allgemein formuliert – um außergewöhnliche, nicht-alltägliche Geschehnisse (Rauchenzauner, 2008, S. 21). Als ein prägendes Merkmal von Schlüsselereignissen aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive gilt Kepplinger (2011) zufolge eine überdurchschnittliche hohe Anzahl von Berichten über ein bestimmtes Vorkommnis (S. 85). Die Definition eines Schlüsselereignisses „hängt demnach weniger vom Charakter des Ereignisses als von der Intensität der Berichterstattung ab“ (ebd., S. 86). Hintergrund dessen ist die selektive Arbeitsweise journalistischer Medien aufgrund einer unendlichen Informations- und Nachrichtenmasse (Arendt et al., 2017, S. 137). Im Regelfall richtet sich diese Selektionsleistung an bestimmten Nachrichtenfaktoren (vgl. Schulz, 1976) aus; infolge eines Schlüsselereignisses verändern sich diese Selektionsmechanismen allerdings vorübergehend insofern, dass der gesamte mediale Fokus auf dem Ereignis liegt (Brosius & Eps, 1995, S. 394). Grund dafür sind die charakteristischen Attribute von Schlüsselereignissen wie Schaden, Überraschung, Reichweite und Relevanz (Arendt et al., 2017, S. 137). Derartige Faktoren nehmen wiederum nicht nur auf journalistische Medien Einfluss, sondern führen auch bei Rezipienten zu einem erhöhten Informationsbedarf über das Schlüsselereignis, um dieses deuten und einordnen zu können (Kepplinger & Habermeier, 1995, S. 374f.). Durch die Berichterstattung journalistischer Medien darüber „entsteht ein Interpretationsrahmen für Themen, der einige Zeit dominant bleibt und klassische Selektionsregeln maßgeblich beeinflusst oder unter Umständen sogar außer Kraft setzt“ (Arendt et al., 2017, S. 137f.). Als Praxisbeispiele für Schlüsselereignisse im Kontext von Medienvertrauen werden in der Literatur insbesondere die Berichterstattung über die Ukraine-Krise 2014, die Migrations- und Flüchtlingskrise 2015 oder die Kölner Silvesternacht 2015/16 angeführt (vgl. Blöbaum et al., 2020, S. 18; Arendt et al., 2017).

Die Betrachtung der Wirkweise von Schlüsselereignissen reduziert sich in der Forschung dabei allerdings bisweilen allein auf inhaltsanalytische Untersuchungen der Berichterstattung und Nachrichtenauswahl aus medienorientierter Perspektive (Herrmann & Wiafe, 2020, S. 136). Schlüsselereignisse dieses Forschungsfeldes sind daher zwar nicht kongruent zu jenen für die Erosion von Medienvertrauen aus Rezipientensicht; dennoch lassen sich diese zum Zweck des vorliegenden Forschungsziels im Wesentlichen modifiziert transferieren (ebd.). Als gravierende Abwandlung gilt in diesem Fall allerdings, dass „Schlüsselereignisse mithin nicht absolut [sind], sondern abhängig von der jeweiligen Wahrnehmung der Rezipierenden“ (Blöbaum et al., 2020, S. 18). Folglich können sowohl medienwirksame gesamtgesellschaftliche Ereignisse als auch Erlebnisse auf der persönlichen Ebene von Rezipienten als Schlüsselereignis eingestuft werden (ebd.). In ihrer qualitativen Pionierstudie zum ansonsten bislang weitestgehend unerforschten Untersuchungsfeld von Schlüsselereignissen bei Medienvertrauenseffekten von Rezipienten charakterisieren Herrmann & Wiafe (2020) Schlüsselereignisse als Typen von Rezipientenerfahrungen mit journalistischen Medien und klassifizieren diese in „1) Erfahrungen mit dem Vertrauensobjekt, 2) eine abweichende Wahrnehmung der Realität und 3) Erfahrungen mit dem Mediensystem“ (S.137). Die erste Kategorie beschreibt den Autoren zufolge unmittelbare Erlebnisse von Rezipienten mit der Berichterstattung von journalistischen Medien über ein konkretes Thema oder Ereignis, infolgedessen ein Vertrauensverlust stattfindet. Als entscheidender Faktor gelten dabei – im Sinne der herausgearbeiteten Erkenntnisse zu Medienvertrauen – Diskrepanzerfahrungen zwischen den von Rezipienten an das journalistische Medium gestellten Erwartungen und den tatsächlich erbrachten Aufgaben und Leistungen. Beim zweiten Schlüsselereignistyp machen Rezipienten hingegen eigene Erfahrungen mit einem Thema oder Ereignis, deren Wahrnehmung jedoch von der medialen Darstellung kontrastiert, wodurch abermals Diskrepanzerfahrungen entstehen. Diese differenzierte Wahrnehmung kann sich dabei sowohl auf bestimmte Einzelereignisse beziehen als auch auf das generelle Realitätsempfinden. Erfahrungen mit dem Mediensystem umfassen als dritte Schlüsselereigniskategorie letztlich eine Übertragung der Wahrnehmungen von anderen gesellschaftsrelevanten Systemen und Institutionen auf journalistische Medien infolge einer medialen Berichterstattung über die selbigen. In der Literatur wird dies als „Spill-Over-Effekt“ (vgl. Høyer & Mønness, 2016) bezeichnet.

