Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Basis – wie verläuft ein typischer Lebensmittelskandal und was charakterisiert ihn?
3. Schweinegrippe – ein Lebensmittelskandal?
3.1 Was ist die Schweinegrippe?
3.2 Diskursverlauf der Schweinegrippe
3.3 Dargestellte Bedrohung = reale Bedrohung?
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Seminar „Du bist was Du isst“ befasst sich damit, welche Rolle Ernährung in den Medien spielt, was bestimmte Diskurse an die Bevölkerung suggerieren und welchen Einfluss das hat oder zukünftig haben kann.
Im Verlauf dieser Hausarbeit möchte ich mich, passend zu einem im Seminar durchgenommenen Thema, mit Lebensmittelskandalen in den Medien beschäftigen. Um das Thema einzugrenzen, beinhaltet die Hausarbeit nicht das weite Thema Lebensmittelskandal, sondern ein konkretes Beispiel, das ich untersuchen möchte. Die Hauptfragestellung soll dabei sein, ob die Schweinegrippewelle, mit der Deutschland in den Jahren 2009 und 2010 zu kämpfen hatte, zu den Lebensmittelskandalen zählt, oder nicht. Dazu sollen bestimmte Argumente aufgestellt und belegt werden.
Dafür möchte ich zunächst analysieren und darstellen, wie ein standardisierter Skandal in Bezug auf Lebensmittel in den Medien dargestellt wird
Daraufhin werde ich das Beispiel Schweinegrippe hinzuziehen, zunächst erläutern, worum es sich genau bei dieser Erkrankung handelt und welchen Einfluss sie hat, folgend dann wie der Diskurs in den Medien verlaufen ist und welche Bedrohung für die Bevölkerung bestand. Schließlich wird ein Fazit die Ergebnisse meiner Untersuchung zusammenfassen und die Frage dieser Hausarbeit, ob die Schweinegrippe ein typischer Lebensmittelskandal ist, beantworten.
2. Theoretische Basis – wie verläuft ein typischer Lebensmittelskandal und was charakterisiert ihn?
Damit ein Lebensmittelskandal entsteht bedarf es einem Missstand, oder auch Mängeln an bestimmten Waren oder innerhalb eines Unternehmens in der Lebensmittelbranche. „Zwischen Missständen und Skandalen besteht ein kategorialer Unterschied.“, (Kepplinger, 2012: 34). „Ein Missstand muss von den öffentlichen Medien zunächst dramatisiert werden, skandalisiert werden.“, (Kepplinger, 2012: 35). Journalisten erkennen oft das Skandalisierungspotential eines Lebensmitteldefizites. Daraufhin wird darüber berichtet, meist von mehreren Zeitungen gleichzeitig, sowie auch im Internet und im Fernsehen. Diese plötzliche Berichterstattung vermittelt der Bevölkerung den Eindruck, dass der plakatierte Missstand gerade erst aufgedeckt worden sei. „Skandale entstehen in der Regel sehr schnell, weshalb man zu Recht sagt, sie „brechen aus“. Innerhalb weniger Tage beherrschen sie die Berichterstattungen der wesentlichen Medien sowie die Aufmerksamkeit eines Großteils der Bevölkerung.“, (Kepplinger, 2012: 41). Die Zeit bis zum so genannten Ausbruch eines Lebensmittelskandals nennt sich Latenzzeit. Sie wird als „Vorhandensein einer Sache, die [noch] nicht in Erscheinung getreten ist“ (duden.de) definiert. Die Latenzzeit kann verschiedene Gründe haben: „Der erste Grund besteht darin, dass die vorhandenen Informationen nicht zu den Medien gelangen“ (Kepplinger, 2012: 41f). Die zweite Möglichkeit ist, „dass Journalisten die Skandalträchtigkeit eines Vorwurfs nicht erkennen.“ (Kepplinger, 2012: 42). Als dritten Grund der Latenzzeit, besteht die Möglichkeit, dass die Meldung (zuerst) nicht wahrgenommen wird, da sie in den öffentlichen Medien nicht genug Breite bekommt. Dies liegt daran, „dass ein Skandalisierungsversuch nur dann erfolgreich ist, wenn die Vorwürfe eines Mediums von mehreren einflussreichen Medien aufgegriffen und verstärkt werden.“ (Kepplinger, 2012: 42)
