Fußball als Religionsersatz

Ein Vergleich der Werke "Ein Sportstück" von Elfriede Jelinek und "Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde" von Friedrich Delius


Term Paper (Advanced seminar), 2021

19 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Religion als Begriffsbestimmung
2.1 Definition Religion
2.2 Funktionen der Religion

3. Fußball als Religionsersatz in den Werken
3.1 Der Religionsersatz in Der Sonntag, an dem Ich Weltmeister -wurde
3.2 Der Religionsersatz in Ein Sportstück
3.3 Vergleich der Werke

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn man an das Jahr 2014 denkt, dann verbindet vermutlich jeder Deutsche dies mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft in Brasilien. In Brasilien verwendet man mittlerweile „Gol da Alemanha“ (Übersetzt: Tor für Deutschland) als Sprachwitz, wenn jemandem ein Missgeschick passiert.

Der Fußball hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr Präsenz im Leben der Menschen erlangt. Ob in Südafrika, Italien, Argentinien oder Kenia, überall auf der Welt wird Fußball gespielt. Die dazugehörige Fankultur verehren ihre Vereine wie Götter, indem siejeden Spieltag das Stadion besuchen und ihre Trikots in den Vereinsfarben tragen.

Gute Fußballer werden als „Fußballgott“ bezeichnet und die Hand mit der Maradona ein Tor während der Weltmeisterschaft 1986 erzielte, war die „Hand Gottes“. Die Begriffe deuten bereits an, dass der Fußball möglicherweise eine Ersatzreligion darstellen könnte, welche die (traditionellen) Religionen ablösen könnte.

Diese Hausarbeit soll sich, unter der Berücksichtigung der Werke von Elfriede Jelinek Ein Sportstück und Friedrich Christian Delius Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde, mit der Frage beschäftigen „Inwiefern könnte der Fußball als Religionsersatz fungieren?“

Delius Werk handelt von den Anfängen der Fußballkultur in Deutschland. Jelineks Werk Ein Sportstück betrachtet den Sport und seine Fankulturen in der heutigen Zeit eher aus einem kritischeren Blickwinkel.

Um die parallelen der Religion und des Fußballs in den Werken herausfinden zu können, werden zunächst die Funktionen der Religion generell erläutert, um diese anschließend mit den Funktionen des Fußballs in den Werken vergleichen zu können.

2. Die Religion als Begriffsbestimmung

2.1 Definition Religion

Religion ist in seinem Ursprung entstanden, um den Menschen gewisse unerklärte Dinge sinnhaft zu erläutern. So wurden in der griechischen Mythologie Götter erschaffen, um verschiedene Naturphänomene zu erklären, für die es bis dahin noch keine (wissenschaftliche) Erklärung gab.

Beschäftigt man sich mit der Definition der Religion wird bewusst, dass es sich hierbei keinesfalls um ein unkompliziertes Thema handelt. Ganz im Gegenteil: Die historische Religionsforschung ist sich bis heute unsicher, wie man Religion am besten definieren sollte.

Der Duden unterteilt den Begriff der Religion in zwei Bedeutungen:

1. (meist von einer größeren Gemeinschaft angenommener) bestimmter, durch Lehre und Satzungen festgelegter Glaube und sein Bekenntnis
2. gläubig verehrende Anerkennung einer alles Sein bestimmenden göttlichen Macht; religiöse Weltanschauung1

Religion ist laut dieser Definition eine übergeordnete (göttliche) Macht, die durch Mythen, Traditionen oder Glaubensrichtungen entstanden ist und eine von der Gesellschaft anerkannte Satzung enthält, die es zu befolgen gilt.

