Parasoziale Interaktion und Beziehung zu Medienfiguren aus dem Internet. Am Beispiel der Moderatoren des YouTube-Kanals Rocket Beans TV


Masterarbeit, 2019

92 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


II. Inhaltsverzeichnis

I. Abstract

II. Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
1.1. Eingrenzung des Forschungsbereichs
1.2. Relevanz des Themas
1.3. Ziel der Arbeit
1.4. Forschungsfragen

2. Parasoziale Interaktion und parasoziale Beziehung
2.1. Entstehung des Konzepts
2.2. Parasoziale Interaktion
2.3. Parasoziale Beziehung
2.4. Angrenzende parasoziale Konzepte

3. Parasoziale Beziehungspartner
3.1. Das Konzept der Persona
3.2 Moderatoren/Moderatorinnen als Persona
3.3. Zugeschriebene Personamerkmale
3.4. Merkmale der Rezipienten/Rezipientinnen

4. Parasoziale Beziehung im Internet
4.1. Parasoziale Beziehungen auf YouTube
4.2. Aktueller Forschungsstand

5. Rocket Beans TV
5.1. Rocket Beans Entertainment
5.2. Rocket Beans TV

6. Methodisches Vorgehen
6.1. Methodenauswahl
6.2. Fragebogendesign
6.3. Feldzugang

7. Ergebnispräsentation
7.1. Stichprobenbeschreibung
7.2. Nachweis der parasozialen Beziehung
7.3. Parasoziale Beziehung und zugeschriebene Personamerkmale
7.4. Parasoziale Beziehung und Merkmale der Rezipienten/Rezipientinnen
7.4.1 Geschlecht
7.4.2 Alter
7.4.3 Bildungsstand
7.4.4 Nutzungshäufigkeit
7.4.5 Selbsteinschätzung
7.6. Parasoziale Beziehung und Publikumsinteraktion
7.7. Zusammenfassung der Ergebnisse

8. Diskussion
8.1. Bestehende Forschung und Messinstrumente
8.2. Limitation der Studie
8.3. Parasoziale Beziehung
8.4. Parasoziale Beziehung und zugeschriebene Personamerkmale
8.5. Parasoziale Beziehung und Merkmale der Rezipienten/Rezipientinnen
8.5.1 Geschlecht
8.5.2 Alter
8.5.3 Bildungsstand
8.5.4 Nutzungshäufigkeit
8.5.5 Selbsteinschätzung
8.6. Parasoziale Beziehung und Publikumsinteraktion

9. Fazit und Ausblick

10. Quellenverzeichnis
10.1. Literaturquellen
10.2. Onlinequellen

11. Symbolverzeichnis

12. Anhang
12.1. Fragebogen
12.2. Tabellen

I. Abstract

YouTuber/YouTuberinnen treten vermehrt als neue Medienfiguren in der Medienumgebung Internet auf. Durch ihre Relevanz gewinnen sie auch für die Medienrezeptionsforschung zunehmend an Interesse. Um ihre Beliebtheit beim vornehmlich jungen Publikum zu untersuchen, wurde für diese Arbeit das Konzept der parasozialen Interaktion und parasozialen Beziehung hinzugezogen.

Die Anfänge der Forschung zur parasozialen Interaktion und Beziehung liegen in den 1950er Jahren und bezogen sich zur damaligen Zeit auf die Fernsehrezeption. Da sich neben dem Fernsehen heute auch Videoplattformen als wichtige Anlaufstellen für die Rezipienten/ Rezipientinnen darstellen, sollten diese in neuen Forschungen zur parasozialen Interaktion und Beziehung unbedingt berücksichtigt werden. Für die vorliegende Arbeit wurden deshalb die parasoziale Interaktion und Beziehung zu Medienfiguren aus dem Internet, genauer zu den Moderatoren/Moderatorinnen vom YouTube-Kanal Rocket Beans TV, untersucht. Der Kanal ist von besonderem Interesse, da er in seiner Struktur dem linearen Fernsehen nicht unähnlich ist.

Im Rahmen der Arbeit wurde die parasoziale Beziehung zu den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV mit Hilfe einer Onlinebefragung nachgewiesen und durch Eigenschaften der Rezipienten/Rezipientinnen und zugeschriebene Charaktereigenschaften der Medienfiguren genauer definiert.

1. Einführung

“In a media-rich environment, people may come to “know” more people parasocially than directly through interpersonal contact. Few people have direct contact with the President of the United States, but virtually everyone in the world has strong opinions about the person holding that office. Most media users form attitudes and beliefs about many politicians, athletes, journalists, and entertainers with whom their contact has been exclusively through the mass media.” (Schiappa/Gregg/Hewes 2005, S.95)

Diese “Bekannten” des Publikums treten heutzutage in vielen verschiedenen Medienumgebungen auf. Während noch zum Ende des vergangenen Jahrhunderts das Fernsehen ein beliebtes Medium bei allen Altersgruppen darstellte, wird heutzutage die Relevanz des Internets immer größer. Auch die Nutzung von Videoplattformen im Internet ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Eine Studie von ARD und ZDF zeigt auf, dass 98% der Befragten zwischen 14 und 29 Jahren und immerhin 85% der 30-49-Jährigen im Internet Videoportale wie YouTube besuchen (vgl. Kupferschmidt 2018.). Die sogenannten YouTuber/YouTuberinnen, also diejenigen Personen, die Videos auf YouTube veröffentlichen, erreichen zum Teil mehrere Millionen Menschen mit ihren Videos. Alleine in Deutschland gibt es über 200 Kanäle, die mehr als eine Million Abonnenten/Abonnentinnen aufweisen (Stand August 2019; vgl. Socialblade o.J.). Diese Zahlen zeigen ebenfalls die Relevanz von Videoplattformen und ihren Akteuren/Akteurinnen im Alltag vieler Jugendlicher und junger Erwachsener auf.

