Die Kooperation von Regelschullehrern und Sonderpädagogen bei der Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Sekundarstufe I


Diplomarbeit, 2006

138 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

1 ZUM VERSTÄNDNIS VON INTEGRATION
1.1 DER BEGRIFF INTEGRATION
1.2 INTEGRATIVE SCHULPÄDAGOGIK
1.3 SCHULISCHE INTEGRATION IN ÖSTERREICH
1.4 INTEGRATION AUF DER SEKUNDARSTUFE I
1.4.1 Der Sonderpädagogische Förderbedarf (SpF)
1.4.2 Kriterien und Strukturen der Integration auf der Sekundarstufe I
1.5 ZUSAMMENFASSUNG

2 DIMENSION DES BEGRIFFES KOOPERATION
2.1 DER BEGRIFF KOOPERATION
2.2 DEFINITION VON KOOPERATION
2.3 KOOPERATION UND TEAMARBEIT
2.4 KOOPERATIONS- UND TEAMENTWICKLUNG
2.4.1 Forming
2.4.2 Storming
2.4.3 Norming
2.4.4 Performing
2.5 RAHMENBEDINGUNGEN VON KOOPERATION UND TEAMARBEIT
2.5.1 Eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung
2.5.2 Ein klares Ziel
2.5.3 Kommunikation in der Gruppe
2.5.4 Wechselnde Leitung der Gruppe
2.5.5 Autonomie und Rahmensetzung der Gruppe
2.5.6 Unterstützung
2.5.7 Erfolgserlebnisse
2.6 WIRKSAMKEIT VON KOOPERATION UND TEAMARBEIT
2.7 EFFEKTIVE UND INEFFEKTIVE KOOPERATION UND TEAMARBEIT
2.8 KOOPERATION ALS PROBLEM
2.9 ZUSAMMENFASSUNG

3 ORGANISATIONSSTRUKTUREN IN DER SEKUNDARSTUFE I
3.1 STRUKTUREN DER AHS (ALLGEMEIN BILDENDEN HÖHEREN SCHULE)
3.2 STRUKTUREN DER HS (HAUPTSCHULE)
3.3 STRUKTUREN DER KMS (KOOPERATIVE MITTELSCHULE)
3.3.1 Kooperation im Rahmen der KMS
3.3.2 Kooperative Mittelschule – Der Schulversuch
3.3.3 Kooperative Mittelschule – Das Projekt
3.4 RAHMENBEDINGUNGEN UND STRUKTUREN DER AHS, HS UND KMS (ALLGEMEINER PFLICHTSCHULBEREICH - SEKUNDARSTUFE I )
3.4.1 Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen
3.4.2 Kooperation
3.4.3 Mittleres Management
3.4.4 Jahrgangsteams und Teamplanung
3.4.5 Soziales Lernen
3.4.6 Berufs- und Schullaufbahnorientierung ZUSAMMENFASSUNG

4 EBENEN DER BETRACHTUNG KOOPERATIVER ARBEIT ZWISCHEN REGELSCHULLEHRERN UND SONDERPÄDAGOGEN
4.1 ORGANISATIONSEBENE UND ORGANISATIONSPROBLEME
4.2 SACHEBENE UND SACHPROBLEME
4.3 BEZIEHUNGSEBENE UND BEZIEHUNGSPROBLEME
4.4 PERSÖNLICHKEITSEBENE UND PERSÖNLICHKEITSPROBLEME
4.5 DIE ROLLE VON SONDERPÄDAGOGEN
4.6 ZUSAMMENFASSUNG

5 FORSCHUNGSMETHODE
5.1 VORBEMERKUNG ZUM VERFAHREN
5.2 ERHEBUNGSVERFAHREN „SCHRIFTLICHER FRAGEBOGEN“
5.3 FRAGEBOGENKONSTRUKTION
5.4 AUSWAHL DER BEFRAGTEN
5.5 AUSWERTUNGSVERFAHREN

6 BETRACHTUNG KOOPERATIVER ARBEIT VON REGELSCHULLEHRERN UND SONDERPÄDAGOGIEN AN WIENER SCHULEN 101
6.1 ORGANISATIONSEBENE
6.1.1 Organisatorisches Modell
6.1.2 Räumliche Ausstattung der Schule
6.1.3 Kommunikation mit der Schulleitung
6.1.4 Gemeinsame Zielsetzung für die Kooperation
6.1.5 Einstellung der Schulleitung gegenüber Kooperation
6.1.6 Teambildung
6.1.7 Weiterbildung
6.1.8 Supervision
6.2 SACHEBENE
6.2.1 Rollen- und Aufgabenverteilung im Team
6.2.2 Rollen- und Aufgabenverteilung im Unterricht
6.2.3 Konkrete Aufgaben- und Rollenverteilung
6.3 BEZIEHUNGSEBENE
6.3.1 Kooperationsbeziehung im Team
6.3.2 Beziehungskultur im Team
6.3.3 Hilfestellung und gegenseitige Unterstützung
6.3.4 Harmonieren im Unterricht
6.3.5 Leistungen und Fortschritte der Schüler
6.3.6 Gleichberechtigte Ansprechpartner
6.4 PERSÖNLICHKEITSEBENE
6.4.1 Persönliches Kommunikationsverhalten
6.4.2 Persönliche Bewertung von Kooperation und Teamarbeit
6.4.3 Zufriedenheit mit den Aufgaben und Rollenverteilung im Team
6.5 ZUSAMMENFASSUNG UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

7 SCHLUSSBEMERKUNG

8 LITERATURVERZEICHNIS

EINLEITUNG

Seit Jahren werden Kooperation und Teamarbeit groß geschrieben. Institute werden gegründet, Manager geschult, Kriterienkataloge für Wirtschaft und Verwaltung entwickelt und Kooperation und Teamfähigkeit werden zu sogenannten Schlüsselqualifikationen, über die sich die Literatur häuft. Die Orientierung auf Arbeiten im Team, auf Kooperation miteinander scheint unaufhaltsam. Auch an Schulen, in der Schulverwaltung und im pädagogischen Bereich allgemein tut sich einiges. Das Thema Gruppenarbeit fehlt selbstverständlich kaum in einer Publikation zum modernen Unterricht. Alles das bezieht sich allerdings hauptsächlich auf Schüler und Schülerinnen. Natürlich gibt es einiges an informierender Literatur zu Teamarbeit und Kooperation. Schulen stellen ihre Konzepte für Teamarbeit ins Internet und sogar ein Institut für Teamarbeit wurde in Deutschland gegründet. Es gibt also genügend Stoff, um es Lehrerinnen/Lehrern zu ermöglichen so zu werden, wie ihre Schülerinnen/Schüler arbeiten sollten. Dennoch gibt es im Vergleich dazu, was sich tatsächlich an Schulen im Rahmen der Kooperation von Pädagoginnen/Pädagogen vollzieht, nur einige aktuelle Studien oder Forschungsberichte. Diese Publikationen beziehen sich meist auf die Kooperation bzw. Teamarbeit an Grundschulen.

Die vorliegende Diplomarbeit ist im Rahmen einer `wissenschaftlichen Begleitforschung zu Integration von Schülerinnen/Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der kooperativen Mittelschule in Wien` unter der Leitung und Betreuung von Univ.-Prof. Dr. Gottfried Biewer entstanden. Mein Anliegen ist es, im Laufe dieser Arbeit herauszufinden, was unter Kooperation im pädagogischen Kontext verstanden wird und welche Bedingungen kooperative Arbeitsformen benötigen. Durch eine schriftliche Befragung von Pädagoginnen und Pädagogen aus Integrationsklassen an allgemein höher bildenden Schulen und kooperativen Mittelschulen in Wien, beabsichtige ich Erfahrungen und Einschätzungen sowie mögliche Probleme bezüglich der Kooperation im Team zu erhalten.

Der erste Abschnitt stellt kurz den Rahmen der schulischen Integration dar und beschreibt kurz die Situation in Österreich.

Im zweiten Abschnitt werden theoretische Standpunkte sowie Überlegungen zum Begriff „Kooperation“ dargestellt und der Bezug zwischen „Kooperation“ und

„Teamarbeit“ hergestellt. Anschließend wird ein Überblick über Entwicklungsstufen, Rahmenbedingungen und Wirksamkeit von Kooperation und Teamarbeit gegeben.

Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit organisatorischen Strukturen der Sekundarstufe I und geht vermehrt auf die „Kooperative Mittelschule“ ein.

Im vierten Abschnitt wird das Strukturmodell zur Betrachtung kooperativer Arbeit zwischen Regelschullehrerinnen/-lehrern und Integrationspädagoginnen/-pädagogen näher erläutert, wobei besonders auf die unterschiedlichen Dimensionen der kooperativen Arbeitbeziehungen eingegangen wird.

