Theaterübersetzung im Vergleich

"La Casa de Bernarda Alba" von Federico García Lorca


Seminar Paper, 2008

18 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Gliederung

1. Einleitung

2. La casa de Bernarda Alba – Resümee des Werkes

3. Heinrich Enrique Beck
3.1. Relation zu Federico García Lorca
3.2. Kritik an Becks Übersetzungen

4. Hans Magnus Enzensberger

5. Herangehensweise an Theaterübersetzungen gemäß dem Schema der „Übersetzungsorientierten Texttypologie“ von Katharina Reiß

6. Übersetzungsvergleich zwischen E. Beck und H. M. Enzensberger
6.1. Textbeispiel I: die Magd La Poncia im Gespräch mit einer weiteren Magd
6.2. Textbeispiel II: Bernardas Magd zu sich über den Tod von Bernarda Albas Ehemann
6.3. Textbeispiel III: Litanei über den verstorbenen Ehemann
6.4. Textbeispiel IV: Gespräch über Gerüchte um Pepe el Romanos Verlobung mit Angustias
6.5. Textbeispiel V: Streitgespräch zwischen der Magd und Adela11 6.6. Textbeispiel VI: Angustias und Bernarda über einen Zwist mit Martirio

7. Schlussbemerkung

8. Bibliographie

Theaterübersetzung im Vergleich

La casa de Bernarda Alba von Federico García Lorca

1. Einleitung

Federico García Lorca und Heinrich Enrique Beck.

Nur in wenigen Fällen ist der Name des Übersetzers so sehr mit einem einzigen Autoren in Verbindung zu bringen. Was aber, wenn diese eine Stimme im Verdacht steht, ein verzerrtes Bild des Autoren mit ihren Übersetzungen zu hinterlassen. Wie genau muss der Übersetzer das wider geben, was im Original vermittelt wird und wann ist ein Stück auch bühnentauglich? Ein Vergleich der Beckschen Übersetzung von Lorcas La casa de Bernarda Alba mit der Neuübersetzung von Hans Magnus Enzensberger soll Aufschluss über die Stärken und Schwächen jener beiden Arbeiten geben. Welche Aspekte sollte ein Übersetzer im Hinterkopf behalten, wenn es um die Übertragung von Theaterstücken in eine andere Sprache geht? Hierzu werde ich auf ein Schema von Katharina Reiß eingehen, die sich mit jener Thematik auseinander gesetzt hat.

Für den Übersetzungsvergleich selbst begann ich mit der parallelen Lektüre des Originals von Federico García Lorca und dessen beiden deutschen Übersetzungen von Beck und Enzensberger. Die besonders voneinander abweichenden Passagen wurden zunächst auf die vorliegenden Übersetzungsprobleme anhand der bekannten Übersetzungstheorien von Christiane Nord und Silvia Gamero Pérez untersucht. Daraufhin folgte eine genauere Analyse der beiden Übersetzungsvorschläge und soweit es erforderlich war wurde ein alternativer Lösungsansatz gesucht.

Zuvor werde ich aber eine kurzen Überblick über La casa de Bernarda Alba geben, um später ein besseres Verständnis für die zitierten Textbeispiele zu ermöglichen. Anschließend folgen Hintergründe über den viel diskutierten Enrique Beck und die Vorwürfe dessen Kritiker, zu denen auch H. M. Enzensberger selbst zu zählen ist. Vor dem praktischen Übersetzungsvergleich werde ich noch die Herangehensweise von Katharina Reiß in Bezug auf Theaterübersetzungen erläutern.

2. La casa de Bernarda Alba

Resümee des Werkes

La casa de Bernarda Alba ist eine bäuerliche Tragödie, die in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in einem andalusischen Dorf spielt. Das Stück beginnt mit den Trauerfeierlichkeiten, die aufgrund des Todes des Ehemannes von Bernarda Alba abgehalten werden. Die Mutter der fünf Schwestern Angustias, Magdalena, Amelia, Martirio und Adela verhängt über ihr Haus daraufhin eine achtjährige Trauerzeit, während dieser Isolation zur Außenwelt bestehen muss. Den schon erwachsenen Töchtern ist gestattet an ihrer Aussteuer zu sticken und ihrer gebieterischen Mutter unwidersprochen Gehorsam leisten. Bernarda demonstriert unablässig ihre Autorität und meint „¡[h]asta que salga de esta casa con los pies adelante mandaré en lo mío y en lo vuestro!” (García Lorca / Völpel, 2004: 30).

Der spanische Ehrenkodex – die honra pública – wird von Bernarda als höchste Priorität gesetzt. Somit müssen die individuellen Bedürfnisse der Frauen nach Liebe und persönlicher Freiheit unterdrückt werden. Der Kontakt mit Männern ist nicht erlaubt um den makellosen Eindruck, der in der Öffentlichkeit herrschen soll, in keiner Weise zu beeinträchtigen.

Die jüngste Tochter Adela verliebt sich jedoch in Pepe el Romano und gibt sich ihrer Leidenschaft hin. Sie kann und will sich dieser Unterdrückung nicht fügen: „por encima de mi madre saltaría para apagarme este fuego que tengo levantado por mis piernas y boca.” (García Lorca / Völpel, 2004: 40). Pepe wurde aber schon der ältesten Schwester Angustias zur Heirat versprochen. Der daraus folgende Neid unter den jungen Frauen auf die älteste Schwester erschwert das Zusammenleben in der häuslichen Einsamkeit umso mehr. Schließlich kommt die heimliche Liebschaft kurz nach einer Verabredung mit Pepe durch eine lautstarke Diskussion mit Martirio ans Licht. Kurzerhand greift Bernarda zur Flinte und vertreibt Pepe mit mehreren Schüssen. Verschlagen belügt Martirio Adela: „Se acabó Pepe el Romano.“ (García Lorca / Völpel, 2004: 78). Adela erhängt sich und somit schließt das Drama mit einem weiteren Tod. Um die Fassade nach Außen nicht zu beeinträchtigen befiehlt Bernarda allen zu schweigen denn „[e]lla, la hija menor de Bernarda Alba, ha muerto virgen.“ (García Lorca / Völpel, 2004: 80).

3. Heinrich Enrique Beck

3.1. Relation zu Federico García Lorca

Im Wartezimmer eines Arztes 1936 in Barcelona kommt Heinrich Enrique Beck zum ersten Mal in Kontakt mit den Werken Federico García Lorcas – ein Ereignis, das ihn sein ganzes Leben begleiten wird.

Seit Anfang 1934 befand er sich im spanischen Exil und begann Lorcas Arbeiten unermüdlich ins Deutsche zu übersetzen.

Um die literarischen Leistungen García Lorcas auch in Deutschland zu veröffentlichen und einem großen Publikum zugänglich zu machen, bemühte Beck sich um einen namhaften Verlag und nach monatelangen Verhandlungen kam es schließlich im Januar 1947 zu einem Vertrag mit dem Theaterverlag Reiss (Rudin Bühlmann, 1993: 65). Zuvor hatte er sich erfolgreich bei den Erben Lorcas das Recht als „einzig ermächtigten übersetzer des gesamten werkes von federico garcía lorca ins deutsche [sic]“ (Rudin Bühlmann, 1993: 59) erworben.

