El Coloquio de los Perros. Zwischen Tradition und Innovation: Miguel de Cervantes


Dossier / Travail de Séminaire, 2000

27 Pages, Note: 1, 0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Novelle und ihre Erzähltradition in Europa
2.1 Zum Begriff der Novelle
2.2 Geschichte des literarischen Gattungsbegriffs
2.3 Vorläufer im Mittelalter (Exemplum, Fabliau, Märchen, Fabel)
2.3.1 Das Exemplum
2.3.2 Das Märchen
2.3.3 Fabliau, Fabel und andere Kurzerzählungsformen
2.4 Die Novelle in der Renaissance (Decameron)
2.5 Die Novelle und der spanische Roman im Barock
2.5.1 Schäfer – Roman
2.5.2 Pícaro –Roman

3. Analyse des „Coloquio de los perros”
3.1 Inversion des Rahmens
3.2 Das „Casamiento“ als Strategie der Fiktionalisierung
3.3 Aufbau des „Coloquio“ und inhaltliche Thematik
3.3.1 1. Episodengruppe
3.3.2 Die Hexen – Episode
3.3.3 2. Episodengruppe : Verstoßene und Mittellose
3.4 Autoreflexivität und Metafiktion

4. Abschließende Betrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Ziel dieser Arbeit ist es Cervantes „exemplarische Novellen“ in den Zusammenhang der Novellen - Tradition zu stellen und auf spezifische novellistische Merkmale hin zu untersuchen. Cervantes schuf mit seinen „novelas ejemplares“ eine neue bis dahin noch nicht dagewesene Novellenart, die, die Novellentypen der Renaissance überlagerten und teilweise verdrängten. Dabei sind insbesondere zu nennen „die mit romanhaften Zügen ausgestattete Abenteuernovelle und die von pícaresken Zügen beeinflusste burleske Novelle.“ (Blüher1985: 68 )

Sein schriftstellerisches innovatives und originäres Schaffen beschränkte sich jedoch nicht nur auf den inhaltlich - thematischen Aspekt, sondern erstreckt sich auch auf die formale Ebene,d.h. Rahmung und Aufbau der Novellen Es gilt nun herauszufinden, wo die Anknüpfungspunkte liegen zu anderen Novellenarten, wo Ähnlichkeiten und wo Unterschiede auszumachen sind. Was macht seine Novellen „exemplarisch“ und wo liegen seine theoretischen Wurzeln sind die Fragen die dieser Hausarbeit zugrunde liegen und denen wir mittels einer diachronen Betrachtung der europäischen Novellentradition und der Analyse einer seiner Novellen nachgehen werden.

Zu diesem Zweck werden wir im ersten Teil der Arbeit auf die Geschichte und Entwicklung der Novelle (und partiell des spanischen Romans) und ihrer Vorstufen im Mittelalter, der Renaissance und im Barock eingehen, ihre strukturellen Besonderheiten herausstellen und den Lauf ihrer Entwicklung bis zu Cervantes im Zeitalter des Barock nachzeichnen.

Im zweiten Teil werden wir dann eine seiner „ novelas ejemplares“, das „Coloquio de los perros“ analysieren, auf seine Struktur auf Ebene der Figuren, des Inhalts und der Erzählform hin, sowie unter dem Gesichtspunkt der Intertextualität und der Rahmung.

Im letzten Teil werden wir dann versuchen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen

der traditionellen Novellenform und seinen Novellen herauszuarbeiten.

2. Die Novelle und ihre Erzähltradition in Europa

2.1 Zum Begriff der Novelle

Der Begriff NOVELLE geht auf französisch „nouvelle“ und italienisch „novella“ zurück.

