In dieser Arbeit zunächst drei Perspektiven dargestellt mit deren Hilfe versucht werden kann Europa zu definieren. Geographische, kulturelle sowie politisch-institutionelle Besonderheiten Europas werden im zweiten Abschnitt dahingehend analysiert, inwieweit sich mit ihnen eine Aussage über die Territorialität Europas treffen lässt. Es wird demnach auf Fragen eingegangen wie: Wo liegen die natürlichen Grenzen Europas? Welche Staaten gehören zu Europa? Wo endet Europa? Welche Kriterien lassen sich finden um Europa zu definieren? Solche Fragen werden vor allem in der Diskussion um die Erweiterung der Europäischen Union immer wieder gestellt. Dass sie aber auch eine ebenso hohe Bedeutung für die Sicherheitspolitik in Europa haben, soll durch eine Auseinandersetzung mit dem „erweiterten Sicherheitsbegriff“ im dritten Abschnitt deutlich werden. Denn Sicherheitspolitik beschäftigt sich nicht zuletzt mit dem Schutz eines Territoriums. Wenn dieses Territorium für Europa allerdings nicht eindeutig definiert wird oder werden kann und wenn die Risiken, durch die die Sicherheit in Europa gefährdet wird, ebenfalls komplexer und vielschichtiger geworden sind, dann sind dies grundlegende Bedingungen für eine europäische Sicherheitsstrategie. Denkbare Schlussfolgerungen, die sich aus dem „Fehlen“ eines europäischen Territoriums und dem „erweiterten Sicherheitsbegriff“ in Bezug auf Akteure, Ziele, Risiken, Mittel und Zweck der europäischen Sicherheitspolitik ziehen lassen, werden im vierten Teil der Arbeit abschließend dargestellt
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Schwierigkeiten Europas Territorium zu definieren
3. Der „erweiterte Sicherheitsbegriff“
4. Schlussfolgerungen
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
1. Einleitung
Seit dem 01. Januar 2007 hat die Deutsche Bundesregierung die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen. In ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament am 17. Januar diesen Jahres formulierte Bundeskanzlerin Merkel wesentliche Ziele und Handlungsfelder der deutschen Präsidentschaft für die kommenden sechs Monate. Besonders hervorgehoben hat sie dabei die Notwendigkeit der Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU.
„Denn die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind wahrhaft groß und sehr konkret. Ich sehe dabei zwei Schwerpunkte: Erstens drängen von allen Seiten außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen auf die Europäische Union zu.“[1]
Mit diesen Sätzen leitete die Kanzlerin einen längeren und zentralen Abschnitt ihrer Rede ein, in dem sie die verschiedensten sicherheitspolitischen Problemfelder und Problemregionen der Welt nennt, die aus ihrer Sicht eine besondere Relevanz für Europa haben. Vom Kosovo, über die Schwarzmeerregion und den Nahen Osten bis hin nach Afghanistan; in den Beziehungen der EU zu den USA und Russland sowie im Engagement der EU in Afrika und im Erfolg der Doha-Runde, überall dort sieht Angela Merkel fundamentale Sicherheitsinteressen Europas betroffen.
Die Aufgaben, denen die EU in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik gegenübersteht, lassen sich in dieser breit gefächerten Form wie Merkel es getan hat relativ schnell aufzeigen. Ebenso interessant wie lohnenswert ist es allerdings, den Blick auf die Bedingungen zu richten, die es zu beachten gilt, damit die Sicherheitspolitik der EU überhaupt adäquat auf die Herausforderungen reagieren kann. Mit Bedingungen sind hier vor allem die Voraussetzungen und Besonderheiten Europas gemeint, die als wesentliche Faktoren auf eine gemeinsame europäische Sicherheitsstrategie einwirken. Damit ist die zentrale Fragestellung der Arbeit genannt. Denn um ein Verständnis dafür zu bekommen, durch welche Risiken die Sicherheit in Europa bedroht wird, welche Ziele eine europäische Sicherheitsstrategie haben sollte und welche Mittel zu welchem Zweck dabei eingesetzt werden können, muss die Frage gestellt werden: Was macht Europa eigentlich aus? Die Auseinandersetzung mit dieser Frage gibt weiterhin Aufschluss darüber, warum die Sicherheitsinteressen Europas durch Merkel so allumfassend und breitgestreut dargestellt werden.
