Das Konzept "Einfache Sprache" im Deutschunterricht am Beispiel des Romans "Tschick"


Term Paper, 2021

19 Pages, Grade: 2,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Leichte Sprache und Einfache Sprache
2.1 Das Konzept Leichte Sprache
2.2 Das Konzept Einfache Sprache

3. Einfache und leichte Sprache im Literaturunterricht

4. Vergleich Tschick zu Tschick- in einfacher Sprache
4.1 Formale Ebene
4.3 Sprachliche Ebene

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Beispiel Leichte Sprache (Bredel & Maaß, 2019, S. 80)

Abbildung 2 Umgang mit literarischen Texten gemäß des Kernlehrplan (Ministerium für Schule, Jugend und Kinder, 2004, S. 36)

Abbildung 3 Wörterliste in Tschick - in Einfacher Sprache S. 60-61

Abbildung 4 Layout Originaltext vs. Einfache Sprache

1. Einleitung

Der Alltag an deutschen Schulen ist unter anderem geprägt von diversen Kulturen, sozialer Herkunft und Leistungsunterschieden. Diese Heterogenität wird durch die zunehmende Zusammenlegung der Real- und Hauptschulen zu Sekundarschulen und die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 verstärkt. Zwar wünschen sich die deutschen Lehrkräfte auch heute noch homogene Lerngruppen, dies ist aber aus der realistischen Perspektive eine utopische Sehnsucht. Statt diesem Wunsch nachzueifern, scheint es doch viel sinnvoller, sich diese Heterogenität zu Nutzen zu machen und zu lernen, mit ihr und nicht gegen sie zu arbeiten. Die (Leistungs-)Heterogenität der Schüler:innen ist auch im Deutschunterricht festzustellen und zeichnet sich durch beunruhigende PISA-Ergebnisse ab.

Diese Arbeit thematisiert die Konzepte Leichte Sprache und Einfache Sprache, welche zunehmend an Bedeutung gewinnen. Vor allem durch die UN-Ratifizierung setzen sich Verlage und Autoren dafür ein, dass viele Werke in Einfacher, wenn nicht sogar in Leichter Sprache veröffentlicht werden. Im Folgenden werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Konzepte erläutert. Wodurch zeichnen sie sich aus? Wer zählt zu der Zielgruppe dieser Texte? Gibt es ein festgelegtes Regelwerk anhand dessen diese Texte erstellt werden? Diese und weitere Fragen werden in Kapitel 2 thematisiert.

Anschließend wird in Kapitel 3 der Einsatz dieser vereinfachten Texte im Unterricht anhand von einschlägigen Studien legitimiert und mögliche Ansatzpunkt in der Unterrichtspraxis gegeben.

Die Unterschiede zwischen Originaltexten und ihrer Fassung in Einfacher Sprache werden am expliziten Beispiel eines Kapitels des Romans Tschick in Kapitel 4 dieser Arbeit aufgezeigt. Kann der Originaltext so reduziert werden, dass der Inhalt und die Sprache nicht in Mitleidenschaft gezogen wird?

2. Leichte Sprache und Einfache Sprache

Dieses Kapitel fungiert als Einstieg in die Konzepte Leichte Sprache und Einfache Sprache. Im Folgenden wird zuerst auf das Konzept Leichte Sprache eingegangen, um erläutern zu können, wie und wo das Konzept Einfache Sprache, welches für den späteren Vergleich in Kapitel 4 relevant ist, im System der deutschen Sprache zu verorten ist.

2.1 Das Konzept Leichte Sprache

Bredel & Maaß (2016) verweisen darauf, dass es sich bei Leichter Sprach e um eine Varietät des Deutschen handelt, obwohl die „herkömmlichen Beschreibungskriterien für Varietäten [nicht] umstandslos anwendbar [sind]“ (Bredel & Maaß, 2016, S. 58). Folglich ist die Leichte Sprache eine Varietät des Deutschen, die im Bereich Satzbau und Wortschatz deutlich und systematisch reduziert ist (Maaß, 2015a, S. 11). Auch in Hinblick auf das für die Lektüre vorausgesetzte Weltwissen kann eine systematische Reduktion sowie eine besondere Form der visuellen Aufbereitung festgestellt werden (Maaß, 2015a, S. 12). Durch diese Reduktionen und ihre besondere Form unterscheidet sich die Leichte Sprache erheblich von der Schweren Sprache, also der Mediensprache, Bildungssprache und/oder Wissenschaftssprache (Oomen-Welke, 2015, S. 24).