Eine Darstellung der Forschungsmethode sowie die Beschreibung des technischen Ablaufes der Untersuchung erfolgt in Abschnitt fünf.

Abschnitt sechs beinhaltet die (grafische) Darstellung und Interpretation der Ergebnisse, welche durch die schriftliche Erhebung gewonnen wurden. Die Erfahrungen sowie die Bewertung der Lehrerinnen und Lehrer im Zuge der kooperativen Arbeit werden hier präsentiert.

Der letzte Abschnitt widmet sich der Ansicht, dass Integration ohne Kooperation praktisch unmöglich ist und Kooperation nur dann funktioniert, wenn bestimmte Rahmenbedingungen gegeben sind.

Wien, September 2006 Birgit Fordinal

1 ZUM VERSTÄNDNIS VON INTEGRATION

Integration ist zum Leitmotiv unserer modernen Gesellschaft geworden, die von Politik, Wirtschaft, Kirche und nicht zuletzt auch von der Schule gefordert wird. In diesem Kapitel gilt es aber zunächst zu klären, was unter dem Begriff „Integration“ überhaupt verstanden wird, und wie sich „schulische Integration“ charakterisieren lässt.

1.1 Der Begriff Integration

Der Begriff „Integration“ ist vielschichtig und begegnet uns im heutigen Alltag in unterschiedlichen Zusammenhängen mit teilweise sehr unterschiedlichen Bedeutungen. Gesellschaftspolitische Bedeutung erlangte der Integrationsbegriff über die Philosophie des 19. Jahrhunderts und dann vor allem durch die Soziologie, Psychologie und die Bildungspolitik der Neuzeit. Dabei machte der Begriff zahlreiche Bedeutungswandlungen durch (Kobi, 1994, 71).

Heute verbindet man mit Integration, als eines der Signalwörter unserer Zeit vor allem die gesellschaftliche und soziale Eingliederung von Asylanten, Ausländern und behinderten Menschen. Niemand darf mehr ausgegrenzt werden, denn jede/jeder soll sich in eine Gemeinschaft integrieren.

Das Wort „Integration“ kommt ursprünglich vom lat. „integratio“, welches das

„Wiederherstellen eines Ganzen“, „Vervollständigung“ bzw. „Einbeziehen, Eingliederung in ein größeres Ganzes“ (Duden, 1997, 368) bedeutet. Dieses Verständnis setzt also einen Zustand voraus, in dem etwas getrennt wurde, dass später „wiederhergestellt“ werden muss. Demzufolge handelt es sich um Sachverhalte, bei denen etwas wieder zusammengeführt wird, was zuvor getrennt wurde. Dass bedeutet, Integration setzt Segregation voraus – denn nur was segregiert wurde kann auch wieder integriert werden. Damit ist aber auch die Ausrichtung auf eine Mehrheit gemeint, deshalb meint der Begriff „Integration“ ebenso die Anpassung an Normvorstellungen.

Integration beschreibt demnach einen Prozess, in welchem außen stehende Personen, zugehörige und vollwertige Mitglieder einer bereits bestehenden sozialen Gruppe werden sollen unter Erhaltung der eigenen Identität. Die Stabilität der sozialen Ganzheit und auch die soziale Identität zu verstärken, werden oft als Ziele von Integration angegeben.

Integration von Ausländern beinhaltet die große Herausforderung eines gemeinsamen Lebens zwischen verschiedenen Rassen, Religionen und Kulturen. Gefordert wird die Gemeinschaftlichkeit in verschiedenen Lebensbereichen unseres gemeinschaftlichen Lebens, wie Familie, Beruf, Freizeit uvm.

Allgemein lässt sich der Integrationsbegriff als „Soziale Prozesse der Eingliederung von Menschen in gesellschaftliche Systeme, z.B. von Einzelpersonen in Gruppen, von Gruppen in ein Gesellschaftssystem oder Vereinigung von Gesellschaftssystemen.“ (Schaub/Zenke, 2000, 275) definieren.

Die heutige Integrationsdiskussion ist aber nicht nur auf Ausländer beschränkt, sondern bezieht sich auch auf die gemeinsame Erziehung und das gemeinsame Unterrichten von behinderten und nicht behinderten Menschen. Dies setzt voraus, dass behinderte Kinder in einem normalen Klassenverband integriert werden. Die soziale Eingliederung soll durch den gemeinsamen Unterricht, gemeinsames Spielen, Lernen und Arbeiten gefördert werden.

Nach pädagogischem und psychologischem Verständnis hat Integration auch personale und soziale Aspekte. Sie bezeichnet einerseits „die adäquate Eingliederung seelischer Vorgänge in sensorischer, kognitiver, emotionaler und in psychomotorischer Hinsicht und zum anderen die gelingende Eingliederung in gesellschaftliche Gruppen und in die Arbeits- und Berufswelt.“ (Ortmann/Myscheker, 1999, 4).

Im Folgenden wird der Begriff „Integration“ immer in Verbindung mit der gemeinsamen Erziehung von behinderten und nicht behinderten Menschen verwendet.

1.2 Integrative Schulpädagogik

Integration kann nicht allein dadurch bestimmt oder erreicht werden, dass behinderte Menschen und nicht behinderte Menschen miteinander unterrichtet werden. Integration hat als Ziel und Weg, jede Person in ihrer Individualität zu akzeptieren und, dass sie/er gleichwertig an der Gesellschaft in allen Bereichen teilnehmen kann.

BERGMANN meint dazu: „ Das heißt, dass er Dauerbezugspersonen hat, dass er Freunde und Nachbarn haben kann, dass er in Schule, Beruf oder Vereinen Kameraden hat und mit ihnen auskommt, dass er an allen weiteren Bereichen wie Freizeit, Verkehr und Wirtschaft, Politik und Religion teilnehmen kann, ohne diskriminiert zu werden.“ (Bergmann, 2002, 126f). Dadurch wird es nachrangig in welcher Schule Menschen mit bzw. ohne Behinderung lernen und vor allem miteinander leben lernen – jede, ob Sonderschule oder Regelschule muß sich verändern. Die primäre Aufgabe stellt sich dann in der Entwicklung einer Schulkonzeption „für Menschen die verschiedene Lebensformen leben müssen und dürfen, die verschiedene Ziele haben und doch gemeinsam Schule und Gesellschaft gestalten wollen“ (Kobi, 2002, 127), dar.

Seit Jahrhunderten hat sich die Sonder- und Heilpädagogik mit der Theorie und Praxis der Pädagogik bei Menschen mit Behinderung befasst und eine Fülle an Erkenntnissen, Konzepten und Methoden entwickelt. Aus dieser Sicht, welche auf die Förderung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ausgerichtet ist, die Behinderung aufweisen oder von Behinderung bedroht sind, ist „Integration im letztgenannten Sinne seit jeher eine verpflichtende Aufgabe, die sich als Prinzip, Prozeß und Zielsetzung darstellt.“ (Ortmann/Myschker, 1999, 4). Integration meint, in Bezug auf Erziehung und Unterricht die Herbei- und Durchführung notwendiger Maßnahmen für Personen mit Behinderung in allgemeinpädagogischen Systemen. Kinder und Jugendliche sollen demnach in allgemeinen Bildungseinrichtungen adäquat gefördert werden, und dadurch vor Segregation bewahrt werden.

In der, über Jahrhunderte geformten Pädagogik für Kinder und Jugendliche mit Behinderung, die als Sonder- und Heilpädagogik bezeichnet ist, werden zwei Aspekte deutlich. Einerseits ist diese Pädagogik sehr deutlich durch einen therapeutischen Charakter gekennzeichnet, da bspw. bei Sprachbehinderung und Verhaltensstörungen durch pädagogische Mittel und Maßnahmen eine Heilung erzielt werden kann. Andererseits eine Sondererziehung dann eingesetzt wird, wenn Heilung nicht mehr oder überhaupt nicht möglich ist, wie bspw. bei Sinnes- und Körperschäden oder geistiger Behinderung. Sonder- und Heilpädagogik gliedert sich nach den Behinderungsarten in folgende Fachrichtungen: Pädagogik bei Blinden, Pädagogik bei Sehbehinderung, Pädagogik bei Gehörlosigkeit, Pädagogik bei Schwerhörigkeit, Pädagogik bei geistiger Behinderung, Pädagogik bei Körperbehinderung, Pädagogik bei Lernbehinderung, Pädagogik bei Sprachbehinderung und Pädagogik bei Verhaltenstörungen (Ortmann/Myschker, 1999, 5). Die gemeinsame Erziehung und Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung wird von einigen Autoren als eigenständige Pädagogik verstanden, als „Integrationspädagogik“. Integration im schulpädagogischen Rahmen setzt nach EBERWEIN die Theorie und Praxis des gemeinsamen Lernens von behinderten und nicht behinderten Kindern voraus, „sie steht für eine neue Sichtweise zur Erziehung und Unterrichtung von Kindern mit Beeinträchtigungen sowie für einen veränderten Auftrag in Volksschule und Schule.“ Der Begriff „Integrationspädagogik“ beinhaltet „eine Erweiterung und Vertiefung des bisherigen pädagogischen Handlungsverständnisses.“ (Eberwein/Knauer, 2002, 17).

