Terrorismus. Beschreibung und systemtheoretische Einordnung der RAF


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2008

25 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhalt

1 Aktualität des Themas

2 Terrorismus
2.1 Definitionsproblem
2.2 Beschreibung und Typisierung

3 Terrorismus in der Praxis
3.1 Die Rote Armee Fraktion
3.1.1 Das Fundament
3.1.2 Schlüsselerlebnis
3.1.3 Anfänge des Terrorismus
3.1.4 Die Geburtsstunde der RAF
3.1.5 Das Ende der ersten Generation der RAF
3.1.6. Die zweite Generation der RAF
3.1.7 Die dritte Generation der RAF
3.1.8 Der Niedergang der RAF

4 Terrorismus in der Systemtheorie
4.1 Terrorismus als Netzwerk
4.2 Reaktionsmöglichkeiten und Gegenmaßnahmen

5 Literatur

1 Aktualität des Themas

Die scheinbar bedingungslose Akzeptanz oder gar Selbstverständlichkeit bestimmter Phänomene innerhalb unserer Gesellschaft ist ein Indiz für deren hohe Bedeutung innerhalb der Gesellschaft. Dies gilt inzwischen zweifellos auch für das Phänomen Terror. Beinahe regungslos werden Attentate und Anschläge im Nahen Osten zur Kenntnis genommen, Unruhe kommt lediglich auf, wenn Anschläge oder aber versuchte Anschläge der westlichen Welt zu nahe kommen. So bemerken Gross/Hitzler (2003, 103), dass „inzwischen auch nicht nur die global nachgerade omnipräsenten Terrorismen – chronisch: die in Israel und Palästina, nahe liegend:

die in Afghanistan und im Irak, derzeit aber eben auch die in Algerien, Indonesien, Indien, sowie in mehreren Schwarzafrikanischen Staaten, nicht zuletzt schließlich die ‚Snipers’[1] ebenso wie die (fast schon wieder vergessenen) Milzbrand-Sporen-Anschläge in den USA, usw. – (wieder) Teil der Normalität medialer Alltagsroutinen geworden“ sind. Entrüstung und Trauer machen sich oftmals nur noch bei entsprechend hohen Zahlen an Verletzten oder im schlimmsten Fall Toten breit.

Die Ziele, Motive und Methoden des Terrors sind so unterschiedlich, wie seine Anhänger und daher verwundert es nicht, dass bei entsprechender Recherche auf Lexika oder ganze Enzyklopädien[2] über Terrorvereinigungen und -anschläge getroffen wird. Bei genauerer Betrachtung der verschiedenen Ausprägungen und des Zeitraums, in dem sich der Terrorismus entwickelt hat, stellt sich die Frage: Wie konnte es dieser zu solch immenser Bedeutung bringen?

Die Antwort hierauf beginnt mit einer Konkretisierung der Frage. Wer sich mit Terror oder Terrorismus beschäftigt und dieses Phänomen erklären möchte, muss vorab verstehen was Terror bzw. Terrorismus ist.[3] Die Definitionen und vor allem der Gebrauch dieses Wortes in politischen, religiösen oder auch alltäglichen Kontexten erleichtern das Verständnis allerdings kaum, so dass eine Kategorisierung der verschiedenen Formen des Terrorismus letztendlich die plausibelste Hinführung zum Themenkomplex Terrorismus darstellt.

2 Terrorismus

Die Worte Terror und Terrorismus stammen „vom lateinischen Verb ‚terrere’ und dieses bedeutet: zum Zittern bringen, erschrecken“ (Jain, 2003, 32). So werden hier zwei Dimensionen des Wortes berührt. Einerseits das Zittern als physische Reaktion auf Terror, andererseits der Schrecken psychischer Art, welcher auf die Vorstellungen über Terror zurückgeht.

Der Soziologe und Terrorismusforscher Peter Waldmann hält seine Definition kurz und beschreibt Terrorismus als „planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund. Sie sollen allgemeine Unsicherheit und Schrecken, daneben aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzeugen“ (Waldmann, 1998, 10).

Gross/Hitzler (2003, 105f.) hingegen verstehen unter Terror etwas ausführlicher „jegliche absichtliche, angekündigte oder unangekündigte, mit instrumentellen und/oder symbolischen Mitteln erzeugte Verbreitung von Schrecken durch alle Arten von kollektiven und individuellen Akteuren

- zu bestimmten Zeitpunkten, in bestimmten Zeiträumen oder jederzeit,
- unter bestimmten Bedingungen oder allen Umständen,
- gegenüber bestimmten Personen, Personengruppen oder jedermann,
- in einem (von den potentiellen Adressaten) nicht vorherseh-, erwartund kalkulierbzw. kontrollierbaren Ausmaß
- und mit für die Adressaten (und Dritte) unüberschaubarem Steigerungspotenzial

im Hinblick auf Zielsetzungen, die von der direkten Umund Durchsetzung konkreten eigenen Wollens des Terrorisierenden bis zur diffusen bzw. generellen Einschüchterung der direkt Betroffenen und/oder von Dritten reichen können“.