Die Skandale sollen die Menschen bei Interesse halten. Die Nachfrage nach Informationen steigt, wenn ebenso das Unbehagen in der Bevölkerung wächst. „Sie rufen bei vielen Menschen das Gefühl herbei, dass sie persönliche bedroht sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn sie die fraglichen Lebensmittel oder Medikamente aktuell überhaupt nicht verwenden., (Kepplinger, 2012: 38)
Dabei wird in der Berichterstattung oft deutlich gemacht, wem die Menschen die Schuld an der für sie empfundenen Bedrohung zuweisen sollen: „Mehr als vier Fünftel (88%) aller Beiträge, die Missstände durchgehend anprangern, charakterisieren sie eindeutig oder überwiegend als Folge von schuldhaftem Versagen. Ein Drittel der Beiträge (31%) erwecken den Eindruck, die Verursacher hätten die Missstände vermeiden oder verhindern können. Ein Drittel (37%) legt die Folgerung nahe sie hätten niedere Ziele verfolgt“ (Kepplinger, 2012: 36)
Die Skandale besitzen oft mehrere Komponenten die Auswirkungen außerhalb der involvierten Lebensmittelunternehmen haben. „Lebensmittelskandale besitzen fast immer eine rechtliche und eine medizinisch-biologische Komponente. Die rechtliche Komponente bilden Verstöße gegen Gesetze und Verordnungen – vor allem die Missachtung von Grenzwerten. Die medizinische-biologische Komponente bilden die vermutlichen Auswirkungen der Verstöße auf die Gesundheit der Verbraucher.“ (Kepplinger, 2012: 39).
Besonders die politische Komponente hat Auswirkungen auf Entlassungen, ebenso auf zurücktreten einiger Politiker, denen vorgeworfen wird, sie hätten falsch oder nicht rechtzeitig gehandelt und in den Lebensmittelmissstand eingegriffen.
Der Skandal scheint plötzlich zu verebben, wenn die Medien nicht weiter darüber berichten. Ist das Thema aus Sicht der einflussreichen Medien ausgeschlachtet, scheint auch für die Bevölkerung der Skandal verschwunden zu sein, da sie nicht mehr mit dem Thema konfrontiert werden und neue Informationen erhalten. Auch wenn die Berichterstattung verebbt, kann der Missstand nach wie vor vorhanden sein.
Die Medien spielen eine große Rolle im Bereich der Lebensmittelskandale. „Ohne sie gibt es keinen Skandal. Denn nur sie verfügen über die Möglichkeiten, einen Missstand raumgreifend, schnell und effektiv anzuprangern.“ (Kepplinger, 2012: 40). Ohne öffentliche Berichterstattung gäbe es keinen Skandal.
Ein Skandal kann sich lang in den Medien halten. Gründe dafür können sein, dass zum Beispiel immer mehr Informationen gefunden werden, die sich weiter anprangern und ausschlachten lassen. Die Leser fragen immer mehr Informationen nach, um sich zu vergewissern, wie groß das Ausmaß der Bedrohung ist.
Die Skandale haben mögliche Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Menschen, da die Medien dazu neigen die Bedrohung größer darzustellen, als sie ist. So versucht die Bevölkerung möglicherweise betroffene Lebensmittel zu vermeiden, was zu einem veränderten Kaufverhalten führt und ebenfalls zu einem schlechten Image und einer schlechteren Wettbewerbsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.
Lebensmittelskandale müssen den Missständen, die sie darstellen, also nicht entsprechen. Sie sind von den öffentlichen Medien dargestellte Berichterstattungen, die Einfluss auf Menschen und Regierungen im lokalen Gebiet haben. Das Ausmaß und die Dauer des Skandals ist unabhängig von Ausmaß und Dauer des Missstandes. Der Diskurs, der dargestellt wird, ist also nur von einer bestimmten Dauer: „Betrachtet man vorliegende Diskursanalysen, so zeigt sich, dass die Forschungsgegenstände von Diskursanalytikern in erster Linie thematisch und zeitliche bestimmt werden.“ (Nier, 2014: 31)
Ein Skandal wird also vom Hauptthema, dem Missstand, und der Zeit bestimmt in der über ihn, nach Vorstellungen der öffentlichen Medien, berichtet wird.
