Die Haenyeo auf Jeju-do. Immaterielles Kulturerbe seit 2016

Welche Maßnahmen nimmt die UNESCO vor, um die Haenyeo vor dem Aussterben zu bewahren?


Thèse Scolaire, 2021

20 Pages, Note: 14

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bedrohung und Schutz der Haenyeo-Kultur
2.1. Vorstellung der Haenyeo-Kultur
2.2. Gefährdung durch Überalterung
2.3. UNESCO Immaterielles Kulturerbe der Menschheit
2.3.1. Eigenständige Erhaltungsmaßnahmen
2.3.2. Regierungsmaßnahmen
2.3.2.1. Schutz auf regionaler Ebene
2.3.2.2. Schutz auf nationaler Ebene

3. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Auf Jejudo, einer Vulkaninsel südlich der koreanischen Halbinsel, die mit an­deren kleineren Inseln die Provinz Jeju-do bildet, findet sich eine Gemeinschaft von Frauen, die bis ins hohe Alter ohne Atemgeräte nach Meeresfrüchten tau­chen und beim Auftauchen einen speziellen Pfeifton von sich geben, den „sumbi-sori“ (vgl. https://ich.unesco.org/en/RL/culture-of-jeiu-haenyeo-wo- men-divers-01068). Ihre Lebensweise wird nicht nur als ein Beispiel für gleichrangige Geschlechterrollen gelobt, sondern auch wegen schonender Fangmethoden als „im Einklang mit der Natur“ betitelt (vgl. ebd.). Die kultu­relle Bedeutung der „Haenyeo“ (dt.: „Seefrauen“) wurde schließlich 2016 mit der Inskription in die „Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ 2016 gewürdigt (vgl. ebd.). In jüngerer Zeit jedoch stehen die Ha­enyeo anderen Herausforderungen gegenüber als den Gefahren des Meeres: Mit dem rasanten Wirtschaftswachstum Koreas seit den 1970ern und damit einhergehender Industrialisierung steht die Fischerei in Konkurrenz zu Gewer­ben, die als lukrativer gelten als die körperlich belastende Arbeit auf der See (vgl. Oh, Jung, Kim, Chae, Rhu & Lee, 2017) und der sie nicht standhalten kann (vgl. Preston, 2017): Der Anteil der aktiven Haenyeo unter 50 Jahren be­trug 2016 bloß 1,5% an der Gesamtzahl der aktiven Haenyeo (vgl. Tabelle 1 und 2 nach Fisheries Policy Division, 2016).

Die Seminararbeit mit dem Titel „Immaterielles Kulturerbe seit 2016 - die Ha­enyeo auf Jeju-do“ geht der Frage nach, welche Maßnahmen die UNESCO vornimmt, um die Haenyeo vor dem Aussterben zu bewahren. Im Zuge dessen wird zunächst die Haenyeo-Kultur selbst, deren Eigenschaften sie dazu qualifi­ziert, „beispielhaft die weltweite Vielfalt des Immateriellen Kulturerbes“ (https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturer- be/immaterielles-kulturerbe-weltweit) zu zeigen und „zur größeren Sichtbarkeit und wachsendem Bewusstsein für die Bedeutung von Immateriellem Kulturer­be weltweit“ (ebd.) beizutragen und welchen Bedrohungen sie ausgesetzt ist, dargestellt, um daraufhin Schutzvorkehrungen vorzustellen. Diese setzen sich zum einen aus dem Mehrwert durch die Aufnahme in die Repräsentative Liste zusammen, zum anderen aus dem Beitrag, den die Haenyeo selbst und die Re­gierung zum Erhalt der Haenyeo-Kultur leisten. Der Grund für die letzteren beiden Kapiteln liegt darin, dass die Rolle der UNESCO im Schutz einzelner Elemente hauptsächlich bei der Aufmerksamkeitserregung und Überwachung der von den Trägern Immateriellen Kulturerbes selbst und den Regierungsge­biet, in deren Hoheitsgebiet sie sich befinden, vorgenommenen Erhaltungs­maßnahmen liegt (vgl. UNESCO Abkommen 2005) Die Seminararbeit widmet sich also dem Konzept zum Erhalt der Haenyeo-Kultur, das mit der Bewerbung zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit vorgelegt und erweitert werden muss, auf Grundlage offizieller UNESCO Dokumente, die sich hierfür anbie­ten, da die UNESCO sich selbst zu Transparenz verpflichtet (vgl. https://ich.u- nesco.org/en/convention) und diese daher online kostenlos zur Verfügung stellt. Überdies wird in diesen ein guter Überblick über die gesamten Vorkehrungen geboten, die zum Erhalt der Haenyeo-Kultur getroffen werden.

