Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kindeswohlgefährdung und Inobhutnahme
2.1 Kindeswohl
2.2 Kindeswohlgefährdung
2.3 Inobhutnahme
2.3.1 RechtlicheGrundlagen
2.3.2 Unterbringung in der stationären Jugendhilfe
3. Bindungstheorie nach John Bowlby
3.1 Entstehungsgeschichte und Grundlagen der Bindungstheorie
3.2 Bindungsverhalten
3.3 Bindungstypen nach Mary Ainsworth
3.4 Bindungstypen anhand eines Fallbeispiels der stationären Jugendhilfe .
3.5 Bedeutung von Bindung für die psychische Entwicklung
4. Bindungstheoretische Arbeit in der stationären Jugendhilfe
4.1 Rolle und Einfluss von Erzieherinnen
4.1.1 Schichtdienstmodell
4.1.2 Fachkräfte als Bindungspersonen
4.2 Korrigierende Bindungserfahrungen
5. Schlussbetrachtung
Literatur
Abbildungsverzeichnis
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1. Einleitung
Die Verfasserin arbeitet seit vier Jahren in der stationären Jugendhilfe und hat in diesen Jahren viele verschiedene Kinder betreut und unterstützt. Sie konnte direkt zu Beginn feststellen, dass bindungstheoretische Aspekte eine große Rolle im pädagogischen Alltag spielen. Die Kinder und Jugendlichen1, die auf Grund kindeswohlgefährdender Erlebnisse außerhalb ihrer Herkunftsfamilie fremduntergebracht werden müssen, haben in ihrer Vergangenheit die verschiedensten negativen Bindungserfahrungen erlebt. Durch Vernachlässigung, Zurückweisung und Misshandlung waren die Kinder nicht in der Lage ein Urvertrauen aufzubauen und es fällt ihnen dadurch schwer anderen Menschen zu vertrauen und eine Bindung einzugehen.
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern und ob sich das Bindungsverhalten solcher Kinder durch eine Fremdunterbringung in einer stationären Maßnahme ändert und welche Qualifikation das pädagogische Handeln im Umgang mit bindungsgestörten Kindern braucht.
Um ein theoretisches Verständnis zu erlangen, führt das zweite Kapitel in den rechtlichen Kontext ein. Es wird erläutert, was unter dem Begriff des Kindeswohls zu verstehen ist, in welchen Fällen dieses gefährdet ist und welche Maßnahmen bei einer solchen ergriffen werden. Die Inobhutnahme und die Unterbringung in eine stationäre Einrichtung werden hier im Besonderen beleuchtet.
Nachfolgend wird im dritten Kapitel die Bindungstheorie nach John Bowlby aufgegriffen. Die Entstehungsgeschichte und die Grundlagen werden erklärt, anschließend wird Bowlbys Verständnis von Bindungsverhalten ausgeführt. Der Fokus in diesem Kapitel liegt auf den verschiedenen Bindungstypen, die nach den Ausführungen von Mary Ainsworth erläutert werden. Anschließend wird dazu ein Fallbeispiel aus der Praxis geliefert. Das Kapitel schließt ab, indem die Bedeutung von Bindung auf die psychische Entwicklung von Kindern aufgezeigt wird.
Im vierten Kapitel geht es um die Verbindung von Theorie und Praxis und die Frage wie bindungstheoretische Arbeit im Alltag in Wohngruppen funktioniert. Dafür wird die Rolle der Fachkraft beleuchtet. Das Schichtdienstmodell wird vorgestellt. Hierauf folgt die Darstellung der Erzieherinnen als Bindungsperson. Welchen Schwierigkeiten begegnen ihnen? Welche Kompetenzen benötigen sie, um eine solche Arbeit leisten zu können? Abschließend liegt der Fokus auf den korrigierenden Bindungserfahrungen, die die Kinder machen sollten, um ihr eigenes Bindungskonzept ändern zu können.
Das Ziel der Hausarbeit ist das Herausarbeiten der verschiedenen Bindungsaspekte von fremduntergebrachten Kindern und der Umgang mit solchen unter bindungstheoretischen Gesichtspunkten. Die Arbeit zeigt auf, ob die Unterbringung in einer stationären Maßnahme korrigierende Bindungserfahrungen schaffen kann und welche Rolle die Fachkräfte in diesem Zusammenhang spielen. Mit Wissen um die Vorgabe des Umfangs dieser Arbeit konnten einzelne Punkte nicht vollständig ausgeführt werden. Diese Hausarbeit beschränkt sich auf den wesentlichen und wichtigen Teil der Thematik.
2. Kindeswohlgefährdung und Inobhutnahme
2.1 Kindeswohl
In der Gesellschaft gibt es keine allgemeingültige Einigung darüber, wie eine Erziehung aussehen muss. Unsere Verfassung erlaubt es, dass die Eltern die Erziehung ihres Kindes nach eigenen Vorstellungen gestalten. Der Begriff„Kindeswohl“ ist im rechtlichen Kontext ein unbestimmter Rechtsbegriff und entstammt dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII). Somit muss der Begriff stets individuell auf diejeweilige Situation angewandt werden (vgl. Der Kinderschutzbund NRW o.J, online). Es gibt jedoch mehrere Punkte, die bei der Sicherung des Kindeswohls klar zu beachten sind:
- „Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes nach der Bedürfnispyramide nach Schmidtchen (1989), zum Beispiel angemessene Versorgung, Geborgenheit, Liebe, Unterstützung, Förderung, Unversehrtheit, Orientierung, Zuverlässigkeit, Kontinuität in den Beziehungen, Grenzen, Kontinuität, Möglichkeiten sich zu binden, soziale Kontakte und Einbindung in ein soziales Netz, Schulbesuch.
