Rechtsgrundlagen, Kriterien und Anwendungspraxis nachhaltiger öffentlicher Beschaffung. Eine Online-Befragung in hessischen Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohnern


Tesis (Bachelor), 2021

89 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1 Nachhaltige öffentliche Beschaffung
1.1 Begriffsbestimmungen
1.1.1 Definition „Nachhaltigkeit“
1.1.2 Definition „Öffentliche Beschaffung“
1.1.3 Definition „Nachhaltige öffentliche Beschaffung“
1.2 Zielformulierungen
1.2.1 Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
1.2.2 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie
1.2.3 Bedeutung für hessische Kommunen
1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
1.3.1 Regelungen der Europäischen Union
1.3.2 Einbettung im deutschen Vergaberecht
1.3.3 Besonderheiten des hessischen Vergaberechts

2 Kriterien zur Umsetzung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung in Hessen
2.1 Leitfäden „Nachhaltige Beschaffung in Hessen“
2.2 Nachhaltigkeitskriterien in der Rechtspraxis
2.2.1 Auswahl des Beschaffungsgegenstandes
2.2.2 Leistungsbeschreibung
2.2.3 Nachweisführung durch Gütezeichen
2.2.4 Zuschlagskriterien und Angebotswertung
2.2.5 Ausführungsbestimmungen

3 Untersuchung über die praktische Umsetzung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung in ausgewählten hessischen Kommunen
3.1 Konzeption der Untersuchung
3.1.1 Forschungsgegenstand
3.1.2 Wahl der Forschungsmethode: Online-Befragung
3.2 Vorgehensweise bei der Datenerhebung
3.2.1 Aufbau und Erstellung des Fragebogens
3.2.2 Durchführung der Befragung
3.2.3 Vorgehensweise bei der Datenauswertung
3.3 Darstellung der Befragungsergebnisse

4 Auswertung der Befragungsergebnisse
4.1 Diskursive Auseinandersetzung mit den Ergebnissen
4.2 Kritische Reflexion

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Gesetzesverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Übersicht über vergaberechtliche Regelungen

Abbildung 2: Befragung - Stellenwert von Nachhaltigkeitskriterien

Abbildung 3: Befragung - Wissensstand zu Nachhaltigkeitskriterien

Abbildung 4: Befragung - Nachhaltigkeitskriterien „Auswahl des Beschaffungsgegenstandes

Abbildung 5: Befragung - Mittelwerte B1-B2

Abbildung 6: Befragung - Beratungsangebote/Leitfäden

Abbildung 7: Befragung - Beratungsbedarf

Abbildung 8: Befragung - Nachhaltigkeitsstrategie Hessen

Abbildung 9: Befragung - Hürden für die Umsetzung

Abbildung 10: Befragung - Stellenwert der Nachhaltigkeitskriterien in Verbindung mit der Kenntnis über die Nachhaltigkeitsstrategie Hessen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2: Codierungsplan A2

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten123

Einleitung

Seit der Formulierung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der UN wird in vielen Bereichen der öffentlichen Hand die Vereinbarkeit von ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten untersucht. Auch das öffentliche Beschaffungswesen steht hinsichtlich der Berücksichtigung von nachhaltigen Kriterien immer wieder im Diskurs.

Das öffentliche Beschaffungsvolumen in Deutschland liegt schätzungsweise bei etwa 500 Milliarden € im Jahr (vgl. OECD 2019: 1). Nur knapp 12% der öffentlichen Aufträge werden jedoch auf Bundesebene vergeben. Etwa 58% des geschätzten Volumens sind auf die Beschaffung auf kommunaler Ebene zurückzuführen (vgl. Die Bundesregierung 2018: 43 f.). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle die Kommunen für die Zielerreichung einer nachhaltigen Beschaffung einnehmen und welche „lokalen Lösungen“ für die globale Zielsetzung einer nachhaltigen Beschaffung verfolgt werden können (Bachmann et al. 2018: 20). In dieser Arbeit wird untersucht, welche rechtlichen und politischen Rahmenbedingung eine nachhaltige Beschaffung in Hessen ermöglichen und wie die Beschaffung hessischer Kommunen tatsächlich auf die Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet wird. Im Zuge dessen wird in dieser Arbeit der folgenden Forschungsfrage nachgegangen:

Inwieweit wird der Ansatz einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung derzeit in hessischen Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohnern umgesetzt?“.

Hierfür werden zunächst die theoretischen Bezüge einer nachhaltigen Beschaffung hergestellt und die politischen Zielformulierungen herausgearbeitet. Anschließend werden die vergaberechtlichen Bestimmungen dargestellt, innerhalb derer die Beschaffung auf kommunaler Ebene in Hessen geregelt wird. Daraufhin werden die einzelnen Schritte der Beschaffung, von der Formulierung der Leistungsbeschreibung bis zur Erteilung des Zuschlags, anhand eines „Leitfadens für eine nachhaltige Beschaffung in Hessen“ beispielhaft dargestellt. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Durchführung einer Befragung hessischer Kommunen vorgestellt und erarbeitet, inwiefern die Ergebnisse in Bezug zu den theoretischen Erkenntnissen gebracht werden können. Zum Abschluss der Arbeit werden die Ergebnisse aus der Untersuchung sowie die theoretischen Erkenntnisse diskutiert und die Forschungsfrage, eingebettet in eine kritische Reflexion und Handlungsempfehlungen, beantwortet. In dieser Arbeit wird hauptsächlich das generische Maskulinum verwendet, weibliche und anders identifizierende Geschlechteridentitäten werden jedoch dabei ausdrücklich mitgemeint.

1 Nachhaltige öffentliche Beschaffung

1.1 Begriffsbestimmungen

1.1.1 Definition „Nachhaltigkeit“

Das Wesen des Nachhaltigkeitsbegriffes wurde bereits im Jahr 1713 durch Hans Carl von Carlowitz beschrieben. Im Rahmen forstwirtschaftlicher Betrachtungen wurde durch den Begriff ursprünglich ein „regenerierbares System [hier: der Wald] beschrieben, das so genutzt wird, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann“ (Pufé 2017: 37). Durch eine nachhaltige Waldbewirtschaftung sollte die Ressource [hier: Holz] für einen möglichst langen Zeitraum bereitgestellt werden können (ebd.). Das heutige Nachhaltigkeitsverständnis bezieht neben der ökologischen und ökonomischen Betrachtung hingegen auch soziale Belange mit ein. Im Rahmen des Berichts „Our Common Future“4 der Brundlandt-Kommission aus dem Jahr 1987 wurde schließlich der Nachhaltigkeitsbegriff als Zielzustand definiert, den es durch einen ständigen Veränderungsprozess anzustreben gilt. Dieser Veränderungsprozess, der als nachhaltige Entwicklung bezeichnet wird, soll es den heutigen Generationen sowie auch zukünftigen Generationen ermöglichen, ihre Bedürfnisse gleichermaßen zu befriedigen (vgl. United Nations 1987: 4 ff.). Eine nachhaltige Entwicklung basiert demnach auf einer dauerhaften Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse, die vor dem Hintergrund eines Wirtschaftswachstums in Einklang mit dem Schutz der natürlichen Umwelt zu bringen sind (vgl. von Hauff 2014: 8 f.).