Da die Basis der vorliegenden Arbeit die UNESCO und Kulturschutz bildet, muss der Begriff „Kultur“ definiert werden, wofür dem Umstand entsprechend die Definition der UNESCO, die in der Weltkonferenz über Kulturpolitik 1982 folgende Formulierung fand, weisend ist:

„Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen wer­den, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schliesst nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“ (UNESCO, 1983, S. 121)

Die Gemeinschaft der Haenyeo ist aufgrund der hohen Stellung der Frauen in der Familie und gesamten Inselgesellschaft sowie als Beispiel für eine Le­bensweise, die natürliche Ressourcen sowohl nutzt als auch schützt, von ausge­sprochener Aktualität. Diskussionen über Sexismus in der Sprache (vgl. bpb) zeigen das Interesse an Geschlechterrollen in der modernen Gesellschaft und spätestens die „Fridays-for-Future-Bewegung" hat die öffentliche Sorge um eine umweltschonende, nachhaltige Entwicklung erregt. (vgl. zdfheute) Als Vorbilder und mit ihrem Wissen über Meeresökologie können die Haenyeo ei­nen für die Entwicklung zur Gleichberechtigung der Geschlechter und Nach­haltigkeit leisten, weshalb sich der Schutz ihrer Werte, ihres Wissens und Kön­nens als wertvoll erweisen kann.

2. Bedrohung und Schutz der Haenyeo-Kultur

2.1. Vorstellung der Haenyeo-Kultur

Die Kultur der Haenyeo ist auf ganz Jeju-do verbreitet, mit Wanderarbeit ab dem 19. Jahrhundert lässt sich eine Ausweitung auch in andere Gegenden fest­stellen, und umfasst zum einen die Taucherinnen selbst, die allgemein „Hae­nyeo“, „Jamnyeo“ oder „Jamsu“ genannt werden, zum anderen „Muljil“, die Taucharbeit, die von den Frauen einer Familie zwischen Generationen weiter­gegeben wird, aber auch „Jamsugut“, ein schamanistisches Ritual für die Mee­resgöttin sowie „Haenyeo Norae“, das „Haenyeolied“, das bei der Fahrt auf das Meer gesungen wird (vgl. CHA, Haenyeo)

Ein Eintrag im „Samguk Sagi“ legt nahe, dass bereits zur Zeit der drei König­reiche an den Küsten Jejudos nach Meeresfrüchten getaucht wurde. Da Jejus natürliche Gegebenheiten für Landwirtschaft weniger geeignet sind, waren die Inselbewohner gezwungen, im Meer für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. (vgl. Preston, 2017) Bis zu Steuererhöhungen im 18. Jahrhundert wurde die Tauch­arbeit sowohl von Männern als auch Frauen durchgeführt, aufgrund von Steu­erbegünstigungen wurde diese Branche jedoch zunehmend von Frauen domi­niert (vgl. ebd.), die wegen ihres Beitrages zum Wohlstand der Inselwirtschaft in Familie und Gesellschaft eine emanzipierte Stellung einnahmen, die sich von den konfuzianischen Geschlechterrollen des Festlandes grundlegend unter­scheidet und das Ansehen von Frauenarbeit steigere (vgl. Ko, 2013)

Die Haenyeo verfügen zudem über ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl: In den ca. 100 Fischerei-Dorf-Genossenschaften („Eochongye“) auf Jejudo, - es gibt eine pro Küstendorf - in die die Haenyeovereine („Haenyeohoe“) einge­gliedert sind, regeln sie die Grenzen der Fanggründe, die Fangmethoden und -perioden sowie die Qualifikationen zum Fischen in den einzelnen Dörfer ge­meinsam, wodurch eine feinere Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten erfolgen kann (vgl. Lee & Lee, 2014) Um einander bei der gefährlichen Arbeit zu schützen, tauchen Haenyeo in Gruppen, weisen älteren Genossinnen sichere

