Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Begriffserklärungen
2.1 Empowerment
2.2 Partizipation
3 Rechtliche Grundlagen
3.1 UN-Kinderrechtskonvention
3.2 SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe
4 Inhalt und Reichweite von Partizipation
4.1 Stufen der Beteiligung nach Schröder (1995)
4.2 Beteiligungsformen
5 Beteiligung im Heimalltag - Praxisbausteine nach Wolff und Hartig
6 Zusammenfassung
7 Literatur
8 Anhang
1 Einleitung
"' Sag es mir, und ich werde es vergessen. Zeig es mir, und ich werde mich erinnern. Beteilige mich, und ich werde es verstehen' (Lao-Tse)“ (Swillims, 2011, S.4).
Dieses Zitat, welches sich durch seinen belehrenden Charakter auszeichnet, deutet zugleich unmissverständlich auf ein Schlüsselthema der zukunftsreichen Bildungspraxis. Ein Thema, welches zunehmend Aufmerksamkeit auf sich zieht und das aus erziehungspädagogischer Sicht immer mehr an Bedeutung gewinnt. Worauf das genannte Zitat eindeutig anspielen will, ist das Thema der Partizipation. Ein Begriff, der in unserer Gesellschaft eine überaus große Rolle spielt. Jedes Individuum sollte seine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen frei äußern und einbringen dürfen.
Doch wie gestaltet sich die aktuelle Situation der Partizipation, wenn man auf die Jüngsten unserer heutigen Gesellschaft schaut? Bietet sich Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit sich zu partizipieren? Die Frage dient als Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Sie führt zu der Überlegung, wie genau partizipatorische Prozesse eigentlich ausgestaltet werden können und damit zum maßgebenden Thema der Arbeit - Empowerment.
Die Ausarbeitung aller Dimensionen des Empowerments, würde den Rahmen einer Seminararbeit überschreiten, weshalb ich mein Thema unter dem Aspekt der „Partizipation von Kindern und Jugendlichen innerhalb stationärer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ eingrenze. Das Ziel der vorliegenden Seminararbeit ist es, herauszufinden, welche Beteiligungsformen innerhalb stationärer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe anwendbar sind. Weiterhin soll geprüft werden, ob und wie die Partizipation Kinder und Jugendlicher nach momentanem Stand in den Kinder- und Jugendheimen Deutschlands gelingt oder inwieweit die bisher praktizierten Methoden ausbaufähig sind.
2 Begriffserklärungen
Um Unklarheiten auszuschließen, werden im Vorfeld die zentralen Begrifflichkeiten dieser Seminararbeit erklärt. Dabei handelt es sich um die Begriffe Empowerment und Partizipation.
2.1 Empowerment
„Selbstbefähigung, Stärkung der Autonomie und Eigenmacht“ (Herriger, 2020, S. 13) das ist es, was der Begriff Empowerment wörtlich übersetzt bedeutet. Er beschreibt die Hergänge des Zugewinns von Macht und Autonomie, denen es bedarf, um sich selbst aus seiner eigenen kritischen Lebenskonstellation zu emanzipieren. Der Betroffene ist während des Empowerment- prozesses dazu gezwungen, auf seine vorhandenen, wenn auch ungenutzten, Ressourcen zuzugreifen. N. Herriger konzipierte vier verschiedene Zugänge zu einer Definition von Empowerment.
Aus dem politischen Verständnis heraus, sollen BürgerInnen sich an der Politik eines Staates beteiligen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass das Machtverhältnis umverteilt wird. Ein bestimmter Anteil politischer Macht muss der Bevölkerung zugeschrieben werden, damit diese an sozialen und politischen Entscheidungsprozessen teilhaben können. Ihr wird die Möglichkeit gegeben, an der Situation und der Zukunft der eigenen Gemeinschaft, der Gemeinde, des Staates, gelegentlich sogar mit globaler Reichweite, mitzuwirken.
Ein weiterer Blickwinkel ist der der Lebenswelt. Er bezeichnet die Eigenschaft alltägliche und komplexe Belastungen mit eigener innerer Stärke zu überwinden. Dabei hat die Beachtung von Verhältnismäßigkeit einen äußerst beträchtlichen Stellenwert. Das Ziel des lebensweltlichen Empowerments ist die selbstständige Bewältigung des Alltags, also dem Nachgehen von täglicher Belange.
