Case Management im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen. Dargestellt am Einwanderungsmanagement in vier lippischen Kommunen


Studienarbeit, 2021

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Rahmenbedingungen der Case Management Arbeit in den vier Kommunen

3 Bedürfnislagen der Neuzugewanderten und ehrenamtliche Arbeit

4 Spannungen und Konflikte im Beziehungsgefüge Klient-Hauptamt-Ehrenamt
4.1 Case Management und Klienten
4.2 Case Management und Ehrenamtliche
4.2.1 Erwartungen gegenüber der hauptamtlichen Institution
4.2.2 Erwartungen gegenüber dem Case Management-Ansatz
4.2.3 Steuerung der Fallarbeit
4.3 Perspektive der Hauptamtlichen

5 Resümee und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Der Verfasser blickt auf mehrere Monate Case Management-Arbeit in mehreren Gemeinden des Kreises Lippe zurück, mit kontinuierlich steigender theoretischer und methodischer Fundierung durch Teilnahme an der Case Management-Fortbildung der Hochschule des Mittelstands. Das Angebot des Case Managements (CM) ist vor Ort sehr gut angenommen worden und hat sich verstetigt. Mittlerweile erfolgt ein kontinuierlicher Zulauf durch Mundpropaganda. Nichtsdestotrotz ist es immer wieder einmal zu "Knirschen" im Ablauf gekommen, vor allem in der Anfangsphase. Der CM-Prozess ist sehr komplex und die Möglichkeiten herausfordernder Situationen sind zahlreich. Auftretende Spannungen sind zum Teil in den Erwartungshaltungen gegenüber dem CM begründet. In dieser Arbeit soll - mit hohem Praxisbezug - vor allem die Erwartungshaltung der Klienten sowie der ehrenamtlich Tätigen beleuchtet werden. Erwartungen anderer Akteure, etwa die der Mitarbeiter von Kommunen, werden nicht thematisiert, um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen. Mit den Ratsuchenden kommt aber die wichtigste Gruppe im CM-Prozess in den Fokus, mit den Ehrenamtlichen eine sehr interessante und "schillernde". In der Arbeit mit Neuzugewanderten, bei denen es sich mehrheitlich um Menschen mit Fluchthintergrund handelt, spielt die Unterstützung durch bürgerschaftliches Engagement nach wie vor eine große Rolle. Die bei der Arbeit wahrgenommenen Spannungsfelder, zu denen Aussagen im Arbeitszusammenhang oft auf der Ebene diffuser Annahmen und gefühlter Problemlagen getroffen werden, sollen konkretisiert werden, um Strukturen und Wirkungsmechanismen des "Knirschens" besser verstehen zu können. Im Idealfall kann die Arbeit Impulse bei der Weiterentwicklung des CM der Servicestelle Einwanderungsmanagement des Kreises Lippe (SEM) geben, etwa bei der Frage, wie die Kooperation mit Ehrenamtlichen am besten ausgestaltet werden könnte.

Zur Frage der geschlechtergerechten Sprache hängt der Verfasser dem traditionellen Ansatz der generischen Substantivverwendung an, nach dem zwischen grammatischem Geschlecht (Genus) und natürlichem Geschlecht (Sexus) unterschieden wird. Danach gilt die Aussage "Der Löwe lebt in der Savanne" auch für weibliche Tiere, und die Feststellung "Vor der Tür spielt eine Katze" kann sich auch auf einen Kater beziehen.

2. Rahmenbedingungen der Case Management-Arbeit in den vier Kommunen

Die vorliegende Arbeit geht auf Erfahrungen im CM für Neuzugewanderte in vier Kommunen des Kreises Lippe zurück. Es handelt sich um die Gemeinden Dörentrup, Kalletal und Extertal sowie um die Stadt Barntrup. Die niedrigste Einwohnerzahl dieser Kommunen hat Dörentrup mit rund 7.700 Einwohnern, die größte der vier Gemeinden ist Kalletal mit ca. 13.400 Einwohnern. Gemessen an den Strukturen im Bundesland NRW handelt es sich um ländliche Kommunen mit einer von Versorgungslücken geprägten Infrastruktur.

