Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Methodisches
3 Kontext und Entstehung des Spiels
4 The Cat in the Hijab
4.1 Spielszenario und Spielgenre
4.2 Zentrale Unterhaltungsprozesse
5 Potenziale und Herausforderungen
5.1 Lernprozesse
5.2 Spielspaß
5.3 Investitionsbudget
5.4 Konfrontation
5.4.1 Hate-Speech im Internet
5.4.2 Länderübergreifende Sicht
6 Ausblick
7 Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Startbildschirm bei dem Spiel The Cat in the Hijab
Abbildung 2: Spielszene aus The Cat in the Hijab
Tabellenverzeichnis IV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Bewertungstabelle
1 Einleitung
„Demokratische Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sowie Toleranz dürfen niemals zur Disposition stehen. Diese Werte muss Schule Kindern und Jugendlichen vermitteln“, so Kultusministerin Brunhild Kurth ( 2017). Die Aussage kann in ein Lernverständnis im schulischen, hochschuldidaktischen als auch weiterbildenden Bereich ausgeweitet werden. Da die Werte in mindestens all diesen Bereichen auch eine bedeutende Rolle spielen und zudem Kinder nicht nur in der Schule lernen. Es besteht akuter Handlungsbedarf, nicht nur für das Bildungs- und Schulsystem, sondern auch für die Gesellschaft, die Politik und das Gesundheitssystem im Hinblick auf die Tatsache dass das Internet so exzessiv genutzt wird und die Medienbildung dem nicht in gleicher Geschwindigkeit standhält. Computer- und Videospiele gewinnen immer weiter an Popularität. Wieso also diese nicht nutzen? Im Übergang von der literalen zur digital medialen Kultur ist unübersehbar, dass die neuen Medientechnologien auch neue Lernformen und -kulturen hervorbringen. Durch neuere Entwicklungen wie „Augmented oder Virtual Reality“ können Nutzer ihre Freizeit mit Spielen, an beliebigen Orten und zu beliebigen Zeiten, ganz nach ihren Präferenzen gestalten. Mit dem damit verbundenen Lernprozess beschäftigt sich die Entwicklerszene seit kurzem deutlich intensiver. Zwar dienen das bei Unterhaltungsspielen erworbene Wissen und die sich entwickelnden Kompetenzen in erster Linie der Erreichung der Spielziele, aber das Lernpotenzial digitaler Spiele lässt sich auch für formelle Bildungsziele nutzen. Das zumindest ist die Grundidee des "Digital Game-Based Learning". Genau an dieser Stelle kommt der Erziehungswissenschaft eine Schlüsselrolle zu. Was und wie lernt man durch digitale Spiele? Lassen sich Computer- und Videospiele zu Lernzwecken instrumentalisieren? Und wie sind die Spiele in Lernarrangements einzubinden und was gilt es zu beachten? Ziel dieser Arbeit ist es das Konzept des Game-Based Learning anhand des Beispiels The Cat in the Hijab zu analysieren, indem auf wichtige Einflussfaktoren eingegangen wird und andererseits Potenziale und Herausforderungen veranschaulicht werden, die häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Hierzu soll nach der Abklärung der Methodik im zweiten Kapitel der Kontext und die Entstehung des Spiels erarbeitet werden. Im Anschluss wird das ausgewählte Spiel näher beschrieben. Danach werden die Potenziale und Herausforderungen analysiert. Zuletzt werden die Erkenntnisse in einem Ausblick zusammengefasst.