Für den Unterricht in Integrationsklassen bildet also die integrative Pädagogik, im Sinne einer „Pädagogik für alle Kinder“ nach WOCKEN (1988), BOBAN und KÖBBERLING (1991), SANDER (2002), EBERWEIN (2002), ORTMANN und

MYSCHEKER (1999), FEUYERER (1998) u.v.a. die theoretische Grundlage. Nach FEYERER können die Prinzipien der integrativen Pädagogik folgendermaßen zusammengefasst werden (Feyerer, 1998, 37ff):

- „Kind-Umfeld-Ansatz“

Hier wird besonders auf die Wechselwirkung zwischen Individuum, Gesellschaft und sozialer Umwelt verwiesen. Behinderung wird als organische bzw. soziale Isolation im Aneignungsprozess verstanden. Die Förderung eines Kindes hängt deshalb nicht alleine von den Fähigkeiten des Kindes ab, sondern auch von den Fähigkeiten der Schule. „Die integrative Schule stellt

sich daher auf die Möglichkeiten der SchülerInnen ein, anstatt bloß eine Anpassung der Kinder an die Schule zu fordern.“ (Feyerer, 1998, 38).

- „Tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt“

Nur wenn Lernen als Aneignungsprozess der Umwelt durch ständiges Auseinandersetzen mit lebensbedeutenden Handlungsfeldern verstanden wird, haben Kinder die Möglichkeit sich aktiv und kooperativ an einem gemeinsamen Bildungsprozess zu beteiligen.

- „ Integration ist unteilbar“

Kein Kind darf wegen Art und Schwere der Behinderung vom Unterricht ausgeschlossen werden. Integrative Pädagogik müsste nach FEYERER demnach die Frage stellen: „ Wie können die Bedingungen des Umfelds gestaltet werden, damit Kinder nicht ausgeschlossen werden müssen, um eine ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechende Bildung zu erhalten?“ (Feyerer, 1998, 38).

- „Wohnortbezug durch Regionalisierung des Bildungsangebotes“ Integration soll wohnortnahe sein und damit ist die Notwendigkeit der Öffnung von Schulen angesprochen. Die Schule sollte ein Ort der nachbarschaftlichen Begegnung und des Lernens sein, „ wo die Probleme der Kinder zum Lerninhalt werden und nicht der Lerninhalt zum Problem der Kinder.“ (Feyerer, 1998, 39). Dies erfordert auch eine „Dezentralisierung der Hilfen“, welche nicht auf einige Sondereinrichtungen beschränkt bleiben.

- „Vielfältigkeit“

Damit wird auf den Verzicht von „gleichmachender“ und „gleichbehandelnder“ Aktivitäten verwiesen. „Unterschiedliche Lernbedingungen verlangen nach einem großen Repertoire an Methoden und individualisierte Lernziele bedingen eine nicht vergleichende Beurteilung.“ (Feyerer, 1998, 39).

- „Ganzheitlichkeit“

Dieses Prinzip meint, „ dass unter Bezugnahme auf die unmittelbare Umwelt in einem ganzheitlichen Lernprozeß nicht nur die intellektuellen, sondern auch

die sozialen, emotionalen, ästhetischen und körperlichen Fähigkeiten der SchülerInnen gefördert werden.“ (Feyerer, 1998, 39).

- „Freiwilligkeit“

Hierbei geht es um die Notwendigkeit eines inneren Engagements der Lehrerinnen und Lehrer, um bereits gefestigte Werte, Einstellungen und Handlungsmuster zu verändern. „Nur wenn die LehrerInnen dazu bereit sind, kann die konkrete Begegnung mit behinderten SchülerInnen zu einer für alle Beteiligten sinnvollen Integration führen.“ (Feyerer, 1998, 40).

Integrative Pädagogik in diesem Sinne versteht „eine allgemeine, kindzentrierte und basale Pädagogik, in der alle Kinder in Kooperation miteinander auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenz an und mit einem gemeinsamen Gegenstand spielen, lernen und arbeiten.“ (Feyerer, 1998, 40).

1.3 Schulische Integration in Österreich

Österreich hat sich in den letzten Jahren einer europaweiten Schulreform angeschlossen. Im Jahr 1993 wurde die UN-Kinderrechtskonvention von Österreich unterzeichnet, welche eine nahezu „vollständige soziale Integration und individuelle Entfaltung“ behinderter Kinder vorsieht. Im selben Jahr wurden durch Novellen zum Schulorganisationsgesetz und zum Schulpflichtgesetz, die Integration behinderter Kinder in die Volksschule ermöglicht. Im Schuljahr 1997/1998 hat schließlich die Integration behinderter Schülerinnen/Schüler auch im Regelschulwesen ihren Einzug gehalten. Seit diesem Schuljahr gilt auch die Berechtigung schulpflichtiger Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SpF), die allgemeine Schulpflicht an einer Hauptschule bzw. der Unterstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule fortzusetzen. Diesem Schuljahr vorausgegangen sind zehn Jahre, in denen verschiedene Modelle der integrativen Betreuung in Schulversuchen erprobt wurden (Grill et al., 2001).

In Österreich gab es bereits 1988 die ersten sozialintegrativen Schulversuche auf der Sekundarstufe I. Der Anstoß zur Integration ging von den Eltern behinderter Kinder und engagierten Lehrerinnen und Lehrern aus. Sie forderten für die behinderten Kinder die gleichen Voraussetzungen wie für nichtbehinderte Kinder. Im Jahr 1993 regelte die 15. SchOG-Novelle den „gemeinsamen Unterricht“ in der Volksschule und die 17. SchOG-Novelle regelte die nötigen Anpassungen für die Sekundarstufe I. Der Österreichischen Bundesverfassung wurde 1997 eine „Nichtdiskriminierungsklausel“ für behinderte Menschen angefügt. Durch diese Maßnahmen wurde eine Schulreform eingeleitet, bei welcher das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler, eine geänderte Didaktik sowie soziales Lernen im Mittelpunkt des Unterrichts stehen. Das Mitspracherecht der Betroffenen und das Normalisierungsprinzip ergänzen die behinderungsspezifischen Maßnahmen (Bauer L., 2000).

„SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SpF) sind berechtigt eine den sonderpädagogischen Förderbedarf erfüllende Hauptschule oder Unterstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule (AHS) zu besuchen (SchPflG § 8a Abs. 1). Sind keine geeigneten Schulen vorhanden, so hat der Bezirksschulrat Maßnahmen zur Ermöglichung des Besuches der gewünschten Schulart zu ergreifen (SchPflG § 8 Abs. 3) (Grill et al, 2001, 5) .

1.4 Integration auf der Sekundarstufe I

Seit dem Schuljahr 1997/1998 gibt es in Österreich die gesetzliche Wahlmöglichkeit zwischen dem Sonderschulbesuch und dem integrativen Schulbesuch für Kinder mit Behinderung. Im Falle eines integrativen Schulbesuches ist die Bezirksschulbehörde per Gesetz verpflichtet, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um dem Wunsch der Eltern behinderter Kinder nachzukommen. Für die Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen ist die Bundesgesetzgebung zuständig – im Durchschnitt sind mindestens fünf Schülerinnen/Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SpF) zu unterrichten. Anders als bei den Hauptschulen, diese unterliegen den Ausführungsgesetzen der Bundesländer. Detailbestimmungen zur schulischen Integration werden von den einzelnen Ländern (per Landesgesetz) geregelt. Die Aufnahmebedingung für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist der Besuch der vierten Stufe der Volksschule bzw. einer entsprechenden Stufe der Sonderschule (Bauer L., 2000).

1.4.1 Der Sonderpädagogische Förderbedarf (SpF)

Der sonderpädagogische Förderbedarf (SchOG Novelle BGBl. Nr. 515/1993) ersetzt hinsichtlich der schulischen Förderung behinderter Kinder, deren Sonderschulbedürftigkeit:

„Durch sonderpädagogische Förderung soll für behinderte Kinder eine ihren persönlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen entsprechende schulische Bildung und Erziehung verwirklicht werden. Sie soll zu einem möglichst hohen Maß an schulischer und beruflicher Eingliederung, gesellschaftlicher Teilhabe und selbständiger Lebensgestaltung beitragen.“ (Mörwald/Pannos, 2006, 5).