Tauchgebiete zu, um auch diesen einen hinlänglichen Fang zu ermöglichen und entscheiden gemeinschaftlich über den Anfang und das Ende der Erntesaison (vgl. Yoo, 2006) Mit der Finanzierung von Straßenebnungen und Schulbauten leisteten die Haenyeo nicht nur einen bedeutenden Beitrag für die Gesellschaft, sondern zeigten auch ihre finanzielle und organisatorische Stärke, wie sie sich in ihrer Führungsrolle in der Unabhängigkeitsbewegung gegen die japanische Kolonialherrschaft 1932 entfaltete (vgl. Lee & Myong, 2018)

Nach ihren Tauchfertigkeiten werden Jamnyeo in drei Gruppen eingeteilt: Die „Sang-gun“ sind die geschicktesten Taucherinnen, die über das meiste Wissen über das Meer verfügen und dieses sowie ein Verantwortungsgefühl für ihre Gemeinschaft an andere Haenyeo weitergeben - insbesondere an „Bulteok“, Feuerstellen im Freien, die weitgehend von modernen Umkleideräumen ersetzt sind, teilen erfahrene Haenyeo ihr Wissen und ihre Werte -, „Jung-gun“ sind die mittelmäßig geschickten, „Ha-gun“ die am wenigsten geschickten. Hae­nyeo erlernen ihre Fertigkeiten zunächst in seichterem Gewässer durch Übung und mit Hinweisen von anderen Jamsu (vgl. Han, 2002)

Muljil gilt als besonders umweltschonend: Schon der Verzicht auf Atemgeräte bildet ein natürliches Gegengewicht zum Wunsch nach einem großen Fang, mit den streng einzuhaltenden Vorschriften der Eochongye soll Überfischung vor­gebeugt und mit der Säuberung der Fischgründe von Seegras („Gaettaki“) und Aussaat das Wachstum der Meeresfrüchten befördert werden. Diese Praxis rührt aus dem Verständnis der Haenyeo für das Meer als „Meeresfarm“ her (vgl. Song, 2020). Mit langer Erfahrung entwickeln Haenyeo eine geistige Kar­te des Meeres, die die Lage von Riffen und den Lebensraum von Schalentieren umfasst. Ihre Ortskenntnis umfasst zudem Wissen über örtliche Winde und Tide (vgl. ebd.) In jüngerer Zeit stehen die Haenyeo jedoch anderen Herausfor­derungen gegenüber als dem Meer.

2.2. Gefährdung durch Überalterung

Die Zahl der aktiven Haenyeo sank zwischen 1970 und 2016 um mehr als 10 Tausend (vgl. Tabelle 1) 2016 lag der Prozentsatz der Haenyeo, die über 70 Jahre alt sind, bei 57,3%, während der Prozentsatz der relativ jungen Haenyeo, d. h. unter 50 Jahre alt, nicht mehr als 1,5% betrug (vgl. Tabelle 2)

Der Rückgang der Anzahl und die Überalterung der Haenyeo hat verschiedene Ursachen: Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Südkoreas und dem Wachs­tum der Tourismusbranche auf Jeju ist die Entscheidung zum Leben als Hae­nyeo eine zunehmend bewusstere (vgl. Preston, 2017) Da das Apnoetauchen zudem mit einer hohen körperlichen Belastung einhergeht - das Risiko für Herz- und Nierenerkrankungen steigt (vgl. Oh et al. 2017), zudem leiden 11,4 % der Haenyeo an chronischen Kopfschmerzen und der Großteil von ihnen nimmt regelmäßig Medikamente gegen Kopf- und Ohrenschmerzen sowie Schwindelgefühl ein (vgl. Choi et al. 2008)- sind viele Haenyeo stolz darauf, ihren Töchtern eine höhere Bildung und einen weniger beschwerlichen Beruf zu ermöglichen (vgl. Preston, 2017) Der Rückgang der Fischbestände während der letzten 30 Jahre beeinträchtigt zudem ihre Erwerbsgrundlage und ihre tradi­tionelle Taucharbeit steht zunehmend in Konkurrenz zu effizienteren Fangme­thoden (vgl. Song, 2020)