1.1.2 Definition „Öffentliche Beschaffung“

Im Sinne des § 103 I GWB wird durch die öffentliche Beschaffung die Gesamtheit an Aufträgen im Bereich der Liefer-, Dienst- und Bauleistungen beschrieben, die von öffentlichen Auftraggebern an Unternehmen vergeben werden. Der Staat tritt somit durch die Beschaffung am Markt als Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen auf. Die öffentliche Beschaffung dient der Bedarfsdeckung der öffentlichen Auftraggeber. Sie bezieht sich jedoch nicht auf die eigene, sondern auf eine externe Leistungserbringung, um diesen Bedarf zu decken (vgl. Lüttmann 2018: 191). Aus § 55 I BHO ergibt sich, dass dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine Ausschreibung vorausgehen muss. Der Begriff der öffentlichen Beschaffung bezieht sich in dieser Arbeit folglich auf die ausschreibungspflichtige Auftragsvergabe durch einen öffentlichen Auftraggeber (vgl. Lüttmann 2018: 18). Unter die öffentlichen Auftraggeber werden i. S. d. § 99 GWB vorrangig der Bund, die Länder und Kommunen sowie sonstige öffentlich-rechtliche Einrichtungen subsumiert, die dem Vergaberecht unterliegen. Aus dem Status als öffentlicher Auftraggeber ergeben sich zudem zusätzliche Restriktionen, denen der Beschaffungsprozess im Vergleich zur Privatwirtschaft unterliegt (vgl. Becher 2017: 4). Hierzu zählt vor allem, dass alle Aufträge der öffentlichen Hand im Rahmen eines Wettbewerbs und durch transparente Verfahren zu vergeben sind (vgl. § 97 I GWB). Der Prozess der öffentlichen Beschaffung schließt die Bedarfsplanung, die Durchführung des Vergabeverfahrens sowie die Abwicklung des Auftrags mit ein. Der Beschaffungsvorgang im engeren Sinn bezieht sich demnach auf die Anwendung des Vergaberechts „mit der Wahl der Verfahrensart, der Erstellung der Vergabeunterlagen (...), der Bewertung der Angebote und der Erteilung des Zuschlags“ (vgl. Becher 2017: 4 f.).

1.1.3 Definition „Nachhaltige öffentliche Beschaffung“

Im „Global Review of Sustainable Public Procurement”5 der Vereinten Nationen wird die nachhaltige öffentliche Beschaffung wie folgt definiert:

„Sustainable public procurement is a process whereby public organizations meet their needs for goods, services, works and utilities in a way that achieves value for money on a whole life-cycle basis in terms of generating benefits not only to the organization, but also to society and the economy, whilst significantly reducing negative impacts on the environment.”6(UNEP 2017: 1).

Die Grundzüge des Nachhaltigkeitsbegriffes finden folglich im Bereich der öffentlichen Beschaffung Anwendung, indem die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung „Ökologie, Ökonomie & Soziales“ in die Beschaffungsaktivitäten integriert werden. Demnach kann eine nachhaltige öffentliche Beschaffung auch als die Aufgabe beschrieben werden, „Produkte und Dienstleistungen zu beschaffen, die von der Herstellung bis zur Entsorgung unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte, geringere Folgen für die Umwelt haben, [sic] als vergleichbare Produkte und Dienstleistungen“ (Becher 2017: 9). Da die Definition einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung eng mit der Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung verbunden ist, werden nachfolgend die internationalen und nationalen Zielsetzungen aufgezeigt, die sich aus der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ ergeben.

1.2 Zielformulierungen

Zunächst wird in diesem Abschnitt dargelegt, wie der Begriff einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung in den Zielvorgaben der Agenda 2030 der Vereinten Nationen verankert wurde. Im Anschluss wird auf die Umsetzung der Ziele aus der Agenda 2030 auf nationaler Ebene eingegangen und die Hessische Nachhaltigkeitsstrategie sowie die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie werden beleuchtet. Zuletzt wird die besondere Rolle der Kommunen bei der Umsetzung der globalen Ziele zur nachhaltigen Beschaffung dargestellt.

1.2.1 Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Im Rahmen der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, die am 25. September 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, wurden 17 Ziele und daraus resultierende 169 Teilziele erarbeitet: Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. In der Präambel der Agenda 2030 wird angeführt, dass durch die Zielsetzungen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichermaßen Bedeutung zugesprochen wird: „der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen Dimension“ (vgl. Vereinte Nationen 2015). Die Thematik einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung bildet einen festen Bestandteil in diesen Zielsetzungen der Agenda 2030. In Ziel 12 der Agenda 2030 wurde die „Sicherstellung von nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern“ für Privatpersonen, Unternehmen und die öffentliche Hand definiert (vgl. Vereinte Nationen 2015: 15). Für die öffentliche Hand wird diese Zielvorgabe im Teilziel 12.7 im Bereich der Beschaffung konkretisiert. Hier heißt es:

„In der öffentlichen Beschaffung nachhaltige Verfahren fördern, im Einklang mit den nationalen Politiken und Prioritäten“(Vereinte Nationen 2015: 24).

In der Agenda 2030 wird weiterhin angeführt, dass alle Zielvorgaben und somit auch die Zielvorgabe aus dem Teilziel 12.7 unter Berücksichtigung der nationalen Umstände in jedes der betreffenden Länder zu übertragen sind (vgl. Vereinte Nationen 2015: 14). Demnach werden seit der Verabschiedung der Agenda 2030 Initiativen auf nationaler Ebene erarbeitet, die die Zielvorgaben der Vereinten Nationen aufgreifen und unterstützen (vgl. Vereinte Nationen 2015: 35).

1.2.2 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie

Im Jahr 2010 wurde vom Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung das „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ beschlossen. Im Zuge dessen sollte in ganz Deutschland die öffentliche Beschaffung weiter am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet werden (vgl. Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung 2017: 1). Durch das Maßnahmenprogramm wurden konkrete Handlungsschritte auf nationaler Ebene aufgezeigt. So wurde unter anderem festgelegt die Lebenszykluskosten, energieeffiziente Produkte sowie die Kennzeichnung durch Gütezeichen stärker zu berücksichtigen. Außerdem wurden weiterführend die Ziele beschlossen, den Gesamtanteil von Recyclingpapier mit dem Blauen Engel bis 2020 auf 95% zu steigern, die Energieeffizienz und Emissionen der Fuhrparks zu verbessern und bis 2020 etwa 50% der Textilien nach ökologischen und sozialen Kriterien zu beschaffen. (vgl. Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung 2017: 9 ff.). Zusätzlich zum „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ wurden in Deutschland Unterstützungsangebote für die Bundesressorts, die Länder und die Kommunen eingerichtet. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurde im Zuge dessen der „Kompass Nachhaltigkeit - Öffentliche Beschaffung“ erstellt, der als Informationsquelle für alle Akteure der öffentlichen Beschaffung dienen soll. Darüber hinaus wurde die „Kompetenzstelle Nachhaltige Beschaffung“ beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern initiiert, die bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung unterstützen, Leitfäden für eine nachhaltige Beschaffung erstellen und Schulungen in diesem Bereich anbieten soll (vgl. Beschaffungsamt des BMI 2019). Etwaige Leitfäden für eine nachhaltige Beschaffung wurden zudem auch vom Umweltbundesamt erarbeitet. Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der UN werden auf nationaler Ebene in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie formuliert und alle vier Jahre angepasst. In der aktualisierten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2017 wird der öffentlichen Hand eine besondere Vorbildrolle für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung zugewiesen, da die Höhe der öffentlich vergebenen Aufträge etwa 10-15 Prozent des Bruttoinlandproduktes einnehmen. Die Stärkung von Nachhaltigkeitskriterien soll ferner als „Hebel für die Steigerung des Angebots nachhaltiger Produkte“ wirken (vgl. Becker 2021: 107).

