‚Feldzug für die Demokratie und Freiheit’ - Gibt es eine Chance für eine Demokratisierung im Irak?


Dossier / Travail de Séminaire, 2008

29 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Was hat den Irak zu dem gemacht, was er heute ist? – Kurzer historischer Abriss des Landes
2.1 Monarchie – Republik - Diktatur
2.2 Kultureller Flickenteppich – Sunniten - Schiiten - Kurden

3 Die Auswirkungen des Irak-Krieges
3.1 Die Stunde Null im Irak
3.2 Der Irak nach dem Dritten Golfkrieg - Krieg nach dem Krieg?
3.3 Herausforderungen nach dem Krieg

4 Nachkriegsordnung als Basis für die Demokratie – Fehlstart für die Freiheit?
4.1 Übergangsverfassung als Vorraussetzung für einen demokratischen Irak
4.2 Wohin geht der Weg? – Zielvorstellungen für einen Neuanfang

5 Schlussbetrachtungen

6 Literaturangaben

„Der Preis eines Krieges ist nicht nur in toten Zivilisten zu taxieren; jeder Eroberungskrieg enthauptet nicht nur eine gesellschaftliche Ordnung, er zerstört das soziale Geflecht von Millionen Menschen, er bestimmt willkürlich Kriegsverlierer und Kriegsgewinner, und es dauert lange, bis der neue Staat und die neue Gesellschaft wieder funktionieren.“[1]

1 Einleitung

Amerika nimmt seit Beginn des 21. Jahrhunderts eine einzigartige Position in der internationalen Politik ein. Erstmals als Weltmacht betrachtet, stieg dieses Land zu der Supermacht der Neuzeit auf.[2] Noch nie zuvor hat eine demokratische Nation über so große politische, wirtschaftliche und militärische Mittel verfügt, um seine Interessen durchzusetzen und seine neue Art von Hegemonie zu untermauern. Die Sicherung dieser besonderen Hegemonialstellung wird gezielt durch eine neoimperiale Politik gewahrt.

Als am 11. September 2001 mit den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon diese Politik ins Wanken geriet, rückte die globale Sicherheit besonders gegenüber Terroristen und terroristischen Regimes auf die internationale Agenda. Nun ging es besonders den USA darum, eine geeignete Eindämmungsstrategie gegenüber Diktaturen, die im Besitz von Massenvernichtungswaffen sind, zu entwickeln. Gleichzeitig wurde die zukünftige Gestaltung der sicherheitspolitischen Krisenregion Nahost immer wichtiger. Dabei zeigt gerade der Irak-Konflikt die Problematik auf, die sich bei der Durchsetzung der Interessen der neuen Supermacht ergibt. Zum Einen wird nicht nur deutlich, dass es schwierig ist einem Land, welches überwiegend ein künstliches Gebilde ohne nationale Geschichte und Mythologie ist, ein Demokratieverständnis zu vermitteln. Zum Anderen wird sichtbar, welche Schwierigkeiten auftreten, wenn keine demokratische Tradition die Geschichte eines Landes bestimmen konnte.

Der heutige Irak blickt auf eine lange Geschichte zurück, die geprägt ist von antiken Hochkulturen und dem arabisch-islamischen Weltreich. Bis 1918 zum Osmanischen Reich gehörend, geriet der Irak unter britische Mandatsherrschaft. Völlige Unabhängigkeit konnte das mit reichen Ölvorkommen gesegnete Land nur unter großen Opfern erkämpfen. Dabei bestimmten vor allem immer wieder wechselnde Staatsformen, Regierungsumstürze und Putschversuche, sowie Interventionen externer Großmächte und fortwährende Konflikte mit den Nachbarstaaten die Geschichte des Landes. Als dann Saddam Hussein und sein totalitäres Regime 1979 an die Macht kam und drei Kriege das Land an den Rand des Abgrundes brachten, verlor die große Masse der Iraker nahezu alle bürgerlichen Rechte und litt auch unter großen wirtschaftlichen und menschlichen Repressalien. Der massiv umstrittene Militäreinsatz 2003 unter Führung der USA und Großbritanniens befreite den Irak von dem Regime Saddam Husseins und stellte das Land somit an einen Neuanfang. Dieser war zunächst von dem Versuch geprägt, die Kontrolle über den Sicherheitsapparat, sowie über die wirtschaftlichen Ressourcen und über eine Verfassungsgebung zu behalten.

Politisch gesehen hinterlässt der Krieg eine komplizierte Bilanz: Ein Diktator wurde gestürzt und sein durch Folter und Misshandlung gekennzeichnetes Regime zerstört. Jedoch entwickelte sich nach diesem schnellen militärischen Krieg ein Machtvakuum heraus. Noch bevor die Besatzungsmacht eine funktionierende Nachkriegsordnung herstellen konnte, erheben sich unterschiedliche irakische Gruppierungen, um dieses Vakuum auszufüllen.

Der Beauftragte für ‚Innere Führung’ vom Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen[3] Alexander E. Streithparth bringt es schließlich auf den Punkt: „More than a year after the last Gulf War, in March 2003, the situation in Iraq is far from stable and there is no telling how the future of the country will develop.“[4]

Nachdem nun noch immer im Irak bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, stellt sich schnell die Frage, ob denn das Projekt einer ‚externen Demokratisierung’ auf einen Staat wie den Irak angewendet werden kann? Ist es bei der Betrachtung der Geschichte des Iraks überhaupt möglich, von einer Regierung eines föderativen Staates zu sprechen? Welchen Weg müsste eine zukünftige irakische Regierung einschlagen, um die Probleme des Landes zu lösen?

Bevor diese Fragen beantwortet werden können, muss man sich zunächst einmal der jüngeren Geschichte des Iraks widmen und sich darüber Gedanken machen, was den Irak zu dem gemacht hat, was er heute ist.

Ziel dieser Hausarbeit soll es sein die aufgeworfenen Fragen kritisch zu betrachten und eventuelle Lösungsansätze zu finden. Es gilt zu ergründen, ob es überhaupt möglich ist, die vielschichtigen Probleme zu lösen und die Herausforderungen, denen sich das Land stellen muss, anzunehmen und zu bewältigen.

2 Was hat den Irak zu dem gemacht, was er heute ist? – Kurzer historischer Abriss des Landes

„Einst stand im Nahen Osten die Wiege der Zivilisation. Doch davon ist heute nicht mehr viel zu spüren. Vielmehr gilt das Gebiet von Nordafrika bis Zentralasien als Pulverfass der Weltpolitik.“[5] Was Peter Barth in der Einleitung seines Buches schreibt, kann man mit anderen Worten nicht besser ausdrücken. Betrachtet man den Irak, so stellt man sehr schnell fest, dass dieser unter anderem gezeichnet ist von einer Spirale der Gewalt im Nahen Osten, wie sie uns tagtäglich in den Medien begegnet. Das ist vor allem das Ergebnis einer scheiternden und gescheiterten Staatenbildung. So ist der Irak ein Produkt europäischer Kolonialisierung und deren Auflösung.

Die Geschichte des Iraks ist kurz und wechselvoll und beginnt mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall des Osmanischen Reiches. In der Folgezeit ist sie geprägt von der Entstehung eines irakischen Königreiches unter britischem Mandat, dem diktatorischen Regime unter Saddam Hussein und den drei Golfkriegen. Um zu verstehen, wie der Irak heute zu betrachten ist, muss man zunächst die Geschichte des Iraks verstehen. Denn nur dann ist es möglich zu begreifen, was den Irak zu dem gemacht hat, was er heute ist.

2.1 Monarchie – Republik - Diktatur

Im Ersten Weltkrieg marschierten britische Truppen in Bagdad ein und besetzten 1917 das Land gegen den Widerstand türkischer und deutscher Truppen. Großbritannien wandelte das Land formal in eine haschemitische[6] Monarchie um und erhielt schließlich 1921 das Mandat. Somit bekam Großbritannien den Auftrag, die staats- und völkerrechtlichen Interessen zu vertreten. Außerdem waren die Briten nun verantwortlich für die Verwaltung des Osmanischen Reiches – und damit begann die Geschichte der Abhängigkeit des Iraks von einer westlichen Macht. Die Landesgrenzen wurden willkürlich gezogen und die Provinzen Bagdad, Mosul und Basra wurden 1920 aus dem Osmanischen Reich herausgelöst und zum heutigen Irak zusammengeschmolzen - ungeachtet der religiösen und ethnischen Bevölkerungsgruppen. „So standen nun die Menschen, aus denen die Briten plötzlich ‚Iraker’ gemacht hatten, vor einer Zukunft, von deren Gestaltung sie zunächst weitgehend ausgeschlossen waren.“[7] Der Irak entstand nun durch britische Einflussnahme im Verlauf des Zusammenbruches des Osmanischen Reiches und ist dadurch eine Erfindung Großbritanniens.