Die Medien prangern den Skandal nach ihrer Vorstellung an, wobei nicht zwingend die Realität dargestellt wird. „Lebensmittelskandale werden […] als geographisch nahe, unkontrollierbare Bedrohung dargestellt, der die Menschen hilflos ausgeliefert sind. Zudem erweckt eine oftmals kritische Schilderung der eingeleiteten Gegenmaßnahmen den Eindruck, die politisch Verantwortlichen seien mit der Situation überfordert.“ (Linzmaier, 2007: 18)
3. Schweinegrippe – ein Lebensmittelskandal?
3.1 Was ist die Schweinegrippe?
Schweinegrippe ist eine ursprünglich aus Mexiko und Südamerika stammende Form der Influenza. Sie wird durch das Virus H1N1 ausgelöst. Es ist „eine auch auf Menschen und von Menschen zu Mensch übertragbare Viruserkrankung bei Schweinen“ (www.duden.de). Das Virus wird beim Menschen als Tröpfcheninfektion weitergegeben. „Die Viren können direkt von Schwein zu Mensch (aber auch von Mensch zu Schwein) übertragen werden.“ (www.internisten-im-netz.de) „Die Schweinegrippe verläuft ganz überwiegend harmlos, es gibt auch sehr schwere Fälle. Ein tödlicher Ausgang ist möglich“ (www.miomedi.de).
Die Symptome der Influenza sind die einer gewöhnlichen Grippe: Fieber, Halsschmerzen, Kopf- und Muskelschmerzen, Reizhusten, Schnupfen, Frösteln und Schweißausbrüche. Ebenfalls sind häufige auftretende Symptome Erbrechen und Durchfall.
Es handelt sich also um eine grippeähnliche Erkrankung, die sehr harmlos verlaufen kann, ebenso aber auch tödliche Auswirkungen haben kann.
3.2 Diskursverlauf der Schweinegrippe
Der Ausbruch der Schweinegrippe beginnt im Frühjahr 2009 in Mexiko. Zeitungen, Fernsehen und Radio, sowie auch das Internet berichten über die Krankenziffern: „In Mexiko habe die Zahl der Erkrankten bereits am 30. April bei 6000bis 23000 gelegen, schreiben Forscher […] im Fachmagazin „Science“.“(www.spiegel.de). Damit liegt die Gefahr der Ansteckung für die Deutschen weit entfernt. Die deutschen öffentlichen Medien berichten zwar vereinzelt, jedoch wird der Berichterstattung wenig Breite gegeben.
Da die Krankheit sich ausbreitet und kurz darauf auch in den angrenzenden USA die Anzahl der Erkrankten zunimmt, berichten die deutschen Medien vermehrt über die Grippe: „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nach jüngsten Daten seit Ende April 27373 Schweinegrippefälle in 74 Ländern registriert. 141 der Erkrankten sind gestorben.“ (www.spiegel.de). Im selben Artikel wird ebenfalls berichtet, dass die erste Erkrankung eines Menschen schon länger zurück liege, als zunächst vermutet wurde: „Schweinegrippe-Virus: erste menschliche Infektion soll schon Monate zurück liegen.“ (www.spiegel.de). Diese Berichterstattung soll und lässt die Menschen verunsichern, da die Medien von keinen Details berichten, und es unklar scheint wie lange die H1N1-Viren schon im Umlauf sind, bevor die erste Diagnose gestellt wurde und Informationen darüber an die Öffentlichkeit gelangten. Die Länge der Latenzzeit ist also zunächst unklar. Die Gründe dafür scheinen laut Nachrichten jedoch deutlich: die Informationen gelangten nicht zu den Medien oder wurden anfangs für irrelevant befunden.
Mitte Juni berichten dann Zeitungen wie der Spiegel auf einmal von einer „2. Welle“ (www.spiegel.de) und begründen diese Überschrift im Artikel mit der Nachrichte: „Seit Ende voriger Woche gibt es offiziell kein Land mehr, das Sicherheit böte vor dem neuen Influenzavirus.“ (www.spiegel.de). Am Schluss dieses Artikels wird plakatiert dargestellt, wie allgegenwärtig die Grippe auch hier in Deutschland mittlerweile ist: „Das Virus ist aktiv in Gefängnissen und Bordellen, auf Kreuzfahrtschiffen und U-Bahnhöfen – und auch mitten in Deutschland. Eine japanische Schule in Düsseldorf ist vergangene Woche geschlossen worden. Mindestens 46 Kinder erkrankten an der neuen Influenza, untypisch für diese Jahreszeit, eines musste in die Uni-Klinik. In Köln haben sich davon unabhängig bisher 8 Schüler infiziert.“ (www.spiegel.de).