„Während Bewegtbild aus dem Internet für die meisten unter 50­Jährigen zum Alltag gehört, zeigen sich insbesondere die ab 70­Jährigen weiterhin skeptisch und nutzen die Angebote allenfalls sporadisch. [...] Schreibt man die Entwicklungen der letzten Jahre fort, kann dies auf Dauer nicht ohne Auswirkungen auf die Reichweite des linearen Fernsehens bleiben, wie die sinkenden Sehdauern in den jüngsten Altersgruppen schon jetzt andeuten. Insbesondere die kommerziellen Fernsehsender müssen mit weiter rückläufigen Zahlen rechnen. Ihnen gelingt es bislang nur unzureichend, ihr überwiegend junges Publikum auch im Netz zu erreichen (Kupferschmidt 2018)

Um sich genauer mit den Medienfiguren, den „Bekannten“ des Publikums zu beschäftigen, lohnt ein genauer Blick auf die Akteure/Akteurinnen der Videoplattform YouTube. Für diese Arbeit wird der Fokus auf einen bestimmten YouTube-Kanal und seine Medienfiguren gerichtet, dieser nennt sich Rocket Beans TV. Neben dem üblichen Vorgehen, Videos auf dem Kanal zu veröffentlichen, gibt es ein besonderes Merkmal, das diesen Kanal von den anderen YouTube-Kanälen unterscheidet: Rocket Beans TV sendet einen ununterbrochenen Livestream mit Formaten zu Themen wie Gaming und Unterhaltung, die von verschiedenen Moderatoren/ Moderatorinnen präsentiert werden. Der Kanal wird mittlerweile von über 500.000 Abonnenten/Abonnentinnen auf YouTube verfolgt (Stand: Juni 2019). Auf Grund der Relevanz der Plattform und dem besonderen Angebot auf Rocket Beans TV bietet es sich an diesen Kanal genauer zu untersuchen und zu schauen, wieso sich YouTuber/YouTuberinnen - genauer die Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV - einer solchen Beliebtheit bei den Zuschauern/Zuschauerinnen erfreuen.

Um dies zu ermöglichen muss erst einmal festgestellt werden um welche Art von Beziehung es sich bei der Verbindung zwischen „Bekannten“ des Publikums - in diesem Fall den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV - und ihren Zuschauern/Zuschauerinnen handelt. Betrachtet man die Medienrezeptionsforschung der Vergangenheit, so tauchen verschiedene Konzepte auf, die sich mit der Beziehung zwischen Medienfiguren und ihrem Publikum beschäftigen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar: die parasoziale Interaktion und die daraus resultierende parasoziale Beziehung tritt in vielen Fällen als leitendes Konzept zur Beschreibung und Untersuchung der Verbindung zwischen Medienfigur und Publikum auf. Als etabliertes Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft umfasst sie beide Seiten der Beziehung und bietet einen Raum für Forschungen zu ganz unterschiedlichen Charakteren von Seiten der Medienfiguren und der Rezipienten/Rezipientinnen.

Für diese Arbeit wird deshalb das Konzept der parasozialen Interaktion und Beziehung angewendet, um ein detailliertes Bild der Beziehung zwischen den Moderatoren/Moderatorinnen vom YouTube-Kanal Rocket Beans TV und ihren Zuschauern/Zuschauerinnen entstehen zu lassen, bei dem alle Akteure berücksichtigt und untersucht werden.

1.1. Eingrenzung des Forschungsbereichs

Beziehungen in unterschiedlichsten Formen nehmen einen großen Teil des menschlichen Soziallebens ein. Dabei stellen Arbeitskollegen/ Arbeitskolleginnen, Freunde/Freundinnen oder Familienmitglieder das Gegenüber in diesen Verbindungen dar. Doch nicht nur reale Personen aus dem eigenen Umfeld kommen als potenzielle Beziehungspartner/ Beziehungspartnerinnen in Frage - auch zu Personen aus den Medien, die im eigenen Leben nie physische Präsenz zeigten, können sich Beziehungen entwickeln. Diese mediatisierten Beziehungen können ganz unterschiedlich erlebt werden (vgl. Cohen 2014, S. 142).

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Konzept der parasozialen Interaktion und Beziehung. Um den Rahmen dieses Konzepts zu setzen wird es im Folgenden von ähnlichen Konzepten abgegrenzt: Das Fantum stellt beispielsweise eine Beziehung dar, die Personen zu Medienfiguren führen, die als unerreichbar gelten und oft in ihrem Bereich besonderes Können aufweisen (Sänger/Sängerinnen, Sportler/Sportlerinnen). Die Medienperson wird „larger than life" (Cohen 2014, S. 143), die Beziehung lebt von der Unerreichbarkeit der Medienperson und der Unmöglichkeit ihr irgendwann naher zu kommen (vgl. Ebd.). Es entsteht eine Art Personenkult, der unter anderem Rituale und exklusive Verehrung beinhaltet (vgl. Hartmann 2010, S. 55f).

Eine weitere, sehr intensive Form von Beziehung zwischen Medienfigur und Publikum ist die Identifikation. Bei der Identifikation geht das Gefühl für die eigene Rolle als Zuschauer/Zuschauerin und die Selbstwahrnehmung langsam zurück und eine Übernahme von Identität und Gefühlen der Medienperson stellt sich ein (vgl. Trepet/Reineke 2013, S.102). Es handelt sich um eine Verschiebung der Selbstwahrnehmung, bei Eigenschaften der Medienfigur, die der Zuschauer/die Zuschauerin selbst gerne hätte, adaptiert werden. Es entsteht also nicht direkt eine Beziehung zur Medienperson, sondern vielmehr kommt es zu einer Verschmelzung beider Charaktere in der Person des Zuschauers/der Zuschauerin (vgl. Döhring 2013, S. 306).

Eine deutlich schwächere Form der Beziehung stellt die Empathie dar. Sie beschreibt das Mitfühlen für oder Hineinversetzen in eine Medienfigur durch den Zuschauer/die Zuschauerin. Die Empathie für Medienfiguren ist in ihrer Struktur ähnlich der Empathie zum sozialen Umfeld der Zuschauer/ Zuschauerinnen aufgebaut, wird im Fall der Empathie zur Medienfigur jedoch schwächer erlebt, sodass sie auch als Medienempathie bezeichnet wird. Sie tritt häufig in emotionalen Situationen während der Rezeption, beispielsweise bei emotionalen Filmszenen, oder bei der Rezeption von Werbung in Form von emotionsfördernden Objekten wie Tieren oder Babys auf (vgl. Ebd., S. 299).

