Alle im Kontext der Weltgeschichte stehenden Kardinalthesen sind als Kritik gegen eine aus ideologischer Verblendung entstandenen Annahme einer doppelten Welt und sich daraus ableitenden Hierarchien entstanden. Gemeint sind Luthers Thesen gegen den Papst, die doch den Bauernkrieg befruchteten, mag sich der Autor auch bald nach seinem Ausbruch von ihm distanziert haben. Gemeint sind Marxens Thesen über Feuerbach und Lenins Aprilthesen. Letztere sind deshalb am wirkungsmächtigsten, weil in der Phase des Imperialismus als faulender Kapitalismus die günstigsten Bedingungen für die Ausbreitung revolutionärer Ideen vorliegen.
Alle im Kontext der Weltgeschichte stehenden Kardinalthesen sind als Kritik gegen eine aus ideologischer Verblendung entstandenen Annahme einer doppelten Welt und sich daraus ableitenden Hierarchien entstanden. Gemeint sind Luthers Thesen gegen den Papst, die doch den Bauernkrieg befruchteten, mag sich der Autor auch bald nach seinem Ausbruch von ihm distanziert haben. Gemeint sind Marxens Thesen über Feuerbach und Lenins Aprilthesen. Letztere sind deshalb am wirkungsmächtigsten, weil in der Phase des Imperialismus als faulender Kapitalismus die günstigsten Bedingungen für die Ausbreitung revolutionärer Ideen vorliegen.
Luther wollte am 31. Oktober 1517 mit seinen an den Toren der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagenen ‘95 Thesen gegen den Ablasshandel‘ den katholischen Klerus weghaben, damit der Laie eins werde mit Gott, der Gläubige kann ohne pfäffische Vermittler, ohne Papst direkt zu Gott beten. Kein irdisches Wesen darf sich dazwischen stellen, die Unterscheidung zwischen Mönch und Laie ist unsinnig. Kurzum, Luther wollte alle Deutschen in Mönche verwandeln. Die Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche ergab sich zwangsläufig.
Marx arbeitete 1845 in seinen Thesen über Feuerbach heraus, dass auch noch im Denken Feuerbachs eine unsinnige Verdopplung der Welt vorliege. Feuerbach kann nicht begreifen, dass das Gaukelbild einer biblisch-himmlischen Idealfamilie ihre Quelle in der schmutzig- irdischen Form der bürgerlichen Familie findet. Er bleibt vor der Revolutionierung der bürgerlichen Gesellschaft und der bürgerlichen Familie, über Gott und die Welt philosophierend, einfach stehen.
1917 richtete Lenin seine Aprilthesen gegen eine in Russland damals aktuell gegebene, widernatürliche Doppelherrschaft von proletarischen Sowjets und bürgerlicher Duma (Parlament) aus. In seiner noch während der Doppelherrschaft vom 16. auf den 17. September 1917 verfassten Schrift ‘Marxismus und Aufstand‘ meldete er mit der Aussage, die bolschewistische Partei sei die einzige Partei, die trotz aller Schwankungen um sie herum, ihren Weg genau kennt, zwar hier noch nicht ganz ausgesprochen, die Monopolherrschaft seiner Partei an. 1.
Das war insofern völlig berechtigt, als alle kleinbürgerlichen und bürgerlichen Parteien politische Herrschaft in ihrem spezifischen Klassensinne zementieren und verewigen wollten. Es ist ganz natürlich, dass solche menschenverachtenden Lohnsklavenhalterparteien bei jeglicher Bewegung der Volksmassen nach vorne, unruhig werden und zu schwanken beginnen. Oh je, was wird aus unseren Klassenherrschaftsplänen werden, die wir für die Volksmassen zu ihrem Segen ergrübelt und zurechtgelegt haben? In Wirklichkeit sind all diese bürgerlichen Konzepte für die Volksmassen Ketten der Sklaverei, insbesondere der urbane Fabrikarbeiter und der arme Landmann werden zu Spielbällen von rein bürgerlich und aristokratisch besetzen, verbürokratisierten, innerlich bürgerkriegsterroristisch ausgerichteten Hierarchien.