Nach der reflexiven Auffassung Herrigers ist Empowerment der Prozess, in dem der Betroffene von sich aus Mächte ergreift, eigene Ressourcen nutzt, um seine eigene Unabhängigkeit zurückzuerlangen. Sie befreien sich souverän aus ihrer Unmündigkeit, dem Zustand der Bevormundung, ohne dabei auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Es beschreibt den Vorgang der Selbsthilfe.
Der transitive Zugang beschreibt das Absehen des Pädagogen vom Defizitblickwinkel. Dieser soll seine Konzentration darauf lenken die Unabhängigkeit des Klienten zu fördern und Unterstützung zu leisten. Darüber hinaus soll er die ungenutzten Ressourcen dessen hervorbringen. (vgl. Herriger, 2020, S. 13-21)
2.2 Partizipation
Partizipation leitet sich von dem lateinischen Begriff „ participare“ ab und beutet „sich beteiligen“. Allgemein bezeichnet Partizipation Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Mitsprache und Mitwirkung. Ursprünglich stammt Begriff aus der Politik und bezeichnet die freiwillige Beteiligung von Staatsbürgerinnen an demokratischen Entscheidungsprozessen (vgl. Thurich, 2011, S. 41).
Mit der Zeit gewann der Begriff auch in anderen Bereichen an Bedeutung. „[Innerhalb] der Kinder- und Jugendhilfe ist Partizipation demnach die aktive Mitgestaltung von betroffenen jungen Menschen, welche in engem Zusammenhang mit der Selbstständigkeitserziehung steht“ (Matthes, 2016, S. 2). Individuen sollen dementsprechend schon im frühen Kindesalter zur Eigenständigkeit erzogen werden.
3 Rechtliche Grundlagen
Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Partizipation. Für eine globale Regelung gibt es die Kinderrechtskonvention. Nach diesem Maßstab haben zahlreiche Staaten Gesetze zu den Kinderrechten in ihren Gesetzgebungen integriert. Darunter auch Deutschland.
3.1 Die UN -Kinderrechtskonvention
20. November 1989 - Die Mitglieder der Vereinigten Nationen verabschiedeten im Zuge der Generalversammlung eigene Rechte für Kinder - die UN-Kinderrechtskonvention. Gemeinsam einigten diese sich auf die wichtigsten Rechte, die Kindern, unabhängig von, ihrer Hautfarbe, ihrem Glauben, ihrem Geschlecht, ihrer Sprache, ihrer politischen und sozialen Herkunft, zustehen sollen.
Die Kinderrechtskonvention umfasst 54 Artikel, die in drei Teile gegliedert sind. Oftmals werden diese zu den zehn wesentlichsten Kinderrechten zusammengefasst: Gleichheit, Gesundheit, Bildung, Spiel und Freizeit, gewaltfreie Erziehung, elterliche Fürsorge, Schutz im Krieg und auf der Flucht, besondere Fürsorge und Behinderung und, das für meine Arbeit am relevanteste Recht, das der freien Meinungsäußerung und Beteiligung. Erläutert wird dies durch den Artikel zwölf der Kinderrechtskonvention:
„(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“ (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2019, S. 15)
Kinder haben Kraft der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Meinungsbildung und Äußerung dieser, wenn es selbst von der Angelegenheit betroffen ist. Die Kindesmeinung soll zudem gemäß dem Alter beachtet und anerkannt werden.
3.2 SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe
Auf Grundlage der UN-Kinderechtskonvention und eben diesem Artikel zwölf, wurden innerhalb der deutschen Gesetzgebung Rechte auf Partizipation für Kinder und Jugendliche festgelegt. Niedergeschrieben sind diese im Achten Sozialgesetzbuch, die Kinder- und Jugendhilfe.
„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ (§1 Abs. 1 SGB VIII) Jeder junge Mensch hat das Recht auf eine Förderung, unter Berücksichtigung seines Entwicklungsstandes, zu einem selbstständigen und gesellschaftskonformen Individuum (vgl. Nomos Gesetze, 2020, S. 1849).
„Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen.“ (§8 Abs. 1 SGB VIII)
Der achte Paragraph besagt, es ist darauf zu achten, dass die Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen in bestimmten Verfahren erfolgt, sie an Entscheidungen der Verfahren mit zu beteiligen und ihnen ihre Rechte diesbezüglich zu verdeutlichen (vgl. Nomos Gesetze, 2020, S. 1850).
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