Zur Funktion der stalinistischen Gesellschaftsordnung 1928 bis 1940

Politische Integrationsangebote als ein weiteres konstitutives Element totalitärer Herrschaftssysteme


Trabajo, 2008

27 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Fragestellung

2 Die sowjetische Arbeiterschaft während des 1. und 2. Fünfjahresplans
2.1 Die massive Wandlung der sowjetischen Arbeiterschaft von 1928 bis 1935
2.2 Integration via Leistung: Die ‚Stachanov-Bewegung’
2.2.1 Zur Formierung und Zusammensetzung der ‚Stachanov-Bewegung’
2.2.2 Politisches Bewusstsein und Mentalität
2.2.3 Widerstand, Krise und Wandel des ‚Stachanovismus’
2.3 Integration per Parteibillet: Zur Entstehung ‚Neuer Eliten’

3 Fazit

Literaturverzeichnis
Aufsätze
Monografien

1 Fragestellung

Dieser Aufsatz wird auf den industriell-städtischen Bereich der ehemaligen Sowjetunion, genauer auf dessen slawisch-europäisches Kerngebiet, der Jahre 1928-40 fokussieren. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei folgenden Gruppen und deren charakteristischen Verhaltensweisen unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen sozial-ökonomisch-politischen Umgebungsbedingungen zukommen, erstens der sowjetischen Arbeiterschaft und zweitens den aus dieser hervorgehenden Führungskadern in Industrie und Wirtschaft. Ferner sollen die ungeheuren verschiedenartigen Transformationsprozesse der dreißiger Jahre erfasst und ihre Auswirkungen auf das situationsspezifische Verhalten der genannten Gruppen aufgezeigt werden. Ziel einer solchen Darstellung soll die Identifikation der Arbeiterschaft und Eliten als weitere wesentliche herrschaftsstabilisierende und konstituierende Elemente des stalinistischen Systems sein.

Dieses realpraktische Wirksamkeit entfaltende sozialgeschichtliche Moment kann, so die Annahme, bei der Erweiterung des bestehenden, primär den politischen Raum oberer Ebene analysierenden Totalitarismuskonzepts[1] helfen und auf diese Weise zur Klärung der Entwicklungsbedingungen ‚moderner Diktaturen’ beitragen.[2] Als alles entscheidende Fragen könnten sich dabei, die nach dem ‚Wie?’ und ‚Warum?’ von Identifikation, Partizipation und Integration der genannten Bevölkerungsschichten erweisen. Letztlich sollte sich derart belegen lassen, dass die stalinistisch geprägte Gesellschaftsordnung trotz ihrer massenhaften Opfer eine funktionierende war. Der eigentliche historische Erkenntnisgewinn könnte dabei in der Bestätigung folgender Annahme bestehen, der dass dieses ‚Funktionieren’ grundsätzlich positiv konnotiert war. Sollte sich diese Hypothese als wahr erweisen, müssten dieser Gesellschaft zugleich zwei konträre aber dennoch wesenhafte Merkmale zugeordnet werden. Zum einen der zielgerichtete Terror[3], durch Zwang gekennzeichnet und generell negativ besetzt. Zum anderen die anscheinend ständig vorhandenen Möglichkeiten zur ‚freiwilligen’ Integration[4], z. B. über die Bereitstellung von massenhaften Aufstiegschancen, verstanden als periodische Verschmelzung verschiedener Interessen zu einer sich uniform gestaltenden ‚Gesamtbewegung’, in der weder der Sozialismus als System noch die politische Führung als Machtfaktor in Frage gestellt wurden. Die Annahme, dass sich der letztgenannte Faktor innerhalb dieser Analyse als der wirksamere der Beiden erweisen wird, erscheint schon im Vorfeld plausibel.[5]