Seit Ende 2020 bietet die SEM in Umsetzung des landesweiten Förderprogramms "Kommunales Integrationsmanagement NRW" CM für Neuzugewanderte an. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Zuwanderung ist die Abgrenzung der Zielgruppe offen gehalten. In der Darstellung des Kommunalen Integrationsmanagements NRW auf der Website des zuständigen Ministeriums heißt es dazu: "Da in unterschiedlichen Kontexten die Zugangschancen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die bereits länger hier leben, erschwert sein können, kann die Landesförderung auch für diese Zielgruppe eingesetzt werden." (MINISTERIUM FÜR KINDER, FAMILIE, FLÜCHTLINGE UND INTEGRATION 2021b)

In der Beratung der Neuzugewanderten durch das CM gibt es zwei Varianten:

Bei Vorliegen einer entsprechenden Konstellation wird der reguläre CM-Prozess nach dem Phasenmodell durchgeführt. In MINISTERIUM FÜR KINDER, FAMILIE, FLÜCHTLINGE UND INTEGRATION (2021) heißt es dazu: "Zu den klassischen Methoden des individuellen Integrationsmanagements zählen aktive Zugangsgestaltung, die Erstberatung ('Intake'), ausführliche Bestandsaufnahme (Assessment), Planung im Sinne einer Zielvereinbarung/Integrationsvereinbarung, Leistungssteuerung ('Linking') im Hinblick auf Dienstleistungen Dritter (gesetzliche Leistungen oder Förderangebote) sowie begleitendes, laufendes Monitoring und regelmäßige Re-Assessments zu dem jeweiligen Fall." Wenn die Fallkonstellation keinen CM-Prozess nahelegt, z.B. aufgrund der fehlenden Komplexität, wird als Beratungsergebnis lediglich auf andere Regelangebote, z.B. die der Rechtskreise SGB II, SGB III, SGB VIII, SGB XII), oder auf spezialisierte Fachdienste (z.B. Schuldnerberatung) verwiesen (Verweisberatung).

Der Personenkreis der Neuzuwanderer im Kreis Lippe wie auch in den vier hier relevanten Kommunen ist sehr heterogen. Neben Geflüchteten handelt es sich vor allem um Arbeitsmigranten aus EU- und Nicht-EU-Ländern, die alleine oder mit ihrer Familie kommen. Bei den Arbeitsmigranten aus EU-Ländern sind Personen aus südosteuropäischen Herkunftsländern am stärksten vertreten, deren Beschäftigung oft Prekaritätsmerkmale aufweisen.

Von den in den vier Kommunen bisher im Rahmen des Angebots beratenden 66 Personen (ggf. mit Familienangehörigen) haben 55 (entsprechend ca. 83 %) einen Fluchthintergrund und 7 Personen (entsprechend ca. 17 %) keinen. Bei den Geflüchteten tritt eine gewisse Häufung der Herkunftsländer Afghanistan, Irak und Iran auf, bei den Personen ohne Fluchthintergrund sind das Bulgarien und Serbien. Der überwiegende Teil der Ratsuchenden lebt hier zusammen mit anderen Familienangehörigen.

Für die Beratung stehen in allen vier Kommunen Beratungsräume zur Verfügung. Im Fall der Gemeinde Barntrup ist die Beratungssituation suboptimal, hier muss für die Beratung das Büro der für die Kommune arbeitenden Sozialarbeiterin, zum Teil dann mit ihr zusammen, genutzt werden. Es werden daher vielfach auch Hausbesuche vorgenommen.

3. Bedürfnislagen der Neuzugewanderten und ehrenamtliche Arbeit

Die bisher im CM beratenen Neuzuwanderern, bei denen es sich ja in der Mehrzahl um Geflüchtete handelt, weisen im Allgemeinen ein Bündel von Problemen mit Beratungs- und Unterstützungsbedarf auf, in den Bereichen Aufenthaltsrecht, Wohnen, Arbeit, Schule, soziale Absicherung/finanzielle Leistungen. Hinzu kommt ein hoher Informationsbedarf zur gesellschaftlichen Orientierung. Nicht zuletzt treten oftmals gravierende gesundheitliche Schwierigkeiten auf, häufig als Folge der krisenhaften und teilweise lebensbedrohenden Erfahrungen vor und während der Flucht (Traumatisierung). Die Befindlichkeit der Betroffenen ist vielfach durch Orientierungslosigkeit, Zukunftsängste und Kommunikationsschwierigkeiten geprägt, häufig in Verbindung mit einem unsicheren rechtlichen und schwachen sozialen Status und einer Vielzahl von zu bewältigenden bürokratischen Anforderungen. Für die in Sammelunterkünften lebenden Personen sind die Wohnbedingungen oft bedrückend und nahezu immer unruhig. Rückzugsmöglichkeiten existieren nicht, die Schlafmöglichkeiten sind wegen fehlender nächtlicher Ruhe oft schlecht. Damit gehen oft psychische Auffälligkeiten einher. Unter anderem sind die Betreffenden oft müde, zeigen depressive Anzeichen sowie Konzentrationsschwierigkeiten und klagen über verschiedene Schmerzen. Auf Nachfrage nach erfolgten Arztbesuchen teilen sie dann oft mit, dass sich kein besonderer organischer Befund ergeben habe.