2 Methodisches
Es gibt bislang keine anerkannte Methodik der Computerspielanalyse, sondern nur eine ganze Reihe von Vorschlägen, die häufig so disparat und verstreut sind, dass man noch kaum von einer zusammenhängenden Diskussion sprechen möchte. Das hat seinen Grund im Wesentlichen in der fehlenden disziplinären Verankerung der Computerspielforschung, auch wenn sich mittlerweile „Games Studies“ zu etablieren beginnen. Das Vorteilhafte an dieser Situation ist allerdings, dass sehr unbekümmert gegenüber fachlichen Disziplinierungen eine sehr produktive Debatte geführt werden kann, zu der die verschiedensten Fächer Beiträge leisten, wie die Film- und Medienwissenschaften, die Literaturwissenschaft, Pädagogik und Psychologie. Die Bezeichnung Game Studies signalisiert Bezüge zum komplexen Begriffsfeld des Spiels, mit dem sich z.B. Anthropologie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik und Philosophie immer wieder befasst haben. Ähnlich wie z.B. die Film Studies definieren sich die (Digital) Game Studies als akademischer Ansatz primär über ihren Forschungsgegenstand. Ihren Ausgangspunkt bildet die Diagnose, dass Computerspiele ein relevantes Phänomen in unserer Gesellschaft sind und es darum lohnenswert und sogar notwendig ist, sich diesem Phänomen aus wissenschaftlicher Perspektive zu nähern. Bei der vorliegenden Arbeit wird in Hinblick auf das ausgewählte Spiel zunächst deskriptiv vorgegangen. Das ausgewählte Spiel bietet sich in seiner Konzeption und in seinem Inhalt als Forschungsgegenstand hervorragend an. Da es zum einen eine bisher zu wenig realisierte und erforschte Entstehungsgeschichte mit sich bringt und zum anderen nicht unter kommerziellen Erfolgsbestreben entstanden ist. Derartige, für alle Internetnutzenden kostenlos verfügbaren Spiele beinhalten selten Lernpotenziale die für formelle Bildungsziele genutzt werden können. Auf die Zielgruppe und Klärung von Fachbegriffen muss jedoch verzichtet werden, da sie den vorbestimmten Rahmen der Arbeit sprengen würde. Bei den Potenzialen und Herausforderungen werden ausgewählte Einflußfaktoren wie Lernprozesse, Spielspaß, Investitionsbudget und Konfrontation angerissen. Eine Vertiefung ist im Rahmen einer anschließenden Arbeit denkbar.
3 Kontext und Entstehung des Spiels
Das Spiel an sich stellt ein Phänomen dar, das aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso alt ist wie die Menschheit selbst. Bereits Funde aus der jüngeren Steinzeit umfassen Spielzeuge wie Tontiere oder Puppen (Oerter 1997, S. 77) , und antike Spielutensilien der Ägypter und Babylonier kann man noch heute in zahlreichen Museen bewundern. Doch da die Arbeit explizit das Spiel The Cat in the Hijab behandelt, wird auf die Entstehung der Spielgeschichte verzichtet und stattdessen lediglich auf die Entstehung des Spiels The Cat in the Hijab eingegangen, da sie eine neuartige und bemerkenswerte Entstehungsgeschichte für das Allgemeininteresse aufweist. Als Allgemeininteresse ist landläufig anerkannt, was humanitär, karitativ, gesundheitsfördernd, erzieherisch, wissenschaftlich oder kulturell wirkt, ohne dass dahinter ein bloßes Gewinn- und Erwerbsinteresse stünde (Gmuer 2014, S. 10). Bei dem vorgenommenen Spiel kann eine Einordnung in eine humanitäre, erzieherische und kulturelle Wirkung angenommen werden. Die Begründung hierzu erfolgt im nächsten Kapitel, nachdem der Kontext und die Entstehung dargestellt werden. Da The Cat in The Hijab im Rahmen eines sogenannten Game Jams entstanden ist, genauer im Rahmen eines Resist Jams werden die Begrifflichkeiten genauer betrachtet.
Sogenannte Game Jams sind mittlerweile ein fester Teil der Videospielkultur. Bei einem Game Jam entwerfen Spielentwickler in einem vorgegebenen Zeitraum ein Spiel zu einem bestimmten Thema. Ein Game Jam ist also ein Zusammentreffen von Spieleentwicklern, um gemeinsam innerhalb einer kurzen Zeitspanne (meist 24-72 Stunden) ein Spiel zu planen, designen und entwickeln. Dabei arbeiten Personen diverser Disziplinen zusammen. Das umfasst Programmierer, Spieledesigner, Künstler, 3D-Modellierer, Audio-Designer, Musiker und viele weitere. Das Spiel wird oft zu einem speziellen Thema oder mit speziellen Restriktionen entwickelt. (Cornish et al. 2017, S. 7) Dies kann beispielsweise ein Wort, ein Motto, ein Sound, ein Bild sein, oder auch auf eine spezielle Technologie eingeschränkt sein. Dies soll die Kreativität der Entwicklerteams fördern. Der Ablauf eines Jams beginnt in der Regel mit einer Vorstellungsrunde der Teilnehmer, dem Bekanntgeben eines Mottos und dem Bilden von Teams. Die Arbeitsgruppen einigen sich auf eine Spielidee und beginnen mit der Arbeit. Üblich sind das Übernachten vor Ort und Zwischen- und Endpräsentationen. Die Ergebnisse werden oft nicht bewertet, zumal aufgrund der Kürze der Zeit oft nur Fragmente, also ungefertigte Teile des Spielkonzepts, entstehen. Teilweise werden während eines Jams entstandene Spiele weiterentwickelt. In der Forschungsliteratur gibt es hierfür für den Begriff Game Jam jedoch noch keine wissenschaftliche Definition. The Cat in the Hijab ist im Rahmen eines solchen Game James, das sich Resist Jam genannt hat, entstanden.
Das „Resist Jam“ verrät schon im Titel das gewählte Thema: Die Spiele sollten sich in irgendeiner Weise mit dem Thema Widerstand gegen Autoritarismus auseinandersetzen. Die Veranstalter sehen den Resist Jam als einen möglichen Weg, sich mithilfe der Ausdrucksstärke digitaler Medien zur Wehr zu setzen. Die vom 3. bis zum 11. März 2017 abgehaltene #ResistJam hatte ein feststehendes und ziemlich aktuelles Themengeflecht: Den Widerstand gegen Zensur, politische Unterdrückung und Autoritarismus auf der einen, sowie die Chancen durch Migration und Inklusion auf der anderen Seite. Im Gegensatz zu anderen Game Jams waren die Entwickler bei der #ResistJam angehalten, in möglichst bunt gemischten Teams zu arbeiten und wurden angeregt, ihre Games auch auf möglichst vielen Plattformen spielbar zu machen. Ebenso legte ihnen die Organisatoren nahe, nicht nur den politischen Widerstand zu thematisieren, sondern auch Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen, wie „Hate Speech und ungerechtfertigte Vorwürfe“ verletzen können (Jonas 2017).
4 The Cat in the Hijab
Typen verschiedener Spieler gibt es viele, eine einheitliche Klassifizierung findet sich in der Literatur bisher nicht. Typische Unterscheidungsmerkmale sind dabei die Spieldynamik, die Symbolstruktur oder die Handlungsanforderung, was auf die folgenden grundlegenden Spielgenres schließen lässt (in der Regel sind in Unterhaltungsspielen Merkmale mehrere Spielgenres enthalten)(Feil/Scattergood 2005).
Bei dem Spiel The Cat in the Hijab handelt es sich um ein kostenlos aus dem Internet herunterladbares Spiel, dessen Einordnung in ein Genre nachfolgend einsehbar ist. Um die Konstruktion des Spiels nachzuzeichnen wird auf die einzelnen Komponenten wie Spielszenario, Spielgenre und zentrale Unterhaltungsprozesse eingegangen.
4.1 Spielszenario und Spielgenre
In The Cat in the Hijab schlüpft der Spieler in den Körper einer kleinen Katze mit Kopftuch, die eigentlich nur in aller Ruhe mit der U-Bahn fahren will. Doch bald schon werfen die anderen Katzen ihr aggressive Blicke zu und werfen ihr islamophobe Anfeindungen an den Kopf, die laut Internetszene unübersehbar auf die Zeit nach der Brexit-Entscheidung und der Amtseinführung Donald Trumps anspielen (Förtsch 2017). Diese Figur, wird in der Literatur auch als sogenannter Avatar bezeichnet. Sie ist ein wesentliches Mittel für die konkrete Verkörperung des Spielers im virtuellen Raum, also eine vom Spieler gesteuerte Figur (Neitzel 2004, S. 195).
Zugeordnet werden kann das Spiel dem Spielgenre Rollenspiel (Kringiel 2009). Die Spielfiguren können sich durch Aktionen in ihren Attributen weiterentwickeln und somit das Identifikationsempfinden steigern. Gleichzeitig sind Merkmale des Spielgenre Simulationsspiel festzustellen: Spielende können realitätsnahe Erfahrungen nachempfinden. Für die bessere Vorstellung folgen Screenshots aus dem Spiel.
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Abbildung 1: Startbildschirm bei dem Spiel The Cat in the Hijab
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Abbildung 2: Spielszene aus The Cat in the Hijab
4.2 Zentrale Unterhaltungsprozesse
Die Popularität und der Spielspaß von digitalen Spielen können dadurch erklärt werden, dass verschiedene Mechanismen des Unterhaltungserlebens sequenziell oder parallel ausgenutzt und aktiviert werden. Zentrale Unterhaltungsprozesse sind nach Klimmt (Klimmt 2008, S. 7-17) Selbstwirksamkeitserfahrung. Spannung bzw. Lösung und simulierte Lebens- und Rollenerfahrungen, die bei Spielen zu einem integrierten Erlebnis verschmelzen:
- Eine Selbstwirksamkeitserfahrung macht ein Spiel oder eine Spielerin, wenn auf seine Aktivität eine unmittelbare Reaktion des Spiels erfolgt. Er erhält hier das Gefühl, einen unmittelbaren Einfluss auf das Geschehen in der Spielumgebung zu nehmen
The Cat in the Hijab erhält jedoch nicht aufgrund einer Aktivität eine unmittelbare Reaktion sondern aufgrund ihres Aussehens. Sie tritt mit einem Kopftuch in die Bahn ein und ist gleich danach mit Reaktionen konfrontiert. Insofern kann zwar von einem Einfluss in die Spielumgebung gesprochen werden, aber dieser ist für den Spieler nicht unbedingt ein positiver Einfluss. Damit es zu einem positiven Einfluss wird, wenn das denn möglich ist - einen positiven Einfluss zu bewirken, hat The Cat in the Hijab Überzeugungsarbeit in Form von Aussagen zu leisten.
- Spannung entsteht in digitalen Spielen durch das Eintauchen in die Rahmengeschichte der Spiele. Diese Erfahrungen sind möglich, weil in den Spielen häufig Realitäten auf multimediale Weise simuliert werden. Die Mechanismen des Unterhaltungserlebens funktionieren allerdings nur dann über einen längeren Zeitraum, wenn Spielende kontinuierlich Erfolge erzielen. Erfolg in Spielen zu haben bedeutet, das Spiel kontrollieren zu können beziehungsweise seinen Leistungsanforderungen gerecht zu werden.
Erfolge werden in The Cat in the Hijab insofern erzielt, dass sie auf Katzen stößt die ihr positive Reaktionen geben, allerdings nicht immer sofort. Es sind Situationen eingebaut in denen sie sich erstmal behaupten, negative Reaktionen erhalten und um Hilfe der Mitpassagiere fragen muss um diese zu erhalten. Kontinuierliche Erfolge sind nicht vorhanden, doch in der Relation dazu, wie lang das Spiel geht - sind diese nicht unbedingt erforderlich. Bei einem kurzen Spiel wie The Cat in the Hijab wäre ein kontinuierliches Erfolgserlebnis zu viel.
Für Fritz (Fritz 2015) ist diese Form der Machtausübung in der virtuellen Welt der Hauptgrund dafür, dass gerade Heranwachsende mit ihren altersspezifischen Schwierigkeiten - wie etwa dem Gefühl eines Kontrollverlustes in ihrer sozialen Umwelt - von digitalen Spielen fasziniert sind. Eng verbunden mit der Selbstwirksamkeit und der erfolgreichen Kontrolle eines Spiels ist die Lernfähigkeit eines Spielers oder einer Spielerin. Das Erlernen von Spielen beschreiben Garris & Driskell (Garris/Ahlers/Driskell 2002, S. 441-467) dabei als einen Spielzyklus aus Spielverhalten, Rückmeldungen des Programms und der daraufhin von Spielenden vorgenommenen Beurteilung des Spielfeedbacks und des eigenen vorherigen Verhaltens (vgl. ebenso die Ausführungen von Kerres/Bormann/Vervenne 2009). Die Spieler reagieren dabei mit einem unterschiedlich hohen Grad an Interesse, Freude, Ehrgeiz oder Selbstvertrauen auf das Feedback, was wiederum die Richtung, Intensität und Qualität ihres weiteren Verhaltens beeinflusst. Spielende führen also einen Spielzug aus, erhalten eine Reaktion, bewerten anschließend ihre Situation und können sich dann zu einem weiteren Spielzug entscheiden. Wird ihr Handeln als richtig akzeptiert, fühlen sie sich positiv bestätigt und ihr Interesse am Weiterspielen steigt. Wird ihr Zug aber als falsch deklariert, fühlen sie sich herausgefordert. Ihr Ehrgeiz steigt und sie nehmen solange alternative Handlungen vor, bis bei wiederholtem Misserfolg ihre individuelle Frustgrenze erreicht ist und sie das Spiel entnervt beenden.Andererseits ist das Lernen von - wie man mit derartigen Situationen umgeht - auch eine wichtige Lernstrategie seitens der Spielentwickler. In der Regel durchlaufen Spielende diesen Zyklus nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip mehrfach und erwerben damit schließlich die erforderliche Kompetenz für das Spielen des Spiels.
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