Außerdem werden neue Vermutungen aufgestellt, wann die Schweinegrippe erstmals beim Menschen ausgebrochen ist. „Im Januar war das Virus nach neuen Erkenntnissen vom Schwein auf den Menschen übergesprungen.“ (www.spiegel.de). Die Bevölkerung wird durch diese Nachrichten verunsichert. Das Virus könnte sich schon viel länger ausgebreitet haben als bisher bekannt war. Jedoch scheint die Verunsicherung die Deutschen noch nicht in ihrem Alltag zu beeinflussen, da ebenfalls berichtet wird, dass große Veranstaltungen nach wie vor unbeeinträchtigt stattfinden: „Trotz Pandemie laufen Massenveranstaltungen wie Konzerte, Fußballspiele oder Volksfeste weiter. Bei akutem Virenalarm könnten die Gesundheitsämter aber auch schnell anders entscheiden. Vor allem vorübergehende Schulschließungen gelten als wichtiges Mittel um die Influenza einzudämmen.“ (www.spiegel.de)
Da die Anzahl der Erkrankten in Deutschland bis zu diesem Zeitpunkt sehr gering ist, glauben die Menschen an eine ebenfalls geringe Wahrscheinlichkeit der Infektion.
Anfang Juli überschlagen sich plötzlich die Schlagzeilen: „Pandemie-Virus: Neue Schweinegrippe-Fälle in Rheinland-Pfalz“ (www.spiegel.de), „Neue Infektionen in Deutschland: In Ludwigshafen gibt es drei Infektionen und zwei Erkrankungen mit dem Erreger der Schweinegrippe.“ (www.spiegel.de), „Die Schweinegrippe breitet sich rasend schnell unter Menschen aus, spielte bei Schweinen bislang kaum eine Rolle. Jetzt haben Forscher gezeigt, dass die Tiere erkranken, die Vieren effizient weitergeben und neue, gefährliche Erreger entstehen lassen können.“ (www.spiegel.de), „Die Zahl der weltweit registrierten Schweinegrippefälle ist aktuell auf über 100.000 gestiegen“ (www.spiegel.de).
Die Schweinegrippe ist in den Medien allgegenwärtig. Wenige Tage später berichtet der Spiegel: „Rasanter Anstieg: wie das Robert-Koch-Institut bestätigte, sind bereits 1500 Bundesbürger mit dem Erreger der Schweinegrippe infiziert“ (www.spiegel.de). Das Virus breitet sich rapide aus und die Nachrichten zu der Grippe scheinen zu explodieren. In Deutschland gibt es immer mehr Infizierte und die Medien suggerieren durch ihre Berichterstattung mehr werdende Verunsicherung.
Anfang August 2009 macht der Artikel mit der Überschrift Rasante Ausbreitung: Fast 8000 Schweinegrippe-Fälle in Deutschland.“ (www.spiegel.de), das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Verbreitung bewusst. In diesem Artikel wird ebenfalls deutlich, dass die Geschwindigkeit, in der sich die Krankheit ausbreitet, ansteigt.
„Die Zahl der bestätigten Schweinegrippe-Fälle in Deutschland hat sich auf 7963 erhöht. Innerhalb von 24 Stunden wurden 786 neue Fälle gemeldet, wie das Robert-Koch-Institut in Berlin am Mittwoch mitteilte“ (www.spiegel.de). Gleichzeitig wird berichtet: „Die Zahl der Schweinegrippe-Todesfälle in der Welt hat unterdessen die Tausendermarke überschritten.“ (www.spiegel.de). Schulen schließen „Schulen schließen wegen Schweinegrippe“ (www.fazarchiv.faz.net) und immer mehr wird den Menschen deutlich gemacht, dass sie von der Schweinegrippe umgeben sind. Nur zwei Tage später erscheint ein Bericht, der die Angst der Bundesbürger bestätigt: „Diagnose mangelhaft: die Schnelltests die zur Erkennung der Schweinegrippe benutzt werden, sind extrem unzuverlässig – und geben in vielen Fällen falsche Entwarnung. Bei einer Arzthelferin wurde eine Infektion nicht erkannt, die Frau arbeitete noch tagelang in einer Klinik“ (www.spiegel.de), „die Trefferquote liegt lediglich zwischen 40und 69 Prozent“ (www.spiegel.de).
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