Das Schulpflichtgesetz § 8 Abs. 1 besagt: „Der Bezirksschulrat hat den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind, auf Antrag des Leiters der Schule, dem das Kind zur Aufnahme vorgestellt worden ist oder dessen Schule es besucht oder sonst von Amts wegen festzustellen, sofern dieses infolge physischer oder psychischer Behinderung, dem Unterricht in der Volksschule oder Hauptschule oder in der Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag aber dennoch schulfähig ist“ (Mörwald/Pannos, 2006, 4).

Grundlage für die Entscheidung des Bezirkschulrates zum sonderpädagogischen Förderbedarf sind verschiedene Gutachten welche meist von Lehrerinnen/Lehrern einer Sonderschule oder eines Sonderpädagogischen Zentrums erstellt werden. Dieses Gutachten enthält einen Befund über Art und Auswirkung der Beeinträchtigung des Kindes und Maßnahmen zur bestmöglichen Förderung (Bauer L., 2000).

1.4.2 Kriterien und Strukturen der Integration auf der Sekundarstufe I

- Rahmenbedingungen

Unterstützende Rahmenbedingungen für den Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder sind eine verminderte Schülerinnenzahl/Schülerzahl, Einsatz einer/eines zusätzlichen/zusätzlichen Lehrerin/Lehrers, der Unterricht nach unterschiedlichen Lehrplänen, besondere Lehrmittel bzw. Hilfsmittel und eine geeignete Unterrichtsform (Bauer L., 2000).

- Lehrerin- und Lehrerteam

In der allgemeinbildenden höheren Schule (Unterstufe) und in der Hauptschule wird der Unterricht von mehreren Fachlehrerinnen/Fachlehrern abgehalten. Zusätzlich steht in den Integrationsklassen durchgehend eine zweite Lehrkraft zur Verfügung. Die Integration in der Sekundarstufe I erfordert von den Lehrerinnen und Lehrern besonders die Bereitschaft im Team den Unterricht zu planen und zu gestalten. Um einerseits die Gruppe von Bezugspersonen für Schülerinnen und Schüler klein zu halten und andererseit die Kooperation zwischen den Kolleginnen/Kollegen zu erleichtern, sollte das Lehrerinnenteam/Lehrerteam nach Möglichkeit klein gehalten werden (Bauer L., 2000).

- Integrativer Unterricht

Diese Form des Unterrichts erfordert Maßnahmen einer kindgerechten und schülerinnenzentrierten/schülerzentrierten Pädagogik (Bauer L., 2000, 28):

- kooperative Arbeitsformen
- innere Differenzierung und Individualisierung
- projektorientiertes sowie fächerübergreifendes Lernen

Der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern dient dem gemeinsamen handlungsorientierten Tun sowie der individualisierten Förderung.

- Lehrplan und Leistungsbeurteilung

Der Lehrplan auf der Sekundarstufe I, nach welchem ein Kind unterrichtet wird, bildet der Bescheid des Bezirksschulrates. In diesem Bescheid wurden bereits Abweichungen vom Regelschullehrplan festgestellt. Im Rahmen der Schulkonferenz wird beschlossen, ob und in welchen Unterrichtsgegenständen eine/ein Schülerin/Schüler nach einem Lehrplan einer anderen Schulstufe unterrichtet wird als dem Alter entsprechend. Dies wird für Schülerinnen/Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Zeugnis vermerkt. Neben der Notenbeurteilung ist eine Beschreibung des individuellen Entwicklungsstandes sowie des Lernfortschrittes günstig (Bauer L., 2000).

1.5 Zusammenfassung

Der Begriff der „Integration“ findet in vielen Bereichen Verwendung und bedeutet im allgemeinen die Herstellung bzw. die Wahrung der Einheit. Im pädagogischen Wissenschaftsbereich spricht man im schulischen Kontext von „Schulischer Integration“. Diese bedeutet generell die gemeinsame Beschulung behinderter und nicht behinderter (sowie inländischer und ausländischer) Kinder. Behinderte und nicht behinderte Schülerinnen und Schüler sollen gemeinsam leben und lernen wodurch die Akzeptanz einer pluralistischen Gesellschaft gefördert wird.

Erste Aktivitäten für „Schulische Integration“ gingen von betroffenen Eltern aus. Seit dem Schuljahr 1993/1994 wurde die integrative Schulform in das Regelschulwesen aufgenommen.

Gemeinsamer Unterricht erfordert gewisse unterstützende Rahmenbedingungen wie die Kooperation von Lehrerinnen und Lehrern, innere Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts nach verschiedenen Lehrplänen, verminderte Schülerinnen- und Schülerzahlen, uvm.

Im folgenden Kapitel wird nun näher auf den Begriff der Kooperation eingegangen, um zu einer Definition für die vorliegende Arbeit zu gelangen.

2 DIMENSION DES BEGRIFFES KOOPERATION

„Kooperation“ ist in den letzten Jahren in vielen Bereichen ein mondäner Begriff geworden und ist nicht selten nur eine modernistische Leerformel. Ausgangspunkt aller folgenden Ausführungen muss zunächst eine Klärung des Begriffs

„Kooperation“ sein. An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, was unter einem Kooperationsbegriff im pädagogischen Kontext verstanden wird und wie dieser in Verbindung zur Teamarbeit steht. Außerdem werden Rahmenbedingungen, unter welchen Kooperation stattfindet bzw. stattfinden kann, näher erläutert.

2.1 Der Begriff Kooperation

Der Begriff „Kooperation“ ist heute ein Schlagwort, hinter dem sich eine Unzahl von Praktiken verbergen. „Kooperation“ kann wörtlich verstanden werden als

„Zusammenarbeit verschiedener Partner“ und „kooperativ“ sind Partner dann, wenn sie „gemeinsam arbeiten“ (Duden, 1997, 447).

Kooperation ist ein sehr häufig und inflationär gebrauchter Begriff, der je nach Verwendung jenes bezeichnet, was unter „Zusammenarbeit“ und „Teamarbeit“ verstanden wird. Vergleicht man die Begriffsbeschreibungen von „Kooperation“ mit einander, so lässt sich erkennen, dass sich trotz unterschiedlich wissenschaftlicher Fachrichtung dieser Terminus allgemein als ein Verbinden von Handlungen zweier oder mehrer Personen/Systeme beschreiben lässt, bei der die Handlung zum Nutzen aller dieser Personen/Systeme führen. Allgemein kann auch festgehalten werden, dass keine Handlungen erwünscht sind, die zum Nachteil einer Seite führen. Kooperation kann, zumindest für die Dauer des Zusammenhandelns, als System bezeichnet werden bei dem die Elemente – die Kooperationspartner – ein entsprechendes (kooperatives) Verhalten erwarten. Diese Erwartungshaltungen können als Rechte und Pflichten angesehen, verhandelt und fixiert werden.

In der Betriebswirtschaftslehre wird unter Kooperation grundsätzlich die freiwillige zwischenmenschliche Zusammenarbeit von mindestens zwei Unternehmen gesehen, die rechtlich und wirtschaftlich selbständig bleiben, jedoch einen Teil ihrer

Souveränität abgeben. Auf Basis einer Kooperationsvereinbarung findet eine zweckmäßige Zusammenarbeit statt, die eine gemeinsame Erreichung von gemeinsamen übergeordneten Zielen anstrebt.

Wirtschafts- und auch Sozialwissenschaften beschreiben den Gegenstand von Kooperation als eine spezielle Form von Austauschbeziehungen. Wirtschaftssubjekte vereinbaren, in einzelnen oder mehreren Bereichen ihrer Tätigkeit zusammenzuarbeiten, da sie dadurch eine positive Veränderung des Zielerreichungsgrades gegenüber individueller Aufgabenerfüllung erwarten. Kooperationsformen haben zweierlei Bedeutung. Einerseits, weil sie die „innere“ Beziehung zwischen kooperierenden Subjekten verändern und andererseits, weil sie die Außenbeziehung zwischen Kooperationsformen und anderen Interessensgruppen beeinflussen (Scheuch, 1993, 47ff).

Grundsätzlich können zwei Grundprinzipien der Kooperation unterschieden werden:

- Die Kooperation, in der etwas Neues durch Zusammenarbeit entsteht, dass durch die Einzelteile nicht möglich ist.
- Die Kooperation, in der Prozesse bzw. Abläufe durch die Kooperationspartner zusammengefasst werden, um einen optimalen Zustand zu erreichen.

Um eine Zusammenarbeit auf klar definierten Kooperationsfeldern zwischen gleichberechtigten Partnern zum gemeinsamen Nutzen zu gewährleisten, sind folgende Bedingungen von großer Bedeutung (Scheuch, 1993, 47ff).