Ebenso ist der Soziale Vergleich als angrenzendes Konzept zu nennen. Wie der Name vermuten lässt, geht es dabei um die Orientierung der Zuschauer/Zuschauerinnen an der Medienfigur und die davon möglicherweise beeinflusste Selbstwahrnehmung. Dabei wird zwischen drei Vergleichsprozessen unterschieden: der Aufwärts-Vergleich (Vergleich mit überlegenen Personen, dient zur Leistungssteigerung), der Abwärts­Vergleich (Vergleich mit unterlegenen Personen, dient der Steigerung des Selbstwertgefühls) und der Horizontale-Vergleich (Vergleich mit ähnlichen Personen, dient zur realistischen Selbsteinschätzung). Laut der bestehenden Forschungsergebnisse zum Sozialen Vergleich setzt dieser häufig ein, wenn der Zuschauer/die Zuschauerin akut mit Selbstzweifeln oder Unzufriedenheit zu tun hat. Außerdem wurde festgestellt, dass sich hinsichtlich der Geschlechter ein Unterschied im sozialen Vergleich zeigt: Männer vergleichen sich eher mit Männern hinsichtlich des eigenen Status, Frauen vergleichen sich vornehmlich mit Frauen hinsichtlich der physischen Attraktivität (vgl. Ebd., S. 300).

Das forschungsleitende Konzept für diese Arbeit stellt die bereits genannte parasoziale Interaktion und Beziehung dar. Hierbei handelt es sich um eine Verbindung, die dem Zuschauer/der Zuschauerin das Gefühl gibt, eine freundschaftliche Beziehung zu der Medienfigur zu führen. Die Anfänge der Forschung zur parasozialen Beziehung und der damit einhergehenden parasozialen Interaktion liegen in der TV-Rezeption, genauer in der Untersuchung der Beziehung zwischen Nachrichtensprechern/ Nachrichtensprecherinnen und deren Publikum (Rubin/Perse/Powell 1985). Auch in Bezug auf Medienfiguren aus dem Internet wurde zu parasozialer Beziehung geforscht (Rihl/Wegener 2017). Dies unterstreicht noch einmal das Potenzial des Themas und verdeutlicht, dass eine Untersuchung der parasozialen Beziehung zu fernsehähnlichen Formaten im Internet ein weiteres interessantes Feld in der Forschung zur parasozialen Beziehungen bietet, das es genauer zu betrachten gilt.

1.2. Relevanz des Themas

Schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird die Beziehung zwischen Medienfiguren und ihrem Publikum als parasoziale Beziehung untersucht (vgl. Hartmann 2010, S. 22). Seit dem Beginn dieser Forschung hat sich die Medienlandschaft stetig verändert. Neue Medien entstanden, während andere von der Bildfläche verschwanden. Mit der Entwicklung der Medien einhergehend tauchten immer neue Arten von Medienpersonen als potenzielle parasoziale Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen auf (vgl. Baeßler 2009, S. 48). Im Zuge der Weiterentwicklung der Forschung ist es sinnvoll diese Konzepte auf neue Medienfiguren der aktuellen Medienlandschaft anzuwenden. So haben sich bereits einige Studien mit der parasozialen Beziehungen beschäftigt, die zu Medienfiguren geführt werden, die auf der Videoplattform YouTube aktiv sind (u.a. Rihl/Wegener 2017). Da die Plattform bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr beliebt ist, liegt es nahe, die Medienfiguren von YouTube als neue parasoziale Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen zu untersuchen.

Für diese Arbeit wurde eine spezielle Gruppe von Medienfiguren auf YouTube ausgewählt. Es handelt sich um die Moderatoren/Moderatorinnen des YouTube Kanals Rocket Beans TV. Dieser Kanal wurde ausgewählt, da er dem bekannten linearen Fernsehen nicht unähnlich ist und somit einen Forschungsgegenstand darstellt, der beispielhaft für die fernsehähnlichen Formate im Internet stehen kann.

1.3. Ziel der Arbeit

Mit Hilfe von bestehenden Forschungsmethoden soll das Konzept der parasozialen Beziehung auf die Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV als neue Medienfiguren übertragen werden. Dazu soll zuallererst die Existenz dieser Beziehung nachgewiesen werden. Um diese dann genauer zu definieren sollen verschiedene Bereiche der Beziehung detaillierter betrachtet werden. Dabei wird zum einen ein Blick auf die Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV als potenzielle parasoziale Beziehungspartner geworfen. Zum anderen soll auch der Einfluss von Merkmalen der Zuschauer/Zuschauerinnen nicht unbeachtet gelassen werden, da dieser auch in vergangenen Forschungen einbezogen wurde. Zu diesem Zweck werden einige Merkmale der Rezipienten/Rezipientinnen abgefragt und anschließend untersucht, ob diese Merkmale die Intensität der parasozialen Beziehung beeinflussen. Dabei sollen die Einschätzung der eigenen Person, sowie soziodemografische Merkmale abgefragt werden.

Da es sich bei YouTube als Medienumgebung und den Medienfiguren aus dem Internet um kaum erforschte Bestandteile der parasozialen Beziehung handelt, wird auch der Einfluss von möglichen Unterschieden zu herkömmlichen parasozialen Beziehungen untersucht.

1.4. Forschungsfragen

Das Forschungsfeld rund um das Konzept der parasozialen Beziehung ist groß und stellt ein beliebtes Thema für diverse Studien dar. Es ist jedoch nicht ohne weiteres möglich bestehende Studien und deren Ergebnisse auf jede Art von Medienfiguren zu übertragen, da verschiedenste Faktoren auf die Beziehung einwirken und neben der Medienumgebung auch alle Arten von Medienfiguren differenziert betrachtet werden müssen. Deshalb ist es notwendig zuerst einmal die Existenz der parasozialen Beziehung zu den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV nachzuweisen, um im Anschluss diese weiter zu untersuchen. Diese Untersuchung wird durch die folgende Forschungsfrage geleitet:

- Wie definiert sich die parasoziale Beziehung zwischen den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV und ihrem Publikum?