Ohne geeignete Schutzmaßnahmen werden die Haenyeo nach Yang Hi-bum in den nächsten 10-15 Jahren voraussichtlich mit ihrer Kultur verloren gehen (vgl. Choe, 2014)

2.3. UNESCO Immaterielles Kulturerbe der Menschheit

2016 wurde den Haenyeo der Titel „Immaterielles Kulturerbe der Menschheit“ zugesprochen (vgl. Decision of the Intergovernmental Commitee, 2016) Dar­unter ist nach dem „Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kultur­erbes“ von 2003 Folgendes zu verstehen:

„The ‘Intangible Cultural Heritage’ means the practices, representations, expres­sions, knowledge, skills - as well as the instruments, objects, artefacts and cultu­ral spaces associated therewith - that communities, groups and, in some cases, individuals recognize as part of their cultural heritage. This intangible cultural heritage, transmitted from generation to generation, is constantly recreated by communities and groups in response to their environment, their interaction with nature and their history, and provides them with a sense of identity and continui­ty, thus promoting respect for cultural diversity and human creativity. For the purposes of this Convention, consideration will be given solely to such intangib­le cultural heritage as is compatible with existing international human rights in­struments, as well as with the requirements of mutual respect among commu­nities, groups and individuals, and of sustainable development.“ (Text of the Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage)

Dem Übereinkommen - synonym zur „Konvention“ - entsprechend meint Er­haltung also, „die Lebensfähigkeit kultureller Ausdrucksformen sicherzustel­len, das bedeutet, die Voraussetzungen für ihre fortwährende Weiterentwick­lung und Weitergabe zu gewährleisten.“ (Deutsche UNESCO-Kommission, 2018, S. 1). Dem besonderen dynamischen Charakter Immateriellen Kulturer­bes gemäß betont die deutsche UNESCO-Kommission, dass die „natürlichen Veränderungsprozesse [...] durch die Konvention und ihre Mechanismen (Ver­zeichnisse, Listen, Erhaltungsprojekte usw.) nicht behindert werden [sollen].“ (Deutsche UNESCO-Kommission, 2018, S. 2). Immaterielles Kul­turerbe (IKE) ist also nicht zu konservieren und erfordert andere Erhaltungs­maßnahmen als (materielles) Welterbe, davon die bedeutendste, den Rahmen für eine Übertragung von Kultur zwischen Generationen zu schaffen und zu bewahren (vgl. Text of the Convention) Zu den selbstgesetzten Hauptaufgaben der UNESCO zählen der „Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes, Bewahrung und Förderung der kulturellen Vielfalt und der Dialog zwischen den Kulturen. [...] Ein zentrales Ziel der UNESCO ist die Stärkung und Förderung der inter­nationalen kulturellen Zusammenarbeit für eine nachhaltige Entwicklung.“ (https:// www.unesco.de/kultur-und-natur/kulturelle-vielfalt).

„The response to such threats must come from the communities and groups concerned, assisted by local organizations, their governments and the international community as represented in the General Assembly of States Parties to the 2003 Convention for the Safeguarding of the ICH. UNESCO’s efforts are aimed at assisting States wishing to strengthen existing transmis­sion systems within communities, or to complement these with formal or non-formal education programmes teaching skills and knowledge to other, usually younger, community members.“ (https://ich.unesco.org/en/transmission-00078)

Um die Souveränität der Einzelstaaten zu achten, diesen Entwicklungshilfe zu leisten sowie der zentralen Stellung der Menschen, die Träger von IKE sind,

[...]

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Die Haenyeo auf Jeju-do. Immaterielles Kulturerbe seit 2016
Sous-titre
Welche Maßnahmen nimmt die UNESCO vor, um die Haenyeo vor dem Aussterben zu bewahren?
Université
Wilhelm-Raabe-Schule Hannover
Note
14
Année
2021
Pages
20
N° de catalogue
V1189602
ISBN (ebook)
9783346621429
Langue
allemand
Mots clés
haenyeo, jeju-do, immaterielles, kulturerbe, welche, maßnahmen, unesco, aussterben, Überalterung, Korea, Ostasien, ICH
Citation du texte
Anonyme, 2021, Die Haenyeo auf Jeju-do. Immaterielles Kulturerbe seit 2016, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1189602

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: Die Haenyeo auf Jeju-do. Immaterielles Kulturerbe seit 2016



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur