Rechtssystematische Grundlagen sogenannter Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte


Bachelorarbeit, 2021

39 Seiten, Note: 9 Punkte, 2,0


Leseprobe


Gliederung

A. Einleitung
I. Problemstellung
II. Gang der Untersuchung

B. Grundlagen und Entwicklung der Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte
I. Cum-Ex-Geschäfte mit Leerverkauf
II. Cum-Cum-Geschäfte
III. Entwicklung der Rechtslage der Cum-Ex-Geschäfte
1. Rechtslage vordem 19.12.2006
2. Rechtslage vom 19.12.2006 bis zum 31.12.2011
3. Rechtslage ab dem 1.1.2012
IV. Entwicklung der Rechtslage der Cum-Cum-Geschäfte

C. Materiell - rechtliche Einordnung der Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte
I. Anrechnung der Kapitalertragssteuer
II. Erzielen von Einkünften aus Kapitalvermögen
1. Grundsätzliche Zuordnung der Kapitalerträge
2. Zivilrechtlicher Eigentumsübergang bei Cum-Ex-Geschäften
3. Wirtschaftlicher Eigentumsübergang nach dem Gesetzeswortlaut
4. Wirtschaftlicher Eigentumsübergang bei Cum-Ex-Geschäften
a) Ansichten der Rechtssprechung
aa) BFH - Grundsatzurteil vom 15.12.1999
bb) BFH - Urteil vom 16.04.2014
cc) Urteil - FG Hessen vom 10.02.2016
b) Ansichten in der Literatur
aa) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bejahende Sichtweise
bb) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums verneinende Sichtweise...15 cc) Auslegung des § 39 AO
dd) Stellungnahme
c) Einführung§20Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG
5. Wirtschaftlicher Eigentumsübergang bei Cum-Cum-Geschäften
a) Ansicht des Finanzgerichts - Urteil FG Hessen vom 28.1.2020
b) Ansichten des BMF
aa) BMF-Schreiben 9. Juli2021 (11.11.2016)
bb) BMF - Schreiben 9. Juli 2021 (17.07.2017)
c) Gesamtwürdigung von Rechtssprechung und Finanzverwaltung angewand­ ten Kriterien und Ansichten

D. Fazit

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

I. Problemstellung

In der Öffentlichkeit fallen seit Jahren Ausdrücke wie „Raub“, „Betrug“ oder „Skandal“ in Bezug auf Steuerzahlungen. Die Überschriften der Medienberichte lauten beispielsweise: „Macht und Machenschaften: Cum-Ex - Der Milliarden-Steuerskandal“1, „Der größte Steuerraub in der deutschen Geschichte“.2

Diese Artikel behandeln die sogenannten Cum-Ex und Cum-Cum- Geschäfte. Diese sind Aktientransaktionen rund um den Dividenden­stichtag.3 Die Beteiligten in derartigen Geschäften bezweckten steu­erliche Vorteile durch die Ersparnis beziehungsweise durch die mehr­fache Erstattung der Kapitalertragsteuer zu erlangen.4 Von 2001 bis 2016 wurde der deutsche Staat mit diesen Geschäften um Milliarden­summen betrogen. Der Steuerschaden durch das klassische Cum- Ex-Geschäft beträgt mindestens 10 Milliarden Euro und der Schaden der Cum-Cum-Geschäfte um weitere 20 Milliarden Euro.5

Die nicht abreißende Medienpräsenz sowie Diskussionen in der Fachliteratur, Politik und Rechtssprechung zeigen die Aktualität der steuerlichen Beurteilung dieserTransaktionen.

Da es bei den Geschäften zu einer mehrfachen Anrechnung bzw. Er­stattung oder Ersparnis der Kapitalertragssteuer kam, ist Kernstreit­punkt die Möglichkeit der Anrechnung der Kapitalertragssteuer auf die Einkommenssteuer und somit die Voraussetzungen des

§ 36 Abs. 2 S. 2 EStG. Die wichtigste Voraussetzung für die Anrech­nung der erhobenen Steuer ist, dass demjenigen der die Steueran­rechnung begehrt der Steuerabzug auf die Einkünfte nach

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen ist, also mithin die maßgebliche Position des wirtschaftlichen Eigentums im Steuerrecht.

Die BFH-Rechtssprechungen, Literatur und Finanzverwaltung legen ein unterschiedliches Verständnis hinsichtlich der Frage des Über- gangs des wirtschaftlichen Eigentums und somit der Erfüllung der Anrechnungsvoraussetzungen bei den Cum-Cum und Cum-Ex-Ge- schäften zugrunde.

Aus diesem Grund beschäftigt sich die Arbeit mit der grundlegenden Frage, ob das wirtschaftliche Eigentum gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO bei diesen Geschäften auf den Erwerber übergeht und er somit zur Anrechnung der Kapitalertragssteuer berechtigt ist.