Da unterschiedliche Faktoren für die Intensität der Beziehung verantwortlich sein können, sollen für diese Arbeit drei Bereiche der parasozialen Beziehung zu den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV untersucht werden, die möglicherweise einen Einfluss auf die Intensität ausüben. Dabei werden die parasozialen Beziehungspartner/ Beziehungspartnerinnen - also die Medienfigur und die Rezipienten/ Rezipientinnen - sowie auf den Kanal über den die parasoziale Beziehung übertragen wird, untersucht. Im Detail werden dazu weiterführend folgende Fragen zu beantworten sein:

- In welchem Zusammenhang stehen zugeschriebene Personamerkmale mit der Intensität der parasozialen Beziehung?
- Welchen Einfluss haben Merkmale der Rezipienten/ Rezipientinnen auf die Intensität der parasozialen Beziehung?
- Wie beeinflusst die Möglichkeit zur Interaktion von Seiten des Publikums die Intensität der parasozialen Beziehung?

Am Ende der Arbeit soll eine detaillierte Darstellung der parasozialen Beziehung zwischen den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV und ihrem Publikum möglich sein.

2. Parasoziale Interaktion und parasoziale Beziehung

An dieser Stelle ist es zuerst notwendig den Ablauf einer normalen sozialen Interaktion kurz zu beschreiben (Abbildung 1), um im Laufe des Kapitels den Unterschied zwischen der sozialen und parasozialen Interaktion zu verdeutlichen.

Eine soziale Interaktion beginnt, wenn zwei Akteure/Akteurinnen aufeinandertreffen, wobei schon die bloße Anwesenheit des einen Akteurs/der einen Akteurin und die Zurkenntnissnahme dieser Anwesenheit durch den anderen Akteur/die andere Akteurin ausreicht. Für gewöhnlich folgt eine weitere Reaktion, die nicht verbaler oder körperlicher Natur sein muss, sondern in einer unterbewussten Aktivierung von Prozessen vonstattengehen kann (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S. 6).

„ Wenn eine Person auf der Straße zum Beispiel eine andere Person eine Weile beobachtet (also bewusst wahrnimmt) und infolgedessen sich bestimmte Vorstellungen macht (als Veränderung der kognitiven Erlebenskomponente), dann liegt eine typische Reaktion vor.“ (Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S. 7)

Abbildung 1: Modell einer sozialen Interaktion (Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S. 7)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Stimmung oder Interesse und Motive des Akteurs/der Akteurin gesteuert. Auf die Reaktion kann nun eine erneute Reaktion des ersten Akteurs/der ersten Akteurin folgen, sodass ein Ablauf von Reaktionen entsteht (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S.8).

2.1. Entstehung des Konzepts

Das Konzept der parasozialen Interaktion hat seine Ursprünge in den 1950er Jahren zur Erklärung von Aktivitäten von Zuschauern/ Zuschauerinnen bei der Fernsehrezeption.

Die Soziologen Donald Horton und R. Richard Wohl (1956) zeigten das Phänomen erstmals in ihrem vielzitierten Essay „Mass communication and para-social interaction: Observations on Intimacy at a Distance.“ auf und legten damit den Grundstein der Forschung zur parasozialen Interaktion und Beziehung. Sie gingen grundsätzlich von einer einseitigen Interaktion zwischen Medienfiguren, bei Horton und Wohl Persona genannt, und dem Publikum aus. Die Interaktion wurde von der Medienfigur begonnen, diese war für die Reaktion der Zuschauer/Zuschauerinnen auf ihr eigenes Verhalten jedoch blind, da sie ihr Publikum vor den Fernsehern nicht sehen konnte. Horton und Wohl gingen davon aus, dass die Persona sich über das Entstehen der Reaktion bei dem Fernsehpublikum bewusst war, weshalb sie in ihrer nächsten Handlung wieder bewusst auf das Publikum eingehen konnte.

"Because the relationship between persona and audience is one­sided and cannot be developed mutually, very nearly the whole burden of creating a plausible imitation of intimacy is thrown on the persona and on the show of which he is the pivot. If he is successful in initiating an intimacy which his audience can believe in, then the audience may help him maintain it (...)” (Horton/Wohl 1956, S. 218)

So entstand eine Interaktion, die die Illusion einer Wechselseitigkeit erzeugen konnte, womit das Konzept der parasozialen Interaktion entwickelt wurde (vgl. Horton/Wohl 1956, S. 215).

Eine Steigerung dieser Interaktion in Form der parasozialen Beziehung wurde bei Horton und Wohl (1956) nur vage formuliert. Vielmehr gehen beide davon aus, dass durch das Verhalten der Persona und die Einbeziehung des Publikums automatisch eine Art Beziehung entsteht, da die Zuschauer/Zuschauerinnen sich durch die Interaktionen zunehmend wie unter Freunden/Freundinnen fühlen und eine ähnlich empfundene Beziehung auch zu der Persona aufbauen (vgl. Ebd., S. 219).

Problematisch ist, dass in der Vergangenheit weiterhin keine oder nur eine unscharfe Trennung zwischen den Begriffen parasoziale Interaktion und parasoziale Beziehung stattgefunden hat (vgl. Hartmann 2010, S. 42). Für die vorliegende Arbeit wurde aber klar zwischen den beiden Begriffen unterschieden. Des Weiteren wird in der folgenden Beschreibung von einer positiven und freundschaftlichen parasozialen Interaktion und Beziehung ausgegangen, da diese auch schon bei Horton und Wohl (1956) beschrieben wurde.

Seit dem Essay von Horton und Wohl (1956) wurden das Verständnis des Konzepts und die Definition, unter anderem durch eine sich stetig wandelnde Medienlandschaft, immer wieder angepasst und erweitert. Der folgende Abschnitt erklärt das aktuelle Verständnis der beiden Konzepte.

2.2. Parasoziale Interaktion

Die parasoziale Interaktion beschreibt grundsätzlich eine Interaktionssituation, in der sich alle teilnehmenden Individuen zwar einander bewusst sind, sich aber nicht real gegenüberstehen.