Es kommt vom italienischen „novela“ und bedeutet eigentlich Neuigkeit. Beiden Begriffen liegt das altprovenzialische Wort novela zugrunde, das vom lateinischen „novus = neu“ abgeleitet wurde. Die Urform der Novelle als literarische Gattung ist das ungewöhnliche Ereignis, die Neuigkeit. Die „Poetik in Stichworten" listet unter anderem folgende Charakteristika für "Wesen und Form der Novelle" auf :

1. Zusammenziehung eines Vorgangs zu einem krisenhaften Vorfall.
2. Geflecht von Vorfall und Mensch: Verknüpfung von Schicksaal und Charakter und die Frage ihrer Verflechtung.
3. Wendepunkt, Kristallisation. Während der Roman mehrere Handlungen und Geschehnisse verknüpft, wird in der Novelle „alles in einem einzigen Vorfall zusammengefasst, von dem aus das Leben (des Helden) dann nach rückwärts und vorwärts bestrahlt wird: und dieser Vorfall ist seltener und eigentümlicher Art, so dass er sich der Phantasie einprägt“ (Ernst, 91) (...)
4. In der Form (Vers oder Prosa) Konzentrierung des Erzählten , äußerste Verdichtung und abgekürzte Darstellung.(...)
5. Szenischer Ausschnitt statt eines breiten Gemäldes;Schauplätze oft wie Bühnenbilder gestaltet; eine ausführliche Milieuschilderung.(...)

(Braak 1990: 266 ff)1

Die moderne Novelle wird in der Regel als eine kürzere dramatische Erzählung in Prosa aufgefasst, die sich mit einem real vorstellbaren Konflikt beschäftigt. ,,Formal bedingt dies eine straffe, meist nur einsträngige Handlung, das pointierte Herausarbeiten eines Wende- bzw. Höhepunktes und eine Forderung zur geschlossenen Form." (Meyer 1998: 15)

Karl Alfred Blüher entwickelt in seiner Auseinandersetzung mit der französischen Novelle ein differenziertes semiotisch – kommunikatives Textmodell der Novelle, das sie als „sekundäres Zeichensystem behandelt, mit dem eine besondere Art literarischer Kommunikation verwirklicht wird.“ (Blüher 1985: 10)

Diesem Modell folgend kann die Novellengattung als ein “sich historisch auf verschiedene Weise aktualisierendes dynamisches Gesamtsystem verstanden werden, dessen dominante Textkomponente aus strukturalen "Invarianten" eines kultursemiotisch - intertextuell über Jahrhunderte weg vermittelten gemeinsamen "narrativen " Kommunikationssystem bestehen, das unter jeweils veränderten geschichtlichen Vorraussetzungen immer neue Subsysteme mit z.T sehr unterschiedlichen sekundären Merkmalen bildet.“ (Blüher 1985 : 11)

Unter Invarianten versteht Blüher:

1. Die auf der oralen Erzähltradition fußende Kürze, Straffheit und Organisiertheit der Handlung, und den pointiert hervorgehobenen Handlungsklimax, die die Vorraussetzung dafür bilden , dass die Novelle „in einem Zuge gelesen werden kann.“ (Blüher 1985:11)

Das rückt die Struktur der Novelle in die Nähe des Dramas: Einer knappen Exposition, folgt ein zusammenraffendes Hinführen zum Höhe- und Wendepunkt der Novelle und zum Abfall und Ausklang.

2. Das Auftreten einer auktorialen Erzähler – Instanz, die neben der Ich – Narration, den

Vorgang des „Erzählens in den Vordergrund rückt und an Stelle des textintern

angesprochenen Erzählers den impliziten Leser direkt avisiert.

3. Die Wiedergabe des "code parlé" , der jeweiligen Epoche .

4. Der Authentizitätsanspruch des Erzählten, der auch den fiktionalen Anspruch auf

„Neuigkeit“ einschließt. (Blüher 1985: 11ff)

Häufig werden Novellen zu Zyklen verbunden oder einzelne Novellen in Rahmenerzählungen (s.a. Boccacios „Decamerone“) eingebettet. Diese Technik, ermöglicht es die Erzählsituation sowie die jeweiligen zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge zu beleuchten. Diese Art der Rahmung hat sich aus der Tradition entwickelt Exemplas nicht als Einzelwerk sondern als Sammlung herauszubringen, worin sich das Bedürfniss wiederspiegelte, den, durch die Reduzierung auf den Einzelfall bedingten „Verlust an Weltbezug“, durch die „Vervielfältigung von Einzelfällen“ zu kompensieren. (Rath 2000: 59ff) (s.a. 2.3 - Vorläufer im Mittelalter)