Schon dieser Gang der Dinge, die Reduktion des Gedoppelten auf das Einfache, zeigt an, wie oberflächlich es ist, Dialektik als eine methodologische Prozesswissenschaft aufzufassen, die den Primärgang der Entwicklungen in der Natur und in der Geschichte eindimensional als einen Fortschritt vom Einfachen zum immer Komplexeren, zum immer Komplizierterem widerspiegelt. Das historisch Spätere ist hier automatisch stets das begrifflich Höhere. Das mag auf den ersten Blick stimmen, nur hätten wir es dann mit einer amputierten Dialektik zu tun. Dialektik gewinnt qualitativ erst dann Substanz, wenn immer der gleichwertige Gegenbegriff, die Negation, mitentwickelt wird. Goethe lässt in seinem ‘Faust‘ Mephisto sagen: Ich bin der Geist, der stets verneint. Hegel hat diese Notwendigkeit am Anfang seiner ‘Logik‘, die er auch ‘Dialektik‘ hätte nennen können, vordemonstriert: Sein und Nichts gehen zugleich ineinander über als Werden. Sie gehen recht eigentlich nicht ins Werden hinein, als wären sie etwas anderes, etwas Vorheriges als Werden. Werden ist Sein und Nichts zugleich. Sein für sich allein, die Ursubstanz der ionischen Naturphilosophen, der Gott der Religionen, sie für sich allein sind sinnlose Laute. Die dialektische Bewegung ist also die Bewegung des gegenseitigen Durchdringens des Gegenteiligen zu sich selbst als Identität der Identität und der Nicht-Identität zurück. Identität ist Nicht-Identität, Identität ist, jedenfalls für den menschlichen Geist bis heute, ohne ihre Verdopplung nicht zu denken. Identität ist immer eine Bewegung zu sich selbst zurück. Mit anderen Worten: Der kommunistische Urzustand hält sich durch die Geschichte, durch die Phase der Klassenkämpfe hindurch, in der er etwa durch Müntzer in den Bauernkriegen oder 1871 in der Pariser Commune als mitentwickelter Gegenbegriff des weltgeschichtlichen Klassenkampfgeschehens aufblitzte. Die primitive Demokratie im Sozialismus kündigt den Endkampf zwischen den Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft, die ja ihrerseits die Klassenkämpfe vereinfacht hat, an, sie kündigt den Übergang in die klassenlose, apolitische und ajuristische Gesellschaft an. Eben so wenig wie die klassenlose Gesellschaft aus einer komplexen Vorstufe sich herausbildet, eben so wenig konnte die Geschichte als eine von Klassenkämpfen Bestimmte erkannt werden aus dem Wirrwarr einer Ständegesellschaft. Es bedurfte einer sich abzeichnenden Vereinfachung der gesellschaftlichen Beziehungen, es bedurfte des Heraufkommens kräftiger Konturen in den gesellschaftlichen Gegensatzverhältnissen, ehe französische Historiker der sogenannten Restaurationszeit die Entwicklung der Geschichte als klassenkämpferische widerspiegeln konnten. Das war ein Erkenntnisfortschritt im wissenschaftlichen Weltbild, an den Karl Marx anknüpfte und aus dem er die Lehre von der Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats und als nächsten Schritt die vorherige Notwendigkeit der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates ableitete. Diese letzte Notwendigkeit hatte Marx ab 1852 immer angedeutet, immer vorskiziert, sie fand durch die Praxis der Pariser Commune ihre endgültige wissenschaftliche Bestätigung, so dass sich Marx und Engels genötigt sahen, das im November 1847 verfasste Manifest der Partei 1872 zu ändern.
Die Commune war eine Armee ohne Generale. Noch unter dem Banner der bürgerlichen Revolution von 1789 ‘Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‘ antretend, hatten die kommandierenden Kommunarden nicht erkannt, dass der einst progressive Gehalt dieser Parole nach 82 Jahren der zerklüfteten Klassenrealität nunmehr nicht mehr entsprach, sie waren unter dieser Jakobinerparole gebannt und bildeten keinen radikalen Vernichtungswillen einer Bürgerkriegsseite auf Tod oder Freiheit heraus. Ein General ohne exzessiven Vernichtungswillen ist nun mal kein General.
Es klingt zwar progressiv, die Entwicklungen in der Natur und in der Geschichte als ständigen Aufstieg vom Einfachen zu immer Komplexeren zu deuten, aber wo soll das hinführen? Der Mensch wird am Ende den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen können. Nein, es bedarf des Gegenbegriffs, um nicht eine vermeintlich progressive Entwicklung in eine zielfreie Unendlichkeit auslaufen zu lassen, die Hegel ‘eine schlechte Unendlichkeit‘ genannt hätte, als kreise die Erde stupide und sinnlos um die Sonne des Universums, und um nicht die dialektische Bewegung der Negation der Negation zu verfehlen : staatsfreie Urgesellschaft, ihre bestimmte Negation durch die Phase der Klassenkämpfe, in der die positiven Elemente der Urgesellschaft, zum Beispiel ein Zusammenleben ohne Staat, die gleiche Stellung von Frau und Mann, aufgehoben im Sinne von aufbewahren ihres kommunistischen Gehaltes weiterentwickelt wird, ehe sie durch Klassenkämpfe und aus diesen sich bildenden Resultaten wissenschaftlich bereichert auf ihrer höchsten Entwicklungsstufe zu sich selbst zurückkehrt.
An der bestimmten Negation scheiden sich die marxistischen und die anarchistischen Geister, die ja in der Frage des Zieles, dem Kommunismus, gar nicht auseinander gehen. Kein Geringerer als Lenin hat uns darauf hingewiesen. 2. Deshalb sind nicht nur die Marxisten-Leninisten, sondern auch die Anarchisten potenziell Träger humanistischen Politikgehaltes im politischen Klassenkampfgeschehen; Marxisten-Leninisten gehen in die Irre, wenn sie hier ein Monopol beanspruchen. Diese Behauptung bzw. These bedarf von der Warte der Philosophie aus näherer Ausführung: Was unter einer bestimmten Negation zu verstehen ist, muss aus erster Quelle entnommen werden. Gewöhnlich steht am Ende einer grundsätzlich skeptischen Herangehensweise an die Welt das reine Nichts. Es wird dabei davon abstrahiert, “daß diß Nichts, bestimmt das Nichts dessen ist, woraus es resultirt. Das Nichts ist aber nur, genommen als das Nichts dessen, woraus es resultirt, in der That das wahrhafte Resultat; es ist hiemit selbst ein bestimmtes und hat einen Inhalt“. 3. Hegel nimmt diese Bereicherung als eine finale, die im absoluten Wissen ihre Bestimmung und Bestätigung erhält. Es gibt für den Philosophen nichts Fremdes im Universum mehr, durch die Dialektik erkennt und findet er durch sich selbst sich selbst in allem. Das Denken Hegels weist neben andren roten Fäden besonders den roten Faden der Widerlegung des kantischen Agnostizismus und “Skepticismus“ auf. Die wohl markanteste Passage findet sich in der 1818 in Heidelberg niedergeschriebenen “Antrittsrede an meine Zuhörer“ (Frauen waren 1818 noch nicht zum Studium zugelassen). Hegel stand kurz vor dem Wechsel an die Berliner Universität. In dieser Rede wird Hegels Anliegen beim Namen genannt: Kant habe dem Nichtwissen nur ein gutes Gewissen gemacht, nun aber komme er nach Berlin, für Hegel die Hauptstadt der Weltphilosophie, und werde das unbezweifelbare Weltwissen verkünden. Kant habe als Zerstörer der traditionellen Metaphysik nach Hegels Meinung, ich gebrauche hier explizit dieses Wort ‘Meinung‘, das Hegel für unter der Würde der Philosophie stehend behandelte, die Philosophie in die Sackgasse der Begriffsstarre geführt. Der Begriff entscheidet nichts mehr, die zentralen Probleme der abendländischen Philosophie lässt Kant in einer vagen Unentschiedenheit verharren. Der Idealist Hegel, der meint, durch eine Dynamisierung der Begriffe, durch Umwandlung immobiler Gegensätze in dialektisch sich durchdringende antithetische Gegenteile und ihren Synthesen, die düsteren Wolken des Agnostizismus vertreiben zu können, damit die Menschheit die Sonnenstrahlen absoluter Erkenntnis vom Himmel absoluter Wahrheit empfangen kann, der Idealist Hegel kann dies nur durch Restauration der traditionellen, von Kant zerstörten Metaphysik bewerkstelligen. Sein Werkzeug ist die dreifache Bedeutung des Verbes ‘aufheben‘. Hegel hebt in der Vorrede zur Rechtsphilosophie explizit hervor, dass nur die deutsche Sprache diese Vielseitigkeit aufweise, dass nur in Deutschland das Licht der Philosophie, die Hegel als Arbeit des Negativen, als eine Sache des Ernstes und des Schmerzes begreift, nicht erloschen ist, die andren Völker leben in intellektueller Düsterheit. Aufheben bedeutet auch aufbewahren, und diese konservierende Seite betont der einst jugendliche Jakobiner mehr und mehr, je älter er wurde. Noch als 36jähriger erfasste er als biografisch letzte anarchistische Zuckung Revolution als Blitz, der alles klärt. Von dieser Faszination fühlte sich Bakunin magisch angezogen. Der Blitz zerstört in Sekunden alles Alte und reinigt die Geschichte instantan zum Kommunismus. Dass Bakunin von einer Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, vom Sozialismus zum Kommunismus nichts wissen will, liegt auf der Hand. Dass Geschichte in Bildern des Blitzes zu deuten ist und nicht periodisch, dass nur in der Negativität der Zerstörung Schaffenskraft liege, in dieser fehlerhaften, rein negativen Totalisierung der Dialektik liegt die Quintessenz von Bakunins 1842 verfassten Studie über die ‘Reaktion in Deutschland‘, die nicht zufällig mit dem Satz endet: “Die Lust der Zerstörung ist zugleich eine schaffende Lust“ 4. Und so auch für Kropotkin, er bemängelt in seiner Kritik an der Pariser Commune nicht etwa, dass in dieser nach dem alten, historisch überholten Wahlgesetz aus den Zeiten des Bonapartismus gewählt worden war; seine Kritik ist grundsätzlicher. Der große Fehler der Commune war für ihn der, dass überhaupt eine revolutionäre Regierung gewählt worden war, die die Reinheit der Revolution beschmutzen muss. In dem Augenblick der Konstituierung einer politischen Struktur hatte für ihn der Staatsaberglauben gesiegt. Diese Überlegung kann eine Jakobinerherkunft schlecht abweisen, es war der junge St. Just, der Chef der politischen Geheimpolizei Robespierres, auf den die Aussage zurückgeht, niemand kann herrschen und unschuldig bleiben. Kropotkin verlangte die sofortige Einführung des kommunistischen Anarchismus ohne Umweg über die langwierige (zehn, zwanzig Jahre Bürgerkrieg, um die Umstände und sich selbst zu verändern) Marxsche revolutionäre Diktatur des Proletariats. 5. Der doppelte Lustgewinn Bakunins muss vor dem Hintergrund des dialektischen Ernstes und Schmerzes sauer aufstoßen. Hätte Hegel die Studie von Bakunin, die unter dem Pseudonym ‘Jules Elysard‘ 1842 in den Jahrbüchern für Wissenschaft und Kunst Nummer 5 publiziert worden war, noch lesen können, er hätte Bakunin unter die von ihm verachteten und bekämpften musikalischen Denker eingereiht, die nicht auf den entscheidenden Begriff kommen.
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