Für Haupt- und Ehrenamtliche gibt es also vielfältige Aufgaben in der Arbeit mit Neuzugewanderten. Für die Ehrenamtlichen haben sich die Arbeitsinhalte seit 2015 kontinuierlich verändert. In der ersten Phase wurde Nothilfe geleistet, wo diese gerade benötigt wurde, insbesondere hinsichtlich Unterbringung, Versorgung mit Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe. In der nachfolgenden Phase stand die Etablierung und Festigung von Strukturen im Fokus: Sprachunterricht (oft mit Hilfe selbst erstellter Materialien), Aufbau von Kleiderkammern, Beratung zum Asylverfahren sowie zu Sozialleistungen. In der dritten Phase erfolgte die Abrundung des Angebots, indem weitere Maßnahmen zur Förderung der Integration hinzukamen: Nähkurse, Fahrradwerkstätten, Sport- und andere Freizeitangebote für Einzelpersonen und Familien. Individuelle Hilfen wie Unterstützung beim Ausfüllen von Antragsformularen sowie bei der Suche nach einer Wohnung, Begleitung zu Ämtern und Ärzten, Hilfe bei der bei der Arbeitsmarktintegration (Praktikums- und Arbeitsstellensuche) sind "Dauerbrenner" und sind in allen Phasen geleistet worden.

Die ehrenamtlichen Helfer geraten - in Verbindung mit einer zeitlichen Überforderung - durch ihre Arbeit zum Teil an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit. Begleitung im Asylverfahren, Behördentermine, Traumatisierung, familiäre Schwierigkeiten, Überschuldung oder Suchtverhalten führen immer wieder zu herausfordernden Situationen. In den Jahren 2015 und 2016 bei hohen Zuwanderungszahlen trat diese Problematik natürlich besonders massiv auf, aber auch noch aktuell.

Die Gruppe der Ehrenamtlichen ist in vielfacher Hinsicht sehr heterogen, z.B. hinsichtlich des fachlichen Hintergrunds, der Motivation zur Mitarbeit und der Kooperations- und Kompromissbereitschaft im Arbeitskontext. SCHUMACHER (2018, S. 26 ff) unterscheidet bei den ehrenamtlich in der Arbeit mit Geflüchteten Tätigen zwischen verschiedenen "Typen", zwischen denen es Übergänge geben kann und deren Merkmale sich mischen können:

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Case Management im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen. Dargestellt am Einwanderungsmanagement in vier lippischen Kommunen
Hochschule
Fachhochschule des Mittelstands  (Institut für Weiterbildung und Kompetenzentwicklung)
Veranstaltung
Fortbildung Case Management (DGCC)
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
22
Katalognummer
V1176525
ISBN (eBook)
9783346599209
ISBN (Buch)
9783346599216
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um eine Seminararbeit im Rahmen einer Fortbildung zum/zur Case Manager/in zur Tätigkeit im kommunalen Integrationsmanagement für Neuzuwanderer in einem ländlichen Kreis in NRW. Der CM-Ansatz steht zum Teil den Erwartungen der Klienten sowie Ehrenamtlichen entgegen; dies wird als Spannungsfeld thematisiert.
Schlagworte
Case Management, Neuzuwanderer, Migration, kommunales Integrationsmanagement, Ehrenamt, Integration, Sozialberatung, Ehrenamtliche, Soziale Arbeit, Fallmangement, Flüchtlinge, Geflüchtete, Kommune, Sozialarbeit, Beratung, Fallarbeit
Arbeit zitieren
Gerhard Platt (Autor:in), 2021, Case Management im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen. Dargestellt am Einwanderungsmanagement in vier lippischen Kommunen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176525

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