Die skizzierten und von Herrmann & Wiafe (2020) auf Basis einer qualitativen Befragung erstellten Schlüsselereignistypen sollen auch für die vorliegende Arbeit als Mustervorlage zur weiteren Untersuchung von Medienvertrauen dienen. Darüber hinaus haben die Autoren auf Grundlage ihrer Befunde den konkreten Einfluss von Schlüsselereignissen anhand eines Schwellenmodells [vgl. Abbildung 1] herausgearbeitet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 : Alternative schematische Darstellung eines Verlusts in der Vertrauenszuschreibung (nach Herrmann & Wiafe, 2020, S. 153).

Das Modell stellt dabei eine konzeptionelle Weiterentwicklung des Schwellenmodells von Seiffert-Brockmann (2016) dar, der damit prozesshaft den Verlust öffentlichen Vertrauens erläutert (S. 202). Ausgangspunkt ist das Verständnis von Vertrauen als dynamischer Prozess, das auf einem bestimmten Level beginnt und durch Einflussfaktoren vergleichsweise schneller verloren gehen als wieder erworben werden kann (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 421). Diese Faktoren integrieren Herrmann & Wiafe (2020) in Form von Schlüsselereignissen in das Schwellenmodell (S. 154). Das Theorem dieses Modells besagt, dass Vertrauen in journalistische Medien auf einem bestimmten Niveau im Normalmodus [NM] existiert und durch mehrere spezifische Einzelereignisse [EE] im zeitlichen Verlauf jeweils stufenweise abnehmen kann. Diese Phase kennzeichnen die Autoren als sogenannten Schwellenmodus. Den Übergang vom Normal- in den Schwellenmodus markiert dabei immer ein Auslöserereignis, das in den häufigsten Fällen der Studie dem ersten Schlüsselereignistyp (Erfahrungen mit dem Vertrauensobjekt) zugeordnet werden kann. Alle folgenden Einzelereignisse im Schwellenmodus stellen sogenannte Krisenereignisse dar, die sich überwiegend durch die zweite Schlüsselereignisart (abweichende Wahrnehmung zwischen Medien und Realität) manifestieren. Der dritte Schlüsselereignistyp (Erfahrungen mit dem Mediensystem) nimmt den Ergebnissen von Herrmann & Wiafe (2020) zufolge keine Funktion im Vertrauensprozess ein. Ab einem gewissen Zeitpunkt im Modell „gibt es keine Veränderungen mehr im Prozess, das Vertrauen bleibt mehr oder weniger konstant auf einem sehr geringen Level – der Prozess geht über in den Normalmodus“ (ebd.). In der theoretischen Annahme kann anschließend daran wieder ein erneuter Vertrauensgewinn stehen (ebd.), worauf im Folgenden jedoch nicht näher eingegangen werden soll.

Insgesamt bildet das Modell einen geeigneten Ansatz, um die sukzessive Einflussnahme von Schlüsselereignissen auf das journalistische Medienvertrauen von Rezipienten zu beschreiben. Wie Herrmann & Wiafe (2020) allerdings selbst einschränken, basieren die herausgearbeiteten Schlüsselereignistypen sowie das konzipierte Schwellenmodell des Vertrauensprozess einzig auf qualitativen Ergebnissen (S. 155). Zudem setzen die Autoren einem Vertrauensverlust in journalistische Medien der synchronen Entstehung von Medienskepsis gleich, was den Erkenntnissen von Jackob et al. (2019) und Blöbaum et al. (2020) zu einem erhöhten Medienvertrauen bei gleichzeitiger medienskeptischer Haltung widerspricht. Mit der im späteren Verlauf der vorliegenden Arbeit durchgeführten quantitativen Untersuchung soll daher einerseits geprüft werden, inwieweit sich die Erkenntnisse von Herrmann & Wiafe (2020) zur Wirkung von Schlüsselereignissen auf das Medienvertrauen von Rezipienten bestätigen und generalisieren lassen. Außerdem gilt es zu prüfen, ob eine medienskeptische Rezipientenhaltung mit einem Vertrauensverlust in journalistische Medien einhergeht oder nicht. Als Grundlage dafür wird das im folgenden Kapitel dargelegte Untersuchungsbeispiel herangezogen.