Klare Strukturen und Aufgabenverteilung:

Die Bereiche der Zusammenarbeit müssen klar definiert sein. Eine Kooperation kann sich auf ein oder mehrere Projekte beziehen, sie kann befristet oder zeitlich offen sein. Ferner ist es festzulegen, wie Aufträge auch organisatorisch verteilt werden. Klarheit und Transparenz in der Aufgabenverteilung sind bereits in der Startphase unabdingbar.

Gleichberechtigung:

Die Partner müssen bei allen Entscheidungen gleichberechtigt sein, denn nur so ist eine Kooperation sinnvoll. Dies ist das Gebot der Fairness, da sonst die Gefahr besteht, dass sich bestimmte Unternehmen als Verlierer betrachten und ihre Partner für die Profiteure des Zusammenschlusses halten. Spannung und Frust sind dann die Folge.

Rechtliche Basis:

Hierzu bedarf es einer leitenden Stelle in Form eines Geschäftsführers, die nicht nur die Verantwortung für die logistische und organisatorische Abwicklung der Kooperationsprojekte hat, sondern auch objektiv die wirtschaftlich gerechte Verteilung der gemeinsamen Aufträge kontrolliert.

Auf politischer Ebene wird durch Kooperation versucht, den Nutzen der beteiligten Partner zu steigern. Als Beispiele können hierfür die Europäische Union, die Welthandelsorganisation (WTO) oder einfach Freihandelszonen genannt werden.

Im Sport finden sich Gruppen von Personen, die sich partnerschaftlich mit dem Bewältigen einer Aufgabe befassen. Hier wird diese Art der Kooperation als Sport in der Mannschaft, im „Team“ verstanden.„Kooperation“ umfasst demnach auch

„Gemeinschaftsarbeit“ und „Gruppenarbeit“, also „Teamarbeit“.

„Teamarbeit in der Schule“ ist die intensive Kooperation mehrerer Pädagoginnen und Pädagogen (aber auch anderer Personen), die sich partnerschaftlich unterstützend und aufgabenbezogen für das Lernen und Leben von Schülerinnen und Schülern zum Zweck einzelner schulischer Ziele (oder für die Schule als Ganzes), arbeitsteilig mit gemeinsamer Verantwortung und verhältnismäßig autonom zusammenwirken.

Obwohl es hinsichtlich des Begriffes „Kooperation“ eine Bandbreite an Erklärungsmodellen und Ausgestaltungsformen gibt, kommt es in der einschlägigen Literatur, die sich im besonderen mit Kooperation im integrativen Kontext beschäftigt, meist zu keinen deutlichen Differenzierungen zwischen den Bezeichnungen

„Kooperation“, „Zusammenarbeit“, „Teamarbeit“ und „Teamteaching“. In der integrationspädagogischen Fachliteratur wird unter Kooperation die Zusammenarbeit von zwei oder mehreren Partnern/Partnerinnen mit einem gemeinsamen Ziel verstanden.

WACHTEL u. WITTROCK bezeichnen Kooperation als „...die bewußte, von allen Beteiligten verantwortete, zielgerichtete, gleichwertige und konkurrenzarme Zusammenarbeit in allen Bereichen der Schule“ (Wachtel/Wittrock,1990, 264) und geben damit der Natur der Beziehung zwischen den Partnern/Partnerinnen eine besondere Bedeutung.

Der ursprüngliche Wortsinn von „Kooperation“ ist also das „gemeinsame Tätigsein“, das „miteinander handeln“ sowie die „gemeinsamen Bemühungen“. Nach SCHORR und EBERHART kann der Mensch nur „Miteinander-Handeln“ im „ Miteinander- Leben“, dieses wiederum bedarf zuallererst des „Miteinander-Lernens“. Diese Elemente bedingen einander wechselseitig und werden in dem Terminus

„Kooperation“ gebündelt. Bei „Kooperation“ im Rahmen von Integration erweitert sich der Auftrag vom „Miteinander-Sein“ zum „Miteinander-Handeln“ und „Miteinander- Leben“. Die Qualität des gemeinsamen Lernens von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern wird demnach von der Qualität der Zusammenarbeit jener Personen entschieden, welche für Bildung und Erziehung in den Schulen sowie im schulischen Umfeld und im Elternhaus Verantwortung tragen. Die Autoren SCHORR und EBERHART definieren ihren Begriff „schulische Kooperation“ deshalb “als gemeinsames Lernen von behinderten und nichtbehinderten Schülern in pädagogischer Verantwortung ihrer Lehrer und Eltern. Schulische Kooperation umschließt die Bereiche Unterricht, Schulleben und Freizeitgestaltung.“ (Schorr/Eberhart, 1994, 14).

Im Zuge seiner Untersuchung zur „Heterogenität in der Schule“ spricht HINZ von der noch größeren Komplexität des Unterrichtsgeschehens durch Integration, welche nur von mehreren Lehrerinnen/Lehrern in gemeinsamer Arbeit, durch „integrative Pädagogik“ bewältigt werden kann. Er definiert Kooperation folgendermaßen: „Die Kooperation mehrerer Pädagogen ist somit die Möglichkeit der Wahl für die Komplexreduktion des Unterrichtsgeschehens mit einer extrem heterogenen Lerngruppe.“ (Hinz, 1993, 92). Ein wichtiger Aspekt für die Integration ist die

„integrative Komplexreduktion“ des Unterrichtsgeschehens, welche durch Teamarbeit und Kooperation auf der Seite der Pädagoginnen/Pädagogen stattfindet, anstelle von Aussonderung auf der Schülerinnenseite/Schülerseite. HINZ sieht in der Kooperation mehrer Pädagoginnen/Pädagogen die zentrale Chance, dass sich integrative Arbeit für Kinder, wie für Pädagoginnen/Pädagogen selbst, aussichtsreich entwickeln kann.

KREIE hat auf der Basis der Frankfurter Erfahrungen den Begriff „Integrative Kooperation“ entwickelt. Dieser bezeichnet „den bewussten Prozeß der Zusammenarbeit von Lehrern/Pädagogen, der getragen ist von dem Bemühen beider, in dem pädagogischen Handlungsfeld einer (Grundschule) Regelschule nach dem Modus der Annäherung befriedigende Einigungssituationen herzustellen zwischen innerpsychischen, interpersonell und institutionell widersprüchlichen Bedürfnissen, Grundsätzen, Sichtweisen von Schule und Erziehung, um pädagogische Handlungsspielräume in einem gemeinsamen Lösungsprozess zu erweitern und bei der Sozialisation von Kindern Entwicklungshilfe zu leisten“ (Kreie, 2002, 407). Zu einer Einigung kann es auch durch die gemeinsame Erkenntnis kommen, dass eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht möglich ist. Den Schwerpunkt sieht KREIE also auf dem gemeinsamen Einigungsprozess. Kommt es zu keiner Einigung oder wird diese nicht reflektiert, so bezeichnet KREIE dies als „scheinbare Kooperation“, denn „Integration und Kooperation sind nur scheinbar realisiert, wenn über das räumliche/zeitliche Zusammensein hinaus inhaltlich, z.B. über die Phantasie/Utopie von Schule, und persönlich, z.B. über die Rolle als Lehrer, dessen Ängste und Schwächen, keine Annäherung möglich wird, sondern Anpassungs- oder Absonderungstendenzen dominieren.“ (Kreie, 2002, 407ff).

Somit ist Integration ein Prozess der gegenseitigen Annäherung sowie Abgrenzung auf Basis der Wertschätzung der Individualität des anderen. Es darf zu keiner einseitigen Dominanz mit folgender Anpassung oder Absonderung des Schwächeren kommen denn , „´integrative Kooperation` kann sich nur bei gegenseitiger Akzeptanz entwickeln“ (Kreie, 2002, 407).

JERGER versteht „Kooperation“ innerhalb des Handlungs- und Interaktionssystems Schule als „pädagogische Kooperation“, da es sich um eine Form des (Lehrer)Handelns, Denken und auch um deren Einstellungen handelt, welche auf Kommunikation beruhen. Daher gelten auch für die Kooperation zwischen

Lehrerinnen/Lehrern die gleichen strukturellen Grundlagen und Voraussetzungen mitmenschlicher Kommunikation, wie sie bspw. in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur beschrieben und begründet wurden.