3.2. Kritik an Becks Übersetzungen

Federico García Lorca weist in La casa de Bernarda Alba ausdrücklich darauf hin, dass das Stück als photographisch genaue Dokumentation aufgefasst werden soll. Schlichte grammatikalische Strukturen und alltägliches Vokabular sind charakteristisch für Lorcas Werke. Zumal jenes Stück in einem andalusischen Dorf spielt, müsste der Übersetzer sich an die Einfachheit der Vorlage halten. Ein Hauptkritikpunkt der Gegner der Übersetzungen Becks war deshalb die Anwendung seines „eigenen, sehr barocken Stil[s] […], womit man den echten García Lorca nicht finden kann.“ (Rudin, 1997: 198). Beck gelingt es nicht, eine Übersetzung zu verfassen, die auf gleicher stilistischer Ebene wie das Original liegt. Häufig verwendete Konjunktive verfälschen den Eindruck, den eine gewöhnliche Figur in einem andalusischen Dorf beim spanischen Publikum hinterlässt. Außerdem ergeben sich hieraus Probleme für die Theateraufführungen. Einerseits erschwert der Konjunktiv das „unmittelbare, hörende Verstehen des Zuschauers.“ (Rudin, 1997: 106). Andererseits mag dieser geschrieben gut lesbar sein, im Gesprochenen wirkt er jedoch unnatürlich und das Bühnenwerk büßt einen Teil der Sprech- und Spielbarkeit ein. (Rudin, 1997: 106). Weitere Vorwürfe besagen, Beck könne sich der Verlockung nicht widersetzen, „statt zu übersetzen selbst zu „dichten“.“ (Rudin Bühlmann, 1993: 88). Außerdem seien seine Übersetzungen „nicht konkret genug, immer eine Spur „lyrischer“ als im Original, unverbindlicher und meistens auch noch spezifisch deutsch.“ (Rudin Bühlmann, 1993: 90).

Positiv ist jedoch anzumerken, dass Enrique Beck sich unentwegt für den in Spanien unter dem Franco-Regime verschmähten Lorca und dessen Literatur einsetzte. Dabei maß er Lorcas Übersetzungen eine höhere Priorität zu als seinen eigenen literarischen Publikationen. (Rudin Bühlmann, 1993: 93,94).

4. Hans Magnus Enzensberger

Aufgrund anhaltender Einwände gegen Enrique Becks Übersetzungen machte im Jahr 1998 ein Richterspruch den Weg für neue Übersetzungen frei. Die alleinige Befugnis Becks die Werke Federico García Lorcas ins Deutsche zu übertragen und das nur von ihm geprägte Textverständnis „bedingten Einseitigkeiten, Missverständnisse und Willkürlichkeiten des deutschen Lorca-Bildes.“ (Briesemeister/Rolof, 1994: 104). Diesem versuchte Enzensberger mit seiner Neuübersetzung von La casa de Bernarda Alba entgegenwirken. Er wollte damit den kitschigen, mit Klischees behafteten Lorca aus den Köpfen der Deutschen vertreiben. Zu seiner Vorgehensweise erklärte Enzensberger gegenüber der spanischen Tageszeitung El País: „Al traducirla del español, tuve que desmontar por completo La casa de Bernarda Alba para reconstruirla luego al alemán.” Weiter äußerte er über Becks mangelhafte Arbeiten: „Beck no lo hizo con mala intención, pero no era consciente de que no sabía ni español ni alemán." (elpais.com, 1999).

Enzensberger ist „Schriftsteller, Essayist, Hörspielautor, Herausgeber, Übersetzer und Redakteur“ und gilt als einer der „bedeutendsten deutschen Lyriker nach 1945.“ (Focus, whoswho.de). Aufgrund dieses großen Erfahrungsschatzes traute man ihm wohl zu eine neue Übersetzung zu kreieren, die Becks Fehler ausbessern kann und Lorca zu einem originalgetreueren Bild verhilft.

[...]

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Details

Title
Theaterübersetzung im Vergleich
Subtitle
"La Casa de Bernarda Alba" von Federico García Lorca
College
University of Passau  (Philosophische Fakultät)
Course
Kultur und Übersetzung
Grade
1,7
Author
Year
2008
Pages
18
Catalog Number
V117809
ISBN (eBook)
9783640201297
ISBN (Book)
9783640208340
File size
428 KB
Language
German
Keywords
Theaterübersetzung, Vergleich, Kultur, Übersetzung, Lorca, La casa de Bernarda Alba, Federico García Lorca
Quote paper
Jasmin Deufel (Author), 2008, Theaterübersetzung im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117809

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