‚Stalinistische Herrschaft’ ist im Rahmen dieser Arbeit als eine Form von Herrschaft totalitären Anspruchs aufzufassen, welche nicht nur mit der Person Stalins unauflöslich verbunden war, sondern ferner ein spezifisch komplexes Geschehen, getragen durch die sowjetische Gesellschaft, bezeichnet.[6] Denn letztere bildete die Basis für jedwede Entwicklung, die sich an oder in ihr vollzog. Unter Beachtung dieser Prämissen scheint es vernünftig, die verschiedenen herrschaftsstabilisierenden Faktoren anhand ihres jeweiligen temporären Wirkungsgrades, d. h. unter Ansetzung spezifischer zeitlicher Phasen, zu definieren.[7] Der ausgewählte Zeitraum zwischen 1928-40 lässt die Untersuchung genau dort beginnen, wo Stalin als führender und vielfach auch entscheidender politischer Handlungsträger identifiziert werden kann. Wobei der Wandel seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt während dieser Epoche natürlich Berücksichtigung finden wird.[8] Sie endet im letzten Vorkriegsjahr, just bevor die Sowjetunion ein weiteres Mal in ihrer Gänze, ausgelöst durch massive äußere Einflüsse und daraus resultierende veränderte innenpolitische Notwendigkeiten, gewaltigen Verschiebungen unterworfen wurde.

Dem Historiker stellt sich in diesem Zusammenhang einmal mehr das Problem der Fassbarkeit historischer Ereignisse, da, wie so oft, auch in der Sowjetunion unter Stalin politischer Anspruch und Wirklichkeit mitunter weit auseinander lagen. Verordnungen, Gesetze und Erlasse spiegeln zwar den totalitären Anspruch der Regierenden wider, wurden oder konnten aber nur selten in die Tat umgesetzt werden, was durch die Größe des Landes, die schwachen infrastrukturellen Vorraussetzungen und die multikulturell-ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung etc. noch begünstigt wurde. Diese Disparität setzte sich bei den damaligen, zumeist parteiinternen, statistischen Erhebungen fort, auf die man im Rahmen einer sozialhistorischen Analyse unabdingbar angewiesen ist. Das Bewusstsein dieses Missverhältnisses hält daher dazu an, jedwede prozentuale Angabe oder anderweitige Zahlennennung innerhalb dieser Betrachtung nicht als kritikfreies Faktum sondern eher als Vermittler einer spezifischen Tendenz innerhalb der Gesamtgesellschaft, die wiederum weiteren zeitlich-räumlichen Differenzierungen unterliegt, anzunehmen.

Als Einstieg in diese Arbeit soll zuerst die Entwicklung der sowjetischen Arbeiterschaft während des 1. Fünfjahresplanes skizziert werden, besondere Aufmerksamkeit soll dabei nicht nur ihrer Zusammensetzung und dem historischen Kontext sondern auch der Manifestation ihres politischen Bewusstseins, insofern sich ein solches überhaupt konstatieren lässt, zukommen. Bereits in diesem Abschnitt sollten sich erste herrschaftsstabilisierende Entwicklungen aufzeigen lassen, die sich als Folge des staatlichen Partizipations-, Identifikations- und Integrationsangebots unter der in ihrer Mehrheit unpolitischen Arbeiterschaft manifestierten. Die konkrete Ausformung eines solchen Angebots wird schließlich exemplarisch an der Herausbildung der ‚Stachanov-Bewegung’ einer sozialhistorischen Tiefenanalyse unterzogen.[9] Die ausführlichere Abhandlung zu diesem Themenbereich wird sich anfangs den sozial-ökonomischen wie politischen Wurzeln dieser ‚Bewegung’ zuwenden. Im Anschluss daran sollen, unter Zuhilfenahme sozialpsychologischer Erklärungsmomente, die konstituierenden Elemente des diese Gruppe verbindenden Konsenses und die sich dagegen formierenden Widerstandsbewegungen innerhalb der Arbeiterschaft aufgezeigt werden. Die letztlich partielle Rücknahme bzw. der Wandel dieser ‚Bewegung’ wird Gegenstand des letzten Betrachtungsfeldes zu diesem Themenbereich sein. Besonders deutlich dürften in diesem Abschnitt die Ausmaße des sozialen Aufstiegs und die organischen Wechselbeziehungen zwischen politischer Führungsspitze und Basis hervortreten.

Im Abschluss des Arbeitsteils soll schließlich eine weitere entscheidende Trägerschicht, jene der ‚Neuen Eliten’, einer Analyse unterzogen werden. Auch hier müssen nach zuvor bewährter Methode unter Beachtung der wirkenden Spezifika die sozialen Ursprünge derselben hervorgehoben und der herrschaftskonstituierende Anteil durch die relativen Bezüge dieser Gruppe zum politischen System transparent gemacht werden. Im Fazit werden dann die wichtigsten Erkenntnisse der vorherigen Kapitel im Überblick zusammengefasst, die in der Fragestellung entwickelten Hypothesen auf ihre Konsistenz überprüft und gegebenenfalls darüber hinausführende Schlüsse gezogen.

2 Die sowjetische Arbeiterschaft während des 1. und 2. Fünfjahresplans

2.1 Die massive Wandlung der sowjetischen Arbeiterschaft von 1928 bis 1935

Der folgende Unterabschnitt soll das im Rahmen dieser Arbeit notwendige sozialökonomische Hintergrundwissen vermitteln. Zudem wird er bei der Beantwortung einer entscheidenden Frage behilflich sein, sie lautet: Warum verhielten sich die Arbeiter, die noch 1917 unter Waffengewalt für ihre Rechte eingetreten waren, 1930 trotz Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen systemkonform?[10]

Zwei Ereignisse waren es, die katalytisch auf die bereits zum Ende des Bürgerkrieges einsetzende Landfluchtbewegung[11] einwirkten, die forcierte Industrialisierung, in deren Folge ein schier unendlicher Bedarf an Arbeitskräften entstand und die gewaltsame Kollektivierung, die Hunderttausende ‚Heimatlose’ bzw. ebensoviel potentiell ‚Wanderungswillige’[12] hervorbrachte. Beide waren zweifellos Ergebnisse politischer Entscheidungen gewesen, dass allerdings auch die nun offensichtlich werdenden Folgen antizipiert worden sein sollen, darf als unwahrscheinlich gelten. Eine neuartige, extrem mobile und überaus große Gruppe an potentiell verfügbaren ‚Menschenmaterial’ prägte nun das Alltagsbild der Ballungszentren, welche nach Möglichkeiten der Integration zur Sicherung ihrer ‚nackten Existenz’ suchte und diese im Industrialisierungsprozess fand. Arbeit gab es sprichwörtlich an jeder Ecke und genau in diese Nische stießen die ‚Neuankömmlinge’[13], so mussten sich die Arbeiterschaft und ihre Rekrutierungsmuster, wie sie bis dato gewirkt hatten, schlagartig verändern.[14] Eine starke ‚Verbäuerlichung’ trat ein[15] und das Antlitz des Landes[16] wandelte sich, beides wirkte sich einschneidend auf die Konstitution der sowjetischen Gesellschaft[17] aus.

Da die vorhandene urbane Gesellschaft den zuwandernden Massen keine stabile Kultur anbieten konnte, begann die vorindustrielle Konfliktkultur des Dorfes schnell die sozialen Beziehungen im Alltag und Beruf zu prägen.[18] Die sowjetischen Fabriken glichen zu Beginn der 30iger Jahre oftmals eher einem ‚nomadisierenden Zigeunerlager’[19] als einer Produktionsstätte, was unweigerlich die Destabilisierung der gesamten Wirtschaft nach sich zog. Vielerorts herrschten chaotische Zustände in den Verwaltungen[20], während sich die Produktionsabläufe durch mangelnde Arbeitsdisziplin unter den Arbeitern, Ressourcenverschwendung, Ausschussproduktion, Maschinenzerstörung etc. auszeichneten. Der Staat reagierte auf diese Entwicklungen mit einer Verschärfung des Arbeitsrechts, welche jedoch bedingt durch den massiven Bedarf an Arbeitskräften und dank des Pragmatismus vieler Betriebsleiter oft nur formale Gültigkeit besaß. Mehr Erfolg hatte die politische Führung dagegen mit einer anderen, purer ökonomischer Notwendigkeit entspringenden Maßnahme. Die Existenz von hunderttausenden freien Stellen bei einem gleichzeitigen eklatanten Mangel an administrativen und wirtschaftlich qualifizierten Personal aufgrund der Industrialisierung zwang sie bereits 1928 zur Schaffung eines neuartigen Rekrutierungs- und Aufstiegssystems. Ein Großteil der beruflich erfahrenen ‚alten Arbeiterschaft’, die sog. ‚Praktiker’, wurde in die sich etablierenden Leitungspositionen versetzt, der Rest kämpfte entweder mit den veränderten technischen Anforderungen[21] oder ging einfach im Zustrom der neuen Arbeitermassen unterging. Die Zersplitterung der Arbeiterschaft in verschiedene Interessensgruppierungen machte sie schließlich als politisches Subjekt handlungsunfähig.[22]