Daher werden in dieser Arbeit zunächst drei Perspektiven dargestellt mit deren Hilfe versucht werden kann Europa zu definieren. Geographische, kulturelle sowie politisch-institutionelle Besonderheiten Europas werden im zweiten Abschnitt dahingehend analysiert, inwieweit sich mit ihnen eine Aussage über die Territorialität Europas treffen lässt. Es wird demnach auf Fragen eingegangen wie: Wo liegen die natürlichen Grenzen Europas? Welche Staaten gehören zu Europa? Wo endet Europa? Welche Kriterien lassen sich finden um Europa zu definieren? Solche Fragen werden vor allem in der Diskussion um die Erweiterung der Europäischen Union immer wieder gestellt. Dass sie aber auch eine ebenso hohe Bedeutung für die Sicherheitspolitik in Europa haben, soll durch eine Auseinandersetzung mit dem „erweiterten Sicherheitsbegriff“ im dritten Abschnitt deutlich werden. Denn Sicherheitspolitik beschäftigt sich nicht zuletzt mit dem Schutz eines Territoriums. Wenn dieses Territorium für Europa allerdings nicht eindeutig definiert wird oder werden kann und wenn die Risiken, durch die die Sicherheit in Europa gefährdet wird, ebenfalls komplexer und vielschichtiger geworden sind, dann sind dies grundlegende Bedingungen für eine europäische Sicherheitsstrategie. Denkbare Schlussfolgerungen, die sich aus dem „Fehlen“ eines europäischen Territoriums und dem „erweiterten Sicherheitsbegriff“ in Bezug auf Akteure, Ziele, Risiken, Mittel und Zweck der europäischen Sicherheitspolitik ziehen lassen, werden im vierten Teil der Arbeit abschließend dargestellt.
2. Die Schwierigkeiten Europas Territorium zu definieren
Die Frage nach einem europäischen Territorium ist gleichzeitig auch die Frage nach der Identität Europas. Diese Frage kann hier sicherlich nicht abschließend beantwortet werden, es werden im folgenden Abschnitt vielmehr einige Aspekte geographischer, kultureller und politisch-institutioneller Natur herausgegriffen, um die Probleme aufzuzeigen, die sich bei dem Versuch ergeben Europa eindeutig zu identifizieren.
Der erste und nahe liegendste Ansatz ein europäisches Territorium zu bestimmen ist, nach den geographischen Grenzen des Kontinents „Europa“ zu suchen. Als Erdteil weist Europa gegenüber anderen Kontinenten eine Besonderheit auf. Im Gegensatz zu Afrika oder Australien, die vollständig von Wasser umgeben sind, ist Europa dies lediglich von drei Seiten. Im Süden grenzt das Mittelmeer den europäischen vom afrikanischen Kontinent ab, im Westen und Süden bilden der Atlantik und die Nordmeere eine klare Grenze. Schwieriger ist es dagegen eine solch eindeutige Grenze Europas in Richtung Osten zu finden, da hier der Übergang zu Asien nicht durch ein natürliches Gewässer markiert wird. Es stellt sich in geographischer Hinsicht vor allem die Frage, wo endet Europa im Osten und wo beginnt Asien. Im Schulunterricht wird in der Regel der Ural als östliche Grenze vermittelt. Dass diese Grenze zwar weitestgehend zur gesellschaftlichen Konvention geworden ist, sie aber keineswegs als pauschal richtig akzeptiert werden kann, deutet folgendes Zitat aus dem Brockhaus an: „Als Grenze E.´s zu Asien gilt seit dem 18. Jh. der Ural, der aber wegen seiner geringen Höhe […] keine wirkliche Barriere darstellt.“[2]
Der Ural ist als Ostgrenze in der neuzeitlichen Forschungsgeschichte nicht unumstritten, ob nun aufgrund seiner zu geringen Höhe oder anderer Merkmale. Denn neben der von Strahlenberg 1730 festgelegten Uralgrenze existieren noch eine Reihe weiterer Vorschläge dafür wie Europa von Asien zu trennen sei, die zum Teil wesentlich weiter östlich verlaufen.[3] Dazu zählt zum einen die Verlegung der Ostgrenze Europas durch Ritter und Reclus Mitte des 19. Jahrhunderts an den Osthang des Uralgebirges, zum anderen die weit in Sibirien liegende Grenze, die Louis 1954 definiert hat. Die Gründe, die für solche östlicheren Grenzziehungen genannt werden, ergeben sich zumeist aus der Betrachtung von Vegetations- oder Agrarzonen und Bevölkerungsverteilungen, welche Kontinuitäten auch über den Ural hinweg aufweisen. Es gibt demnach aus geographischer Sicht gute Gründe, die Frage der Ostgrenze Europas als offen zu bezeichnen. Dies kommt nicht zuletzt durch den von Eduard Suess um 1850 geprägten und nach wie vor gängigen Begriff „Eurasien“ zum Ausdruck.[4] Durch den Begriff wird die Abgrenzbarkeit von Europa und Asien in geographischer Hinsicht völlig aufgehoben und es entsteht so der Eindruck eines „Superkontinents“, der von Lissabon bis nach Shanghai reicht. Aber selbst bei der Verständigung darauf, dass das Ende Europas deutlich westlich von Shanghai liegt und dies eher in der Gegend des Urals, des kaspischen Meeres und des Schwarzmeeres zu finden sein dürfte, würde eine solche Abgrenzung immer noch weite Teile Russlands, Weißrussland, die Ukraine, Moldawien, Armenien oder Georgien mit einbeziehen. Bei all diesen Staaten wird es schon schwieriger sie zu unter anderen als dem geographischen Aspekt auf einem europäischen Territorium zu verorten.
Aus kultur-historischer Perspektive, die im Folgenden eingenommen werden soll, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Europa „durch das griechisch-römische Erbe, die gemeinsamen Wurzeln in der jüdisch-christlichen Religion, durch Renaissance, Reformation und Aufklärung geprägt wurde.“[5] Es werden also kulturelle Entwicklungen seit der Antike zur Argumentation herangezogen, dass dort, wo gewisse Denktraditionen oder Weltanschauungen ihren Ursprung hatten oder vorherrschend waren, Europa sei. Besonders hervorzuheben aufgrund ihrer häufigen Thematisierung, sind dabei zum einen das Christentum als maßgebliche Religion Europas sowie zum anderen die sich aus der Aufklärung ableitbaren Ansichten über die Ausgestaltung von Staat und Gesellschaft. So versucht auch die EU, auf die im Weiteren noch genauer eingegangen wird, sich als europäische Wertegemeinschaft zu definieren. Europa ist demnach dort zu finden, wo die Menschenrechte verbindlich gelten und sich menschliches und staatliches Handeln an Werten wie Freiheit, Gleichberechtigung, der Würde des Menschen und der Vernunft orientieren. Ein weiteres Kriterium, mit dem versucht wird Eur]opa abzugrenzen und welches immer wieder als besondere Errungenschaft herausgestellt wird, ist das europäische Modell des Sozial- oder Wohlfahrtstaates. Demnach weisen die sozialen Sicherungssysteme in europäischen Ländern hohe Gemeinsamkeiten auf und das verfolgte Ziel, mehr soziale Gerechtigkeit durch Prinzipien der Für- und Vorsorge zu realisieren, wird als typisch europäisch charakterisiert.[6]
Aber reichen derlei Merkmale tatsächlich aus, um mit ihnen Europa auch territorial abzugrenzen oder gilt nach wie vor vielmehr: „Europa ist dort, wo sich die Menschen als Europäer fühlen“[7] ? Wird Europa als auf christlichen Werten beruhende Gemeinschaft definiert, stellt sich die Frage der Zugehörigkeit zu Europa sowohl bei dem muslimisch geprägten Balkan als auch bei der großen Anzahl muslimischer Bürger in den EU-Staaten. Auch die Berufung auf Toleranz und Vernunft als Wesenskern Europas erscheint wenig trennscharf. Zum einen schreiben sich auch Kulturkreise außerhalb Europas auf Toleranz und Vernunft beruhende Werte auf die Fahnen, zum anderen wurden in der europäischen Vergangenheit diese Werte zu oft außer Acht gelassen, als das damit eine Abgrenzung Europas wirklich gelingen könnte. Und auch die sozialstaatliche Ausprägung europäischer Staaten erscheint bei näherem Hinsehen als äußerst heterogen. Leistungsumfang, Organisation, Reichweite und Finanzierung unterscheiden sich von England bis Griechenland, von Portugal bis Finnland doch sehr,[8] so dass sich auch durch dieses Kriterium keine eindeutige Einteilung in „europäisch“ oder „nicht-europäisch“ vornehmen ließe.
[...]
[1] Den zweiten Schwerpunkt, den Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede am 17. Januar 2007 im Europäischen Parlament in Straßburg nannte, war die „Erhaltung und Entwicklung unseres europäischen Sozialstaatsmodells, und zwar unter den Bedingungen der Globalisierung“. ,Vgl. http://www.eu2007.de/de/News/Speeches_Interviews/January/Rede_Bundeskanzlerin2.html.
[2] Brockhaus – Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl., Leipzig/Mannheim, 1996.
[3] Siehe Abb. 1 im Anhang.
[4] Vgl. Lichtenberger, Elisabeth (2006): 13-15.
[5] Immerfall, Stefan (2006): 14.
[6] Vgl. ebd.:40-51.
[7] Weidenfeld, Werner (1985): 27.
[8] Vgl. Immerfall, Stefan: 47.
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