II. Gang der Untersuchung

Diese Arbeit wird sich nur auf die steuerrechtlichen Aspekte dieser Geschäfte beziehen. Die steuerstrafrechtlichen Aspekte bleiben aus. Zudem werden die beiden Geschäfte aufgrund ihrer unterschiedli­chen Ausgestaltung und Anreize getrennt behandelt. Weiterhin wird sich die Arbeit im Hinblick auf die Anrechnung der Kapitalertragssteu­er nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG nur auf die erste Voraussetzung dieser Norm konzentrieren.

Ein erstes Anliegen der Arbeit ist die Darstellung der Funktionsweise und die Genese der Rechtslage dieser Geschäfte. Dabei wird sich diese Arbeit im Bezug auf die Cum-Ex-Geschäfte nur auf die relevan­ten Leerverkäufe und im Hinblick auf die Cum-Cum-Geschäfte aus­schließlich auf die Wertpapierleihe konzentrieren.

Vor dem Hintergrund der Anrechnung bzw. Erstattung der Kapitaler­tragssteuer wird im nächsten Schritt der Übergang des wirtschaftli­chen Eigentums auf den Erwerber mithilfe unterschiedlicher Ansich­ten untersucht. Dabei beziehen sich die Untersuchungen bei Cum- Ex-Geschäfte auf die Jahre bis 2012 und bei Cum-Cum-Geschäfte bis 2016.

Abschließend wird ein Fazit anhand der Erkenntnisse dieser Arbeit entwickelt.

B. Grundlagen und Entwicklung der Cum-Cum und Cum-Ex-Ge- schäfte

I. Cum-Ex-Geschäfte mit Leerverkauf

Der Begriff des Leerverkaufs meint den Verkauf von Wertpapieren an der Börse, insbesondere Aktien, bei dem der Verkäufer zum Zeit­punkt des Verkaufs noch gar nicht Eigentümer der verkauften Wert­papiere ist.6

Bei Cum-Ex-Geschäften mit Leerverkauf steht zwischen dem Aktien­inhaber und dem Erwerber der Leerverkäufer als Dritte Person. Der Leerverkäufer verkauft dem Erwerber Aktien am Tag vor dem Ge­winnausschüttungsbeschluss „Cum“ einschließlich dem Dividenden­anspruch, ohne sie jedoch zu besitzen.7 Um seine Kaufvertragsver­pflichtung zu erfüllen, muss er die Aktien nach dem Dividendenstich­tag noch erwerben.8 Der Leerverkäufer verpflichtet sich dabei, dem Käufer die Aktien mit Dividendenanspruch zu einem festgesetzten Datum in der Zukunft zu transferieren „Cum“ Dividende.9

Die Wertpapiere befinden sich zum Dividendenstichtag im Eigentum eines Dritten. Der Dritte, also der Aktieninhaber hat einen Anspruch auf Dividendenzahlung und erhält diese auch mit der entsprechenden Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 3 EStG.10 Der Dritte, der die Aktien an den Leerverkäufer verkauft, bleibt rechtlich noch Eigentü­mer dieser, als der Leerverkäufer sein Verkaufsgeschäft abschließt. Somit besteht bezüglich seines Depots auch kein Sperrvermerk, ebenso wenig wie beim Leerverkäufer, da bei Abschluss dessen Ver­trages mit dem Leerkäufer sich die Aktien noch nicht in seinem Depot befanden.11 Dem Dritten, der die Aktien später an den Leerverkäufer veräußert, wird auch von seiner Depotbank die Dividende noch gut­geschrieben und er erhält eine entsprechende Kapitalertragssteuer­bescheinigung.12 Der Leerverkäufer erwirbt die Aktien nach dem Divi­dendenstichtag „ex Dividende“ vom Aktieninhaber ohne Dividenden­anspruch.13

Da der Leerverkäufer dem Leerkäufer vertraglich jedoch die Aktien mit Dividendenanspruch schuldet, aber nur Aktien ohne Dividenden liefern kann, steht dem Leerkäufer eine Schadenersatzleistung in Form der Dividendenkompensationszahlung in Höhe der Nettodivi­dende zu.14 Bis 2007 wurde auf Kompensationszahlungen keine Ka­pitalertragsteuer erhoben, jedoch beantragte auch der Leerkäufer eine Erstattung.15 Bezüglich der Differenz erhielt der Leerkäufer von seinem Kreditinstitut eine Kapitalertragssteuerbescheinigung, da die Bank wegen Informationsdefiziten von der Anteilseignerschaft aus­ging.16

Im Ergebnis haben der Aktieninhaber als auch der Leerkäufer einen Anspruch auf Anrechnung bzw. Erstattung der Kapitalertragssteuer, obwohl die Kapitalertragssteuer lediglich einmal einbehalten und ab­geführt wurde.17

II. Cum-Cum-Geschäfte

Die Ursache dieser Geschäfte ist die Ungleichbehandlung von be­schränkt- und unbeschränkt Steuerpflichtigen.18 Während ein Steue­rinländer sich die Einkünfte auf seine Steuer anrechnen lassen konn­te, hatte die Kapitalertragssteuer für den Steuerausländer eine abgel­tende Wirkung.19 Aus diesem Grund versucht ein ausländischer Steu­erpflichtiger durch die Cum-Cum-Gestaltungen der Definitivbelastung von Kapitalertragsteuer gemäß § 50 Abs. 2 S. 1 EStG, § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG zu entgehen20 und somit von der Steuervergünstigung zu profitieren.

