Die Leiden des stummen Werbers

Kreativarbeit


Essai, 2008

18 Pages, Note: 1,0


Extrait


Vorwort

Der vorliegende Text wurde verfasst, um im Proseminar „Sturm und Drang“ (SS 2008) in Form einer Kreativarbeit zwei ECTS-Punkte zu erwerben. In der Arbeit wurden epochentypische Gestaltungsmittel und Themen aufgegriffen. Die Geschehnisse, das „Drama“ um den „stummen Werber“ spielen sich allerdings in einem modernen Kontext ab. Der Inhalt der Arbeit ist stark angelehnt an den Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ von Johann Wolfgang von Goethe. Einige Textstellen der Arbeit wurden aus diesem Werk in leicht abgewandelter Form übernommen.

Der Text entstand nicht in einem Zuge, sondern es wurde, über die Semesterferien verteilt, immer mal wieder an ihm geschrieben.

- Erster Teil -

Am 29.Oktober`03

Hallo Johann!

Wie froh bin ich, dass ich weg bin. Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen. Ja ja, lach nur über meine Ausdrucksweise, alter Freund. Es liegt wohl daran, dass ich gerade überquelle vor, vor…ach, ich weiß nicht genau, was es ist. Die Stadtluft hier bekommt mir entgegen allen Erwartungen einfach gut. Endlich ist mal etwas los um mich herum. Glaub nicht, dass ich dich nicht vermisse, mein Bester. Ich bin allein, aber ich freue mich meines Lebens in dieser Gegend und das hörst du sicher gern. Der Tapetenwechsel war die richtige Entscheidung. Die Decke fiel mir bei uns zuhause in letzter Zeit auf den Kopf. Und hier? Ich bin wirklich fasziniert vom Leben hier. Ich könnte schon schreien vor Begeisterung, wenn ich an den schier endlosen schön dekorierten Schaufensterreihen in der Innenstadt entlang schlendere und dabei immer wieder Neues entdecke. Es mag Einbildung sein, aber es kommt mir tatsächlich so vor, als ob selbst die Regentropfen, die mir hier auf der Haut zerplatzen, frischer und kühler sind als bei uns daheim. Ich bin so glücklich, so ganz vom Gefühl der Lebendigkeit durchdrungen, dass mein Studium darunter leidet. Ich komme kaum zum Arbeiten, nicht einen Text für die Seminare habe ich dieses Semester geschafft, und dennoch bin ich nie ein strebsamerer Schüler gewesen. Neue Leute, interessante Ansichten, andere Meinungen und Perspektiven, Diskussionen bis tief in die Nacht und die Parties erst…So etwas hast du noch nicht erlebt, Johann! Hach, ich blühe hier endlich auf unter all den Gleichgesinnten und Gleichgestimmten, die ich in kurzer Zeit schon kennen lernen durfte.

Am 13.November`03

Ich weiß nicht, ob täuschende Geister in dieser Stadt schweben, oder ob es die warme himmlische Phantasie in meinem Herzen ist, die mir alles rings umher so paradiesisch macht. Ich sauge alle neuen Eindrücke in meine Seele auf, so gut es nur eben geht. Keine Party lasse ich aus. Mein Herz tanzt, Johann! So oft es geht steige ich in die Bahn, fahre ins Getümmel der Stadt und lasse mich vom rauschenden Sog der Menschenmassen dort einfach mitreißen. Jede einzelne Faser, jedes Molekül in mir biegt und dreht sich im Takt der pulsierenden Metropole. O wie viele Augenpaare ziehen alleine schon auf den wenigen Metern von der Haltestelle bis hin zum Hörsaal an einem vorbei. Du glaubst es nicht, Johann. Es sind zu viele um sie zu zählen, unmöglich ihre Aufmerksamkeit für längere Zeit zu gewinnen. Funkelnde, glänzende, lachende, müde, traurige, leere Paare. Schnell, schnell flitzen sie alle an dir vorbei ohne dich wahrzunehmen. Nachts treffe ich einige von ihnen wieder in dem Wirrwarr aus Bildern, das sich seit meinem ersten Tag in dieser Stadt in meinen Träumen abspielt. Manchmal fürchte ich mich vor der mannigfaltigen Flut von neuen Eindrücken, die auf mich einprasselt wie Hagel auf ein noch junges Pflänzchen auf dem Feld. Doch ich gedeihe, Johann. Trotz der ungewohnten Hektik und den vielen fremden Bildern, trotz allem, ich glaube, ich gedeihe wahrlich, mein Bester.