Unsere Gesellschaft ist geprägt von einer fachlich ausdifferenzierten Welt, die sich durch diverse Expertenkulturen (Ingenieur:innen, Mediziner:innen etc.) auszeichnet (Maaß, 2015a, S. 5). Diese Expertenkulturen produzieren schwer verständliche Texte in großer Zahl, was an sich – solange Expert:in auf Expert:in trifft – kein Problem darstellt. Wo nun allerdings Expert:in auf Nicht-Expert:in trifft, entstehen Verständnisprobleme (Maaß, 2015a, S. 5).

Hinsichtlich der Frage, an welche Menschen Leichte-Sprache- Texte beziehungsweise Leichte Sprache im Allgemeinen adressiert ist, lassen sich zwei Personengruppen herausdifferenzieren. Die primäre Adressatengruppe setzt sich aus Menschen mit Behinderung (wie zum Beispiel einer geistigen Behinderung), Menschen mit Aphasie und/oder prälingual-gehörlosen Menschen zusammen (Maaß, 2015b, S. 5). Menschen, die einen funktionalen Analphabetismus aufweisen, an Demenzerkrankungen leiden und/oder Menschen mit Migrationshintergrund mit geringen Deutschkenntnissen, repräsentieren die sekundäre Adressatengruppe Leichter Sprache (Bredel & Maaß, 2019, S. 84). Ziel dieser Varietät ist es, diesen Menschen „den eigenständigen und selbst gesteuerten Zugang zu aller Art von Informationen zu ermöglichen“ (Maaß, 2015a, S. 5). Doch wie kann Leichte Sprache dieses Ziel erreichen?

Ausgehend von dem Originaltext reduzieren Leichte-Sprache-Texte die Informationsdichte und führen Erklärungen und Beispiele zu schwierigen Wörtern an (Maaß, 2015a, S. 6). Zudem benennen sie anstelle von Passivkonstruktionen oder komplexen und abstrakten Nominalphrasen die Handlungsträger:innen in aktiv formulierten Sätzen und geben dadurch Orientierung (Maaß, 2015a, S. 6). Deutlich wird, dass Leichte Sprache versucht, „Sprachschwierigkeiten durch Vereinfachungen in Lexik und Syntax regelgeleitet zu erleichtern“ (Oomen-Welke, 2015, S. 25). Oomen-Welke (2015) postuliert hierzu folgende Merkmale, durch die Vereinfachung erreicht werden kann:

- durch einfache Wörter, möglichst Konkreta;
- durch kurze Hauptsätze, möglichst nicht über acht Wörter, Stellung nach dem SVO(Adv)-Prinzip;
- durch lexikalische Konstanz bei der rekurrenten Bezeichnung von Gegenständen;
- durch Verzicht auf lange Zusammensetzungen, Ableitungen, Fremdwörter und Abkürzungen;
- durch Bindestrich – oder Mediopunkt - als Morphem-trennungs-marker bei Komposita;
- durch Vermeiden des Genitivs, des Konjunktivs, des Passivs, impersonaler Subjekte, der (impliziten) Negation und von Metaphorik (Grüne Lunge);
- durch Vereinheitlichung von Zahl-, Datums- und Zeitangaben;
- durch typo- und orthografische Vereinfachungen und Einheitlichkeit (Oomen-Welke, 2015, S. 25)

Zusätzlich zu den hier genannten Merkmalen ist festzuhalten, dass Konnektoren wie dann, trotzdem und deshalb auf ein kleines Inventar reduziert sind; dass der Wortschatz auf einen Grundwortschatz beschränkt ist und dass Fremdwörter sowie Fachtermini ersetzt oder erläutert werden (VibrationSchwingungen) (Maaß, 2015b, S. 13).

Abgesehen von den hier genannten Vereinfachungen in Lexik und Syntax besitzen Leichte-Sprache-Texte ein auffällig differentes Layout, welches durch globale Layout-Vorschriften reglementiert ist (Maaß, 2015b, S. 13). Diese visuelle Aufbereitung zeichnet sich durch eine große Schrift aus, dadurch dass jeder Satz in einer neuen Zeile beginnt und endet, durch Einrücken, durch viele Zwischenüberschriften, durch Bebilderung und Hervorhebung sowie durch die – wie oben bereits genannt – visuelle Trennung von Wörtern in ihre Einzelbestandteile durch einen Bindestrich oder den Mediopunkt (Maaß, 2015b, S. 13). Ein Beispiel für einen Leichte-Sprache-Text, an dem die hier beschriebenen Charakteristika deutlich werden, ist in Abb. 1 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Beispiel Leichte Sprache (Bredel & Maaß, 2019, S. 80)