2.2 Geschichte des literarischen Gattungsbegriffs

Das erste Mal, dass der Begriff „Novelle“ nachgewiesen wurde ist in der Rechtsammlung des Kaisers Justitian im „Corpus iuris civilis“(533 – 524). Allerdings nicht im literarischen Sinne. Er bezeichnete dort Neufassungen von Gesetzen bzw. Gesetze, die sich neben der normalen Gesetzgebung auf Sonderfälle, bezogen.2 (vergl. Rath 2000 : 57)

Die literarische Gattungsgeschichte der europäischen Novelle beginnt um 1350 mit Giovanni Boccaccios „Decameron", einer durch Rahmenhandlung verknüpften Sammlung von 100 Erzählungen. Die Konzeption des "Decamerone" wurde für Jahrhunderte Vorbild der europäischen Novellendichtung. Boccaccio verwendet Begebenheiten, die aus dem Leben gegriffen sind und in deren Mittelpunkt ein erregendes Geschehen steht, sowie Märchen und Legendenstoffe.

Bocachio prägte zwar den Begriff der Novelle, es gab allerdings bereits im Mittelalter Vorstufen der Novelle auf, die wir im folgenden Abschnitt kurz eingehen werden. Wir beschränken uns dabei jedoch auf die Formen, die inhaltlich oder formal Bezüge zu der analysierten Novelle „El Coloquio de los perros“ aufweisen, namentlich das Exemplum, das Fabliau, die Fabel und das Märchen.

In England nahm Geoffrey Chaucer die zyklische Form Boccaccios auf, allerdings zum Teil in Versen3, in Frankreich folgten die anonymen "Cent nouvelles nouvelles" (um 1460) sowie Marguerite de Navarres "Heptaméron" (1559) dem Modell. In der Entwicklung der französischen Novelle , die weitgehend von Boccaccio beeinflußt ist, überwiegen wie in der italienischen Entwicklung die erotischen Gegenstände.

Die spanische Novelle bediente sich zusätzlich pikaresker Elemente und Elementen der bukolischen Pastoraldichtung. Beides Themen, die im spanischen Roman angelegt waren und auf die wir später zurückkommen werden.

2.3 Vorläufer im Mittelalter

2.3.1 Das Exemplum

Im Mittelalter gab es eine Reihe von Kurzerzählungsformen, die man als Vorstufen der Novelle interpretieren kann. Das Exemplum gilt als eine der ersten Erzählformen, die, die Renaissance - Novelle auf inhaltlicher und der formaler Ebene beeinflusst hat.Unter

[...]


1 Vielfach findet auch noch das „Dingsymbol“ , oder der „Falke der Novelle“ (nach einer Novelle Boccachios in der ein Falke eine Rolle spielt) Erwähnung. Dieser muß aber nicht zwangsläufig in Novellen erscheinen.

2 Man spricht auch heute noch von Gesetzesnovellen und Gesetznovellierung. (Anmerkung des Verfassers)

3 ”Canterbury Tales" Ende 14. Jahrhundert

Fin de l'extrait de 27 pages

Résumé des informations

Titre
El Coloquio de los Perros. Zwischen Tradition und Innovation: Miguel de Cervantes
Université
University of Leipzig  (Hispanistik)
Cours
Der Schelmenroman im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts
Note
1, 0
Auteur
Année
2000
Pages
27
N° de catalogue
V11759
ISBN (ebook)
9783638178266
Taille d'un fichier
595 KB
Langue
allemand
Annotations
Entwicklungsgeschichte der spanischen Novéla, neue Erzählstrategien und deren literaturgeschichl. Ursprünge, Vorläufer der Novelle, Cervantes Innovationen. 243 KB
Mots clés
Novela, Novelle, Entwicklungsgeschichte, Fiktionalisierung, Autoreflexivität, Metafiktion
Citation du texte
Magister Artium Harald Marburger (Auteur), 2000, El Coloquio de los Perros. Zwischen Tradition und Innovation: Miguel de Cervantes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11759

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