Palenquero. Das spanischbasierte Kreol Amerikas


Trabajo, 2008

13 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsübersicht

I. Einleitung

II. Historische Hintergründe

III. Linguistik
III.1. Phonetik / Phonologie
III.2. Morphosyntax

IV. Zusammenfassung

LITERATUR

Anhang: Karte Palenques siglo XVIII aus S. de Friedemann/Patiño Rosselli (1983)

I. Einleitung

Sowohl aus ethnologischer als auch soziologischer und sprachwissenschaftlicher Perspektive betrachtet,[1] stellen vor allem diejenigen Bevölkerungsgruppen der Erde einen ebenso reizvollen wie akuten Forschungsgegenstand dar, die sich als ethnische Minoritäten im Zuge der allgemeinen Globalisierungsbestrebungen vonseiten der „Massenkulturen“ und der damit einhergehenden kulturellen Nivellierung einer ständigen Bedrohung ihres Fortbestehens ausgesetzt sehen, da v. a. in sprachhistorischer Hinsicht das darwinistische Prinzip mehrfach beobachtet worden ist, nach dem der Schwächere (Substrat) dem Stärkeren (Superstrat) kurz- oder mittelfristig unterliegen und aussterben wird. Besonders in Hinblick auf die weltweite Sprachlandschaft lässt sich diese Tendenz hin zu einer linguistischen Ökonomisierung und Uniformierung insbesondere seit dem 20. Jahrhundert ersehen. Als Beispiel soll hier kurz die Dominanz des englischen Idioms erwähnt sein, das sich rapide in Klassenzimmern auf der gesamten Welt etabliert hat, sei es als Erst- oder als Zweitsprache. Englisch ist ein in beinah allen Teilen der Erde gebräuchliches Kommunikationsmedium, und insbesondere bei Aufeinandertreffen von verschiedensprachigen Sprechern (unabhängig, welche ihre jeweilige Muttersprache ist) ist es meist die intuitive erste Wahl zur Lösung des Verständigungsproblems.

Die Opfer solcher Cluster, die sich um wenige Weltsprachen herum bilden und einen klaren Gegenpol zu der Mannigfaltigkeit der derzeit rund 6000 noch aktiven Idiomen[2] darstellen,[3] sind in erster Linie Sprachen mit (sehr) geringen Sprecherzahlen. Sprachtod ist heute mehr denn je ein alltägliches Phänomen, sei es durch das Versterben sämtlicher ihr angehörender Sprecher[4] oder aber aufgrund partieller bzw. totaler Marginalisierung der Substratkultur vonseiten der vorherrschenden Prestigekultur auf der Basis von Stigmatisierung und Diskriminierung.

Auf den folgenden Seiten soll ein für die spanischsprachige Welt besonders prominentes Beispiel näher vorgestellt werden. Erst seit den unabhängig voneinander entstandenen Forschungsarbeiten der Linguisten Germán de Granda (1968) und Derek Bickerton/Aquiles Escalante (1970), die dem Palenquero[5] seinen Status als eigenständige Kreolsprache zuerkannten, besteht ein reges kultur- und sprachwissenschaftliches Interesse an der Siedlung San Basilio de Palenque und seinen Bewohnern. In dem nun folgenden Kapitel sollen einige der Eckpfeiler der vierhundertjährigen Geschichte der Siedlung von ihrer Gründung, über die Freiheitserlangung bis hin zur offiziellen Anerkennung der von ihren Einwohnern gesprochenen Sprache – der heutzutage einzigen bekannten eindeutig spanischbasierten Kreolsprache Amerikas[6] – und der mit ihr einhergehenden Initiierung staatlicher Programme zum Erhalt der afrokolumbianischen Kultur.

Die vorliegende Arbeit soll eine Übersicht über die Strukturen des Palenquero geben. Im Anschluss an eine konzise Chronik der Geschichte des Dorfes (II.), sollen einige repräsentative Merkmale dieses Kreols aus den Bereichen der Phonetik/Phonologie (III.1.) und der Morphosyntax (III.2.) vorgestellt werden, da dort die frappantesten Differenzen zu der Superstratsprache zutage treten. Lexikalische Eigenheiten werden aufgrund ihrer geringen Präsenz nicht genauer fokussiert werden.