„Kooperation“ nach JERGER „dient der Erreichung gemeinsamer Ziele, die eine Verständigung über Erziehungs- und Bildungsintentionen, sowie einen Austausch über gangbare Wege und die Mittel der Zielerreichung sowie ein Mindestmaß an Einvernehmen voraussetzen.“ (Jerger, 1995, 49). Gemeinsames Lehrerhandeln setzt voraus, dass die Schule gemeinsam zu realisierende Aufgaben vorgibt, welche von Lehrern, Schülern und Eltern gemeinsam erfüllt werden können. Dabei wird die Gleichberechtigung der Partner, wechselseitige Bereitschaft zum Austausch sowie Empathie und Toleranz vorausgesetzt. Kooperation steht dabei in einem engen Wechselverhältnis zu Konsens, da ohne einem minimalen Konsens keine Zusammenarbeit unter den handelnden Personen zustande kommt. Ohne Kooperation und Austausch kommt es wiederum zu keinem umfassenden

„pädagogischen Konsens“, welcher für die Erreichung der Schulziele wichtig ist (Jerger, 1995, 49f).

In der von LÜTJE-KLOOSE und WILLENBRING vorgestellten Konzeption der Kooperation von Sonderpädagoginnen/-pädagogen und Grundschullehrerinnen/- lehrern wird dem organisatorischen Rahmen ein großer Stellenwert eingeräumt. Die Autorinnen verweisen darauf, dass das jeweilige organisatorische Modell, welches den Rahmen der Kooperationsbeziehung zwischen Regelschullehrerinnen/-lehrern und Sonderpädagoginnen/-pädagogen bildet, die Möglichkeiten dieser mitbestimme, etwa der zeitliche Faktor (Lütje-Kloose/Willenbring, 1999, 2 - 31). Die Dimension der kommunikativen Ebene der Organisationsstruktur bleibt jedoch weitgehend unberücksichtigt.

FEUSER schreibt in seiner entwicklungslogischen Didaktik in Bezug zur Kooperation von zwei Aspekten. Zum einen meint er bei seiner Definition von integrativer Pädagogik „eine Pädagogik, in der alle Kinder in Kooperation miteinander auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen in Orientierung auf die ´nächste Zone der Entwicklung´ an und mit einem `Gemeinsamen Gegenstand` spielen, lernen und arbeiten.“ (Feuser, 2002, 283). FEUSER bezieht sich damit auf die Kooperation behinderter und nichtbehinderter Kinder, welche miteinander am gleichen Thema, also am „gemeinsamen Gegenstand“ lernen und leben. Zum anderen verwendet er den Terminus Kooperation in Verbindung mit der Zusammenarbeit der Personen, die am Erziehungs- und Bildungsprozess beteiligten, denn „Integration bedarf nicht nur der Lösung der didaktischen Frage, sondern auch der der Kooperation der Pädagogen, Lehrer, Therapeuten und persönlichen Assistezten.“ (Feuser, 2002, 291). In dieser Definition wird deutlich, dass auch Teamteaching unter dem Kooperationsbegriff subsummiert wird. Die Zusammenarbeit bezieht sich bei FEUSER nicht nur auf die Lehrer, sondern auch auf jene Experten, die am Erziehungsprozess beteiligt sind.

„Kooperativer Unterricht“ ist eine Form der Teamarbeit, bei der mehrere Pädagoginnen und Pädagogen für eine Schulklasse oder Schülergroßgruppe den Unterricht gemeinsam vorbereiten, konkret gestalten und auswerten. Diese Form der Kooperation wird im klassischen und übergeordneten Sinne auch als „Teamteaching“ in der Literatur bezeichnet.

WARWICK, Lehrer an der Henbury School in Bristol, Ende der 60er Jahre verfolgte die Entwicklung von Teamteaching in den USA aus kritischer Distanz und arbeitete an einem der ersten Teamteaching Projekte in Großbritannien mit. WARWICK legte seine Schwerpunkte auf die Möglichkeiten zur Kooperation und Kommunikation, die curriculare Reform sowie die Veränderungen des Selbstverständnisses der Lehrer. Er versteht Teamteaching als „Organisationsweise, bei der einzelne Lehrer beschließen, sich zu einer gegenseitigen Helfer- und Interessensgemeinschaft zusammenzuschließen, um gemeinsam einen solchen Unterricht in flexiblen Schülergruppierungen zu planen und durchzuführen, der den Nöten ihrer Schüler und den Möglichkeiten des Schule gerecht wird.“ (Warwick, 1973, 29). Hervorzuheben ist bei dieser Definition, dass es sich um eine „Organisationsweise“ handelt, in der die/der Lehrerin/Lehrer selbst beschließt, etwas zu tun und deshalb freiwillig im Team arbeitet. Ein weiterer Aspekt ist die „gegenseitige Helfergemeinschaft“; welche Faktoren wie Spezialisierung, Wissen, Erfahrung und die Persönlichkeit des Einzelnen mit einbezieht genauso, wie die Ausstattung der Fachbereiche, freie Zeiten für Zusammenkünfte oder auch die Identität der Fächer. Der Grundsatz ist, dass gegenseitig und verständnisvolles Helfen bei der Arbeit mehr einbringt, als die gesamte Kraft eines einzelnen. Das Wesentliche an der Teamarbeit liegt deshalb im Beitrag des einzelnen für die gesamte Arbeit und in der Kooperation, die innerhalb des Teams geleistet wird.

In dieser Definition von WARWICK wird ein für Integrationsklassen sehr bedeutsamer Aspekt angesprochen, die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Schüler, welche er als „Nöte“ bezeichnet und auf die durch entsprechende Gruppierungen eingegangen wird. Im Zuge der flexiblen Schülergruppierungen werden auch die äußeren Bedingungen angesprochen, denn die Möglichkeiten der jeweiligen Schule müssen natürlich berücksichtigt werden. Diese schließen vorhandene Gebäudeeinrichtungen, Ausstattung der Schule, vorhandene Materialien, personelle Ressourcen etc. mit ein. In diesem Sinne meint Teamteaching nicht nur eine Kooperation von Lehrern, sondern auch flexible Schülergruppierungen. Lehrer können sich immer wieder unterschiedlichen Schülergruppierungen zuordnen, wodurch auch eine Art „psychologische Vielfalt“ in der Betreuung entsteht. Schließlich sind aber kooperierende Lehrer und flexible Schülergruppierungen auch aus pädagogischen Gründen zu fordern, da Teamteaching eine legitime Weise des Miteinander-Lehrens, -lernens und gegenseitiger Erziehung ist (Warwick, 1973).

2.2 Definition von Kooperation

Im Sinne vieler Autoren, die den Begriff „Kooperation“ als Synonym für

„Zusammenarbeit“ und „Teamarbeit“ von Lehrerinnen/Lehrern gebrauchen, wird er auch in der vorliegenden Arbeit verwendet.

Kooperation im Rahmen von Integration wird im Folgenden als Teamarbeit zum Erreichen gemeinsamer Ziele verstanden, die den Austausch über Erziehungs- und Bildungsziele, Mittel und Wege zur Zielerreichung beinhaltet, sowie ein Minimum an Einvernehmen voraussetzt. Kooperation wird als Organisations-, Beziehungs- und Unterrichtsform bezeichnet, bei der zwei oder mehrere gleichwertige Lehrerinnen/Lehrer gleichzeitig eine Gruppe von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen/Schülern betreut. Die Organisation obliegt beiden

Kooperationspartnerinnen/-partnern. Der Unterricht wird gemeinsam inhaltlich und methodisch geplant, durchgeführt und reflektiert, wobei jede/jeder beteiligte Lehrerinnen/Lehrer ihre/seine Kompetenzen einbringt. Die Verantwortung für alle Schülerinnen/Schüler – behinderte und nicht behinderte Jugendliche – wird gemeinsam getragen. Die Aufgaben im Unterricht sowie der Organisation werden geteilt und wechseln ständig. In diesem Sinne können alle Schülerinnen/Schüler auf ihrem individuellen Entwicklungsniveau gefördert und unterstützt werden, wobei es zu Gruppenbildungen je nach Interesse oder Entwicklungsniveau kommen kann.

2.3 Kooperation und Teamarbeit

Da der Begriff „Team“ in unmittelbarem Zusammenhang mit „Kooperation“ steht und im Alltag oft undifferenziert für viele Formen der Zusammenarbeit zwischen Menschen verwendet wird, soll an dieser Stelle genauer auf die Begriffe „Team“ und

„Teamarbeit“ eingegangen werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass Teams eine besondere Form sozialer Gruppen sind. Nicht jede Ansammlung von Menschen ist automatisch eine soziale Gruppe. Eine Gruppe kann sozial- und organisationspsychologisch als „eine begrenzte Anzahl von Individuen, die miteinander auf Dauer in Interaktion stehen, einander bewusst und gewahr sind, sich als Gruppe verstehen und wahrnehmen und sich in ihrem Verhalten sowie in ihren Arbeitsleistungen wechselseitig beeinflussen“ (Bauer K. O., 9) definiert werden.

