Die Universalität der Menschenrechte


Research Paper (undergraduate), 2008

33 Pages, Grade: 12


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Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Begriffliche Eingrenzung der Menschenrechte
I. Der Begriff des Rechts
II. Der Begriff der Menschenrechte
III. Der Kontext der Menschenrechte

C. Die Geschichte der Menschenrechte
I. Die Entwicklung der Menschenrechtsidee in der Neuzeit
II. Die Realisierung der Menschenrechtsidee
1. Die Positivierung auf nationaler Ebene
2. Die Positivierung auf Internationaler Ebene
III. Ergebnis

D. Eine universell gültige Begründung universeller Menschenrechte
I. Das Naturrecht
1. Das göttliches Gesetz
2. Das Natürliche Gesetz
3. Der Vertrag
4. Das Gefühl
5. Die Vernunft
6. Ergebnis
II. Moderne Begründungsansätze
1. Der Schleier der Unwissenheit
2. Der Transzendentale Tausch
3. Diskursethische Begründung
III. Ergebnis

E. Der Relativismus
I. Geschichtliche Einordnung des Relativismus
II. Differenzierung des Relativismus
1. Deskriptiver Relativismus
2. metaethischer Relativismus
3. Normativer Relativismus
III. Ergebnis

F. Interkulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten
I. Das Prinzip der Vergeltung
1. Das Auswahlkriterium für „Vergeltung“ als Vergleichsmaßstab
2. Die Definition von Vergeltung
3. Die Studie
4. Ergebnis
5. Kritik
II. Herrschaftsbegrenzung und Menschenwürde.
III. Ergebnis

G. Zwischen Toleranz und Ethnozentrismus
I. Ethnozentrismus
II. Das Dilemma des ethnozentrischen Rationalisten

H. Von Rationalität zur Sentimentalität
I. Die Argumentation
II. Kritik
I. Ergebnis

Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Kreon: Und wagtest, mein Gesetz zu übertreten?

Antigone: So groß, / Schien Dein Befehl mir nicht, der Sterbliche, / Dass er die ungeschriebenen Gottgebote,/ Die Wandellosen, konnte übertreffen./ Sie Stammen nicht von heute oder gestern,/ Sie leben immer, keiner weiß seit wann. (Sophokles, Antigone)[1]

Das waren die Worte, die Antigone dem Tyrannen entgegensetzte, als dieser sie für die Durchführung des Totenrituals an dem Leichnam ihres Bruders verurteilen wollte. Mit ihrer Tat ermöglichte sie ihm den Einzug in den Hades und besiegelte gleichzeitig ihren eigenen. Denn sie wurde verurteil, lebendig begraben zu werden. Die Rettung kam für sie zu spät.

Das Herz mag hier für Antigone schlagen und ihr heiliges Recht – dass es überall und für alle Unterdrückten gelte, doch der Verstand mahnt an die Worte Pascals, wenn man es allzu eifrig über die Grenzen des alten Griechenlands tragen möchte:

„Drei Breitengrade näher zum Pol werfen die ganze Jurisprudenz über den Haufen; ein Meridian entscheidet über die Wahrheit; in wenigen Jahren verändern sich die grundlegenden Gesetze; das Recht hat seine Epochen… Eine schöne Gerechtigkeit, deren Grenze ein Fluss ist! Was auf dieser Seite der Pyrenäen Wahrheit ist, ist auf der anderen Seite ein Irrtum.“[2]

Wenn man so möchte kann man bereits im Stück des Sophokles aus dem Jahre 442 v. Chr. die Brisanz der Menschenrechtsfrage herauslesen. Antigone beruft sich gegenüber ihrem Peiniger auf ein universelles, überstaatliches Recht. In heutigen Tagen hätte sie sich wohl auf Art. 18 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 bezogen. Art. 18 Schützt die Religionsfreiheit aller Menschen.