Am 13.März`04

Warum ich so lange nicht mehr geschrieben habe, fragst du dich, Johann? Verzeih mir, alter Kumpel. Du sollst wissen: Ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein Herz näher angeht. Ich habe – ich weiß nicht. Die Geschehnisse im letzten Semester zu ordnen und sie dir der Reihe nach zu erzählen, wird mir nicht gelingen. Ich bin vergnügt und glücklich, und wie du weißt kein sonderlich guter Chronist. Sie ist ein Engel! Ein Schatz! – Pfui! So nennt jeder seine Geliebte, nicht wahr? Sie hat alle meine Sinne gefangen genommen und verfolgt mich, seit ich sie zum ersten Mal traf, hartnäckig in meinen Gedanken. Die ganzen Tage, die ganzen Nächte. Wie eine schöne Melodie spukt ihr Wesen mir durch den Schädel. Immer! Die ganze Zeit! Wo sie auch ist, bildet sich mein Himmel. O Johann, lies doch nur, welchen Unsinn ich schon wieder schreibe. Wäre ich nicht so maßlos in sie verschossen, würde ich mich selbst dafür auslachen. Aber ich kann nicht anders, ich muss mit schwebenden Worten von ihr sprechen. Ich weiß nie, wie mir ist, wenn ich bei ihr bin; es ist, als ob die Seele sich mir in allen Nerven umkehrt. Wie kann ich dir nur erklären wie Lolle ist? Was ich jetzt auch dazu schreiben würde, ist doch nur leidige Abstraktion und kommt nicht einmal annähernd an ihre Vollkommenheit heran. Ein andermal – Nein, nicht ein andermal, jetzt gleich will ich dir erzählen, wer sie ist. Sonst schreibe ich es dir niemals. Denn unter uns: Schon dreimal, seit ich angefangen habe zu schreiben, wollte ich den Stift in die Ecke werfen, meine Jacke anziehen und wieder in die Stadt fahren, um zu versuchen ihr irgendwo an der Uni zu begegnen. Obwohl ich mir heute früh vor dem Aufstehen noch geschworen habe, ihre Nähe nicht schon wieder zu suchen. Und doch stockt mir jedes Mal der Atem, wenn die Bahn an meinem Fenster vorbeifährt. Ich zwinge mich am Schreibtisch über meiner Arbeit zu verharren und nicht die Treppen hinunter zu eilen, einzusteigen und sie dann auf dem Campus zu suchen. ---

