Schulische Inklusion. Wie kann sie gelingen?

Voraussetzungen und Bedingungen unter Berücksichtigung intraprofessioneller Kooperation im Kontext schulischer Inklusion


Term Paper, 2021

17 Pages, Grade: 1,3

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. (Intraprofessionelle) Kooperation

3. Kooperationsmodelle, Theorien und Formen
3.1. Reisers Theorie integrativer Prozesse
3.2. Niveaustufenmodell nach Marvin
3.3. Kooperationsstrategien nach Friend und Cook

4. Bedingungen für gelingende intraprofessionelle Kooperation
4.1. Wechselseitiges Vertrauen als Grundlage für gemeinsame Zielfindung
4.2. Autonomie (abgeben)

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Leitbild der Behindertenrechtskonvention ist „Inklusion“. Es geht also nicht darum, dass sich der oder die Einzelne anpassen muss, um teilhaben und selbst gestalten zu können. Es geht darum, dass sich unsere Gesellschaft öffnet, dass Vielfalt unser selbstverständliches Leitbild wird. Es geht um eine tolerante Gesellschaft, in der alle mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Voraussetzungen wertvoll sind (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, 2017: 2).

Mit diesen Worten führt Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, thematisch in die UN-Behindertenrechtskonvention zum Thema Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN- BRK) ein. Bereits im Jahr 2007 hat Deutschland als eines der ersten Staaten das Übereinkommen unterzeichnet (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 2017) und damit „Inklusion und Vielfalt als Werte [...] und vor allem die Barrieren in den Köpfen“ (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 2017, S. 2) bewegt. Die Weichen für Inklusion in unserer Gesellschaft sind somit gestellt. 2009 trat diese Konvention in Kraft und die Vertragsstaaten verpflichten sich, „den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderung zu fördern [und] zu schützen“ (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 2017, S. 8) und, dass die „Achtung der ihnen innenwohnende Würde [gefördert wird]“ (ebd.).

Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind ohne Ausnahme auf alle Lebensbereiche anzuwenden, im Folgenden seien einige genannt, die im Zusammenhang der damit einhergehenden Bildungsreform äußerst relevant erscheinen und Inklusion in den Schulen als unausweichlich kennzeichnen:

Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind: [...] c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft; d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderung und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit; e) die Chancengleichheit; [.] h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 2017, Art. 3, S. 8).

Aus diesen Grundsätzen geht hervor, dass alle Menschen mit und ohne Behinderungen gleichberechtigt behandelt werden sollen, und eine Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft zu gleichen Teilen im Sinne der Chancengleichheit ermöglicht werden soll.

Werden diese Punkte auf die Bildung übertragen, ergibt sich ein integratives Bildungssystem, welches Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen die Möglichkeit bietet, gemeinsam mit jenen ohne Behinderungen in inklusiven Settings an Regelschulen unterrichtet zu werden. Nach Artikel 24 „gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen“ (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 2017, Art. 24 (1) a), S. 21) und stellen sicher, dass „Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden“ (ebd. Art. 24 (2) a), S. 21).

Die Kultusminister der Länder reagierten auf das Konzept der inklusiven Schulbildung mit dem Vorschlag, Lehrpersonen mit Ausbildungen in verschiedenen Lehrämtern die gemeinsame Verantwortung zum Unterrichten dieser Schülerinnen und Schüler an Regelschulen zu geben (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2011). Die Möglichkeit für Lehrende in professionellen Teams zu arbeiten bietet allen Lernenden die Chance auf Unterricht, der auf individuelle Lernvoraussetzungen eingehen kann und diese bestmöglich fördern kann. Diese sogenannte intraprofessionelle1 Kooperation der Lehrkräfte, speziell von Regelschullehrkräften und jener, die eine sonderpädagogische Ausbildung durchlaufen haben, wird in der Theorie als zentrale Bedingung für gelingende Inklusion gesehen, jedoch in der Praxis selten umgesetzt (vgl. Lütje-Klose und Urban 2014).

Angelehnt an die Definition nach Katzenbach und Schröder wird der Begriff der Inklusion in dieser Arbeit wie folgt definiert:

gesellschaftliche Zielperspektive der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, ihrer sexuellen Präferenzen, ihrer Begabungen oder ihrer Behinderung (nach Katzenbach & Schröder 2007 in Besa, Röhrig, Schmitt, Tull 2020, o. S.).

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die intraprofessionelle Kooperation an Schulen der Sekundarstufe zwischen Lehrkräften der Regelschulen mit jenen Lehrerinnen und Lehrern, die sonderpädagogisch ausgebildet sind. Zentral ist dabei die Fragestellung, welche Theorien und Modelle der intraprofessionellen Kooperation es gibt und welche Bedingungen die Kooperation der Lehrkräfte möglich machen und sie sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.