Aus den hier beschriebenen Charakteristika Leichter Sprache lassen sich vier Grundprinzipien Leichter Sprache mit Bezug auf das Sprachsystem manifestieren:

1. Grammatische Funktionen mit einem Träger ausstatten (z.B.: Negation: statt Wir haben heute keinen Kuchen gebacken – Wir haben heute nicht Kuchen gebacken ; Vergangenheitsformen: statt er aßer hat gegessen)
2. Zentral statt peripher (Wortschatz, Informationsverteilung, Genitiv, Konjunktiv)
3. Handlungsorientierung (verbal statt nominal (Nominalstil vermeiden), Handlungsträger benennen)
4. Wichtiges und Zentrales mehrfach hervorheben (Redundanzprinzip) (Maaß, 2015b, S. 76)

Der Leichten Sprache werden gemäß Bredel und Maaß (2016) die drei Kernfunktionen Partizipations-, Lern- und Brückenfunktion zugesprochen. Neben der Befähigung zur gesellschaftlichen Teilhabe (Partizipationsfunktion) sollen temporale und lokale Verständnisschwierigkeiten überbrückt (Brückenfunktion) und die syntaktischen Kernmuster des Deutschen erlernt werden (Lernfunktion) (Bredel & Maaß, 2016, S. 56–58, 2016, 56f).

2.2 Das Konzept Einfache Sprache

Die Gruppe der Menschen, die von Leichte-Sprache-Texten profitieren ist relativ groß (siehe Bredel & Maaß, 2019, S. 84), dennoch benötigen nicht alle Menschen, die in Hinblick auf ihre Lesekompetenz eine Einschränkung aufweisen, Leichte-Sprache-Texte. Sofern es den Leser:innen nicht möglich ist, standardsprachliche Texte zu rezipieren, so können Texte in Einfacher Sprache verwendet werden.

Wie eingangs erwähnt war es erforderlich, das Konzept Leichte Sprache zuerst zu erläutern. Hierdurch ist es nun möglich, das Konzept Einfache Sprache im System der deutschen Sprache zu verorten. Sowohl die Leichte Sprache als auch die Einfache Sprache sind „zwei Register des Deutschen, folglich Ausbauvarietäten im sprachlichen Kontinuum von der basalen über die elaborierte zur schriftkulturell ausgebauten Sprache […], dabei zielen beide auf eine schriftkulturelle Dimension“ (Oomen-Welke, 2015, S. 27). Ferner erscheint die Einfache Sprache als eine fortgeschrittene Ausbaustufe zwischen informell-öffentlichem und formellen Register, wobei beide gegenüber der basalen Ausbaustufe elaboriert sind, jedoch nicht vollständig schriftkulturell ausgebaut sind (Oomen-Welke, 2015, S. 27). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Einfache Sprache zwischen der Leichten Sprache und der Standardsprache zu verorten ist und sie für das dynamische Varietätenspektrum dieser beiden steht (Bredel & Maaß, 2016, S. 527).

Im Gegensatz zu der Leichten Sprache lässt sich für die Einfache Sprache kein global genormtes Regelwerk finden und kann nicht mithilfe von Regeln beschrieben werden (Oomen-Welke, 2015), jedoch existieren Richtlinien, an denen sich die Übersetzer:innen orientieren können (Zellerhoff, 2016, S. 16). Einfache-Sprache-Texte sind an Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen sowie Menschen, die nicht in der deutschen Sprache literarisiert wurden, adressiert. Sie stellen ein niedrigschwelligeres Angebot als die Originaltexte dar und sollen sowohl den Zugang zur Schriftsprache erleichtern als auch die Freude am Lesen fördern (Zellerhoff, 2016, S. 16). Wodurch unterscheiden sich Einfache-Sprache-Texte von Leichte-Sprache-Texte?

Anders als die Leichte Sprache, bei der vollständig auf Satzgefüge verzichtet wird, lassen sich bei Texten in Einfache Sprache Haupt- und Nebensätze finden (Löffler, 2015, S. 21).

[...]

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Details

Title
Das Konzept "Einfache Sprache" im Deutschunterricht am Beispiel des Romans "Tschick"
College
University of Münster
Grade
2,3
Author
Year
2021
Pages
19
Catalog Number
V1190607
ISBN (eBook)
9783346633835
ISBN (Book)
9783346633842
Language
German
Keywords
konzept, einfache, sprache, deutschunterricht, beispiel, romans, tschick
Quote paper
Simon Hillebrand (Author), 2021, Das Konzept "Einfache Sprache" im Deutschunterricht am Beispiel des Romans "Tschick", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190607

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