Dietl/Hirschmann/Tophoven (2006, 17) sehen Terrorismus „als eine andauernde und geplante Gewaltanwendung mit politischer Zielsetzung, um mittels terroristischer Mittel das (politische) Verhalten des Gegners zu beeinflussen.“ Die Definition ist zudem an fünf Komponenten geknüpft, welche später im Rahmen der Beschreibungen verschiedener Formen von Terrorismus erläutert werden.

2.1 Definitionsproblem

Die beiden Definitionen zeigen, woraus sich die Definitionsproblematik des Terrorismusbegriffs ergibt: einer scheinbar zu eng gehaltenen Definition folgt eine Definition, die den Eindruck erweckt, als umfasse sie alles und jeden. So kommt es, dass selbst in den USA, dem Land, welches sich wohl am eindringlichsten mit dieser Thematik beschäftigt, die einschlägigen Institutionen keine übereinstimmende Definition zugrunde liegen haben.[4]

Der Terrorismus ist folglich vielseitig, er umschließt zu viele Standpunkte, lässt sich nicht in eine Definition ’pressen’. Anthony Hauninger zufolge ergibt sich die Definitionsproblematik vor allem aus der Tatsache, dass „der Begriff des Terrorismus negativ konnotiert ist und oft mit ’gewöhnlichen’ Verbrechen gleichgesetzt wird“ (Hauninger, 2007, 14). Des Weiteren ist der Begriff des Terrorismus „ein politischer ’Kampfbegriff’,…eine politische Etikettierung, die…großen Schwankungen ausgesetzt ist“ (Hauninger, 2007, 14) und „von den Medien...vorschnell und teilweise falsch benutzt (Hauninger, 2007, 14)“ wird.

Hinzu kommt die Abhängigkeit der Perspektive. Als Beispiel lässt sich Nelson Mandela anführen, der einst von den USA als Terrorist bezeichnet wurde und seit 1993 Träger Friedensnobelpreises ist. Ein weiteres Beispiel stellt Menachem Bergin dar, einstiger Anführer der rechtsradikalen zionistischen Terrororganisation Irgun Tzwai Le’umi, verantwortlich für einen Bombenanschlag und ein Massaker an Arabern, der später Ministerpräsident und Außenminister Israels war. Auch er erhielt den Friedensnobelpreis. Stalin, Che Guevara, Mao Tsetung; die Liste ließe sich weiter fortsetzen. Wer war Widerstandskämpfer, wer Terrorist? Die Perspektive entscheidet, die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, so auch im Terrorismus. Nitschke (2008, 19) formuliert hierzu treffend: „Mitunter drängt sich der Eindruck auf, dass über Sinn oder Unsinn des Terrorbegriffs allein die politische Erfolglosigkeit bzw. der spätere politische Erfolg von Terrorattentätern entscheidet.“ Bereits an dieser Stelle wird die Forderung nach einer Abstrahierung des Phänomens ersichtlich. Dem wird an späterer Stelle der Arbeit noch nachgekommen. Zurückblickend hatte der inzwischen anerkannte Terrorismusforscher Walter Laqueur (1978, 6) Recht als er bereits im Jahr 1978 auf einer Tagung bemerkte, dass „eine präzise Definition des Terrorismus, die sämtliche Spielarten in allen Ländern zu allen Zeiten umfasst, … entweder völlig vage oder gänzlich falsch“ ist.

2.2 Beschreibung und Typisierung

Die Schwierigkeiten bei der Suche nach einer einheitlichen Definition haben in der Literatur vermehrt zu einer Beschreibung und Typisierung des Phänomens Terrorismus, statt zur Bildung einer Definition geführt. Obgleich hierbei wiederum viele unterschiedliche Ansichten darüber herrschen, was berücksichtigt werden muss und was nicht, findet sich doch ein relativ stabiler Kern dessen, was Terrorismus schließlich auszuzeichnen scheint.