Doch gerade Religionsfreiheit verdeutlicht heutzutage die Problematik, die Pascals Unmut andeutet. Es ist keinesfalls universell anerkannt ob Religion in Freiheit ausgeübt werden sollte. Als Art. 18 der UN Menschenrechtserklärung im dritten Komitee der Generalversammlung per Abstimmung verabschiedet werden sollte enthielt sich der diplomatische Vertreter Saudi Arabiens der Stimme.[3] Er sah darin Gefahren für seinen Staat.[4]

Das hier Skizzierte Spannungsverhältnis soll Thema dieser Arbeit sein. Ein Spannungsverhältnis zwischen Rechten, die uns so essenziell und bedeutsam scheinen, dass wir ihre Anerkennung für alle Menschen – universell – fordern und den Antworten fremder Kulturen oder Staaten, die entgegenhalten, wie begrenzt dieser Anspruch sein könnte. Wie begründet sind Ansprüche und Einwände beider Seiten? Wo liegen die Wurzeln der Menschenrechtsidee und wo eventuell interkulturelle Fundamente? Welche Strategien könnten Erfolg versprechen?

B. Begriffliche Eingrenzung der Menschenrechte

Zunächst sollte kurz umrissen werden, was man häufig meint, wenn man von Menschenrechten spricht. Der Begriff des Menschenrechts kann nicht gänzlich getrennt vom Begriff des Rechts betrachtet werden.

I. Der Begriff des Rechts

Was macht Recht zu Recht? Die frage könnte kaum umstrittener sein. Die wohl positivistischste Beschreibung des Begriffs enthält die „Reine Rechtslehre“ von Hans Kelsen. Für ihn ist die Rechtsordnung eine Pyramide von Zwangsnormen.[5] Durchsetzbarkeit ist für ihn das Maßgebliche Kriterium des Rechts, losgelöst von jeglicher moralischen Wertung. „Nicht irgendeine immanente Qualität und auch nicht irgendeine Beziehung zu einer metarechtlichen Norm, einem moralischen, das heißt aber dem Positiven Recht transzendenten Wert macht, dass ein bestimmtes menschliches Verhalten als rechtswidrig, als Delikt – im weitesten Sinne des Wortes – zu gelten habe; sondern ausschließlich und allein: dass es im Rechtssatz als Bedingung einer spezifischen Folge gesetzt ist, dass die positive Rechtsordnung auf diese Verhalten mit einem Zwangsakt regiert.“[6]

Dass diese Auffassung von Recht, schwerlich Recht begründen kann, wie es im Herzen der Bürger wohnt und noch viel schwerer ein Universelles Menschenrecht, ist klar. Ein solcher Begriff scheint für die Begründung allgemeiner Menschenrechte ungeeignet, liegt er doch gerade an den Ketten der eigenen konkreten Setzungsmacht. Nach ihm wäre Kreon im Recht und Antigone im Unrecht gewesen.

Andererseits war Antigone mit ihrem göttlichen Recht, dass aber auf Erden nicht zur rechten Zeit aufzufinden war auch nicht geholfen. „Die ewigen Rechte, die droben hangen, unveräußerlich und unzerbrechlich wie die Sterne selbst.“[7] Dies wäre die extreme Gegenposition zu einem rein positivistischen Rechtsverständnis. Die Vorstellung einer Art Naturrecht. Es orientiert sich nicht am „Sein“ der Rechtsordnung sondern an ihrem „Sollen“.[8] Was durch menschliche oder göttliche Vernunft als Recht erkannt wird ist Recht.[9] Es besteht die große Gefahr eines Utopias, eines Rechtes, „ bloß im Gehirne der Menschen.“[10] Ein Recht, dass zu ideologiegeladen, völlig unabhängig von jeder empirischen Realität existiert, betrifft uns im Grunde gar nicht und scheint daher fast ebenso unbefriedigend wie ein Rechtsbegriff der sich nur auf formelle Durchsetzbarkeit bezieht. Zwischen diesen zwei Extremen kann sich der Rechtsbegriff bewegen.[11] Zu welcher Seite neigen sich die Menschenrechte? Diese Frage wird sich nach der Geschichte und dem Begriff der Menschenrechte richten.

II. Der Begriff der Menschenrechte

Die Klassische Definition eines Menschenrechts ist, dass es universell und allen Menschen eigen sei, unabhängig vom Staat in dem sie leben.

„A human right by definition is a universal moral right, something which all men, everywhere, at all times ought to have, something of which no one may be deprived without a grave affront to justice, something which is owing to every human being simply because he is human.“[12]

Im Hinblick auf die “Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen“ vom 10.12.1948 kann man Menschenrechten vier Ansprüche zuschreiben. Sie gelten allgemein (für jeden), identisch (mit gleicher Bedeutung), egalitär (in gleichem Maße, ohne zwischen einzelnen Rechten abzustufen) und kategorisch (bedingungslos).[13]

Häufig wird in Anlehnung an Georg Jellinek[14][15] unterschieden zwischen Menschenrechten des status negativus, activus und positivus. Rechte des status negativus stellen Abwehrrechte gegen den Staat dar. Darunter fallen etwa das Tötungs- und Folterverbot, Meinungs- und Religionsfreiheit.

Solche des status activus versetzen den Bürger in die Lage das politische Leben mitzugestalten, wie etwa Wahl- und Versammlungsrecht, sowie gleichberechtigter Zugang zu öffentlichen Ämtern. Die Rechte des status positivus stellen Leistungspflichten des Staates gegenüber dem Bürger dar. Darunter fallen etwa das Recht auf Bildung, Arbeit und einen angemessenen Lebensstandard.

III. Der Kontext der Menschenrechte

Es ist umstritten welcher Kategorie des Rechts Menschenrechte eigentlich zuzuordnen sind.[16] Grundsätzlich sind Menschenrechte sehr stark mit moralischen Werten aufgeladen und werden auch oft als moralische Rechte bezeichnet.[17] Sie gehören zu den Schlüsselwörtern der Epoche, die im Ringen um politisches Bewusstsein, Normwandel und Machtgewinn eine entscheidende Rolle spielen.[18]

Das heißt, Menschenrechte könnten nicht nur eine rein rechtliche Kategorie, sondern auch eine politische, moralische sowie geschichtlich und kulturell beeinflusste Erscheinung sein. Über ihr Wesen, könnte ihre Vergangenheit Aufschluss geben.

C. Die Geschichte der Menschenrechte

Ich werde im Folgenden versuchen einen kurzen Abriss der Menschenrechtsentwicklung zu geben. Dabei werde ich mir zunächst die Entwicklung der Idee (das Sollen) anhand exemplarischer( keineswegs aller) Denker und dann deren Realisierung in der Rechtswirklichkeit (das Sein) als Gradmesser ihrer Wirksamkeit betrachten.

I. Die Entwicklung der Menschenrechtsidee in der Neuzeit

Das eigentliche Aufblühen der Idee der Menschenrechte fand in der Neuzeit statt. Erstmals wurde begonnen Kataloge auszuarbeiten an denen sich das bestehende Recht messen lassen musste.

Hugo Grotius (1583 -1645) gilt als wesentlicher Begründer des Natur- und Völkerrechts.[19] Denn für ihn gab es ein natürliches vorstaatliches Recht, welches die positive Gesetzgebung gleichsam überlagerte und als Bewertungsmassstab und Grenzlinie staatlicher Gesetzgebung dienen konnte.[20] Grotius kannte beispielsweise persönliche Rechte auf körperliche Unversehrtheit[21] und auf Bewahrung der weiblichen Ehre in einem Sinne, dass man diese Rechte verteidigen dürfe. Beide kommen dem Menschen ursprünglich zu. Für Grotius gab es, neben dem offenbarten göttlichen Willen ein natürliches Recht, welches aus der von Gott gewollten Natur des Menschen notwendig folgt, nämlich dem Menschen als einem vernunftbegabten und sozialen Lebewesen.[22]

Die Quellen seines überstaatlichen Naturrechts waren der Natürliche Sozialtrieb des Menschen (z. B. Sympathie und Empathie), überlagert von vernünftigen Erwägungen und dem freien Willen Gottes.[23] Denn das Naturrecht „muss, obgleich es aus dem inneren Wesen des Menschen kommt, doch in Wahrheit Gott zugeschrieben werden, weil er gewollt hat, dass dieses menschliche Wesen besteht.“[24]

Auch wenn das Naturrecht sich bei Grotius letztinstanzlich auf Gott zu stützen scheint so klingt bei ihm bereits ein moderner Denkstil an: „Diese hier dargelegten Bestimmungen würden auch Platz greifen, selbst wenn man annähme […] dass es keinen Gott gäbe oder dass er sich um menschliche Angelegenheiten nicht kümmere“[25]

Samuel Pufendorf (1632-1694) führt Grotius Ansätze fort.[26] Das Naturrecht konstruiere drei Grundpflichten für die Menschen. Das Verletzungsverbot.[27] Das Gleichbehandlungsgebot.[28] Das Förderungsgebot des gegenseitigen Vorteils.[29] Es sei die Aufgabe des Staates dem Naturrecht durch staatliche Gesetze Wirksamkeit zu verleihen.[30] Die Staatlichen Gesetze sind demnach viel weniger Willens- sondern Erkenntnisakte. Aufgabe des Staates ist es, dass überall im Staat die Grundpflichten Beachtet werden.

Aus England kamen ebenfalls bedeutsame Beiträge zur Entwicklung des Menschenrechtsgedanken. Einmal durch Thomas Hobbes (1588-1679), der jedoch eher Indirekt auf Menschenrechtsdenker einwirkte, durch seine Vorstellung eines Gesellschaftsvertrages und des Staates als Bollwerk gegen den Drang der Menschen sich gegenseitig zu zerfleischen.[31] Dieser Vertragsgedanke gilt aber nur im Naturzustand und fortan nicht mehr. Hobbes Spricht zwar im Naturzustand von einem Recht auf Selbsterhaltung und einem Recht Aller auf Alles.[32] Das sind jedoch Rechte ohne korrespondierende Pflichten sie gegenüber Andern zu befolgen und daher keine Rechte im eigentlichen Sinne. Der Vertragsgedanke dient als Grundlage für viele spätere Rechtsdenker wie Pufendorf[33] und, im eigenen Land, für John Locke, der Hobbes positivistische Vertragstheorie mit vorstaatlichen natürlichen Rechten verbindet und damit zu einem der bedeutsamsten Denker überstaatlicher Menschenrechte und des modernen Verfassungsstaates wird.[34] Er kann als die Gegenbewegung zu Hobbes allmächtigem Leviathan verstanden werden.[35] Nach Hobbes Theorie hatte der Staat vor allen anderen Dingen stark zu sein, um die negativen Impulse der von Natur aus schlechten Menschen zu unterdrücken.[36] Oberstes Ziel von Hobbes war es dem damals in England tobenden Bürgerkrieg ein Ende zu setzten.[37] Dies sah er nur durch einen bedingungslos mächtigen Staat ermöglicht.

John Lockes Philosophie greift nun da ein, wo der starke Staat besteht und versucht ihn zu bändigen.

Der Naturzustand bei Locke ist einer der Freiheit und Gleichheit.[38] Dieser Zustand ist kein rechtloser. Vielmehr herrscht ein natürliches Gesetz, das alle verpflichtet. Dieses ist zwar nicht angeboren, kann aber mit Hilfe der Vernunft von jedem leicht erkannt werden. Dieses Gesetz geht jedweder staatlichen positiven Gesetzgebung voraus.[39] Jedoch ist auch bei Locke der Naturzustand ein Zustand latenter Gefahr, da jeder - Richter in eigener Sache - sich sein vermeintliches Recht mit Gewalt zu verschaffen geneigt ist.[40]

Ziel des Zusammenschlusses zum Staat ist der Effektive Schutz des Eigentums,[41] Unter Eigentum versteht Locke eigene Rechte wie Leben, Körper, Freiheit und Eigentum als solches.[42] Der Zusammenschluss zum Staat erfolgt in Vertragsform.[43]

Bei Locke ist der Gesetzgeber einerseits an sein selbst erlassenes Gesetz gebunden und andererseits an das über ihm stehende natürliche Gesetz aus dem Naturzustand. Gesetzespositivismus auf naturrechtlicher Grundlage oder moderner Gesprochen: Staatliche Gesetzgebung auf dem Boden der Grund und Menschenrechte.[44]

II. Die Realisierung der Menschenrechtsidee

„Die Idee des Rechts wäre sehr schwach gewesen, wenn sie sich nicht realisiert hätte. Denn was nicht zur Erscheinung kommt ist schwach und was wahrhaft Idee ist, das muss erscheinen“[45]

1. Die Positivierung auf nationaler Ebene

Beinahe zeitgleich mit den ersten Denkern des Naturrechts, im siebzehnten Jahrhundert, begann sich die Idee der Menschenrechte in den Gesetzten Europas zu Regen, wenn auch noch schwach. Die Habeas-Corpus Akte von 1679 stellte einen ersten Versuch dar, die staatliche Exekutive bei Verhaftungen an feste Regeln zu binden und sie normativer Kontrolle zu unterwerfen.[46] Die Bill of Rights von 1689, ebenfalls in England, war weiter damit bemüht staatliche Willkür in der Strafverfolgung einzugrenzen.[47]

Erst hundert Jahre später brach die volle Kraft der Menschenrechtsidee in die politischen Bemühungen.

In der jungen Kolonie Virginia wurde 1776 die Virginia Bill of Rights verabschiedet, die auch als Vorbild für die spätere amerikanische Verfassung diente.[48] Da heißt es in Art 1 „Daß alle Menschen von Natur aus gleich, frei und unabhängig sind […] sich des Lebens und der Freiheit erfreuen zu dürfen, und dazu Eigentum erwerben und besitzen zu können, und nach Glück und Sicherheit zu streben und beide auch zu erlangen“[49]

Auch weitgehende Religionsfreiheit wurde in Art 16 garantiert.[50]

Hier wurden erstmals Menschenrechte in einer Verfassung als „basis and foundation of government“[51] der normalen parlamentarischen Gesetzgebung vorangestellt. Das Naturrechtliche Ideal, hatte hier Positivierung erfahren.

Andere amerikanische Bundesstaaten folgten im selben Sinne und der Wortlaut der Verfassung fand sich auch in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wieder.[52]

In der Französischen Revolution erklärte man, am 26. August 1789 erstmals Menschenrechte als universell für jeden gültig.[53] 3 Jahre später wurde sie auch wieder außer Kraft gesetzt, aber sie war ein Signal an ganz Europa.

Zwischen 1795 und 1830 wurden in Europa siebzig Verfassungen verkündet, von denen die meisten Grundrechtskataloge enthielten.[54]

Viele naturrechtliche Denker haben die Idee der Menschenrechte aufgegriffen und ausgearbeitet. Erst hundert Jahre später, Auf nationaler Ebene wurden Menschenrechte in den europäischen Verfassungen positiviert.

2. Die Positivierung auf Internationaler Ebene

Den Sprung zur positivistischen Universalität sollten die Menschenrechte jedoch erst im 20. Jahrhundert vollziehen.[55] Die Nationalstaaten nahmen in der Praxis regelmäßig gesellschaftliche Gruppen aus ihren Grundrechtskatalogen aus.[56]

[...]


[1] Hinkelmann: Philosophische Argumente für und wieder die Universalität der Menschenrechte; Widmung

[2] Blaise Pascal, Pensèes, Nr.294

[3] Vgl. Menke/Pollmann: Philosophie der Menschenrechte S.74

[4] Vgl. ebenda S.75

[5] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S.40

[6] Kelsen: Die Reine Rechtslehre S. 25 f

[7] Schiller, Wilhelm Tell, 2. Akt. 2.Szene

[8] Vgl. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten S.385 (389)

[9] Vgl. z.B. Lo>

[10] Gans: Vorlesung nach G.W.F. Hegel S.4

[11] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtswissenschaft S.35

[12] Cranston: What are Human Rights? S.36

[13] Vgl. Menke/Pollmann: Philosophie der Menschenrechte S.71

[14] Vgl. ebenda S.114

[15] Vgl. Jellinek: System der subjektiven öffentlichen Rechte S.65

[16] Vgl. Bracher: Schlüsselwörter der Geschichte S.33/88

[17] Vgl. Tugendhat: Vorlesung über Ethik Vorl. 17 S.336-363; Donelly: Universla Human Rights S.17

[18] Vgl. Kühnhardt: Die Universalität der Menschenrechte S.22

[19] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S. 265

[20] Vgl. ebenda S. 266 f

[21] Vgl. Grotius (Fn.3) 2. Buch, 1. Kapitel III (S.137)

[22] Vgl. Störig: Kleine Welgeschichte der Philosophie S.333

[23] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S.269

[24] Grotius (Fn.3) Vorrede Nr. 12 (S.33)

[25] Grotius (Fn 3), Vorrede Nr. 12 (S.33)

[26] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S.278

[27] Vgl. Pufendorf: Über die Pflicht des Menschen Kapitel 6 (S.72 f)

[28] Vgl. ebenda Kapitel 7 (S.78 f)

[29] Vgl. ebenda Kapitel 8 (S.82 f)

[30] Vgl. Braun Einführung in die Rechtsphilosophie S.288

[31] Vgl. ebenda S. 187 f

[32] Vgl. Hobbes: Leviathan Kapitel XIV S.99

[33] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S.278

[34] Vgl. Kühnhardt: Die Universalität der Menschenrechte S.62

[35] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S.200

[36] Vgl. ebenda S. 193

[37] Vgl. ebenda. 187 f

[38] Vgl. Lo>

[39] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S. 202

[40] Vgl. ebenda S.204

[41] Vgl. Locke (Fn.93) 2. Abhandlung, § 21

[42] Vgl. Locke (Fn. 93) 2. Abhandlung § 6

[43] Vgl. Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie S. 207

[44] Vgl. ebenda S.212 f

[45] Gans: Vorlesung nach G.W.F. Hegel S.6

[46] Vgl. Brieskorn: Menschenrechte S.82

[47] Vgl. ebenda S.83

[48] Vgl. ebenda S. 85

[49] Vgl. ebenda S.85

[50] Vgl. ebenda S.90

[51] Vgl. ebenda S.85

[52] Vgl. Kühnhardt: Die Universalität der Menschenrechte S.72

[53] Vgl. ebenda S.76

[54] Vgl. ebenda S.77

[55] Vgl. ebenda S.83

[56] Vgl. z.B. Die Ausgrenzung der Afroamerikaner in Amerika aus der Verfassung bis zum Bürgerkrieg (1861 – 1865) in: Der Große Ploetz: S.1179 f

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Details

Title
Die Universalität der Menschenrechte
College
University of Göttingen
Course
Grund- und Menschenrechte
Grade
12
Author
Year
2008
Pages
33
Catalog Number
V114818
ISBN (eBook)
9783640169061
ISBN (Book)
9783640171958
File size
562 KB
Language
German
Keywords
Universalität, Menschenrechte, Grund-, Menschenrechte
Quote paper
Gabor Stefan (Author), 2008, Die Universalität der Menschenrechte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114818

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