In einer normalen sozialen Interaktion können die Interaktionspartner/ Interaktionspartnerinnen ihre Gegenüber beobachten und somit auf dessen Aktion reagieren. Schon die bloße Anwesenheit eines Interaktionspartners/einer Interaktionspartnerin kann eine Reaktion auslösen, ohne dass diese vom Gegenüber intendiert wurde. Als Interaktion kann also jegliche wahrnehmbare Aktion und Reaktion beschrieben werden, die zwischen den Interaktionspartnern/Interaktionspartnerinnen stattfindet (Abbildung 1; vgl. Schramm 2006, S. 248).

Bei der parasozialen Interaktion kann zwar ein Interaktionspartner/eine Aktionspartnerin eine Aktion ausführen, die Reaktion darauf bleibt ihm allerdings verborgen, da er seinen Interaktionspartner/seine Interaktionspartnerin nicht beobachten kann (vgl. Hartmann 2010, S. 14). Eine Seite der Interaktion ist also blind für die Reaktion des Gegenübers. Diese Seite wird in parasozialen Interaktionen von Medienfiguren besetzt. Es kann sich dabei um Moderatoren/Moderatorinnen, Schauspieler/ Schauspielerinnen, Nachrichtensprecher/ Nachrichtensprecherinnen und andere Personen handeln, die in den Medien auftreten (vgl. Baeßler 2009, S. 20).

Die Anfänge der Forschung zur parasozialen Beziehung liegen, wie bereits beschrieben, bei den Theorien von Horton und Wohl (1956). Sie gingen davon aus, dass sich die meisten Medienfiguren über ihre Situation in der Interaktion mit ihrem Publikum bewusst sind und sie aktiv nutzen, in dem sie durch direkte Adressierung die parasozialen Interaktionen herbeiführen (vgl. Horton/Wohl, S. 215). Diese findet dann tatsächlich statt, wenn der Zuschauer/die Zuschauerin auf die Medienfigur reagiert. Die Reaktion hat aufgrund des fehlenden Rückkanals allerdings wiederum keinen direkten Einfluss auf die Medienfigur, da diese die Reaktion nicht wahrnehmen kann (Abbildung 2; vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S. 9). Die Medienfigur kann deshalb nur vermuten, welche Reaktion des Publikums folgt und darauf ihr eigenes Verhalten dem vermuteten Verhalten des Publikums anpassen (vgl. Hartmann 2010, S. 15).

Abbildung 2: Modell einer parasozialen Interaktion (Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine wichtige Studie in der frühen Forschung zur parasozialen Interaktion wurde von Rubin et al. (1985) durchgeführt. Die Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Einsamkeit und parasozialer Interaktion mit TV- Nachrichtensprechern/TV-Nachrichtensprecherinnen. Als Messinstrument für die Untersuchung wurde die Parasocial-Interaction-Scale entwickelt und eingesetzt (vgl. Rubin/Perse/Powell 1985, S. 167). Wie der Name vermuten lässt misst diese Skala die parasoziale Interaktion, sie ist in vielen späteren Forschungen allerdings ebenso zur Messung von parasozialen Beziehungen verwendet worden (vgl. Hartmann 2010, S. 68).

Während sich die ursprünglichen Theorien um die parasoziale Interaktion vornehmlich mit den tatsächlich stattfindenden Interaktionen von Medienfigur und Publikum beschäftigt, wurde diese Annahme in der jüngeren Forschung noch spezifiziert. Nach dem Zwei-Ebenen-Modell von Schramm und Hartmann (2004a), welches auch in der aktuellen Forschungen zur parasozialen Interaktion und Beziehung Beachtung findet (siehe Baeßler 2009, Könecke 2018), besteht der Part der Zuschauer/Zuschauerinnen an der parasozialen Interaktion nicht primär aus der reinen Reaktion auf die Medienfigur, sondern vielmehr aus der Verarbeitung aller Reize der Situation. Diese Verarbeitung findet in drei Schritten statt: In der perzeptiv-kognitiven Verarbeitung (Wahrnehmung) wird der Persona die Aufmerksamkeit der Zuschauer/Zuschauerinnen zur Verfügung gestellt und eine intensive Bemühung um Verständnis der Persona betrieben. Auch die Verknüpfung von bestehenden Informationen zur Persona wird hier hergestellt. Es finden außerdem eine Bewertung der Persona, sowie ein Vergleich mit dem Selbstbild und der Persona statt. Die affektive Verarbeitung (Gefühle/Emotionen) beinhaltet unter anderem Sympathie, Empathie oder Antipathie für die Persona. Alle sozio­emotionalen Reaktionen auf die Persona oder verursacht durch die Persona sind hier verankert. In der konativen Verarbeitung (Verhaltensäußerungen) werden die verbalen und nonverbalen Verhaltensweisen untergebracht, die sich in Mimik, Gestik und verbalen Äußerungen zeigen (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004a, S.31).

Wie stark die Reaktion des Publikums ausfällt, wie motiviert es also ist eine Interaktion mit der Medienfigur aufzunehmen, wird außerdem von drei Faktoren auf Seiten der Persona beeinflusst. Zum einen spielen die äußeren Merkmale der Persona, zu denen unter anderem die wahrgenommene physische Attraktivität gezählt wird, eine wichtige Rolle. Außerdem werden Obstrusivität und Persistenz als Faktoren genannt. Hiermit werden die Art des Auftretens der Persona und die Dauer ihres Auftritts beschrieben. Als dritter Punkt wird die Adressierung aufgeführt. Hierbei kann unterschieden werden, ob direkt oder indirekt adressiert wird und wie lange die Adressierung anhält. (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004a, S. 38).

Abbildung 3: Das Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktion (Hartmann/Schramm/Klimmt 2004a, S. 43)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die mit dem Zwei-Ebenen-Modell (Abbildung 3) dargestellte parasoziale Interaktion ist auf Grund der vielen Einflussfaktoren sehr komplex. Das Modell zeigt jedoch auch auf, dass es durch die zahlreichen Faktoren scheint, also ob es nicht möglich wäre nicht auf eine Persona zu reagieren (vgl. Schramm/Hartmann 2007, S. 211). Dieser Annahme zugrundeliegend wird die Intensität der parasozialen Interaktion, je nach Ausprägung der drei Verarbeitungsstufen, zwischen schwacher parasozialer Interaktion (Low13- Level-PSI) und starker parasozialer Interaktion (High-Level-PSI) unterschieden.

Low-Level-PSI beschreibt die oberflächliche Auseinandersetzung mit der Persona. Es finden keine oder nur wenige Verhaltensäußerungen durch den Rezipienten/die Rezipientin statt und Vorwissen zur Persona oder Interesse für die Persona ist ebenfalls, wenn überhaupt, nur wenig vorhanden. Bei der High-Level-PSI hingegen wird von einer intensiven Betrachtung der Medienfigur ausgegangen. Die Rezipienten/ Rezipientinnen beschäftigen sich aktiv mit der Persona und verfolgen den Auftritt, sodass es zu einem sozialen Vergleich mit der Persona oder zur starken Bewertung ihrer Handlungen kommen kann (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004a, S.33).

Das Modell geht davon aus, dass während der parasozialen Interaktion alle situationsbedingten Informationen (perzeptiv-kognitiv, affektiv und konativ) aufgenommen und in ein Beziehungsschema eingesetzt werden. Dieses bildet die individuelle Grundlage der parasozialen Beziehung zwischen der Persona und des Rezipienten/der Rezipientin (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004a, S.42).

2.3. Parasoziale Beziehung

Die parasoziale Beziehung (PSB) ist jene Beziehung, die durch das wiederholte parasoziale Interagieren mit Medienfiguren entsteht (vgl. Hartmann 2010, S. 17). Jede parasoziale Interaktion liefert Bausteine, die zusammengesetzt ein Beziehungsschema darstellen, das bereits ab der ersten Begegnung an ausgebildet und stetig mit jeder folgenden parasozialen Interaktion erweitert wird (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S. 11). Wie eine reale Beziehung bestehen sie aus der ersten Begegnung, dem Verlauf der Beziehung und einem Ende. Der Verlauf wird durch die immer wieder auftretenden parasozialen Interaktionen geprägt, sodass der aktuelle Zustand der Beziehung immer das Produkt aus den vorhergegangenen Interaktionen darstellt und gleichzeitig als Faktor für zukünftige Interaktionen anzusehen ist (vgl. Gleich 1996, S. 73). So entsteht eine „situationsübergreifende Bindung' (Krotz 1996, S.80) zwischen dem Publikum und der Medienfigur.

Auch in frühen Überlegungen zum Konzept der parasozialen Interaktion von Horton und Wohl (1956) wurde bereits die Existenz einer solchen Beziehung aufgezeigt. Zwar wurde diese nicht genau definiert, es wurde jedoch schon davon ausgegangen, dass zwischen Interaktion und Beziehung unterschieden werden sollte (vgl. Horton/Wohl 1956, S. 215).

Um deutlich zu machen, wie sich aus den parasozialen Interaktionen eine parasoziale Beziehung entwickelt, können die verschiedenen Stufen der Verarbeitungen der Interaktionssituation (affektiv, perzeptiv-kognitiven, konativ) aus dem Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktion von Hartmann et al. (2004a, S.31) herangezogen werden. Baeßler (2009) hat diese Verarbeitungsstufen und die damit zusammenhängenden Reaktionen durch die Prozesse in der parasozialen Beziehung erweitert. So werden in der affektiven Verarbeitung die Entwicklung von Vertrauen, Respekt und Achtung der Medienfigur gegenüber ausgebildet. Kognitive Verarbeitung in der parasozialen Beziehung beinhaltet das Verstehen und Bewerten der Handlungen der Medienfigur, außerdem werden Erwartungen an die Medienfigur gestellt. Der Prozess der konativen Verarbeitung lässt einen Handlungsrahmen entstehen, der über die Interaktion hinausgeht und in dem sich eine personenbezogene Mediennutzung einstellt. Die Medienfigur wird in den Alltag der Rezipienten/Rezipientinnen einbezogen, was sich unter anderem in Informationsaustausch- und suche in Bezug auf die Medienfigur ausdrückt (vgl. Baeßler 2009, S 169).

An dieser Stelle wird zur Beantwortung der forschungsleitenden Fragen die erste Hypothese nebst Nullhypothese aufgestellt:

H1.1: Es besteht eine parasoziale Beziehung zwischen den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV und ihren Zuschauern/Zuschauerinnen.

H1.0: Es besteht keine parasoziale Beziehung zwischen den Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV und ihren Zuschauern/Zuschauerinnen.

2.4. Angrenzende parasoziale Konzepte

Neben der parasozialen Interaktion und Beziehung im freundschaftlichen Sinne existieren weitere parasoziale Konzepte. Als Beispiel können als negativ empfundene parasoziale Beziehungen genannt werden, die zu Medienfiguren geführt werden, welche der Rezipient/die Rezipientin zwar aus den Medien kennt, diesen aber ablehnend gegenübersteht (vgl. Hartmann 2010, S, 52).

Als weiteres parasoziales Konzept kann das Ende von parasozialen Beziehungen genannt werden. Dies geschieht von Seiten der Rezipienten/Rezipientinnen, wenn diese das Interesse an der Medienfigur verlierten. Von Seiten der Medienfigur kann ein Ende eintreten, wenn diese sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht und somit nicht mehr als potenzieller Beziehungspartner/potenzielle Beziehungspartnerin in Erscheinung treten kann (vgl. Ebd., S. 56).

Eine Verschmelzung zweier Konzepte stellt die parasoziale Meinungsführerschaft dar. Sie integriert das Konzept der Meinungsführerschaft mit der parasozialen Beziehung:

„Parasoziale Meinungsführer sind dem Rezipienten nicht persönlich, sondern primär aus den Medien bekannt. Sie können den Rezipienten in seiner Meinungsbildung in unterschiedlicher Intensität beeinflussen. Voraussetzung ist die Attribution der relevanten Schlüsselmerkmale (wie etwa Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Autorität), die der Rezipient einer Medienperson zuschreibt. Diese ermöglichen es, dass die Medienperson - je nach Hinwendungsmotiv des Rezipienten - bestimmte Funktionen übernimmt. Die daraus resultierende Beeinflussung kann sich auf die Meinungen, die Emotionen, das Verhalten und die Einstellungen des Rezipienten erstrecken.“ (Leißner et al. 2014, S. 259)

Dieses Konzept geht also über die Grenzen der parasozialen Beziehung hinaus, obwohl es fest mit ihr verbunden bleibt und kann so dazu dienen, die parasoziale Beziehung in Bezug auf die Meinung und Einstellung der Rezipienten/Rezipientinnen weiter zu untersuchen (vgl. Ebd., S. 264).