Gruppen können weiter unterschieden werden in (Bauer K. O.,2000, 9):

- Formale Gruppen, welche durch die Organisationsleitung gebildet werden.
- Formale Gruppen, welche durch Betreiben der Mitglieder entstehen und der Befriedigung sozialer Bedürfnisse dienen, die sonst in der Arbeitsrolle unbefriedigt bleiben.
- Interagierende Gruppen, deren Gruppenmitglieder von einander abhängig sind und eine gemeinsame Aufgabe ausführen.
- Konteragierende Gruppen, deren Gruppenmitglieder teilweise entgegengerichtete Ziele haben, jedoch miteinander verhandeln und Kompromisse schließen.

Wichtig ist auch die Unterscheidung zweierlei Arten der Konformität von Gruppenmitgliedern, denn es ist maßgeblich, ob die Konformität aufgrund von Gruppendruck und Gruppenerwartung besteht, oder durch persönliche Einwilligung in Gruppennormen entsteht. Gruppen haben Ziele, die mit den Zielen der einzelnen Mitglieder meist nur zum Teil übereinstimmen. Charakteristisch für Gruppen ist eine Führungsstruktur, in der oft neben einer/einem formalen auch eine/ein informale/informaler Führerin/Führer Einfluss ausübt. Die/Der informale Führerin/Führer übernimmt dabei meist eher die sozial-emotionale Seite der Bedürfnisse von Gruppenmitgliedern, während die/der formale Führerin/Führer sich auf die Arbeitsaufgabe konzentriert. Gruppen sind Individuen keineswegs immer auf allen Gebieten überlegen, und es ist zu bedenken, dass nicht alle Individuen ihr Leistungspotential eher in einer Gruppe als in Einzelarbeit entfalten. In Zusammenarbeit mit Organisations- und Personalentwicklungsstrategien sind in den letzten Jahren vor allem drei Typen von Gruppen – der Qualitätszirkel, Lernstatt und Arbeitsteam – genauer beschrieben worden (Bauer K. O.,2000, 9):

- Qualitätszirkel sind Gruppen von sechs bis acht Mitgliedern, die sich regelmäßig treffen, um unter der Leitung einer/eines Moderatorin/Moderators über Probleme zu diskutieren und Verbesserungsstrategien zu entwickeln.
- Lernstattgruppen haben acht bis zwölf Mitglieder mit je zwei Moderatorinnen/Moderatoren, die sich zur Lösung eines bestimmten fachlichen oder sozialen Problems bilden und durch Lernprozesse unmittelbar am Arbeitsplatz neue Formen der Problembearbeitung finden. Im Bereich der Pädagogik handelt es sich hier am ehesten um Coping- und Selbstlerngruppen. Hier begegnen einander Pädagoginnen/Pädagogen, die sich beruflich weiterentwickeln wollen, jedoch nicht kontinuierlich in einem gemeinsamen Handlungsfeld miteinander interagieren.
- Teams sind eine „Sonderform interagierender Gruppen“, die in der Praxis seltener vorkommen als angenommen wird. Eine soziale Gruppe kann dann als Team angesehen werden, wenn sie nach BAUER folgende Merkmale erfüllt: „Mehrere Personen arbeiten gemeinsam an einer aus Teilaufgaben bestehenden Arbeitsaufgabe, um von allen akzeptierte Ziele zu erreichen. Sie arbeiten auf Dauer unmittelbar zusammen“ (Bauer K. O., 2000, 9). Das bedeutet, die Gruppenmitglieder interagieren von Angesicht zu Angesicht und ein Wir-Gefühl besteht in der Gruppe.

Steuergruppen können als Teams gesehen werden, wahrscheinlicher ist aber, dass es sich zunächst um konteragierende Gruppen handelt, da nur ein Teil der Ziele von allen Mitgliedern akzeptiert wird.

Projektgruppen hingegen sollten Teams sein, oder sich zu solchen entwickeln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Charakteristika eines Teams

Sinnvoll ist weiter noch die Unterscheidung zwischen Kurzzeitteams, welche nur für einige Tage bestehen und Langzeitteams, die hingegen über Jahre bestehen. Bisher weniger erforscht sind pädagogische Teams. Diese sind, bestehend aus Pädagoginnen und Pädagogen, so genannte Kleingruppen, welche unter Wahrung ihrer Individualität und ihres persönlichen Stils an einer gemeinsamen pädagogischen Aufgabe arbeiten. Sie arbeiten kontinuierlich mit einem gemeinsamen Wertehorizont so zusammen, dass persönliche Stärken der einzelnen beteiligten Personen zusammenwirken (Bauer K. O., 2000, 9f). Das Ergebnis ist qualitativ besser als die Einzelleistungen der Teammitglieder.

In einem Lehrerinnenteam/Lehrerteam führen gemeinsamer Leistungswille und die gemeinsamen Aufgaben mit gemeinsamen klaren Zielvorstellungen zu guten Arbeitsergebnissen. Die Teammitglieder tragen dafür gemeinsam die Verantwortung. Das persönliche Engagement wird von der Überzeugung getragen, dass das gemeinsame Ziel wertvoll und erstrebenswert ist. Im Team bildet das gemeinsame Arbeitsziel den roten Faden für die Zusammenarbeit. Arbeitsaufgaben für ein Team stellen immer eine Herausforderung dar.

Die Basis eines Teams in der Integrationsklasse bilden der Klassenvorstand und die/ der Sonderpädagogin/-pädagoge. Um diese Personen gruppiert sich das Team aus Fachkräften. Da Integration den Anspruch erhebt, dass alle Schülerinnen/Schüler einer Integrationsklasse am gemeinsamen Gegenstand auf ihren jeweiligen Entwicklungsstufen und entsprechend ihren persönlichen Zugängen individuell gefördert werden, bedarf es einer didaktisch so strukturierten Planung, dass diese Zugänge auf allen Ebenen möglich gemacht werden. Das bedeutet, dass neben der unmittelbaren gemeinsamen Unterrichtstätigkeit in der Integrationsklasse die gemeinsame Vorbereitung, Koordination von Unternehmungen, Plänen und Ideen dem Konzept der Lehrerinnen/Lehrer und somit der Teamarbeit zu Grunde liegen muss.

2.4 Kooperations- und Teamentwicklung

Kooperations- und Teamentwicklung hat nicht nur die Förderung der Zusammenarbeit von Pädagoginnen/Pädagogen zum Ziel, sondern steht auch in engem Zusammenhang mit der Qualität einer Schule. Jede Entwicklung braucht ausreichend Zeit, gegenseitige Geduld, Rücksichtnahme und Unterstützung. Erst dann kann sie ihre Wirkung in zweifacher Hinsicht erzielen. Ganz allgemein werden zum einen Effektivität und Qualität schulischer Leistungen gesteigert, da sich Standards und Ansprüche in gemeinsamer Arbeit erhöhen. Zum anderen trägt Teamentwicklung zur Humanisierung der Schule bei. Die Mitglieder des Teams finden mehr Sinn in ihrer Arbeit und sind zufriedener aufgrund ihrer sozialen Einbindung1.

Jedes Team hat seine eigene Geschichte und entwickelt sich unterschiedlich. Teams unterliegen einem Wachstumsprozess und im Laufe der Zeit verändern sich Kompetenzen und Aufgaben. Obwohl die unverwechselbare Einmaligkeit von Teams unbestritten bleibt, lassen sich im Zuge der Entwicklung immer wieder ähnliche Phasen erkennen. In der Forschung wurden immer wieder Belege dafür gefunden, dass die meisten Gruppen in ihrer Entwicklung eine Abfolge von Phasen durchlaufen, die sich idealtypisch wie folgt beschreiben lassen (Philipp, 1998, 29ff):

2.4.1 Forming

Die Teammitglieder eines neuen Teams kommen zusammen und werden miteinander vertraut. Das neue Team geht mit den besten Vorsätzen, Optimismus und Idealismus ans Werk. Gemeinsamkeiten der Teammitglieder werden gesucht und festgelegt. Gelegentliche Verstimmungen werden von den Bemühungen um Eintracht und Konsens überdeckt und gemeinsame Pläne und Konzepte entstehen. Die anfängliche Zusammenarbeit verläuft gut, da eigene Bedürfnisse aus Rücksicht auf das Team als Ganzes zurückgestellt werden.