Bei diesen Geschäften übertragen nicht-erstattungsberechtigte, im Ausland ansässige Aktieninhaber ihre Aktien eines inländischen Emittenten kurz vor dem Dividendenstichtag an einen zur vollen An­rechnung der Kapitalertragssteuer berechtigten deutschen Kreditinsti­tut.21 Dieser Erwerber ist entweder gemäß § 8b Abs. 1 KStG von der Kapitalertragsteuer befreit oder kann sich diese gemäß

§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 S. 1 EStG anrechnen las­sen.22 Der Veräußerer hätte von diesen steuerlichen Vorteilen im Fal­le des Dividendenzuflusses nicht profitieren können. Die Vereinba­rung hinsichtlich der Übertragung der Aktie, nämlich das schuldrecht­liche Verpflichtungsgeschäft, erfolgt vor dem Dividendenstichtag mit Dividendenanspruch, also cum Dividende.23

[...]


1 Macht und Machenschaften: Cum-Ex - Der Milliarden-Steuerskandal (https://ww- w.dw.com/de/macht-und-machenschaften-cum-ex-der-milliarden-steuerskandal/av- 55419891, abgerufen am 19.09.2021).

2 Ackermann, Dergrößte Steuerraub in der deutschen Geschichte, (https://www.- zeit.de/2017/24/cum-ex-steuerbetrug-steuererstattungen-ermittlungen?utm_refer- rer=https%3A%2F%2Fwww.google.com, abgerufen am 19.09.2021).

3 Gosch AO/ FGO/ Fu, § 39 AO, Rn. 103.

4 Spatscheck; Spilker/ DB 2016, 2920 (2920).

5 Wie das verwirrspiel mit Aktien funktioniert, (https://www.deutschlandfunk.de/cum-ex-geschaefte-wie-das-verwirrspiel-mit-akti- en.2897.de.html?dram:article_id=494671, abgerufen am 19.09.2021).

6 Schindler; Hindelang, Praxishandbuch Repos und Wertpapierdarlehen, S. 68.

7 Knigge; Wittig/ ZWH 2019, 37 (40); Gehm/ Kriminalistik2019, 449 (450).

8 Gehm/ Kriminalistik.2019, 449 (450).

9 Florstedt/ NZG 2017, 601 (603).

10 Westermann, Zivilrechtliche Folgen steuerlicher Rechtsirrtümer bei Cum-/Ex- Geschäften, S. 32; Müller/ StB 2015, 352 (353).

11 Westermann, Zivilrechtliche Folgen steuerlicher Rechtsirrtümer bei Cum-/Ex- Geschäften, S. 32.

12 Westermann, Zivilrechtliche Folgen steuerlicher Rechtsirrtümer bei Cum-/Ex- Geschäften, S. 32.

13 Florstedt/ NZG 2017, 601 (603).

14 Blümich/ Jachmann-Michel, § 43 EStG, Rn. 58.

15 Florstedt/ NZG 2017, 601 (603).

16 LG Bonn v. 18.03.2020 - 62 KLs-213 Js41/19 -1/19, Rn.33; Jehke; Blank/ DStR 2017, 905 (906).

17 Knigge; Wittig/ ZWH 2019, 37 (38); Moritz; Strohm, Besteuerung privater Kapi­talanlagen, 2. Tatbestand der Kapitalertragsteuer, Rn. 15.

18 Jensch; Rüdiger/ RdF2016, 319 (319).

19 Altvater; Buchholz/ RdF2016, 132 (133).

20 Knigge; Wittig/ ZHW2019, 37 (38).

21 LG Bonn v. 18.03.2020 - 62 KLs -213 Js 41/19 - 1/19, Rn. 20; BeckOK AO/ Hennigfeld, § 42 AO, Rn. 372, 376.

22 Helios; Lenz/ DB 2017, 1738 (1738).

23 Knigge; Wittig/ ZWH 2019, 37 (40); Scheidt/ BRJ 2019, 26 (27).

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Rechtssystematische Grundlagen sogenannter Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte
Note
9 Punkte, 2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
39
Katalognummer
V1162317
ISBN (eBook)
9783346564931
ISBN (Buch)
9783346564948
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rechtssystematische, grundlagen, cum-cum, cum-ex-geschäfte, Cum Ex, Cum Cum, Rechtssytematik, Steuer Steuerbetrug
Arbeit zitieren
Gizem Sen (Autor:in), 2021, Rechtssystematische Grundlagen sogenannter Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1162317

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