Richardson (2007, 28ff.) schreibt dem Terrorismus sieben Merkmale zu: „die politische Motivation des Terroraktes, gewaltsames Vorgehen, die Verkündung einer Botschaft, die symbolische Bedeutung eines Terroraktes, der Ausschluss von Staaten als Terrorismus betreibende Kräfte, die Verschiedenheit von Opfern und Publikum und schließlich die bewusste Ausrichtung gegen Zivilisten.“

Nach Behr (2004, 122) zeichnet sich Terrorismus vor allem „durch politische Gewalt bzw. den politischen Charakter der Auswirkungen, den systematischen Charakter im Sinne der organisierten Durchführung einer politischen Idee, der Verbreitung einer Atmosphäre von Angst und Schrecken sowie dem Status das Terrorismus als nationale Sicherheitsbedrohung“ aus.

Dietl/Hirschmann/Tophoven (2006, 17f.) sehen wiederum fünf Bestandteile im Zusammenhang mit Terrorismus: es muss folglich „eine Gewaltanwendung über einen längeren Zeitraum vorliegen und diese muss organisiert sein, sie muss politisch motiviert sein, die Gewaltanwendung muss von der Gesellschaft als unnatürlich und unverhältnismäßig wahrgenommen werden und die Terroristen können, müssen jedoch nicht die Stellung einnehmen, die sie abschaffen oder ändern wollen.“

Bereits hier wird deutlich, dass sich eine Kategorisierung durch eine genaue Beschreibung für das Phänomen eher anbietet als eine Definition. Die Unterschiede der Beschreibungen haben keine destruktive sondern eher ergänzende Wirkung aufeinander. Hierin liegt der Vorteil gegenüber einer Definition, die einen Anspruch auf Vollständigkeit und Alleinstellung hat.

Größtenteils einig ist sich die Wissenschaft bei einer Unterteilung der Kategorien des Terrorismus. Die Frage nach höherrangigen Zielen und Motiven bringt drei Hauptarten des Terrorismus zum Vorschein: ethnisch-nationalistisch motivierter Terrorismus[5], sozialrevolutionärer Terrorismus[6] und religiös motivierter Terrorismus[7].

Ethno-nationaler Terrorismus beinhaltet politische Forderungen wie „staatliche Unabhängigkeit…, Anschluss an einen anderen Staat, verschiedene Ausprägungen von Autonomie oder die Gewährung von Mitbestimmungsrechten“ (Dietl/Hirschmann/Tophoven, 2006, 23). Es handelt sich demnach um separatistische Motive, die jedoch im Lauf der Zeit an Bedeutung eingebüßt haben. Bekannte Beispiele dieser Form von Terror sind bzw. waren die Irish Republican Army (IRA), Euskadi Ta Askatasuna (ETA) oder die Palestine Liberation Organisation (PLO). Anhand der Entwicklung dieser Organisationen lässt sich die schwindende Bedeutung solcher ethno-nationalen Organisationen erkennen, haben sich alle drei doch mehr und mehr in die Politik zurückgezogen, statt den bewaffneten Kampf fortzuführen.

Der Überbegriff des ideologisch-weltanschaulichen Terrorismus bei Dietl/Hirschmann/Tophoven gliedert sich wiederum in zwei große Strömungen: einerseits der „sozialrevolutionäre Terrorismus“ (Dietl/Hirschmann/Tophoven, 2006, 23) mit der Forderung nach gesellschaftlicher und politischer aber auch wirtschaftlicher Umstrukturierung des gesamten Systems bzw. der westlichen Gesellschaften, andererseits der „ideolgisch-religiöse Terrorismus“ (Dietl/Hirschmann/Tophoven, 2006, 24), der Glauben und Religion zur Legitimierung seiner Aktionen und Motive heranzieht. Diese Form des Terrors entwickelt sich seit den 80er- Jahren kontinuierlich weiter und stellt aufgrund der Zahl der Organisationen, die aktuell bedeutendste Form von Terror dar. Bekannte Beispiele hierfür sind Al-Qaida oder Hisbollah.

Die Harvard-Professorin und Expertin für Sicherheitspolitik, Louise Richardson (2007, 37), teilt die Organisationen nach den Variablen „Art ihrer Ziele und Verhältnis zur Gemeinschaft“, die jeweils zwei Ausprägungen haben können, in eine Matrix ein. Differenziert wird bei der Art der Ziele zwischen „begrenzt und grundsätzlich“ (Richardson, 2007, 37). Begrenzte Ziele sollen Ziele heißen, die ohne eine Änderung des Systems erreicht werden können. Hierzu würde der vorab genannte ethno-nationale Terrorismus zählen, der nach einem neuen Heimatland verlangt oder die Kolonialherrschaft abwälzen will. Sie sind (zumindest theoretisch) verhandelbar. Grundsätzliche Ziele sollen hingegen Ziele heißen, die das System zum Einsturz bringen müssen, um ihren Gedanken abschließen zu können. Der sozialrevolutionäre Terrorismus der RAF stellt hierfür das treffendste Beispiel dar.

Das Verhältnis zur Gemeinschaft unterteilt sich indessen in isolierte oder enge Verhältnisse. Jede terroristische Organisation repräsentiert und kämpft für eine Sache bzw. eine Gruppe. Die Beziehung zur repräsentierten Gemeinschaft kann nach Richardson isoliert sein. Dies bringt oftmals eine geringe Überlebenschance mit sich, da die Unterstützung aus der Bevölkerung zu gering ist. Oder die Beziehung ist eng, was einen passiven Beitrag seitens der Bevölkerung gegenüber den Terroristen zur Folge hat und die Organisation resistenter gegenüber Angriffen macht.

Auch Waldmann und Münkler integrieren zusätzlich die Frage nach den Personen, mit denen sich die Terrororganisation identifiziert bzw. wie Münkler (2006, 224) formuliert: „den zu interessierenden Dritten“. Jede Terrororganisation hat ein bestimmtes Verhältnis zu der sie umgebenden Gesellschaft, richtet ihre Aktionen vorwiegend danach aus, wen sie für sich gewinnen möchte bzw. wen sie unterstützt und legitimiert durch eben diese dritte Partei ihre Taten. Durch die Aktionen und „Anschläge soll der bislang passive Dritte zum aktiven Widerstand gegen die bestehende Ordnung motiviert werden“ (Münkler, 2006, 235). Der Dritte darf somit keineswegs bei Anschlägen verletzt werden. Die Folge ist eine Begrenzung der Gewalt, da nur ’die Richtigen’ getroffen werden dürfen.

Ethnische Terroristen sind daher auf ihre Landsleute fixiert, während sozialrevolutionäre Terroristen „benachteiligte und unterdrückte Drittgruppen“ (Waldmann, 2002, 19) unterstützen und Verstärkung aus der eigenen Gemeinschaft suchen. Ideologisch-religiöse Gruppen sind vorwiegend auf ihre eigene Person bedacht.

Einigkeit herrscht auch über die Unterscheidung, ob der Terrorismus staatlich ausgeübt wird oder ob er gegen den Staat von einer Gruppe der Bevölkerung ausgeht. An diesem Punkt wird oftmals die Trennung zwischen den Begriffen Terrorismus und Terror vollzogen. Ersteres beschreibt „eine bestimmte Form des Angriffs gegen den Staat“, zweites die „staatliche Schreckensherrschaft“ (Waldmann, 2002, 15)[8].

[...]


[1] Anschläge von Scharfschützen in Washington

[2] Über Sinn und Unsinn dieser Literatur kann ebenso kritisch diskutiert werden, wie über die Autoren, reichen diese doch von Söhnen aus US-Army-Dynastien, bis hin zu ehemaligen Personenschützern weit über das gewohnte Spektrum anerkannter Verfasser hinaus.

[3] Die Begriffe Terror und Terrorismus werden oftmals voneinander getrennt. Siehe dazu Punkt 2.2.

[4] Das US-Außenministerium, das FBI und das US-Verteidigungsministerium verwenden je unterschiedliche Definitionen des Begriffs Terrorismus. Siehe hierzu: Hauninger, 2007, S. 13.

[5] Vgl. Richardson (2007, 36); Waldmann, (2002, 18); Hauninger (2007, 50)

[6] Vgl. Richardson (2007, 36); Waldmann, (2002, 18); Hauninger (2007, 48f.)

[7] Vgl. Richardson (2007, 36); Waldmann, (2002, 18); Hauninger (2007, 52)

[8] Siehe hierzu auch: Dietl/Hirschmann/Tophoven (2006, 17) sowie Hauninger (2007, 31f.)

Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Terrorismus. Beschreibung und systemtheoretische Einordnung der RAF
Université
Martin Luther University
Cours
Konfliktmanagement
Note
1,7
Auteur
Année
2008
Pages
25
N° de catalogue
V115707
ISBN (ebook)
9783640170869
ISBN (Livre)
9783640172801
Taille d'un fichier
764 KB
Langue
allemand
Mots clés
Terrorismus, Konfliktmanagement, Konflikt, Systemtheorie
Citation du texte
B.A. Dominique Blümke (Auteur), 2008, Terrorismus. Beschreibung und systemtheoretische Einordnung der RAF, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115707

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