2.4.2 Storming

Die Vertrautheit unter den Teammitgliedern macht Mut, Gefühlsäußerungen offen darzulegen und spontane Reaktionen zu wagen. Die bislang zurückgehaltene persönliche und berufliche Identität meldet sich zu Wort. Die anfängliche Harmonie im Team wird gestört, da „Eigenwilligkeiten“ aufkommen. Positionen und Gegenpositionen werden formuliert. Die ersten Spannungen und Konflikte treten aus verschiedensten Gründen auf und Enttäuschung und Empfindlichkeit machen sich im Team breit. Die Stimmung der Teammitglieder ist gereizt und niedergeschlagen. Das Team ist nun mit sich selbst beschäftigt und es kommt zu gegenseitiger Abgrenzung und intensiver Auseinandersetzung.

2.4.3 Norming

In dieser Phase ist die Kommunikationsfähigkeit im Team ausschlaggebend. Die Auseinandersetzungen und Streitereien haben im Team nicht nur negatives hinterlassen, sondern haben neue Gemeinsamkeiten und Nähe gebracht. Die Situationen, in denen die „Andersartigkeit“ nicht mehr als Bedrohung der eigenen Individualität gesehen wird, sondern als Quelle der Anregung bringt dem Team neue Sichtweisen, persönliche Eigenarten und individuelle Problemlösungen. Das Team trägt die Konflikte aus und neue Vereinbarungen werden getroffen, die eine Vielfalt an Persönlichkeiten, Fähigkeiten, Interessen, Ideen und Vorschläge als Potential des Teams akzeptieren und zulassen. Das pädagogische Konzept wird präziser und jedes Teammitglied hat seine Position geklärt und seinen Platz eingenommen. Das Team gewinnt an Profil und Identität. Die Gruppe ist fähig zum gegenseitigen Lernen voneinander und geht mit neuer Kraft und Freude an die Arbeit.

2.4.4 Performing

In dieser Phase wird die Basis der Zusammenarbeit gelegt, denn es kommt nach einer lebendigen und intensiven Zeit des Konzepts- und Beziehungsaufbaues zu einer ruhigeren Zeit der kontinuierlichen Arbeit. Durch Gleichwertigkeit aller Mitglieder kann nun jeder seine individuellen Stärken einbringen, welche von den anderen Teammitgliedern akzeptiert werden. Dies öffnet neue Freiräume und der Blick wird für andere Dinge frei.

Kooperation und Teamarbeit werden in einer Zeit zunehmender Komplexität zu einer bedeutenden professionellen Kompetenz von Pädagoginnen und Pädagogen, um den schwieriger werdenden Voraussetzungen in Schule und Unterricht professionell zu begegnen. Denn „Je mehr autonome Entscheidungen den Schulen zugestanden werden, desto mehr Teamleistung ist von Lehrerinnen und Lehrern gefordert.“1. Kooperatives Arbeiten und Teamarbeit sind Arbeitsformen, in der die kollektiven Fähigkeiten des Einzelnen, für ein gemeinsames Anliegen genützt werden können.

Die Teamentwicklung stellt dabei eine wesentliche Voraussetzung und integrierende Funktion für jede Form von Schulentwicklung dar, auch wenn die Strukturen an den Schulen durch den Unterricht in den Klassen dies eher nicht unterstützt. Daher ist der Weg von einem „Ich und mein Gegenstand“ zu einem „Wir und unsere Klasse“ oder anders „Wir und unsere Schule“1 nicht leicht.

Teamarbeit stellt eines der wichtigsten – wenn nicht das wichtigste – Verbindungsglied zwischen den einzelnen Aktivitäten der Lehrerinnen/Lehrer im Klassenzimmer und den Bemühungen um die Schulentwicklung dar. Bleibt diese Kooperation auf einige wenige engagierte Kolleginnen und Kollegen beschränkt, wird die Lebendigkeit und Innovation der Organisation ebenso beschränkt bleiben. Teamarbeit und Kooperation stellt ein unverzichtbares Element einer lernenden und sich entwickelnden Schule dar und soll deshalb nicht als Luxus verstanden werden, den sich nur jene leisten können, die genug Zeit dafür haben. Kooperative Teamarbeit kann die Basis für mehr Vertrauen, gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung schaffen. Denn aktives Mitgestalten der Schulidentität, ist für die Schaffung einer förderlichen „Schulkultur“ bedeutsam und im Idealfall demonstrieren Lehrerteams ein Modell des Lernens, das auch für die Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler untereinander wirksamer ist, als Belehren und Appellieren1.

Bei der Teamentwicklung spielt das Vertrauen eine wichtige Rolle, damit es im Team zu gegenseitiger Anerkennung und Unterstützung bei der Arbeitsbewältigung kommt. Um eine entsprechende Teamkultur zu entwickeln, ist eine bestimmte Vertrauenskultur Voraussetzung, in welcher die gegenseitige Wertschätzung das Klima bestimmt. Die Aufgaben müssen jedem einzelnen Mitglied ein Anliegen sein, sie/er muss sich davon „betroffen“ fühlen und den Sinn darin verstehen, damit das Interesse und die Lernbereitschaft im Team geweckt und auch aufrechterhalten werden kann. Die zentrale Rolle bei der Teambildung spielt das Klassenlehrerteam. Die eindimensionale Betrachtung des „Ich und mein Gegenstand“ können in einem Klassenlehrerteam und der gemeinsamen Arbeit überwunden werden, da das Team nicht so groß ist, dass man sich dauerhaft entziehen könnte und es ist nicht zu klein, sodass man nicht zumindest eine/einen Kollegin/Kollegen findet, mit der/dem man zusammenarbeiten kann. Durch den Wechsel des Klassenlehrerteams ergibt sich auch die Chance der Überwindung der Grenze einer Klasse und es kann zum Gefühl des „Wir und unsere Schule“1 kommen.

2.5 Rahmenbedingungen von Kooperation und Teamarbeit

Wie bereits erwähnt, ist eine Ansammlung von Individuen noch keine Gruppe. Nach PHILIPP lassen sich folgende sieben bewährte Kriterien unterscheiden, deren Beachtung dazu beiträgt aus einer Gruppe von Einzelpersonen, ein gutes und effektives Team zu formen (Philipp, 1998, 33f):

2.5.1 Eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung

Jedes Teammitglied übernimmt eine bestimmte Funktion und Rolle und nimmt diese auch wahr. Unklare und diffuse Rollenverteilungen sowie das Fehlen einer eindeutigen Aufgabe hindern das pädagogische Team an der Entfaltung ihrer vollen Potenz.

2.5.2 Ein klares Ziel

Ebenso wie bei der klaren Aufgaben- und Rollenverteilung gilt auch hier die klare und eindeutige Zielsetzung des Teams. Es ist gleich, ob ein Ziel von außen vorgegeben wird, oder die Gruppe sich selbst ein Ziel setzt, wesentlich ist, dass die gemeinsame Aufgabe von allen Teammitgliedern gleichermaßen anerkannt und akzeptiert wird. Anzunehmen ist, dass je mehr diese Zielsetzung persönliche Befriedigung ergibt, dementsprechend höher auch die Identifikation mit den Gruppenzielen ist.

2.5.3 Kommunikation in der Gruppe

Zentrales Arbeitsinstrument der Gruppe ist die Kommunikation, wodurch Probleme analysiert, Entscheidungen getroffen und Einzelleistungen in Bezug auf das Gruppenziel hin koordiniert werden. Kommunikation ist jenes Instrument, welches dem Team die Möglichkeit bietet, interne Beziehungsprobleme zur Sprache zu bringen und Lösungswege zu erarbeiten.

2.5.4 Wechselnde Leitung der Gruppe

Gruppen sind nur dann effektiv, wenn klare Leitungsverhältnisse vorherrschen. Ist die Gruppenleitung nicht hierarchisch festgelegt, so kann diese nur schwer im vorhinein festgelegt werden. Die Leitung muss sich dann von Situation zu Situation ergeben – je nach Fall, Arbeitsaufgabe und Gruppensituation.

[...]


1 Dokument des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur – Wien: Professionalität und Personalentwicklung. Stärke-Schwächen-Analyse. Online unter URL: www.qis.at/pdf/om/omk5_1.pdf , Zugriffsdatum 24.03.2006.

Ende der Leseprobe aus 138 Seiten

Details

Titel
Die Kooperation von Regelschullehrern und Sonderpädagogen bei der Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Sekundarstufe I
Hochschule
Universität Wien  (Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft)
Note
3,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
138
Katalognummer
V115497
ISBN (eBook)
9783640174720
ISBN (Buch)
9783640174584
Dateigröße
1141 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In Kooperation mit dem Stadtschulrat für Wien.
Schlagworte
Kooperation, Regelschullehrern, Sonderpädagogen, Integration, Schülern, Förderbedarf, Sekundarstufe
Arbeit zitieren
Mag. Birgit Fordinal (Autor:in), 2006, Die Kooperation von Regelschullehrern und Sonderpädagogen bei der Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Sekundarstufe I, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115497

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