Zum besseren Verständnis der Arbeit wird nachfolgend der Begriff der intraprofessionellen Kooperation definiert. Daran anschließend werden ausgewählte Modelle und Theorien der intraprofessionellen Kooperationen vorgestellt und auf Grundlage dessen zentrale Bedingungen für gelingende Kooperation herausgearbeitet.

2. (Intraprofessionelle) Kooperation

In diesem Kapitel soll der Begriff der intraprofessionellen Kooperation näher erläutert werden, um das bessere Verständnis der Arbeit zu gewährleisten und grundlegende Begriffe einzuführen.

Gelingende Kooperation bedarf verschiedener Bedingungen, damit sie zielführend ist und Inklusion gelingen kann. 2004 beschreibt Balz Kooperation als einen Prozess, der dadurch gekennzeichnet ist, dass gemeinsam auf Ziele hingearbeitet wird. Sie erwähnt dabei auch Kommunikation als Merkmal für gelingende Kooperation und nennt als unausweichliche Bedingung die Autonomie der Lehrkräfte und die gleichzeitige Verpflichtung zur Reziprozität.

Balz und Spieß (2009) definieren darauf aufbauend Kooperation im Allgemeinen als eine Form der Zusammenarbeit, für dessen Gelingen es gemeinsame Ziele, wechselseitige Kommunikation, gegenseitige Unterstützung und Raum für konstruktive Kritik geben muss. Es ist ein Prozess, der im Team stattfindet und als „gemeinsame Aufgabe in multiprofessionellen Teams realisiert [wird]“ (Lütje-Klose & Urban 2014, S. 112). Ergänzend dazu „[setzt] eine kooperative Situation [...] Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der beteiligten Partner voraus“ (Balz & Spieß 2009, S. 20) (Autonomie) und bedarf einer „längeren Zeitperspektive“ (ebd.), in der verschiedene Formen der Kooperation erprobt werden können und sich Vertrauen zu den jeweiligen Partnern ausbilden kann (vgl. ebd.). Kritisch zu hinterfragen ist hierbei der Aspekt der gemeinsamen Zeit, um verschiedene Formen der Kooperation auszuprobieren und Vertrauen auszubilden. Da viele sonderpädagogische Lehrkräfte ,Pendler‘ sind, die nur für wenige Stunden an mehreren Regelschulen gleichzeitig ergänzend tätig sind, besteht häufig keine Chance für gemeinsame Zeit der Lehrpersonen untereinander außerhalb des Unterrichts.

Mit diesen Definitionen werden die individuelle Ebene (Wie wird die Kooperation durch das Verhalten des Gegenübers beeinflusst?) und die interaktionelle Ebene (Welches Niveau erreicht die Kooperation?) nach Reiser angesprochen. Sie stehen für eine gelingende Kooperation in inklusiven Schulen (vgl. Lütje-Klose & Urban 2014; Müller 2018) und auch die Wichtigkeit der Autonomie der Lehrkräfte, welche in vielen Modellen und Theorien als zentraler Faktor angesprochen wird, wird hier deutlich.

Lütje-Klose und Urban (2014) betonen in ihrer Definition die Wichtigkeit der Chancengleichheit und Gleichberechtigung aller Schülerinnen und Schüler und verweisen so indirekt auf den Artikel 24 der UN-BRK. So schreiben sie:

[Kooperation ist ein] auf demokratischen Werten basierendes, auf der Gleichwertigkeit und gegenseitigem Vertrauen der Kooperationspartner/innen beruhendes, zielgerichtetes und gemeinsam verantwortetes Geschehen [.], in dem aufgrund von Aushandlungsprozessen die Schaffung bestimmter möglicher Entwicklungsbedingungen aller Kinder angestrebt wird (S. 115)

[...]


1 Angelehnt an Lütje-Klose und Urban (2014) wird hier von intraprofessioneller Kooperation gesprochen, da sowohl sonderpädagogisch ausgebildete Lehrkräfte, als auch Regelschullehrkräfte demselben Berufsstand angehören und sich lediglich in ihrer Schwerpunktsetzung unterscheiden.

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Details

Title
Schulische Inklusion. Wie kann sie gelingen?
Subtitle
Voraussetzungen und Bedingungen unter Berücksichtigung intraprofessioneller Kooperation im Kontext schulischer Inklusion
College
University of Dortmund
Grade
1,3
Year
2021
Pages
17
Catalog Number
V1176201
ISBN (eBook)
9783346595751
ISBN (Book)
9783346595768
Language
German
Keywords
schulische inklusion, inklusion, intraprofessionelle koopeation, lehrer, lehrerin, inklusive schule, integration, kooperationsmodelle, reiser, reisers theorie integrativer prozesse, niveaustufenmodell, marvin, kooperationsstrategien, kooperationsstrategie, friend, cook, vertrauen, autonomie
Quote paper
Anonymous, 2021, Schulische Inklusion. Wie kann sie gelingen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176201

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