Die verschiedenen Vorschläge zur Definition der Religion gehen in die Hunderte. Dementsprechend verzichten viele auf eine eindeutige Definition von Religion und entwerfen nur ein Konzept, um die Grundprobleme des Religionsbegriffes zu analysieren.2 Ein Problem ist, dass es Religion nicht als Einzahl gibt. Religion ist ein abstrakter Begriff für etwas, das nicht greifbar ist. Der Religionsbegriff ist eine Erfindung der westlichen, aufklärerisch geprägten Moderne und diesbezüglich stark in seiner Denkweise christlich geprägt, sodass der Begriff nur noch dekonstruiert und auf die Funktion im populären Diskurs untersucht wird.3

Einige Soziologen haben sich in den letzten Jahren vertieft mit der Frage beschäftigt, inwiefern sich die Religion auf die Gesellschaft auswirkt. Einer der bekanntesten ist Emile Dürkheim (1858-1917), welcher gleichzeitig als Begründer der Religionssoziologie gilt. In seinem Werk „Die elementaren Formen des religiösen Lebens“ setzt er sich mit den sozialen Voraussetzungen und Wirkungen der Religion auf die Gesellschaft auseinander und stellt fest, dass Religion eine „kollektive Sache“ sei und dass diese innerhalb der Gesellschaft eine bedeutende Rolle einnimmt. Er definiert Religion als „ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige, d. h. abgesonderte und verbotene Dinge [...] beziehen, die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft [...] alle vereinen, die ihr angehören.“4

So zählen zu diesem solidarischen System verschiedenen Dimensionen und die dazugehörigen Indikatoren. Zu den Dimensionen gehört die Zugehörigkeit, die rituelle Praxis und die religiöse Überzeugung. Die passenden Indikatoren wären beispielsweise die Kirchenmitgliedschaft, der Kirchgang und der Glaube an Gott. Anhand dieses Systems wird bewusst, wie stark die religiösen Handlungen in das Leben der Menschen integriert sind und welche Bedeutung die Religion in diesem hat.

Im Folgenden wird die soziologische Funktion der Religion von Dürkheim näher erläutert und in Hinblick auf den Fußball mit diesem in Verbindung gebracht.

2.2 Funktionen der Religion

Religion an sich ist schwer zu definieren, jedoch ist die Funktion der Religion weitaus einfacher zu benennen als die Definition. Religion dient dem Zweck den Gläubigen an seinen Glauben näher zu bringen. Dies bedeutet, dass es eine Verbindung zwischen den zwei Komponenten (Gläubiger und Gott) gibt, welche durch Riten und Praktiken durchgeführt werden. Auffällig ist, dass je nach Kultur, es andere Riten und Glaubensrichtungen gibt, sodass jede Gesellschaft ihre eigenen Riten und Praktiken besitzt.

Dabei stellt sich die Frage, ob die Religion durch die Gesellschaft geprägt wird oder die Gesellschaft durch die Religion.

Dürkheim vertritt die Auffassung, dass Gott nur ein bildhafter Ausdruck der Gesellschaft ist5. Dementsprechend ist für ihn die Religion durch die Gesellschaft geprägt. Gleichzeitig stützt die Religion die Gesellschaft und ihre einzelnen Individuen. Sie gibt Kraft, allein durch ihr existenzielles Dasein. Viele definieren diesen Glauben als „Glücksbringer“, der auf sie aufpasst, solange sie diesen in der Praxis anwenden. Sie motiviert zu einem sozialen Handeln und zu einer moralischen Denkweise. All diese Funktionen dienen mehr dem allgemeinen Wohl der Gesellschaft als dem einzelnen Individuum. So lässt sich festhalten, dass egal welche Art von Religion ausgeübt wird, sie den Zweck erfüllt einen besser angepassten Menschen für die Gesellschaft zu formen. Für diese Hausarbeit ist die Funktion der Religion wichtig, weil folglich gefragt werden soll, welche Funktion der Religion von Fußball-Fans möglicherweise miterfüllt werden können und ob der Fußball einen Religionsersatz darstellen kann.