3. Parasoziale Beziehungspartner

Eine parasoziale Interaktion und die daraus resultierende Beziehung beschreibt also die Verbindung zwischen Medienfiguren und ihren Zuschauern/Zuschauerinnen. Diese Beziehung zu Personen, die das Publikum nicht persönlich kennt, treten in einer Häufigkeit auf, die möglicherweise nicht allen Zuschauern/Zuschauerinnen bewusst ist. Es ist also notwendig, sich mit beiden Seiten zu beschäftigen, um ein umfassendes Bild der Beziehung zu erhalten.

3.1. Das Konzept der Persona

Bei Horton und Wohl (1956) wurden die parasozialen Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen von Medienseite auf bestimmte Medienfiguren eingegrenzt. Merkmale wie eine reale Existenz der Medienfigur und eine direkte Adressierung an das Publikum gehörten zu den Kriterien, weshalb sich unter diesem Verständnis die potenziellen Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen auf eine kleine Gruppe beschränkte (vgl. Hartmann 2010, S. 34). Auch die Tatsache, dass nach der Definition von Horton und Wohl (1956) die Medienperson ausschließlich wegen ihrer Präsenz in den Medien und nicht wegen einer besonderen Fähigkeit bekannt sind, schließt in dieser Definition Sportler/Sportlerinnen oder Politiker/Politikerinnen als parasoziale Beziehungspartner aus (vgl. Hartmann 2016, S. 78). Mittlerweile wird in der Forschung von einer Vielzahl an potenziellen parasozialen Beziehungspartnern/Beziehungspartnerinnen ausgegangen. Diese werden auch als Persona (Mehrzahl: Personae) tituliert:

„ Whether they are gifted athletes, popular political leaders, trusted news anchors, performing artists, seasoned actors, or even fictional characters, becoming emotionally and psychologically attached to such personalities, also referred as personae, is common.” (Brown 2015, S. 259).

Als potenzielle parasoziale Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen können also grundsätzlich alle Medienfiguren genannt werden (vgl. Hartmann 2010, S.58). Wie eng das Konzept der Persona und damit der Kreis an möglichen parasozialen Beziehungspartnern/ Beziehungspartnerinnen gefasst wird, hängt von der Definition der Beziehung ab (vgl. Ebd., S, 35).

Cohen (2001) schlägt eine Einteilung der unterschiedlichen potenziellen Personae und der Art der Beziehung vor: Medienfiguren aus den Bereichen Sport, Musik und Science fiction, sowie Superhelden/Superheldinnen rufen laut Cohen eine intensive Fanbeziehung hervor, Personen aus News- und Talkshows vermehrt parasoziale Beziehung und Darsteller/Darstellerinnen aus Drama- und Comedyserien die Identifikation mit diesen. Cohen selbst betrachtet diese Einteilung als veraltet, da hier keine Rücksicht auf neue Medienpersonen, beispielsweise aus dem Bereich RealityTV, genommen wird (vgl. Cohen 2014, S. 151) und auch fiktive Charaktere hier nicht berücksichtigt werden. Sie gibt aber einen Hinweis darauf, dass Personen aus News- und Talkshows, also Fernsehmoderatoren/ Fernsehmoderatorinnen, eine zentrale Persona für parasoziale Beziehungen darstellen, wodurch die Definition einer Persona für parasoziale Interaktion und Beziehung nach Horton und Wohl (1956) unterstützt wird (vgl. Hartmann 2010, S. 34).

In neueren Überlegungen zum Personakonzept werden jene fiktiven Charaktere, beispielsweise als Figuren aus Videospielen, durchaus als potenzielle Persona betitelt. Hier ist eine offenere Interpretation der parasozialen Beziehung notwendig, wie sie von Hartmann et al. (2004b) vorgenommen wurde und bei der davon ausgegangen wird, dass es nicht möglich ist mit einer Persona nicht parasoziale zu interagieren (vgl. Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S. 30).

Worin allerdings bei den unterschiedlichen Definitionen Einigkeit herrscht ist die Tatsache, dass es sich bei der Persona um eine Medienfigur handeln muss, sodass sie nicht in Form von Personen aus dem Alltag der Rezipienten/Rezipientinnen auftreten können. Der Unterschied besteht darin, dass die Einschätzung und Bewertung von Personae deutlich leichter fallen als die der Personen, welche im Alltag der Rezipienten/ Rezipientinnen existieren (vgl. Schramm/Hartmann/Klimmt 2004b, S. 19).

„ Wenn man nur wollte, dann könnte also ein flacher Charakter an Tiefe gewinnen. Bei Medienpersonen ist dieses meistens nicht möglich, da das Angebot häufig schlichtweg keine tiefen Charaktere bereithält. [...] Die Verständlichkeit der Handlungen der Persona wird durch den Umstand noch weiter erhöht, dass die sie umgebende Narration häufig recht lückenlos und stringent aufgebaut ist: Eine Szene baut auf der anderen auf. [...] Aufgrund der guten Nachvollziehbarkeit müssen im Zuge der kognitiven Auseinandersetzungen, welche innerhalb der PSI erfolgen können, nur vergleichsweise wenig eigene Deutungen und Hypothesen angestellt werden, um das Verhalten der Persona einzuschätzen.“ (Hartmann/Schramm/Klimmt 2004b, S. 20f).

Eine Übersicht über die Forschungen zur parasozialen Interaktionen und Beziehungen zeigt, dass im Bereich Fernsehen vor allem TV-Charaktere im Allgemeinen, aber auch spezifisch als Soap- und Seriendarstellern/Seriendarstellerinnen oder Moderatoren/Moderatorinnen, in vergangenen Studien betrachtet wurden. Aber auch Prominente, Sportler/Sportlerinnen, Politiker/Politikerinnen, Radiomodertoren/ Radiomoderatorinnen und Figuren aus Printmedien wurden medienübergreifend als Personae in parasozialen Beziehungen untersucht. Studien zu parasozialen Beziehungen in den neuen Medien beschäftigen sich zu einem großen Teil mit Avataren oder Videospielcharakteren als parasoziale Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen (vgl. Liebers/ Schramm 2017, S. 232). Für die folgende Arbeit wird diese Medienfigur durch die Moderatoren/Moderatorinnen von Rocket Beans TV dargestellt. Sie eigenen sich für die Rolle, da sie als Medienfiguren im Internet zu finden sind und im weiteren Sinne der Definition von Cohen (2014) auch als parasoziale Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen gelten, da sie in Showformaten auftreten.