3 Untersuchungsbeispiel Corona-Pandemie

Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) COVID-19 zu einer globalen Pandemie (vgl. World Health Organization). Dabei handelt es sich um eine durch den Erreger SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2), der zum Stamm der Coronaviren zählt, ausgelösten und hochinfektiösen Krankheit, die sich über die Atemwege von Mensch zu Mensch übertragen kann (vgl. Robert Koch Institut, 2021). Seit dem Ausbruch der Krankheit Ende 2019 registrierte die WHO weltweit insgesamt über 176 Millionen Infizierte und rund 3,8 Millionen Tote [Stand: 15.06.2021] infolge einer COVID-19-Erkrankung (vgl. World Health Organization). Nach dem ersten Auftreten des Virus in Deutschland im Januar 2020 verzeichnete das Robert-Koch-Institut hierzulande bislang insgesamt 3.718.955 Infektions- und 90.179 Todesfälle [Stand: 17.06.2021] im Zusammenhang mit COVID-19 (vgl. Robert Koch Institut). Als Reaktion auf die rasante Ausbreitung wurden und werden in Deutschland bestimmte Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorgenommen, die aufgrund ihrer Vielzahl und andauernden dynamischen Entwicklung hier nicht ausführlich dargelegt werden sollen (für einen chronologischen Überblick: vgl. Nagel & Schäfer, 2020, S. 247f.).

Mit zunehmender Verbreitung des Virus und einer damit einhergehenden Gefahrenlage steigerte sich zugleich auch das Informationsbedürfnis der Bevölkerung über die Krankheit und potenzielle Schutzmaßnahmen (Stollorz, 2021, S. 70). Die notwendigen wissenschaftlichen Informationen darüber sowie Anweisungen für Schutz- und Verhaltensregeln erfahren viele Menschen in einer Pandemie dabei nicht direkt von zuständigen Institutionen und Politik, „sondern vermittelt über die Berichterstattung der Massenmedien“ (Schäfer, 2020, S. 310). In einer derartigen Krisensituation kommt journalistischen Medien also die Aufgabe zu, „umfassend als Vermittler zwischen medizinischen Erkenntnissen und dem Bürger zu agieren“ (Görke & Serong, 2014, S. 193). Selbiges gilt auch für die Übermittlung sämtlicher politischer Entscheidungen in diesem Kontext (Nagel & Schäfer, 2020, S. 246). Schäfer (2020) schlussfolgert daher, dass insbesondere in gesellschaftlichen Gesundheitskrisen „[j]ournalistische Inhalte zu den wichtigsten gesundheitsbezogenen Informationsquellen der Bevölkerung [zählen] (S. 308).

Aus diesem Grund konnte aufseiten journalistischer Medien eine ressortübergreifend überdurchschnittlich häufige Berichterstattung zu allen Themenschwerpunkten der Corona-Pandemie beobachtet werden (Stollorz, 2021, S. 70). Infolge dieser weltweiten medialen Fokussierung durch journalistische Medien wurde die Corona-Pandemie so „zum konzentriertesten Weltereignis, das es je gab“ (Stichweh, 2020). Angesichts dieser gesellschaftlichen Ausnahmesituation mit globaler Reichweite und einer außergewöhnlichen Berichterstattungsdichte lässt sich die Corona-Pandemie im Hinblick auf das in Kapitel 2.3 erarbeitete kommunikationswissenschaftliche Verständnis (vgl. Rauchenzauner, 2008; Kepplinger, 2011) folglich als Schlüsselereignis bezeichnen.

Auf Rezipientenseite bestätigt sich dabei die Bedeutung journalistischer Medien. Empirische Daten der Mainzer Langzeitstudie zeigen, dass fast zwei Drittel der Befragten in Deutschland bei der Corona-Berichterstattung den etablierten Medien vertraut (Jakobs et al., 2021, S. 155). Unterteilt in einzelne Mediengattungen genießen besonders die Fernseh-, Radio- und Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Medien bei Rezipienten eine hohe Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Pandemie-Informationen (vgl. Infratest dimap, 2020). Auch Umfang und Intensität der Corona-Berichterstattung werden von den Rezipienten im Mittel als angemessen beurteilt (Schäfer, 2020, S.311). Insbesondere in puncto Einordung der Situation und Vermittlung wichtiger Informationen bewerten fast zwei Drittel die Arbeit journalistischer Medien während der Pandemie als gut (Jakobs et al., 2021, S. 156). Im Hinblick auf weitere Medienleistungen – Informations- und Themenvollständigkeit, Ausgewogen- und Angemessenheit sowie Widersprüchlichkeit zu alternativen Nachrichtenquellen – bietet sich allerdings ein wesentlich differenzierteres Meinungsbild (ebd.). Eine extreme Einstellung gegenüber journalistischen Medien in Form einer vollständigen Ablehnung dieser beschränkt sich ferner jedoch allein auf kleine Randgruppen innerhalb der Bevölkerung (ebd., S. 154), wie beispielsweise sogenannte „Querdenker“, die auf Basis radikal-ideologischer, teils verschwöhrungstheoretischer Ansichten gegen Corona-Maßnahmen protestieren und dabei neben wesentlichen Merkmalen wie der politischen und institutionellen Entfremdung eine extrem medienzynische Haltung aufweisen (vgl. Nachtwey, Schäfer, Frei, 2020).