Selbst nach nomineller Bestätigung des Iraks 1930, Unabhängigkeit 1932 und Aufhebung des britischen Mandats blieb die britische Oberhoheit bestehen. Auch wirtschaftlich und politisch nahm Großbritannien eine Sonderstellung ein und sicherte sich dadurch weiter seinen Einfluss. Jedoch war der Widerstand innerhalb der irakischen Bevölkerung gegen die starke Rolle der Briten groß und somit waren Putschversuche und Regierungswechsel prägend für die Folgezeit.

Wie auch immer, einige Fragmente demokratischer Strukturen und Praktiken wurden unter britischem Mandat jedoch gesetzt und entwickelten sich über die nachfolgenden Dekaden.

Mit dem Armeeputsch am 14. Juli 1958 begann die Ära der Republik Irak und somit das Ende der Monarchie. Zunächst wurden hier die ersten sozialen und demokratischen Reformen durchgeführt und sehr schnell eine neue Verfassung verabschiedet. Diese Reformen sind durchaus als weiterer Schritt des unter britischem Mandat entwickelten demokratischen Anfangs zu betrachten. Jedoch wurde der Irak in Folge der Reformen durch Abd al-Karim Qasim[8] immer diktatorischer und fand schließlich in der Errichtung des Militärregimes seinen ersten brutalen Höhepunkt. Es folgten in den 60er Jahren mehrere Putsche, bis die Baath-Partei 1968 schließlich die Macht an sich riss und Ahmad Hasan al-Bakr[9] Präsident wurde. Die ursprünglich in Syrien gegründete Partei agierte bereits seit einiger Zeit im irakischen Untergrund. Den gesamten arabischen Raum als sozialistischen Einheitsstaat unter obersten Autorität des Baath-Nationalkommandos aufzufassen, ist deren ideologisches Ziel, welches sich auch in der Verfassung wiederspiegelte.

Gleich nach der Machtübernahme der Baathisten wurde das Land systematisch modernisiert. Ahmad Hasan al-Bakr trat 1979 zurück und übergab Saddam Hussein die Führung des Landes. Hussein vereinigte nun in sich die Ämter des Staatspräsidenten, des Oberkommandierenden der Streitkräfte, des Generalsekretärs der Partei und des Vorsitzenden des Revolutionsrates.

Mit Saddam Hussein als Präsident des Iraks beginnt erneut eine Zeit, in der opponierende Gruppen im Land brutal unterdrückt wurden. Selbst die im Norden weitgehend autonomen Kurden wagten keine offene Konfrontation mit ihm. Viele Gruppen der Opposition arbeiteten auch aus dem Exil. „Dictatorship, war, international sanctions, and steady economic decline had driven millions of Iraqis into exile and had devastated the middle class (…).“[10]

Als dann 1980 der Irak den Iran angriff, begann nicht nur der Erste Golfkrieg, sondern auch das wirtschaftliche Desaster des Landes. Acht Kriegsjahre zehrten an Land und Menschen. Aber auch im Inneren des Landes kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Saddam Hussein und den Kurden, die den Iran unterstützten. Diese Konflikte fanden ihren Höhepunkt 1988 im Feldzug gegen die Kurden, bei dem Hunderte Menschen durch Giftgas ums Leben kamen. Bereits zwei Jahre später besetzte der Irak Kuwait und erklärte es zur 19. irakischen Provinz. Unter Führung der USA begannen die Alliierten im Januar 1991 mit Luftangriffen den zweiten Golfkrieg. Bereits im März wurden die rebellierenden Soldaten in Basra, Aufstände der Schiiten und der Kurden im Norden von den Regierungstruppen niedergeschlagen. Doch auch in der Folgezeit kam es erneut zu Übergriffen auf Kuwait, die weitere Militärschläge der Alliierten auslösten.