Ich konnte nicht widerstehen, ich musste versuchen sie zu sehen. Was soll`s! Da bin ich wieder, Johann, esse widerliche, kalte Pizza und schreibe dir. Ich bin so… verliebt! Sie studiert mit mir und ich sah sie zu Beginn des Semesters zufällig ein paar Reihen vor mir in einer Vorlesung sitzen. Sie saß aufrecht mit überschlagenen Beinen da, und machte sich gelegentlich Notizen. Ich wusste nicht warum, aber ich konnte plötzlich nicht mehr aufhören sie anzusehen. Es gelang mir einfach nicht mehr meinen Blick von ihr abzuwenden und mich auf die Worte des Dozenten zu konzentrieren. Von ihr ging etwas aus, was meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich sie umwerfender fand, wenn sie über einen Scherz während des Unterrichts schmunzelte und verschmitzt grinste oder wenn sie stattdessen gelangweilt zum Fenster rausschaute, sich in ihren Träumen zu verlieren schien. Ihre eleganten Bewegungen, dieser Ausdruck im Gesicht, ihre feinsinnigen, gewählten Worte und Stimmlage, wenn sie sich an einer Diskussion im Unterricht beteiligte. Hallo? Merkt das sonst keiner, habe ich mich immer wieder gefragt. Sieht denn niemand von euch im Saal, was für ein Zauberwesen da sitzt? Johann, mein Herz pochte mir bis zum Hals, als ich wagte Lolle zum ersten Mal anzusprechen. Um Feuer für meine Zigarette, bat ich sie irgendwann einmal nach dem Unterricht. Wir kamen daraufhin in ein oberflächliches Geplauder. Du glaubst nicht wie sehr ich mich zusammenreißen musste, um bei ihr nicht den Eindruck eines kompletten Vollidioten zu hinterlassen. Meine linke Hand schwitze vergraben in der Hosentasche und ich zog an der Zigarette, als gäbe es kein Morgen mehr. Sie bekam von alldem nichts mit. Wie auch? Sie konnte ja nicht sehen wie sie mein Innerstes zum Schmelzen brachte. Bald verabschiedete sie sich wieder von mir und ging zu einem anderen Hörsaal. Bis nächste Woche, sagte sie, mit schon halb zu mir gewandtem Rücken. Johann! Eine Woche! Vor mir lag schon wieder eine endlos lange Woche. Es ging eine ganze Zeit so. Eine ganze Zeit lang verbrachte ich mit Warten auf Dienstag. Alles andere: Nebensache! Was ich auch tat, meine Gedanken hingen an ihr. Der Gedanke an sie nistete sich in meinem Hinterkopf ein. Noch heute klebt er da fest: Beim Zähneputzen, Rasieren, Zeitung lesen, beim Feiern, sogar jetzt beim Schreiben hier in meinem Zimmer. Die Semesterferien ohne sie sind…ein Desaster. Zum Glück beginnen bald wieder die Vorlesungen und ich werde sie wieder sehen. Es gelang mir langsam - irgendwie, frag nicht wie - mich Ende des Semesters mit ihr anzufreunden. Wir verabredeten uns im Wintersemester gelegentlich. Ach, wie es Freunde eben so tun. Du weißt ja - wie das eben so ist…Party hier, Kaffee da, Essen dort, blabla. Doch noch weiß sie nicht, wie viel mehr ich eigentlich für sie empfinde. Ach herrje, Johann – NureinKuss würde es besser machen. Endlich ein Kuss und alles wäre wieder in bester Ordnung. Ich nehme morgen eine Kassette mit meinen Lieblingsliedern für sie auf und schenke sie ihr, wenn wir uns wieder sehen. Ich gebe sie ihr einfach beiläufig kurz bevor wir uns nach einer Vorlesung verabschieden. Ist das eine gute Idee, Johann? Weißt du, dann denkt sie vielleicht öfter mal an mich, wenn ihr die Musik auch gefällt. Ist das blöd, Johann? Schreib`, was hältst du davon? Ich fang` schon einmal an CDs zu suchen.

[...]

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Die Leiden des stummen Werbers
Sous-titre
Kreativarbeit
Université
University Karlsruhe (TH)  (Literaturwissenschaft)
Cours
Proseminar Sturm und Drang
Note
1,0
Auteur
Année
2008
Pages
18
N° de catalogue
V118612
ISBN (ebook)
9783640219834
Taille d'un fichier
430 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Aufgabe bestand darin, einen Text aus der Epoche des Sturm und Drangs kreativ abzuändern. Im vorliegenden Aufsatz wird Goethes Werther in die Gegenwart versetzt. Einige Textauszüge des Originals wurden übernommen und mit eigenen Textpassagen kombiniert. Die Aufgabe bestand darin, einen Text aus der Epoche des Sturm und Drangs kreativ abzuändern. Im vorliegenden Aufsatz wird Goethes Werther in die Gegenwart versetzt. Einige Textauszüge des Originals wurden übernommen und mit eigenen Textpassagen kombiniert.
Mots clés
Leiden, Werbers, Proseminar, Sturm, Drang
Citation du texte
Steffi Mohr (Auteur), 2008, Die Leiden des stummen Werbers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118612

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Titre: Die Leiden des stummen Werbers



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