4 Forschungsfrage und Hypothesen

Das Untersuchungsbeispiel der Corona-Pandemie verdeutlicht, welche Rolle journalistische Medien bei Schlüsselereignissen für Rezipienten einnehmen. Die außergewöhnliche Situation erzeugte ein starkes Informationsbedürfnis in der breiten Bevölkerung, worauf zahlreiche journalistischen Medien in ihrer informationsvermittelnden Funktion (vgl. Maier, 2018) mit einer umfangreichen Berichterstattung über die pandemische Lage reagierten (vgl. Stollorz, 2021). Umgekehrt dokumentieren erste empirische Studienergebnisse (vgl. Jakobs et al., 2021; Schäfer, 2020), dass ein mehrheitlicher Anteil der Bevölkerung der medialen Corona-Berichterstattung journalistischer Medien vertraut, im Sinne des Vertrauensverständnisses [vgl. Kap. 2.3] sich also auf die vermittelten Informationen verlässt und diese für die eigene Situationsbeurteilung und Handlungsweise in der Pandemie nutzt, ohne eine absolute Garantie auf Vollständigkeit und Korrektheit zu haben (vgl. Matthes & Kohring, 2003). Ambivalent dazu offenbaren die Daten aber auch spezifische Kritikpunkte der Rezipienten an der journalistischen Arbeit in der Corona-Pandemie, die im seltenen Extremfall in radikalen Positionen und Protestgruppen gipfeln kann (vgl. Nachtwey et al., 2020).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Gros der Rezipienten bereits vor Corona den Nachrichten und Informationen journalistischer Medien vertraut oder ob die Pandemie dieses erst verstärkt hat. Ausgehend davon wird für die vorliegende Arbeit folgende zentrale Forschungsfrage formuliert:

FF: Inwiefern beeinflussen Schlüsselereignisse das Vertrauen von Rezipienten in journalistische Medien?

Die Corona-Pandemie wird dabei als das übergeordnete, gesamtgesellschaftliche Schlüsselereignis betrachtet. Weil die rezipientenorientierte Einstufung und Wahrnehmung als solches allerdings höchst subjektiv erfolgt (Blöbaum et al., 2020, S. 18), stellen Schlüsselereignisse im Kontext von Medienvertrauen bestimmte verschiedene Erfahrungstypen dar (vgl. Herrmann & Wiafe, 2020). Die erste dieser Schlüsselereigniskategorien bezieht sich auf Erfahrungen der Rezipienten mit dem Vertrauensobjekt, wobei diese sich in unmittelbare, medial transportierte oder durch Dritte vermittelte Erfahrungen der Rezipienten mit der Berichterstattung journalistischer Medien ausdifferenzieren (ebd., S. 147). Alle Faktoren können dabei den Befunden von Herrmann & Wiafe (2020) nach als persönliches Schlüsselereignis negativ Einfluss auf das Medienvertrauen der Rezipienten haben. Daraus lässt sich entsprechend die erste Hypothese dieser Forschungsarbeit ableiten:

H1a: Wenn Rezipienten eine unmittelbare, medial oder durch Dritte vermittelte Schlüsselerfahrung mit journalistischen Medien machen, bringen sie diesen weniger Vertrauen entgegen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss von Schlüsselereignissen auf das Vertrauen von Rezipienten in journalistische Medien
Untertitel
Eine empirische Studie am Beispiel der Corona-Pandemie
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
69
Katalognummer
V1132862
ISBN (eBook)
9783346503817
ISBN (Buch)
9783346503824
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Journalismus, Medienvertrauen, Schlüsselereignisse, Corona-Pandemie, Medienskepsis, Medienzynismus, Vertrauen, Rezipienten
Arbeit zitieren
Niklas Könner (Autor:in), 2021, Der Einfluss von Schlüsselereignissen auf das Vertrauen von Rezipienten in journalistische Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1132862

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