Viele ‚neue Arbeiter’ dürften dagegen die Verschlechterung der Lebensbedingungen zwischen 1928 bis 1934 kaum empfunden haben, da sie die Verhältnisse der sog. ‚Neuen Ökonomischen Politik’ nicht kennen gelernt hatten[23], andere konnten ihr vermutlich ab 1931 partiell durch den Erhalt von Privilegien entgehen.[24] Da die Möglichkeit des Aufstiegs prinzipiell jedem gegeben und unabhängig von der bisherigen beruflichen Ausbildung war, sollten die neuen Arbeiter ebenso rasch Anteil daran nehmen, wie die alten.[25] Erst ab 1933 begann sich dieser Prozess zu verlangsamen, infolge der sich verbessernden betriebsinternen Organisation konnte vielen Arbeitern eine reale Perspektive zur Weiterqualifizierung vor Ort vermittelt und so bei paralleler Abnahme des Arbeitskräftezustroms die hohen Fluktuationszahlen erstmals effektiv gesenkt werden.[26]

Alle diese Initiativen galten primär der Konsolidierung und Stabilisierung des ökonomischen Umbruchs, die ihnen inhärenten Integrations- und Partizipationsangebote waren folglich ein Ergebnis der anfänglichen Planlosigkeit. Die herrschaftsstabilisierende Wirkung derselben, erwies sich allerdings schon bald als ein positiver Nebeneffekt, denn in das Denken der Arbeiter wollte man von Beginn an auf anderem Wege gelangen. So sollte die politische Aufklärung vorwiegend in den sog. ‚Arbeiterklubs’[27] geleistet und die Einbindung der sich formierenden Arbeiterschaft in den Arbeitsprozess über die Mitgliedschaft in den jeweiligen Gewerkschaften[28] abgesichert werden. Ferner wurden im Rahmen der Entwicklung des sog. ‚Arbeiter-Erfindertums’ seit 1929 plakativ Partizipation und Rationalisierung miteinander verknüpft. Das wohl erfolgreichste Angebot dürfte jedoch die ab 1929 erfolgte Umwandlung des ‚sozialistischen Wettbewerbs’ in verschiedene Massenproduktionskampagnen, denen jegliche ökonomische Relevanz abgesprochen werden muss, darstellen.[29] Als unmittelbare Folge der Entwicklungen während der sog. ‚Stoßarbeiterkampagne’ wurde das bestehende egalisierende System der Entlohnung durch die Einführung des sog. ‚progressiven Leistungslohns’[30] ersetzt.

[...]


[1] Nach Friedrich & Brzezinski 1968, S. 133-167.

[2] Vgl. Kritik bei Gorzka 1991, S. 12 f..

[3] Hilfreich ist hier die Unterscheidung von Terror und Gewalt. Vgl. Plaggenborg 1998 (b), S. 75.

[4] Die Anführungszeichen des Beiwortes ‚freiwillig’ sollen auf die ‚praktische Unschärfe’ der gewählten Pole hindeuten, die oftmals, so der Eindruck, nur verschiedene Grade eines Phänomens darstellten.

[5] Sinovjev formulierte es, wie folgt: „Die Sache ist die, dass der Stalinismus, ungeachtet aller Gräuel, eine echte Volksherrschaft, eine Volksherrschaft im tiefsten (ich sage nicht: im besten) Sinne des Wortes, und Stalin ein echter Volksführer war. […] Auch diese Repressionen [gemeint sind die Großen Säuberungen] waren eine Manifestation der Eigeninitiative der breiten Bevölkerungsmassen. Und heute fällt es schwer herauszufinden, wessen Anteil größer war – der Anteil der höchsten Missetäter, mit Stalin an der Spitze, oder aber der Anteil dieser breiten, angeblich betrogenen Bevölkerungsmassen.“ Vgl. Maier 1990, S. 17; Konträr zur ‚Stalinismus-Definition’ Baberowskis 1995, der diesen primär über Terror bestimmt. S. 129 und ders. 2000, S. 620.

[6] In diesem Sinne ist der Stalinismus als eine ‚sozial kontextualisierte politische Geschichte’ zu deuten. Vgl. Plaggenborg 1998 (a), S. 25; ähnlich Schröder 1986, S. 490.

[7] Vgl. Schröder 1986, S. 490 und Gorzka 1991, S. 13.

[8] Dazu Maier 1990, S. 18 und Schröder 1988, S. 319 ff..

[9] Bedingt durch das zur Verfügung stehende umfangreiche Arbeitsmaterial. Vgl. Maier 1990.

[10] Nach Neutatz 1998, S. 185.

[11] 1932 reagierten die Behörden mit der Einführung eines Passgesetzes. Vgl. Schröder 1988, S. 196.

[12] Zu den vielfach freiwilligen Motiven dieses Exodus. Vgl. Baberowski 1995, S. 110.

[13] 1930 waren 70-80% der Arbeiterschaft unter 20 Jahre alt und ohne praktische Berufserfahrung bzw. schulische Qualifikation. Vgl. Bonwetsch 1993, S. 21.

[14] Vgl. Schröder 1986, S. 493 ff..

[15] Vgl. Baberowski 1995, S. 111; 1926-39, zogen ca. 23 Mio. Bauern, zumeist junge Männer, in die Städte, am Ende dieser Periode bestand die Stadtbevölkerung zu ca. 40 % aus ehemaligen Bauern. Vgl. Neutatz 1998, S. 185 f.; Da sich der Arbeiterstamm in den bereits bestehenden Städten zum Teil selbst reproduzierte, wiesen die neuen Industriegebiete und -städte einen signifikant höheren Anteil von Personen ländlichen Ursprungs auf. Vgl. Schröder 1988, S. 74.

[16] Vollkommen neue Städte wie Magnitogorsk (1926 nicht existent, 1935 210.000 Einwohner), Kemerovo und Karaganda (1926 nicht existent, 1935 ca. 120.000 Einwohner) entstanden. Vgl. Schröder 1986, S. 494.

[17] 1928 waren 75 % der Arbeitenden Bauern; 1939 nur noch 50 %, die andere Hälfte entfiel auf die Arbeiter und Angestellten (A.u.A.). Vgl. Bonwetsch 1993, S. 20; 1928 entfielen von insgesamt 10,8 Mio. A.u.A. 2,7 Mio. auf die Industrie, bis 1932 stieg die Gesamtanzahl auf 22,6 Mio., die Zahl der Industriearbeiter hatte sich auf 5,1 Mio. vergrößert. 1940 lassen sich 31,2 Mio. A.u.A. Tendenz steigend nachweisen. Allein zwischen 1928 bis 1933 wurden ca. 11 Mio. Personen zusätzlich in die Verwaltung, die Verteilung und die nichtlandwirtschaftliche Produktion involviert. Die Gesamtbevölkerung wuchs angeblich um 9 Mio., wobei die städtische Bevölkerung um 10 Mio. zunahm, das markiert einen prozentualen Anteil von 30 % (1932) gegenüber 18% (1928). Vgl. Schröder 1988, S. 90 f. & Bonwetsch 1993, S. 14 f.; Die Zahl der Erwerbstätigen pro Arbeiterfamilie stieg in diesen fünf Jahren um 15,6 %. Vgl. Schröder 1988, S. 106; Da das Anwachsen der Gesamtbevölkerung angesichts der angeblich katastrophalen Lebensbedingungen unwahrscheinlich erscheint, ein prinzipieller Anstieg, wenn auch geringeren Ausmaßes, vom Autor aber nicht ausgeschlossen wird, muss eine andere Erklärung für dieses Phänomen existieren. Vermutlich waren die Lebensbedingungen einerseits nicht so schlecht, wie vielfach angenommen, und reichten zur elementaren Lebenssicherung. Andererseits ist der Anstieg sicher auch auf die verstärkten Bestrebungen zur Registratur Zugezogener zurückführen. So ist die Ähnlichkeit zwischen angeblicher Gesamtbevölkerungsanzahl und urbanem Zuwachs besonders auffällig.

[18] Über die Art der ländlichen Bindungen und die saisonal bedingten ‚Stadtfluchtbewegungen’. Vgl. Neutatz 1998, S. 187 & Schröder 1988, S. 75 ff..

[19] Vgl. Baberowski 1995, S. 111 f.; 1929 bis 1933 kam es zu durchschnittlich fünf Arbeitsplatzwechseln pro Industriearbeiter. Innerhalb eines Jahres konnte derart schon mal die Hälfte der Belegschaft eines Betriebes wechseln. Vgl. Bonwetsch 1993, S. 21 & Maier 1990, S. 37.

[20] 1934 erfolgte eine durchgreifende Reorganisation in Partei und Verwaltung. Vgl. Schröder 1988, S. 338 ff..

[21] Vgl. Schröder 1986, S. 499.

[22] Ebd., S. 515 und Bonwetsch 1993, S. 21; Folge dieser Individualisierung dürfte auch die erhöhte Wirksamkeit manipulatorischer staatlicher Eingriffe gewesen sein. Vgl. Plaggenborg 1998 (b), S. 93.

[23] Zur Verschlechterung der materiellen Lage vgl. Schröder 1988, S. 99 ff..

[24] Umfasste u. a. Leistungen wie Lebensmittel, Wohnung, medizinische Versorgung etc.. Ebd., S. 107, 115 ff..

[25] Mit Sicherheit ein die Fluktuation verschärfendes, wenn auch zugleich integratives Moment.

[26] Zudem wurde so die Bindung an den Betrieb gestärkt und der Abbau der Beziehungen zum Land beschleunigt. Vgl. Maier 1990, S. 44.

[27] Zwei Arten des Engagements lassen sich unterscheiden, erstens pragmatischer Natur, welche sich über den Genuss sog. ‚Sekundärleistungen’, wie Wärme, Essen, Geselligkeit etc. auszeichnete und zweitens aktiv teilnehmender Art, so konnte man mitdiskutieren oder an unzähligen Freizeitaktivitäten teilnehmen. Die abstrakten Referate und deren oftmals fehlender Wirklichkeitsbezug ließen die politische Aufklärung jedoch vielfach zur Farce verkommen. Vgl. Plaggenborg 1991, S. 611 und Schröder 1988, S. 87.

[28] So stellte die Reorganisation der Gewerkschaftsorganisationen von 1928-30 ein weiteres politisches Partizipationsangebot der politischen Führungsspitze dar. Vgl. Schröder 1988, S. 110.

[29] Allein die ‚Kampagne der Stoßarbeiter’ konnte innerhalb eines Jahres (1930) eine Einbindung von 60-75 % der Industriearbeiter verzeichnen. Fraglich bleibt, wie viele der sich ‚freiwillig’ verpflichtenden Arbeiter auch wirklich die geforderten Quoten erfüllten. Ebd., S. 111 ff. & Neutatz 1998, S. 200; Eine neuerliche Modifizierung der Wettbewerbsformen erfolgte 1933, vielfach standen nun realökonomische und bereichsabhängige Ziele im Focus, so z. B. bei der ‚Bewegung der Qualitätsarbeiter’. Zudem wird eine deutliche Rücknahme der Politisierung sichtbar. Vgl. Maier 1990, S. 45 f..

[30] Zur raum-zeitlichen Ausbreitung desselbigen. Ebd., S. 37, 45.

Final del extracto de 27 páginas

Detalles

Título
Zur Funktion der stalinistischen Gesellschaftsordnung 1928 bis 1940
Subtítulo
Politische Integrationsangebote als ein weiteres konstitutives Element totalitärer Herrschaftssysteme
Universidad
Martin Luther University  (Geschichte)
Curso
Diktaturen im 20. Jahrhundert. Ergebnisse und Perspektiven der internationalen Forschung.
Autor
Año
2008
Páginas
27
No. de catálogo
V118817
ISBN (Ebook)
9783640221394
ISBN (Libro)
9783640223367
Tamaño de fichero
520 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Funktion, Gesellschaftsordnung, Diktaturen, Jahrhundert, Ergebnisse, Perspektiven, Forschung
Citar trabajo
Lars Wegner (Autor), 2008, Zur Funktion der stalinistischen Gesellschaftsordnung 1928 bis 1940, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118817

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