Dementsprechend werden die Kriterien der Funktionen von Religion zunächst aufgelistet:

1. Die erste, schon angesprochene und älteste Funktion von Religion, ist der klassische Ansatz von Dürkheim. Für ihn ist die Gemeinschaftsstiftung die zentrale Funktion der Religion. Sie stärkt durch regelmäßige Teilnahme an kollektiven Ritualen die Gruppengemeinschaft. Laut ihm habe der Mensch das Bedürfnis nach sozialer Einbindung und Akzeptanz, welches durch die Zugehörigkeit zu einer Religion befriedigt werden kann.
2. Eine weitere wichtige Aufgabe von Religion sind die Wertorientierungen. Diese leiten die einzelnen Individuen in die richtige (ethische) Richtung, sodass sie auf den „richtigen Weg“ geleitet werden. So geben sie entsprechenden Halt in verschiedenen Lebenslagen und Rahmen das Leben durch ihre Muster der idealen Lebensführung. Beispielsweise dienen die zehn Gebote dieser Funktion.
3. Des Weiteren kann Religion der Gefühlsregulation dienen. Viele Menschen beten, wenn sie in persönlichen Krisen sind, und finden in diesen Gebeten Trost und Geborgenheit.6
4. Die Ritualisierung des Alltags spielt eine weitere wichtige Rolle, weil sie den Glaubensanhängern einen zeitlich strukturierten Lebensablauf verschafft. Beim christlichen Glauben wäre es die herausgehobene Stellung des Sonntags und den Kirchenkalender oder im islamischen Glauben das tägliche Beten.
5. Die letzte Funktion ist die, der Kontingenzbewältigung durch die Religion. Die Erklärung eines Phänomens, dass durch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse erklärt werden kann oder der Glaube an das Leben nach dem Tod werden durch diesen Begriff zu den Funktionen der Religion zugeordnet.7

...


1 Dudenredaktion, Der Begriff Religion, Abgerufen am 02.10.2021 unter URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Religion

2 Vgl. Pollack, Detlef: Probleme der Definition von Religion. In: Pollack/Krech/Müller/Hero: Handbuch Religionssoziologie. Wiesbaden 2018, S. 19.

3 Vgl. Ebd. S. 19.

4 Emile Dürkheim (1912), Die elementaren Formen des religiösen Lebens, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1984, S. 75.

5 Vgl. Emile Dürkheim, Die elementaren Formen des religiösen Lebens, S. 77.

6 Hier passt das Zitat von Campino „Jeder muss an etwas Glauben, auch wenn es Fortuna Düsseldorf ist“, denn dies beschreibt, dass man nicht unbedingt für diese Funktion einen besonderen Gott braucht, sondern manchmal einfach nur etwas, für das es sich lohnt zu glauben und zu beten und durch diesen Glauben von seinen Problemen abgelenkt wird, weil sie einem die Kraft gibt noch einmal mehr zu geben.

7 Vgl. Mike Schäfer/Mathias Schäfer, Abseits-Religion Fußball als Religionsersatz?, Zugriff unter https://www.uzh.ch/cmsssl/ikmz/dam/jcr:de90cf56-188b-4301- beea8fd36525d6a2/4_13.pdf., S. 5-6.

Excerpt out of 19 pages

Details

Title
Fußball als Religionsersatz
Subtitle
Ein Vergleich der Werke "Ein Sportstück" von Elfriede Jelinek und "Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde" von Friedrich Delius
College
Ruhr-University of Bochum  (Germanistisches Institut)
Course
Fußball als Textkultur
Grade
2,0
Author
Year
2021
Pages
19
Catalog Number
V1152599
ISBN (eBook)
9783346542922
ISBN (Book)
9783346542939
Language
German
Notes
Keywords
Jelinek, Delius, Fußball, Religionsersatz, Textkultur, Ein Sportstück, Der Sonntag an dem ich Weltmeister wurde, Durkheim, Religion
Quote paper
Anika Preuß (Author), 2021, Fußball als Religionsersatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1152599

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Fußball als Religionsersatz



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free