II. Historische Hintergründe

Allgemein gesprochen ist der Prozess der Herausbildung von Kreolsprachen stets durch dieselben Faktoren bedingt und lässt sich wie folgt in drei grobe Phasen unterteilen. Zuerst entsteht eine Situation, in der die Sprecher einer Sprachgemeinschaft sich mit einer gesellschaftlich dominanten Sprache (Superstrat) konfrontiert sehen, die nicht ihre Muttersprache ist. In der zweiten Phase reagieren die Sprecher der Substratsprache (in der Regel sind dies kolonisierte Völker) auf diese Situation, indem sie die dominante Sprache zusätzlich zu ihrer eigenen Sprache erlernen. Es entsteht daraus eine polylinguale bzw. -dialektale (meist diglossische) Gesellschaft, in der die Superstratsprache (d.h. die Hochvariante) vorzugsweise im öffentlichen Leben gesprochen wird (in Schule und Universität, in den Medien, in Behörden und bei Gericht, usw.) und demnach ein höheres Prestige besitzt, während die neu entstandene Mischsprache auf den privaten Bereich beschränkt bleibt. In der dritten Phase verdrängt die Prestigesprache schließlich (v. a. von den jüngeren Mitgliedern der Gemeinschaft ausgehend) die Substratsprache soweit, dass die (oktroyierte) dominante Sprache sich auch im privaten Bereich durchsetzen kann und es zu einer Dekreolisierung und somit zum Aussterben der Sprache kommen kann.

Der sprachhistorische Werdegang des Palenquero stellt keine Ausnahme von dieser Regel dar. Als Kombination aus dem aus der Notwendigkeit der Kommunikation mit den lusophonen Sklavenhändlern heraus entstandenen Pidgin aus Portugiesisch und einigen westlichen Bantusprachen[7] einerseits und dem Kastilischen der kolumbianischen Karibikküste andererseits bildete sich sukzessiv eine autonome Kreolsprache[8] heraus, deren geschichtliche Rahmendaten an dieser Stelle kurz dargelegt werden sollen.

Der damalige Hauptumschlagplatz für den portugiesisch-spanischen Sklavenhandel an der Karibikküste Kolumbiens, Cartagena de Indias, ist der geografische Ausgangspunkt für die Freiheitsbestrebungen zahlreicher afrikanischen Sklaven, die unter der Führung des „primer héroe palenquero“[9], Benkos (offiziell Domingo/Dominguillo) Bioho, bald die Gründer der Flüchtlingssiedlung werden sollten, die ein Jahrhundert später als San Basilio de Palenque[10] bekannt wurde. Die hauptsächlich aus Zentral- und Westafrika stammenden Sklaven flüchteten um 1600[11] vor ihren Peinigern landeinwärts, wo sie sich, zirka 65 Km südlich von Cartagena am Fuße der Montes de María in einer für ihre Verfolger nur schwer zugänglichen Zone verschanzten, von wo aus es erstmals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Cimarrones (Sklavenflüchtlingen) und ihren „Besitzern“ kommt. Diese führen in ihrer Grausamkeit soweit, dass der Stadthalter Cartagenas, Gerónimo de Suazo y Casasola, 1605 ein Friedensabkommen mit den rebellischen Freiheitskämpfern erwirkt. Jedoch wird dieses von den Kolonialherren tatkräftig boykotiert, so dass erst 1717 auf Betreiben des damaligen Bischoffs Cartagenas, Casiani, hin ein definitiver Beschluss erwirkt wird, welcher den Palenqueros einerseits untersagte, sich weiterhin in gewalttätiger Absicht der Stadt Cartagena zu nähern, ihnen aber im Gegenzug ihre völlige (Straf-)Freiheit und ihr uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht zusicherte. Dies führte wiederum zu der Bezeichnung des Dorfes als „el primer pueblo libre de América“ durch den Historiker Roberto Arrázola[12].

Die lang anhaltende Konservierung des Palenquero (von den eigenen Sprechern auch lengua genannt) in Reinform ist dem knapp dreihundert Jahre währenden Zustand nahezu totaler Isolation zu verdanken, in dem die Bevölkerung lebte. Ein Teil der Bewohner stand zwar in Kontakt mit einigen umliegenden Dörfern, und die Frauen fuhren regelmäßig nach Cartagena; jedoch waren diese Kontakte rein ökonomischer Natur. Sie galten hauptsächlich dem Verkauf der dorfeigenen Produkte, wie Maniok, Reis, Mais, Erdnüsse und Jamswurzeln, vor allem aber der Viehzuchtprodukte. Erst seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Kontakt zur Außenwelt durch Arbeitsfluktuation verstärkt, als zahlreiche Palenqueros Anstellung auf Bananenplantagen und in Zuckerfabriken der Umgebung fanden. Zirka dreißig Jahre später wurde durch den Baubeginn einer Verbindungsstraße ein weiteres Kriterium zur sukzessiven Öffnung der Gemeinde zur Außenwelt in Angriff genommen. 1974 schließlich wurde auf Initiative des damaligen Leichtgewichtsboxweltmeisters und Mitglieds des Palenque Antonio Cervantes (alias Kid Pambelé) hin die Elektrifizierung des Dorfes angegangen, wodurch u.a. auch Rundfunk und Fernsehen der Weg nach San Basilio geebnet wurde.

[...]


[1] Zur engen Verwandtschaft zwischen Soziologie und Linguistik v. a. in Bezug auf Pidgin- und Kreolsprachen siehe zum Beispiel S. de Friedemann/Patiño R.: „Tanto los pidgins como las lenguas criollas se distinguen por ser manifestaciones lingüísticas decisivamente condicionadas por factores sociales.“, 85.

[2] http://www.un.org/spanish/News/fullstorynews.asp?newsID=8864&criteria1=educacion&criteria2 (12.04.08). Interessant ist darüber hinaus auch der anschließend erwähnte Umstand, dass 96% aller dieser Sprachen von nicht mehr als 4% der Weltpopulation gesprochen werden, woraus sich die höchst ungleichmäßige Verteilung der Sprachen gegenüber ihrer jeweiligen Sprecherzahlen entnehmen lässt.

[3] Obwohl diese Entwicklung hin zu einer Dezimierung der Idiome dieser Erde auf einige wenige bzw. nur einer einzigen Weltsprache in Zukunft aus rein sprachokönomischer Sicht durchaus nachvollziehbar und gerechtfertigt erscheint, sollte jedoch nicht vergessen werden, in welch engem Zusammenhang Sprache auch immer mit kultureller Identität steht und welche Konsequenzen sich langfristig aus einer solchen Reduktion ergeben können.

[4] Dies war z.B. der Fall bei der Mehrzahl der Eingeborenensprachen auf dem amerikanischen Kontinent zu Zeiten der Eroberungsfeldzüge durch die Spanier und, im Anschluss an diese, im Zuge der Versklavung der überlebenden indigenen Bevölkerung und der ihnen auferlegten Zwangsarbeit in den Minen und auf den Feldern.

[5] Mit „Palenquero“ beziehe ich mich einzig auf die Sprache der Gemeinde von San Basilio de Palenque, Bolívar, Kolumbien. Der Begriff palenque als solcher bezeichnet allgemein jedwede von flüchtigen afrikanischstämmigen Sklaven (cimarrones) gegründete Kommune im Amerika des 15.-18. Jahrhunderts. Neben palenque (Kolumbien, Kuba, Mexiko) existieren weitere, regional differierende Synonyme: maroon (Karibik, USA), quilombo, ladeira, mambises bzw. mocambo (Brasilien) und cumbe (Venezuela). Weitere, allerdings heute nicht mehr existente Palenquesiedlungen in Kolumbien sind u.a. in S. de Friedemann/Patiño R. verzeichnet (vgl. Karten I-III).

[6] Trotz der Meinung Gerardo A. Lorenzinos, der in seiner Arbeit zu der Morphosyntax of Spanish-lexified Creoles (2000) das auf den Niederländischen Antillen gesprochene Papiamentu eindeutig als „Iberian (Spanish and Portuguese) lexified creole“ (11) kategorisiert, soll diese Sichtweise hier noch aufgrund mangelnder Beweislage unter Vorbehalt betrachtet werden.

[7] An erster Stelle sind hier aufgrund ihrer quantitativen Dominanz das Kikongo und das Kimbundu zu nennen. Auf diese beiden Bantusprachen aus Teilen des heutigen Kongos und Angolas sind laut Forschungen die meisten Elemente des Palenquero zurückzuführen. Über eine detaillierte Auflistung der (möglichen) Herkunftsgegenden der Afrokolumbianer und ihrer Sprachen und Dialekte siehe W.W. Megenny (1986). V. a. auf der Basis des Kikongo wurden bereits mehrere Koinzidenzen des Palenquero mit anderen Karibiksprachen/- dialekten, wie dem ebenfalls portugiesisch basierten Saramaccaans Surinams, dem Papiamentu auf Curaçao, dem Spanischen Kubas (vgl. Megenny, 1986, 30-31) und weiteren Kreolsprachen in Afrika, wie dem Fa d’Ambo auf Annobón (vgl. De Granda, 1994) konstatiert. Vor allem De Granda hat immer wieder die Ähnlichkeit des Kreols von San Basilio de Palenque mit denen der afrikanischen Inseln São Tomé und Annobón postuliert und daraus eine Affinität zwischen diesen drei Sprachen geschlussfolgert.

[8] Megenny (später auch De Granda (1994, 400)) zieht für das Palenquero die Bezeichnung „post-criollo“ vor, da erstens „la basis del vocabulario es española y el español es la lengua dominante del área geográfica” und zweitens weil “el sistema social ha suplido la movilidad social necesaria para que los palenqueros salgan de su comunidad y se hagan aceptar en los cuadros de la clase media, y con esto ha habido presiones correctivas de fuera para que la lengua oficial haya influído en la de este microcosmos [del Palenque]” (Megenny, 1986, 86), womit letztendlich die bereits angesprochene Dekreolisierung einen ersten Impetus erfährt.

[9] Ibidem, 31. Bioho gilt als der Gründer der Palenquesiedlung La Matuna (1600).

[10] Die Benennung des Dorfes ist nicht ganz eindeutig. Palenque de San Basilio ist gegenüber San Basilio de Palenque jedoch die offizielle Variante, während auf der anderen Seite insbesondere die älteren Generationen im Dorf San Basilio de Palenque bevorzugen, denn „el pueblo no es del santo sino el santo del pueblo“, http://palenquedesanbasilio.masterimpresores.com/secciones/quienes_somos.htm (13.04.08).

[11] Vgl. Ibidem, Karte III.

[12] Arrázola, Roberto (1970): Palenque, primer pueblo libre de América. Historia de las sublevaciones de los esclavos de Cartagena. Cartagena de Indias: Ediciones Hernández.

Final del extracto de 13 páginas

Detalles

Título
Palenquero. Das spanischbasierte Kreol Amerikas
Universidad
Free University of Berlin  (Institut für Romanistik)
Curso
Lateinamreikanisches Spanisch
Calificación
2,0
Autor
Año
2008
Páginas
13
No. de catálogo
V113393
ISBN (Ebook)
9783640141999
Tamaño de fichero
445 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Palenquero, Spanisch, Lateinamerika, Sprachwissenschaft, Linguistik, Palenque, Creol, Kreolsprache
Citar trabajo
Alexander Zuckschwerdt (Autor), 2008, Palenquero. Das spanischbasierte Kreol Amerikas, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113393

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