Die Blockade der in der Waffenstillstandsresolution vom April 1991 vereinbarten Auflage, alle Massenvernichtungswaffen zu beseitigen, zog eine Verschärfung der wirtschaftlichen Sanktionen nach sich. Immer wieder verhinderte der Irak UN-Inspektionen irakischer Militäranlagen. Aber auch der Vorwurf des opportunistischen Taktierens und Hintergehens der auferlegten Sanktionen durch den Irak verschärfte die bereits angespannte Beziehung. Schließlich verließen die Inspekteure den Irak im Dezember 1998.

[...]


[1] Stefan Aust, Cordt Schnibben (Hrsg.): Irak – Geschichte eines modernen Krieges, München 2003, S. 11.

[2] Vgl. Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Frankfurt am Main 1999, S. 17.

[3] http://www.sicherheitspolitik.de/ - Der Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) ist ein Zusammenschluss sicherheitspolitischer Hochschulgruppen an deutschen Universitäten. Er setzt sich aus sicherheitspolitisch interessierten Studierenden und Universitätsangehörigen aller Fachrichtungen zusammen.

[4] Alexander E. Streithparth: Political Culture and Democratization in Iraq, in: Björn Kilian, Christian Tobergte, Simon Wunder (Hrsg.): Nach dem Dritten Golfkrieg: Sicherheitspolitische Analysen zu Verlauf und Folgen des Konflikts, Berlin 2005, S. 47.

[5] Peter Barth: George W. Bush’s Krieg gegen den Irak und die Auswirkungen auf die arabische Welt, München 2004, S. 5.

[6] Anm. d. V.: Die Haschemiten sind ein arabischer Stamm, der sich im Ersten Weltkrieg gegen die Osmanen auflehnte und eingroßarabisches Königreich aufbauen wollte. Doch die kolonialistischen Expansionsgedanken und die Aufteilung Mesopotamiens durch Briten und Franzosen ließen diese Idee scheitern. Trotzdem gelang es den beiden Söhnen des Großscherifs Husain ibn Alī unter britischer Oberherrschaft zwei neue Monarchien zu begründen. Damit wurde Faisal I. 1921 zum ersten König des Irak und sein jüngerer Bruder Abdallah I. zum Emir und später zum König von Transjordanien.

[7] Barth, a.a.O, S. 161.

[8] Anm. d. V.: Er war einer der Anführer, die für den Sturz des Königs und das Ende der Monarchie im Irak verantwortlich waren. Unter anderem war die pro-westliche und anti-arabische Politik der Monarchie ausschlaggebend für den Sturz. Der Austritt aus dem Bagdad-Pakt sowie die Auflösung der Union mit Jordanien in der Arabischen Förderation waren richtungweisend für die neu gegründete Republik unter Führung Qasims.

[9] Anm. d. V.: Die Errichtung der Kurdischen Autonomen Region und der Frieden mit dem benachbarten Iran zählen unter Anderem zu den wichtigsten Errungenschaften des Präsidenten. Darüber hinaus wurden seine Macht und die der Baath-Partei durch den gewaltigen Wirtschaftsboom zu seiner Zeit gefestigt.

[10] Larry Diamond: Squandered Victory. The American occupation and the bungled effort to bring democracy to Iraq, New York 2005, S. 315.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
‚Feldzug für die Demokratie und Freiheit’ - Gibt es eine Chance für eine Demokratisierung im Irak?
Université
University of Potsdam  (Historisches Institut)
Cours
Internationale Krisendiplomatie - Aktuelle Fallbeispiele
Note
1,3
Auteur
Année
2008
Pages
29
N° de catalogue
V117736
ISBN (ebook)
9783640200887
ISBN (Livre)
9783640206346
Taille d'un fichier
562 KB
Langue
allemand
Mots clés
Demokratie, Freiheit’, Gibt, Chance, Demokratisierung, Irak, Internationale, Krisendiplomatie, Aktuelle, Fallbeispiele
Citation du texte
Katja Born (Auteur), 2008, ‚Feldzug für die Demokratie und Freiheit’ - Gibt es eine Chance für eine Demokratisierung im Irak?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117736

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