- Die Lebenslage der Familie muss die Befriedigung dieser Bedürfnisse möglich machen und kindgerecht sein.
- Die Erziehung sollte die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unterstützen und fördern.
- Die Rechte des Kindes nach dem BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und nach derUN-Kinderrechtskonvention müssen gewährleistet sein“ (Alle 2017, 13)
Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Rechte des Kindes sind dem Grundgesetz zu entnehmen. Jedes Kind hat eine Menschenwürde (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG), Recht aufLeben und körperlicher Unversehrtheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
Die Aufgaben der Eltern und Rechte des Kindes sind im Bürgerlichen Gesetzbuch definiert. Somit haben die Eltern die elterliche Sorge inne (vgl. §1626 BGB) und müssen sich der Personensorge des Kindes annehmen. Das bedeutet, dass sie ihr Kind pflegen, erziehen, beaufsichtigen und den Aufenthalt bestimmen dürfen (vgl. §1631 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nachfolgend ist im §1631 Abs. 2 Satz 1 BGB beschrieben, dass das Kind ein Recht auf gewaltfreie Erziehung hat.
Werden oben genannte Gesichtspunkte des Kindeswohl nicht beachtet, befindet man sich im Bereich der Kindeswohlgefährdung.
2.2 Kindeswohlgefährdung
Um den Begriff der Kindeswohlgefährdung zu verstehen, ist es sinnvoll, sich mit dem §1666 Abs. 1 BGB zu beschäftigen. Eine Kindeswohlgefährdung liegt gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) nach §1666 BGB vor, wenn eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Kindesentwicklung abzusehen ist, die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. Alle 2017, 14). Nach §1666 Abs. 1 BGB wird bei einer Kindeswohlgefährdung zwischen dem körperliche, geistigen und seelischen Wohl des Kindes unterschieden. Diese sind in der Praxisjedoch meist miteinander geknüpft und gleichzeitig betroffen.
Kindeswohlgefährdung kann in folgende Hauptformen gegliedert werden (vgl. Kinderschutzzentrum Berlin 2009, 38ff.):
- Körperliche Misshandlung
- Sexuelle Misshandlung
- Vernachlässigung
- Psychische/emotionale Misshandlung
In Fällen der akuten Kindeswohlgefährdung ist das Jugendamt berechtigt, die Kinder in Obhut zu nehmen.
Im Jahre 2019 verzeichneten die Jugendämter einen Anstieg von 10% im Vergleich zum Vorjahr. Es wurden rund 55.500 Kindeswohlgefährdungen festgestellt. 58% wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf, bei 32% lagen Hinweise auf psychische Misshandlung vor. In 27% der Fälle lagen körperliche Misshandlungen vor und bei 5% gab es Anzeichen für sexuelle Gewalt (vgl. Statistisches Bundesamt 2019, online).
2.3 Inobhutnahme
2.3.1 Rechtliche Grundlagen
Das staatliche Wächteramt nach Art. 6 Abs. 1 GG geregelt ist, wird durch §8a SGB VIII konkretisiert. Dieser regelt den Schutzauftrag bei Kindswohlgefährdung, den der Staat innehat und durch das Jugendamt ausgeführt werden muss. In diesem Paragraphen ist geschrieben, wie das Jugendamt bei einer drohenden Kindeswohlgefährdung handeln muss, welche Schritte eingeleitet werden müssen und welche Informationen geprüft werden müssen. Eine Risikoeinschätzung von mehreren Fachkräften muss erfolgen.
Liegt jedoch eine dringende Gefahr des Kindeswohls vor und sind die Sorgeberechtigten nicht gewillt oder nicht in der Lage die Gefährdung abzuwenden, ist es dem Jugendamt gestattet die Kinder gemäß §42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und vorrübergehend in eine geeignete Einrichtung zu schicken. Diese Maßnahme dient dem Jugendamt als vorübergehende sozialpädagogische Kriseninterventionsmaßnahme.
Im §42 Abs. 1 SGB VIII sind drei Anlässe beschrieben, auf die das Jugendamt mit einer Inobhutnahme reagieren muss. Das Kind bittet selbst um Obhut oder ein ausländisches Kind kommt unbegleitet nach Deutschland sind neben der Kindeswohlgefährdung zwei weitere Anlässe. Die Inobhutnahme bei einer Kindeswohlgefährdung kann nach §42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nur erfolgen, wenn die Personensorgeberechtigte nicht widersprechen oder eine Entscheidung des Familiengerichtes nicht abgewartet werden kann.
In den verschiedenen Absätzen des §42 sind folgende Vorgehensweisen geregelt: Bei einer Inobhutnahme müssen die Personensorgeberechtigten unverzüglich informiert werden und das Kind muss geeignet untergebracht werden. Die Situation, die zu der Inobhutnahme geführt hat, muss anschließend mit allen Beteiligten geklärt werden. Da die Inobhutnahme nur eine vorläufige Maßnahme des Jugendamtes ist, wird anschließend geschaut, ob die Situation, die das Wohl des Kindes gefährdet, nicht mehr besteht und das Kind an die Personensorgeberechtigten übergeben werden kann oder ob Hilfen zur Erziehung nach §27ff. SGB VIII gewährt werden.
[...]
1 Zur Vereinfachung wird nachfolgend nur von Kindern gesprochen. Damit sindjedoch stets auch Jugendliche gemeint.
- Arbeit zitieren
- Tana Zohren (Autor:in), 2021, Fremdunterbringung außerhalb der Herkunftsfamilie in einer stationären Wohngruppe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1193097
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