3.2 Moderatoren/Moderatorinnen als Persona

In der Vergangenheit wurden Moderatoren/Moderatorinnen in einer Vielzahl von Studien als parasoziale Beziehungspartner untersucht. Dabei wurde zwischen verschieden Typen von Moderatoren/Moderatorinnen unterschieden. In einer Studie von Perse (1990) wurden Einflüsse auf die parasoziale Beziehung zu lokalen Nachrichtensprechern/ Nachrichtensprecherinnen untersucht, wobei die Tatsache, dass die Moderatoren/Moderatorinnen Nachrichten überbringen im Mittelpunkt der Untersuchung stand. Auch die Moderatoren/Moderatorinnen von Teleshopping-Sendungen wurden häufig als parasoziale Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen in Studien berücksichtigt (vgl. Liebers/Schramm 2017, S. 119).

3.3. Zugeschriebene Personamerkmale

Das Publikum hat also die Möglichkeit aus der Vielzahl potenzieller parasozialer Beziehungspartner/Beziehungspartnerinnen zu wählen. Beeinflusst wird dieser Vorgang nicht unerheblich von dem Bild, das die Rezipienten/Rezipientinnen zu der Medienfigur entwickeln. Es wird sogar davon ausgegangen, dass die Merkmale, die die Rezipienten/ Rezipientinnen den Personae zuschreiben, als Einflussfaktoren für die Intensität der parasozialen Beziehung dienen (vgl. Baeßler 2009, S.17).

Eine umfangreiche Untersuchung zu den Einflüssen von Personamerkmalen auf die parasoziale Beziehung wurde von Visscher und Vorderer (1998) vorgenommen. Sie untersuchten in einer Fragebogenstudie die parasoziale Beziehung von Vielsehern/ Vielseherinnen zu Charakteren aus Daily Soaps. Die Beziehung wurde hier in zwei Dimensionen unterteilt: die Fernsehbeziehung (unmittelbarer Bezug zur Rolle der Person in der Soap) und die quasi-reale Beziehung (Relevanz der Persona unabhängig vom Fernsehen), die an dieser Stelle vornehmlich betrachtet wird. Für beide Dimensionen wurden unter anderem der Einfluss von Attraktivität der Persona und Ähnlichkeit der Persona zum Rezipienten/zur Rezipientin auf die parasoziale Beziehung untersucht. Die Attraktivität wurde in die Kategorien Persönlichkeit, äußere Erscheinung und Erfolg unterteilt. Die empfundene Ähnlichkeit zur Persona wurde mit den Kategorien Aussehen, Erfahrung, Einstellung und Sozialer Hintergrund abgefragt (vgl. Visscher/Vorderer 1998, S. 462). Die Studie mit 262 Befragten ergab, dass die Intensität in Bezug auf die Attraktivität bei quasi­realen Beziehungen ausschließlich durch den Faktor Erfolg positiv beeinflusst wurde, während die Persönlichkeit und die äußere Erscheinung keinen Einfluss hatten. Die Ähnlichkeit hat laut der Studie einen Einfluss auf die Intensität der Beziehung, wenn der Rezipient/die Rezipientinnen die Ähnlichkeit in Bezug auf Einstellung und sozialen Hintergrund der Persona als abweichend von der eigenen Einstellung und dem eigenen sozialen Hintergrund empfindet.

Auch Baeßler (2009) beschäftigte sich umfassend mit der „personazentrierten Medienrezeption“ (Baeßler 2009, S, 64). In ihrem Modell, das mit Hilfe von zwei Teilstudien (Telefonbefragung und Leitfadeninterviews) erstellt wurde, unterscheidet sie zwischen den quasi­objektiven Merkmalen (unter anderem Alter, Geschlecht, Tätigkeit) und den zugeschriebenen Charaktermerkmalen (unter anderem Attraktivität, Persönlichkeit, Kompetenz) als Einflussnehmer auf die Intensität der parasozialen Beziehung. Auch hier wird die Beziehung in mehrere Dimensionen unterteilt, sodass die Person an sich und ihre Rolle getrennt betrachtet werden (vgl. Baeßler 2009, S.283). In Bezug auf die Person werden die durch die Rezipienten/Rezipientinnen zugeschriebenen Merkmale noch in die medienberufsbezogenen Merkmale und die Merkmale des Charakters der Persona unterteilt. Zu ersterem werden die Faktoren Authentizität, Professionalität, Vielseitigkeit und Kontinuität als Einflussfaktoren für die Intensität der Beziehung bezeichnet. Die zugeschriebenen Charaktermerkmale der Persona, die einen Einfluss auf die parasoziale Beziehung aufweisen, sind demnach Attraktivität, Natürlichkeit, Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Erfolg. Auf der Ebene der durch die Persona verkörperten Rolle sind die Faktoren Glaubwürdigkeit, Kontinuität, Verlässlichkeit und Authentizität als Einflussfaktoren zu nennen (vgl. Ebd., S.285).

[...]

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Parasoziale Interaktion und Beziehung zu Medienfiguren aus dem Internet. Am Beispiel der Moderatoren des YouTube-Kanals Rocket Beans TV
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
92
Katalognummer
V1190628
ISBN (eBook)
9783346633286
ISBN (Buch)
9783346633293
Sprache
Deutsch
Schlagworte
parasoziale, interaktion, beziehung, medienfiguren, internet, beispiel, moderatoren, youttube-kanals, rocket, beans
Arbeit zitieren
Laura Heissenbüttel (Autor:in), 2019, Parasoziale Interaktion und Beziehung zu Medienfiguren aus dem Internet. Am Beispiel der Moderatoren des YouTube-Kanals Rocket Beans TV, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190628

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