1.2.3 Bedeutung für hessische Kommunen

Bereits vor der Veröffentlichung der Agenda 2030 wurde im Jahr 2008 die Hessische Nachhaltigkeitsstrategie initiiert (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt 2020: 2). Im Peer Review7 von 2018 wird Hessen daher als „Vorreiter für eine nachhaltige und faire Beschaffung“ beschrieben (vgl. Bachmann et al 2018: 21). Die Thematik einer nachhaltigen Beschaffung wird in der ursprünglichen Version der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie nicht explizit erwähnt (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt 2020: 92). Allerdings bezieht sich die Hessische Nachhaltigkeitsstrategie heute im Wesentlichen auf die Ziele der Agenda 2030, um auch im Bereich der öffentlichen Beschaffung Ressourcen zu schonen, den Umweltschutz zu optimieren, Sozial- und Umweltstandards zu verbessern und allgemein Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen zu erreichen. Diese Zielvorgaben werden in der hessischen „Zielvereinbarung Nachhaltige Beschaffung“ vereint, durch die sich Unternehmen, Kommunen und sonstige private und öffentliche Institutionen zum Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Zielerreichung verpflichten (vgl. HMUKLV o.J.). Im Zuge der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie wurde zudem das „Leitbild der nachhaltigen und fairen Beschaffung in Hessen“ entwickelt, das aus sieben Kriterien besteht:

1. „Nachhaltigkeit wird als verpflichtendes Handlungsprinzip auf allen Ar- beits- und Führungsebenen eingegliedert
2. Die öffentliche Hand nimmt eine Vorbildrolle ein und überzeugt die Bürger in Hessen sowie Lieferanten und Partner von den Vorteilen einer nachhaltigen Beschaffung
3. Die Rahmenbedingungen der Beschaffung werden stetig überprüft und auf eine nachhaltige Beschaffung ausgerichtet
4. Bei der Auftragsvergabe werden ökologische, ökonomische und soziale Kriterien beachtet
5. Die aufgestellten Anforderungen an Produkte, Dienstleistungen und Lieferanten werden kontrolliert
6. Der Wissensstand um eine nachhaltige Beschaffung wird ausgebaut und weitergegeben
7. Eine nachhaltige Beschaffung soll dauerhaft angegangen und gemessen werden“ (Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: Anhang)

Diese Kriterien sind von allen öffentlichen Auftraggebern, insbesondere den Kommunen in Hessen, einzubeziehen (ebd.). Denn den Kommunen kommt bei der Umsetzung der Zielvorgaben aus der Agenda 2030 eine zentrale Bedeutung zu. Dies ergibt sich analog aus dem elften Ziel der Agenda 2030 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“, das auf die Optimierung von kommunalen Handlungsbereichen ausgerichtet ist (vgl. Rautenstrauch/Riedel 2019: 6). Auch im Bericht des interministeriellen Arbeitskreises „Nachhaltige Stadtentwicklung in nationaler und internationaler Perspektive“ aus dem Jahr 2017 wurde von der Arbeitsgruppe „Umsetzung der SDGs auf kommunaler Ebene“ die Bedeutung der Kommunen hervorgehoben. Die Berücksichtigung von „Aktivitäten vor Ort“ sei demnach gerade in den Bereichen Beschaffung und Konsum auch für globale Folgen messbar. Daher wird betont, dass die öffentliche Beschaffung der Kommunen instrumentalisiert werden kann, um soziale und ökologische Standards auf globaler Ebene zu verbessern (vgl. IMA Stadt 2017: 11). Aus einem aktuellen Bericht der „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt“ geht hervor, dass Kommunen in vielen Bereichen bereits ihrer Verantwortung nachgehen, indem Beschlüsse zur Förderung eines fairen Handels gefasst und im Rahmen der Landesvergabegesetze die Beschaffungsvorgänge zunehmend an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden. Allerdings wird ebenfalls darauf verwiesen, dass die nachhaltige Beschaffung in Kommunen bislang keine „flächendeckende Beachtung“ findet (vgl. Servicestelle Kommunen in der Einen Welt 2021: 7). Um die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung auch im kommunalen Rahmen sichtbar zu machen, wurden im Projekt „SDG-Indikatoren für Kommunen“ konkrete Indizes für die Messung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen entwickelt. Durch diese Indizes sollen die in Kommunen umgesetzten Maßnahmen für ein nachhaltiges Beschaffungswesen beleuchtet werden. Dies soll beispielsweise durch Fragestellungen wie „Wurden konkrete nachhaltige Beschaffungsziele definiert?“ oder „Analysiert die Kommune die sozialen und ökologischen Kriterien der zu beschaffenden Produkte?“ untersucht werden. Eine Übersicht des gesamten Fragenkataloges ist dem Anhang zu entnehmen (s. Anhang XIII). Anhand der Beantwortung dieses Fragenkataloges sollen zukünftig die Zielvorgaben gemessen und überprüft werden können (vgl. Peters et al. 2020: 121 f.). Die Validität dieser beiden Indizes wird im Projektrahmen der „SDG-Indi- katoren für Kommunen“ als sehr hoch eingestuft. Dem gegenüber wird jedoch die Datenverfügbarkeit als gering eingestuft, da die benötigten Daten bislang bundesweit nicht verfügbar sind und kein zentrales Datenerhebungskonzept besteht (vgl. Peters et al. 2020: 170 ff.).

1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Um nachfolgend die rechtlichen Rahmenbedingungen der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung für hessische Kommunen herauszuarbeiten, werden zunächst die europäischen vergaberechtlichen Grundsätze skizziert. Im Anschluss werden das nationale Vergaberecht sowie die Besonderheiten des hessischen Vergaberechts hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Beschaffung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Fokus wird in dieser Arbeit auf die vergaberechtlichen Regelungen gelegt, die einen allgemeingültigen Bezug zur nachhaltigen Beschaffung aufweisen. Die Bestimmungen, auf die in dieser Arbeit besonders Bezug genommen wird, sind in der Übersicht in Abbildung 1 grün markiert.

1.3.1 Regelungen der Europäischen Union

Das Vergaberecht der Europäischen Union wird durch die EU-Verträge sowie die Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die Sektorenrichtlinie und die Konzessionsrichtlinie bestimmt (vgl. Kaiser/Nusser/Schrammel 2018: 9). Gemäß ErwGr 2 der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge 2014/24/EU (nachfolgend Richtlinie 2014/24/EU) kommt der öffentlichen Vergabe eine hohe Bedeutung „zur Erzielung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums“ zu (Europäisches Parlament/ Rat der Europäischen Union 2014). Unter anderem wurde vor diesem Hintergrund im Jahr 2014 das europäische Vergaberecht reformiert (ebd.). Neben den geltenden Wettbewerbs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsätzen des Vergaberechts zielte die Vergabereform auf eine stärkere Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und innovativen Aspekten in den Vergabeverfahren (vgl. Kreuzer 2019: 17). Beispielsweise wurden durch die EU- Vergabereform Anforderungen an die Energieeffizienz und die Lebenszykluskos- ten sowie die Verwendung von Gütezeichen gestellt (vgl. Schneider/Schmidt 2020: 49).

Übergreifende Regelungen für eine nachhaltige öffentlichen Beschaffung für die Mitgliedsstaaten der EU finden sich im Vertrag über die Arbeitsweise der Europä­ischen Union (AEUV). Gemäß Art. 11 AEUV sollen alle Maßnahmen der Europä­ischen Union auf eine Förderung der nachhaltigen Entwicklung gerichtet werden. Dieser grundlegende Einbezug der nachhaltigen Entwicklung in die Maßnahmen der EU gilt in Verbindung mit ErwGr 91 Richtlinie 2014/24/EU explizit auch für die öffentliche Auftragsvergabe. Hierdurch wird angestrebt, dass die Erfordernisse der nachhaltigen Entwicklung mit den Maßnahmen der EU abgewogen werden müssen. Die Förderung der nachhaltigen Entwicklung als solches tritt demnach als „zusätzlicher, nicht als verdrängender Faktor“ im Vergaberecht auf. (vgl. Frenz 2011: 104). Aufgrund der teils gegenüberstehenden Interessen der nachhaltigen Entwicklung und den ökonomischen Grundsätzen soll es zu einer „größtmöglichen praktischen Wirksamkeit“ der beiden Ansätze kommen (Behrend 2015: 241). In ErwGr 95 Richtlinie 2014/24/EU wird zudem darauf verwiesen, dass keine allgemeingültigen Anforderungen an eine umweltfreundliche, soziale und innovative Beschaffung definiert werden, da die Anforderungen an die verschiedenen Sektoren der öffentlichen Auftragsvergabe nicht generalisierbar sind. Wie die Zielsetzung der nachhaltigen Entwicklung dennoch durch die öffentlichen Auftraggeber verfolgt werden soll, wird in Art. 18 II Richtlinie 2014/24/EU spezieller thematisiert. Ein zentraler Aspekt zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist demnach, dass bei der Ausführung von öffentlichen Aufträgen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen eingehalten werden müssen (vgl. Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union 2014: Art. 18). Diese Verpflichtungen werden durch die speziellen Rechtsvorschriften der Europäischen Union gestützt. Beispielhaft sei hier das „Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht“ und das „IAO-Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit“ zu nennen (vgl. Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union 2014: Anhang X). Diese umwelt-, sozialund arbeitsrechtlichen Bestimmungen sollen gemäß ErwGr 40 Richtlinie 2014/24/EU in allen Schritten der öffentlichen Auftragsvergabe eingehalten werden. Konkret wird an dieser Stelle auch auf die Einhaltung der Bestimmungen im Rahmen der Auswahl der Bieter, der Eignungsprüfung und der Zuschlagserteilung verwiesen. Um die Einhaltung der Bestimmungen gewährleisten zu können, sollen „Nachweise und Eigenerklärungen“ als Grundlage dienen. Darüber hinaus wird den öffentlichen Auftraggebern durch die Richtlinie 2014/24/EU zusätzlich die Möglichkeit eröffnet Bieter auszuschließen, die gegen umwelt- oder sozialrechtliche Verpflichtungen verstoßen haben und folglich als unzuverlässig einzustufen sind (vgl. Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union 2014: ErwGr 101). Zusätzlich zu den allgemeinen EU-Vergaberichtlinien bilden schließlich spezielle Richtlinien einen weiter gefassten Rahmen für eine nachhaltige Beschaffung. So regelt beispielsweise die EU-Richtlinie 2010/30/EU die einheitliche Ausweisung des Energieverbrauchs von energieverbrauchsrelevanten Produkten (vgl. Schneider/Schmidt 2020: 50).

1.3.2 Einbettung im deutschen Vergaberecht

Durch die EU-Vergabereform, die bis zum April 2016 in nationales Recht übersetzt werden sollte, wurde auch das deutsche Vergaberecht unter anderem hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung überarbeitet (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2021). Zur Feststellung dar­über, welche vergaberechtlichen Regelungen in Deutschland Anwendung finden, wird die Grenze des sogenannten „EU-Schwellenwertes“ herangezogen. Überschreitet der geschätzte Wert eines öffentlichen Auftrages diesen Schwellenwert, muss der Auftrag EU-weit ausgeschrieben werden. Dem gegenüber steht die Vergabe unterhalb der Schwellenwerte. Unterschreitet der Auftragswert den EU- Schwellenwert wird der Auftrag national ausgeschrieben und nationales Recht ist anzuwenden (vgl. Schneider/Schmidt 2020: 33). Die Höhe der Schwellenwerte wird alle zwei Jahre gemäß Art. 6 Richtlinie 2014/24/EU überprüft und angepasst (vgl. Kaiser/Nusser/Schrammel 2018: 31). Das reformierte Vergaberecht in Deutschland wird oberhalb der Schwellenwerte durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - 4. Teil (GWB), die Vergabeverordnung (VgV), die Sektorenverordnung (SektVO), die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) geregelt. Darüber hinaus finden sich spezielle Regelungen für Bauleistungen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen- Teil A (VOB/A). In dieser Arbeit wird der Fokus auf den Bereich der Liefer- und Dienstleistungen gelegt. Besonderheiten bei der Beschaffung von Bauleistungen werden in diesem Rahmen nicht berücksichtigt.

Der vierte Teil des GWB bildet gemäß § 106 I GWB die Rechtsgrundlage für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte. § 97 des GWB bildet hierbei die Basis für eine nachhaltige Beschaffung in Deutschland. Gemäß § 97 III GWB können bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen „Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte“ berücksichtigt werden (vgl. § 97 III GWB). Darüber hinaus heißt es in § 127 I S. 3 GWB, dass zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes „auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden“ können. Das GWB lässt hierdurch die Möglichkeit offen, die Angebote nicht nur anhand des Preis-Leistungs-Verhältnisses zu bewerten, sondern auch vormals „vergabefremde“ Kriterien in die Bewertung mit einfließen zu lassen (vgl. Willenbruch/Wieddekind 2017: 14). Außerdem werden im GWB spezielle Anforderungen an Nachhaltigkeitskriterien in der Eignungsprüfung gemäß § 124 I S. 1, den Zuschlagskriterien gemäß § 127 I S. 4 und bei der Auftragsausführung gemäß § 128 II gestellt. Analog zur Richtlinie 2014/24/EU wird auch im GWB die Möglichkeit eröffnet, Bieter bei fehlender Eignung oder Verstößen vom Vergabeverfahren auszuschließen (vgl. § 124 I Nr. 8, 9 GWB). Die VgV enthält grundlegende Regelungen zur nachhaltigen Beschaffung hinsichtlich der Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, der Verwendung von Gütezeichen und Berechnung der sogenannten Lebenszykluskosten, auf die in einem späteren Teil der Arbeit eingegangen wird.

Für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte finden das nationale Haushaltsrecht, die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) sowie die Landesvergabegesetze Anwendung. Das nationale Haushaltsrecht in Deutschland basiert bereits seit der Haushaltsreform von 1969 auf dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit für die Aufstellung des Haushaltsplans und dessen Ausführung nach § 6 I HGrG i. V. m. § 7 I S. 1 BHO. Im nationalen Haushaltsrecht finden sich jedoch keine speziellen Regelungen zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Im September 2020 wurde daher durch das Land Baden-Württemberg ein Antrag zur Eingliederung von Nachhaltigkeitskriterien in den § 6 I HGrG gestellt, der dann wie folgt zu lauten hätte: "Nachhaltigkeitsaspekte, insbesondere die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten, sollen berücksichtigt werden" (vgl. Land Baden- Württemberg 2020: 2). Die Vergabe unterhalb der Schwellenwerte wurde im Februar 2017 mit der Bekanntmachung der neuen Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die anstelle der VOL/A treten sollte, reformiert (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2021). Analog zum § 97 III des GWB regelt der § 2 III UVgO, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge „Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte“ berücksichtigt werden können. Der Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien gilt folglich nicht nur für die Vergabe oberhalb, sondern auch für die Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte. Für den Bereich der Vergabe unterhalb der EU-Schwellenwerte finden auch die Landesvergabegesetze Anwendung. Im Folgenden werden daher die Rechtsgrundlagen einer nachhaltigen Beschaffung des Landes Hessen näher beleuchtet.

1.3.3 Besonderheiten des hessischen Vergaberechts

Durch eine Volksabstimmung im Jahr 2018 wurde die „Nachhaltigkeit“ in die hessische Verfassung aufgenommen (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt 2020: 8). Gemäß Art. 26c Verf HE sollen der Staat, die Gemeinden sowie die Gemeindeverbände bei ihrem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit berücksichtigen. Inwieweit der Art. 26c Verf HE auch im hessischen Vergaberecht wiederzufinden ist, wird in diesem Abschnitt herausgearbeitet. Die Vergabe in Hessen richtet sich oberhalb der Schwellenwerte an die nationalen Regelungen des GWB und der VgV. Im Oberschwellen-Bereich finden folglich die gleichen Regelungen zur nachhaltigen Beschaffung Anwendung wie aus nationaler Sicht (vgl. Kompass Nachhaltigkeit - Öffentliche Beschaffung 2019). Durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2016 und die Neufassung der VOB/A wurde zudem der sogenannte Vergabeerlass überarbeitet. Dieser ist gültig für alle kommunalen Auftraggeber und Auftraggeber des Landes Hessen (vgl. Kompass Nachhaltigkeit - Öffentliche Beschaffung 2019). In Abschnitt 3.4 des Vergabeerlasses wird erläutert, dass die „Beschaffungen des Landes(...)grundsätzlich nachhaltig auszurichten“ sind. Konkret wird auf die §§ 67 und 68 VgV verwiesen, die unabhängig des Auftragswertes Anwendung finden sollen. Des Weiteren wird erläutert, dass die Bedarfsstellen eigenverantwortlich entscheiden, „welche konkreten Anforderungen an die Nachhaltigkeit in einem Beschaffungsverfahren gestellt werden“ (HMWVL 2020: 6). Gemäß § 55 I LHO ist die öffentliche Auftragsvergabe in Hessen auch an das Haushaltsrecht gebunden. Das hessische Haushaltsrecht basiert wie auch im nationalen Rahmen gemäß § 7 I LHO i. V. m. § 92 II S. 1 HGO auf dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. Auch im hessischen Haushaltsrecht finden sich jedoch keine genauen Angaben zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Beschaffung unterhalb der Schwellenwerte. Die UVgO gilt bislang verbindlich für die Bundesbehörden. Die Länder hingegen müssen zur Inkraftsetzung der UVgO ihre haushaltsrechtlichen Vorschriften überarbeiten (vgl. Auftragsberatungsstelle Hessen e.V. o.J.). Die UVgO wurde bislang in Hessen jedoch noch nicht eingeführt, weswegen i. S. d. Vergabeerlasses in Hessen weiterhin die VOL/A anzuwenden ist (vgl. HMWVL 2020: 1). Die VOL/A weist jedoch auch keine speziellen Regelungen für eine nachhaltige Beschaffung auf. Stattdessen werden in Hessen seit März 2015 soziale und ökologische Anforderungen an die Beschaffung durch das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) ausgestaltet. Das HVTG gilt für alle „kommunalen Auftraggeber und Auftraggeber des Landes“ und demnach gemäß § 1 I S. 1 HVTG auch für die hessischen Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren Eigenbetriebe. In § 2 II HVTG wird ein konkreter Bezug zur nachhaltigen Entwicklung und deren Umsetzung in Hessen hergestellt. Hier heißt es:

„Bei den Beschaffungen des Landes sind grundsätzlich die Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung in Bezug auf den Beschaffungsgegenstand und dessen Auswirkungen auf das ökologische, soziale und wirtschaftliche Gefüge zu berücksichtigen. Die Gemeinden und Gemeindeverbände und ihre Eigenbetriebe können eine nachhaltige Entwicklung bei ihren Beschaffungsmaßnahmen und die dazu erlassenen Richtlinien berücksichtigen“.

Weiterhin wird im § 3 I S. 1 HVTG konkretisiert:

„Den öffentlichen Auftraggebern steht es bei der Auftragsvergabe frei, soziale, ökologische, umweltbezogene und innovative Anforderungen zu berücksichtigen, wenn diese mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen oder Aspekte des Produktionsprozesses betreffen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben“.

In § 3 II S. 1 Nr. 1-9 werden die Anforderungen aus Absatz 1 erstmals konkret benannt. Demnach gelten insbesondere die Berücksichtigung der Erstausbildung, die Berücksichtigung der Chancengleichheit bei Aus- und Fortbildungen sowie im beruflichen Aufstieg, die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, die besondere Förderung von Frauen, die besondere Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die besondere Förderung von Menschen mit Behinderung, die Verwendung von fair gehandelten Produkten, ökologisch nachhaltige Produkte und innovativ orientierte Produkte und Dienstleistungen als gültige Anforderungen. Weiterführende Regelungen zu der Eignung der Bieter ergeben sich aus § 3 III HVTG und bezüglich des Einsatzes von Gütezeichen aus den § 3 IV, V, VI HVTG. Aus dem § 4 HVTG ergeben sich die allgemeingültigen tarifrechtlichen Regelungen und die Zahlung des Mindestlohns und Anforderungen an die Zuschlagskriterien ergeben sich aus dem § 17 HVTG.

2 Kriterien zur Umsetzung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung in Hessen

2.1 Leitfäden „Nachhaltige Beschaffung in Hessen“

Um die rechtlichen Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Beschaffung für öffentliche Auftraggeber transparent darzustellen, wurden durch die Arbeitsgruppe „Hessen: Vorreiter für eine nachhaltige und faire Beschaffung“ Beschaffungshilfen für Kommunen in Hessen erstellt. Das Ziel der sogenannten „Leitfäden für eine nachhaltige Beschaffung“ ist es, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichermaßen bei der öffentlichen Beschaffung zu berücksichtigen. Durch die Leitfäden sollen die öffentlichen Auftraggeber bei der Erstellung der Vergabeunterlagen unterstützt und eine rechtssichere Vergabe mit nachhaltigen Anforderungen ermöglicht werden. Die Leitfäden wurden bislang für die Produkt- und Dienstleistungsgruppen „Bürobedarf“, „Bürogeräte mit Druckfunktion“, „Büromöbel“, „Computer und Monitore“, „Kraftfahrzeuge“, „Reinigungsdienstleistungen“ und „Textilprodukte“ entwickelt (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 4 f.). Anhand des „Leitfadens für eine nachhaltige Beschaffung von Büromöbeln“ soll nachfolgend beispielhaft die Rechtspraxis einer nachhaltigen Beschaffung in Hessen in den einzelnen Schritten des Beschaffungsprozesses dargestellt werden. Die Produkteigenschaften für Büromöbel können jedoch sehr stark variieren, da Ressourcen wie Holz, Textilien, Leder, Metalle oder Kunststoffe eingesetzt werden können. Dementsprechend sind auch viele Akteure, wie die Forstwirtschaft, Industrie, Mö­belfabriken, Tischler oder Polsterer, in den Beschaffungsprozess einbezogen. Zur Veranschaulichung wird daher nachfolgend exemplarisch das Beispiel der

Beschaffung von Holzstühlen für die kommunale Verwaltung ausgewählt (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 6).

2.2 Nachhaltigkeitskriterien in der Rechtspraxis

2.2.1 Auswahl des Beschaffungsgegenstandes

Bevor der tatsächliche Beschaffungsprozess beginnt, sollte im Sinne der Leitfäden für eine nachhaltige Beschaffung eine Beschaffungsrichtlinie in der Kommune mit der Geschäftsführung, den Mitarbeitern und politischen Vertretern erarbeitet werden. Diese kann sich am Leitbild der nachhaltigen und fairen Beschaffung in Hessen orientieren. Innerhalb der Beschaffungsstrategie können grundlegende Fragestellungen im Umgang mit der Beschaffung definiert werden. Hierzu ist beispielsweise zu zählen, wie im Rahmen einer Bedarfsanalyse festgelegt wird, wann beschafft wird oder ob bereits vorhandene Ressourcen genutzt werden können. Im novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie dem Bundes-Klimaschutzgesetz finden sich darüber hinaus Gebote für die Berücksichtigung von bestimmten Produkten und Dienstleistungen in der Bedarfsauswahl. Gemäß § 45 I S. 1 Nr. 1-4 KrWG wird geregelt, dass bei der Beschaffung bestimmten Erzeugnissen der Vorzug zu geben ist. Hierzu gehören solche Erzeugnisse, die sich „durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit auszeichnen“ (§ 45 I S. 1 Nr. 3). Dieses „Berücksichtigungsgebot“ ergibt sich zudem auch aus § 13 II KSG. Hier wir geregelt, dass bei der Abwägung mehrerer Möglichkeiten diese bevorzugt werden soll, die der „Minderung von Treibhausgasemissionen über die gesamte Nutzungsdauer“ zuträgt. In der Bedarfsanalyse trifft die Kommune folglich die Entscheidung darüber, was genau unter Einbezug nachhaltiger Gesichtspunkte beschafft werden soll, wobei auch eine „Nicht-Beschaffung“ ein Instrument der nachhaltigen Beschaffung darstellen kann.

Im Anschluss an die Bedarfsanalyse wird dann ein möglichst nachhaltiger Auftrag inklusive der technischen Anforderungen im Rahmen der Leistungsbeschreibung formuliert (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 5).

2.2.2 Leistungsbeschreibung

Aus der Bedarfsanalyse ergibt sich unmittelbar die Festlegung des Auftragsgegenstandes, der in der Leistungsbeschreibung konkretisiert wird (vgl. Schneider/Schmidt 2020: 34). Die Leistungsbeschreibung ist ein Teil der Vergabeunterlagen, die allen Bietern als Basis für die Zusammenstellung ihrer Angebote zugänglich gemacht werden (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 6). In der Leistungsbeschreibung wird vom Auftraggeber festgelegt, was genau beschafft wird und welchen Anforderungen die Leistung gerecht werden soll (vgl. Arztmann/Reisner 2021: 46). Bei der Beschreibung der zu beschaffenden Leistung können durch den Auftraggeber auch nachhaltige Leistungen vom Auftragnehmer gefordert werden (vgl. Arztmann/Reisner 2021: 46). Gemäß § 3 I HVTG steht es den öffentlichen Auftraggebern frei, soziale, ökologische, umweltbezogene und innovative Anforderungen zu berücksichtigen, wenn diese (...) sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Die Leistungsbeschreibung ist demnach so präzise zu beschreiben, dass die gewünschten Produkte und Dienstleistungen beschafft werden können (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 9). Analog ergibt sich aus § 31 III S. 2 VgV i. V. m. § 23 II UVgO, dass auch die Methode der Herstellung oder Erbringung der Leistung einschließlich der Produktions- und Lieferkette einbezogen werden können. Die Anforderungen müssen jedoch in einem direkten Zusammenhang zum Beschaffungsgegenstand stehen und dürfen sich nicht etwa auf die „allgemeine Unternehmensführung eines Bieters“ beziehen (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 6). Überträgt man dies auf das Beispiel der Beschaffung von Holzstühlen, könnte die Leistung unter anderem wie folgt beschrieben werden:

„Das gesamte verarbeitete Holz soll nachweislich aus legalen Quellen stammen. Darüber hinaus müssen mindestens 50 % des Holzes bzw. 50 % der primären Rohstoffe für Holzwerkstoffe aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen“(vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 8).

In der Leistungsbeschreibung können darüber hinaus auch Eignungskriterien für die Bieterunternehmen festgelegt werden. Durch die Prüfung der Eignung der Bieter kann der Auftraggeber feststellen, ob die Bieterunternehmen in technischer und finanzieller Hinsicht leistungsfähig sind (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 6). In § 46 III S. 1 Nr. 7 wird beispielsweise geregelt, dass als Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eine Angabe zu Umweltmanagementmaßnahmen gefordert werden kann, die das Unternehmen während der Auftragsausführung anwendet. Ebenso zählt hierzu unter anderem gemäß § 124 I S. 1 Nr. 1 GWB auch die Auflage, dass ein Unternehmen wegen des Verstoßes gegen umweltrechtliche Verpflichtungen bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrages ausgeschlossen werden kann (vgl. Schneider/Schmidt 2020: 36).

2.2.3 Nachweisführung durch Gütezeichen

Um die Leistung des Auftrags zu spezifizieren, können öffentliche Auftraggeber auf umweltbezogene oder soziale Gütezeichen zurückgreifen. Wird ein konkretes Gütezeichen gefordert, muss jedoch stets der Zusatz „oder gleichwertig“ zugelassen sein (vgl. Arztmann/Reisner 2021: 46). Gemäß § 34 I VgV i. V. m. § 24 UVgO kann als Beleg dafür, dass die Liefer- oder Dienstleistung den in der Leistungsbeschreibung geforderten Merkmalen entspricht, die Vorlage von Gütezeichen verlangt werden. Analog wird auch im § 3 III S. 1 Nr. 2 HVTG bestimmt, dass ökologische Anforderungen zur Einhaltung von Umwelteigenschaften gefordert werden können, wenn die zu beschaffende Lieferung oder Dienstleistung mit geeigneten Umweltgütezeichen ausgezeichnet ist. Anknüpfend an die Leistungsbeschreibung, in der Holz aus nachweislich legalen Quellen gefordert wurde, kann diese Anforderung durch ein Gütezeichen konkreter abgefragt werden. In Frage käme hierfür das Gütezeichen „Blauer Engel RAL_UZ 38“, durch das die Legalität des Holzes nach der EU-Verordnung 995/2010 nachgewiesen werden kann (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 8). Konkret soll durch dieses Gütezeichen sichergestellt werden, dass mindestens 50% des Holzes aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen, „die nachweislich ökonomisch tragfähig, umweltgerecht und sozialverträglich bewirtschaftet werden“ (vgl. RAL/Umweltbundesamt 2013: 5).

2.2.4 Zuschlagskriterien und Angebotswertung

Durch die Zuschlagskriterien wird die vom Unternehmen angebotene Leistung in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft (vgl. Schneider/Schmidt 2020: 37).

Bei der Ermittlung des „wirtschaftlichsten“ Angebotes können auch Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle spielen und nicht nur der günstigste Angebotspreis (vgl. Arztmann/ Reisner 2021: 48). Aus § 3IS.2 HVTG i. V. m. § 127 I S.3 GWB ergibt sich, dass auch die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung mit den sozialen und ökologischen Anforderungen in Verbindung gebracht werden können. Aus § 58 II VgV i. V. m. § 43 II UVgO geht zudem hervor, dass die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses zu treffen ist. Weiter wird jedoch erläutert, dass „neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene odersoziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden“ können. In § 17IIIHVTGwerden schließlich konkrete Zuschlagskriterien benannt. Demnach sind die Wirtschaftlichkeit des Angebotes, die Nachhaltigkeit, die technischen Eigenschaften, die Umwelteigenschaften, die Le- benszykluskosten, die Qualitätund „andere günstige Ausführungsbestimmungen“ zu berücksichtigen. Es liegt jedoch im Ermessen des Auftraggebers, nachhaltige Aspekte als Zuschlagskriterien zu verwenden (vgl. Arztmann/Reisner 2021: 50). In § 59 II S. 2 Nr. 1-5 VgV wird eine besondere Art des Zuschlagskriteriums „Kosten“ angeführt. Demnach können die gesamten Lebenszykluskosten zur Bewertung des Zuschlags mit herangezogen werden. Diese umfassen die Anschaffungs-, Nut- zungs-, Wartungs-, Entsorgungs- und Recyclingkosten sowie Kosten, die durchexterne Effekte der Umweltbelastung entstehen. Imhier dargestellten Beispiel derBe- schaffung von Holzstühlen werden als Zuschlagskriterien neben dem Preisbeispielhaft „Qualität, Ergonomie, Design und Ökologie“ herangezogen (Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 26).

Das Angebot, das im Rahmen dieser Bewertungsmatrix die höchste Gesamtpunktzahl erhält, bekommt den Zuschlag erteilt und ist zur Ausführung des Auftrages ermächtigt.

2.2.5 Ausführungsbestimmungen

Bei den Ausführungsbestimmungen handelt es sich um Vertragsbedingungen, die vom Auftragnehmer bei der Auftragsausführung zu beachten sind (vgl. Schnei- der/Schmidt 2020: 39). Der öffentliche Auftraggeber kann Nachhaltigkeitskriterien auch für die Ausführungsbestimmungen festlegen, die während der Durchführung des Auftrags zu erfüllen sind. Werden diese Bestimmungen nicht erfüllt, kann mit einer Vertragsstrafe geahndet werden oder in weitester Konsequenz der Vertrag aufgelöst werden (vgl. Arztmann/Reisner 2021: 51 f.). In § 61 VgV i. V. m. § 128 I, II GWB werden Bestimmungen zur Auftragsausführung formuliert. Grundsätzlich haben die Auftragnehmer die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen sowie die Zahlungen des gesetzlichen Mindestlohns zu berücksichtigen. Dies ergibt sich auch aus § 4 II, III HVTG in dem bestimmt wird, dass Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden dürfen, die sich bei der Angebotsabgabe zur Zah-lung aus Tarifverträgen und des Mindestlohns verpflichten.

Ferner wird in § 128 II GWB und analog in § 45 II UVgO geregelt, dass die Ausführungsbedingungen auch umweltbezogene und soziale Belange umfassen können. Mögliche Ausführungsbe-stimmungen, die sich an nachhaltigen Kriterien orientieren, können sich beispiels-weise auf die „Verwendung wiederverwendbarer Behälter bei der Lieferung oder die Rücknahme und das Recycling von Verpackungsmaterial (...) aber auch auf beschäftigungspolitische Belange wie die Beschäftigung von Frauen, Lehrlingen, Langzeitarbeitslosen oder Menschen mit Behinderung beziehen“ (Arztmann/Reisner 2021: 52).

Im Beispiel der Beschaffung von Holzstühlen könnte zum einen gefordert werden, dass eingesetzte Verpackungen aus Recyclingpapier bestehen müssen oder Verpa-ckungen generell vermieden werden sollen, soweit dies möglich ist. Zum anderen könnte eine Höchstgrenze für transportbedingte CO2-Emissionen festgelegt wer-den. Dies könnte beispielsweise durch den Zusatz „der Transport einer Tonne der Ware darf nicht mehr als 200 g CO2/km verursachen“ erreicht werden (vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen 2015/2016: 17 f.).

3 Untersuchung über die praktische Umsetzung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung in ausgewählten hessischen Kommunen

3.1 Konzeption der Untersuchung

3.1.1 Forschungsgegenstand

Wie in Kapitel 1.2.4 bereits dargestellt wurde, nehmen die Kommunen zur Umsetzung des UN-Ziels der „nachhaltigen öffentlichen Beschaffung“ eine essenzielle Rolle ein. Dem gegenüber ist zu beobachten, dass nahezu keine Daten darüber vor-liegen, ob und wie eine nachhaltige öffentliche Beschaffung tatsächlich in Kommu-nen praktiziert wird. Daher ist es das Ziel dieser Arbeit zu untersuchen, inwieweit der Ansatz einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung derzeit auf kommunaler Ebene umgesetzt wird. Im Zuge dessen wird der Fokus darauf gelegt zu untersu-chen, wie ausgeprägt der allgemeine Kenntnis- und Wissensstand über die Begriff-lichkeit der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung ist. Darüber hinaus soll festgestellt werden, in welchem Umfang Nachhaltigkeitskriterien in den einzelnen Prozessschritten der Beschaffung integriert werden. Die Begrifflichkeiten der „nachhaltigen öffentlichen Beschaffung“ und „Nachhaltigkeitskriterien“ beziehen sich hierbei auf die in Kapitel 1 und 2 dargestellten Inhalte. Nachfolgend wird eine festgelegte Stichprobe an Kommunen in Hessen untersucht. Um den Umfang der Untersuchung einzugrenzen, werden alle hessischen Kommunen in die Untersuchung einbezogen, deren Einwohnerzahl zwischen 0 und 10.000 liegt. Aus der Statistik „Bevölkerung in Hessen am 30. September 2020 nach Gemeinden“ des Hessischen Statistischen Landesamtes ergibt sich, dass 250 Kommunen bis zu 10.000 Einwohner umfassen (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt 2020). Eine vollständige Übersicht über diese ausgewählten Kommunen befindet sich im Anhang (s. Anhang XIV). Dementsprechend werden nachfolgend diese 250 hessischen Kommunen in die Untersuchung mit einbezogen. Um repräsentative Ergebnisse über die Verhältnisse in den einzelnen Kommunen zu gewinnen, werden stellvertretend für die Kommunen die jeweiligen Bürgermeister zur Darstellung der Verhältnisse im Rahmen der Untersuchung herangezogen.

3.1.2 Wahl der Forschungsmethode: Online-Befragung

Abhängig vom Forschungsgegenstand eignen sich verschiedene Forschungsmethoden zur Untersuchung. Man unterscheidet hierbei zwischen den qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden (vgl. Röbken/Wetzel 2019: 12). Während sich die qualitativen Forschungsmethoden auf eine eher kleinere Stichprobe beziehen und die Daten interpretativ ausgewertet werden, steht bei der quantitativen Forschung die Beschreibung eines Verhaltens durch Modelle und numerische Daten im Vordergrund. Durch quantitative Forschungsmethoden können Ergebnisse in einen statistischen Zusammenhang gebracht und anhand einer Stichprobe repräsentative Ergebnisse gewonnen werden. Außerdem ist anzumerken, dass der Zeit- und Kostenaufwand bei der quantitativen Forschung leichter definierbar ist und geringer gehalten werden kann als bei der qualitativen Forschung. Da in dieser Arbeit durch die Untersuchung einer Stichprobe ein Überblick über die Verhältnisse in den Kommunen geschaffen werden soll, bietet sich eine quantitative Untersuchungsmethode an. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass durch die Standardisierung der quantitativen Untersuchung keine nachträglichen Anpassungen mehr getroffen werden können und durch die Untersuchung keine Ursachen oder die subjektiven Einstellungen abgefragt werden (vgl. Röbken/Wetzel 2019: 13 ff.). Für die vorliegende Untersuchung wurde eine schriftliche Befragung ausgewählt, die durch einen vollstandardisierten Fragebogen durchgeführt wird. Da die Daten eigenständig erhoben und anschließend analysiert werden, handelt es sich hier um eine Primäranalyse (vgl. Döring/Bortz 2016: 191). Der Fragebogen als Erhebungsinstrument zielt auf eine „systematische und regelgeleitete Generierung und Erfassung von verbalen und numerischen Selbstauskünften von Befragungspersonen zu ausgewählten Aspekten ihres Erlebens und Verhaltens in schriftlicher Form“ ab (Döring/Bortz 2016: 398). Um einen leichten Zugang zu der Befragung zu ermöglichen, wurde ein elektronischer Fragebogen als Erhebungsinstrument gewählt, der im Internet für die Beantwortung zur Verfügung gestellt wird (vgl. Döring/Bortz 2016: 400). Der vollstandardisierte Fragebogen wird von den Befragten selbstständig und allein ausgefüllt und besteht ausschließlich aus geschlossenen Fragen. Die Beantwortung der Fragen erfolgt durch Ankreuzen der Antwortmöglichkeiten oder durch die Bewertung eines Sachverhalts anhand einer Skala (vgl. Döring/Bortz 2016: 399). Die Untersuchung findet in einer zuvor festgelegten Untersuchungsphase, dem Befragungszeitraum, statt.

3.2 Vorgehensweise bei der Datenerhebung

3.2.1 Aufbau und Erstellung des Fragebogens

Bei der Konzeption des Fragebogens wurde darauf geachtet, dass der Fragebogen selbsterklärend, einfach gestaltet und leicht auszufüllen ist. Hierdurch soll zum einen gewährleistet werden, dass die Teilnahme an der Befragung nicht zu zeitintensiv und komplex gestaltet ist. Da in dieser Untersuchung die Bürgermeister der betreffenden Kommunen befragt werden und die zeitlichen Ressourcen dieser in der Regel begrenzt sind, wurde der Fragebogen übersichtlich konzipiert und im Umfang weitestgehend eingegrenzt. Zum anderen soll hierdurch gewährleistet werden, dass die Befragung auch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollzogen und erneut durchgeführt werden kann (vgl. Raithel 2008: 67). Der Fragebogen besteht ausschließlich aus geschlossenen Fragestellungen. Demnach gibt es zu jeder Frage eine begrenzte Anzahl an möglichen Antworten, aus denen die Befragten eine möglichst zutreffende Antwort auswählen können. Dies hat zum Vorteil, dass die Daten später schneller ausgewertet und die Antworten statistisch miteinander verglichen werden können. Nachteilig ist jedoch, dass die vordefinierten Antwortmöglichkeiten immer nur annähernd die Realität beschreiben können (vgl. Porst 2014: 55). Innerhalb der geschlossenen Fragestellungen wird im Fragebogen zwischen Einfachnennungen, bei denen der Befragte sich für eine Antwort entscheiden muss, und Mehrfachnennungen, bei denen mehrere Antworten ausgewählt werden können, unterschieden (vgl. Porst 2014: 53 ff.).

Bevor im nächsten Abschnitt die Durchführung der Untersuchung skizziert wird, wird zunächst der Aufbau des Fragebogens erläutert. Die Konzeption der Fragen innerhalb des Fragebogens sowie der Aufbau dessen erfolgten eigenständig. Hierfür wurden die Kriterien aus dem „Leitbild der nachhaltigen und fairen Beschaffung in Hessen“ sowie die Fragestellungen aus dem Projekt „SDG-Indikatoren für Kommunen“ einbezogen. Der Fragebogen für die Untersuchung wurde über das Online­Portal „LimeSurvey Professional“ angelegt. Innerhalb dieses Portals kann ein Fragebogen offline konzipiert und bearbeitet werden, bis der selbst festgelegte Befragungszeitraum beginnt. Zunächst wurde daher über „LimeSurvey“ eine Struktur des Fragebogens angelegt. Für den Anfang des Fragebogens wurde ein Einleitungstext formuliert, in dem der Forschungsgegenstand dargestellt und darauf hingewiesen wurde, dass die Daten in dieser Arbeit anonymisiert verarbeitet werden. Im Zuge dessen wurde eine Datenschutzerklärung eingegliedert, die jeder der Teilnehmenden zustimmen muss, um die Umfrage bearbeiten zu können. Weiterhin wird im Einleitungstext darum gebeten, die nachfolgenden Fragestellungen nach bestem Gewissen zu beantworten, um ein möglichst realitätsgetreues Abbild der Verhältnisse in der jeweiligen Kommune zu generieren. Der Fragebogen umfasst nachfolgend 17 Fragestellungen, die in vier thematische Blöcke gegliedert wurden:

A) Allgemeine Informationen
B) Nachhaltigkeitskriterien in der Beschaffungspraxis
C) Unterstützende Angebote für Kommunen

[...]


1 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung

2 Vereinte Nationen

3 Umweltprogramm der Vereinten Nationen

4 „Unsere gemeinsame Zukunft“

5 „Globaler Bericht über eine nachhaltige öffentliche Beschaffung“

6 „Die nachhaltige öffentliche Beschaffung ist ein Prozess, durch den öffentliche Einrichtungen ihren Bedarf an Waren, Dienstleistungen, Arbeiten und Dienstprogrammen auf eine Weise decken, die auf Lebenszyklusbasis ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis erzielt und nicht nur Vorteile für die Einrichtungen, sondern auch für die restliche Gesellschaft und die Wirtschaft generiert, während die negativen Auswirkungen auf die natürliche Umwelt reduziert werden“.

7 Begutachtung

Final del extracto de 89 páginas

Detalles

Título
Rechtsgrundlagen, Kriterien und Anwendungspraxis nachhaltiger öffentlicher Beschaffung. Eine Online-Befragung in hessischen Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohnern
Universidad
University of Applied Sciences Frankfurt am Main
Calificación
1,0
Autor
Año
2021
Páginas
89
No. de catálogo
V1138691
ISBN (Ebook)
9783346513458
Idioma
Alemán
Palabras clave
rechtsgrundlagen, kriterien, anwendungspraxis, beschaffung, eine, online-befragung, kommunen, einwohnern
Citar trabajo
Moritz Wetzel (Autor), 2021, Rechtsgrundlagen, Kriterien und Anwendungspraxis nachhaltiger öffentlicher Beschaffung. Eine Online-Befragung in hessischen Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohnern, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1138691

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