Der Homo anthropologicus

Das Menschenbild hinter dem Konzept der philosophischen Anthropologie bei Ernst Tugendhat


Trabajo Escrito, 2007

16 Páginas, Calificación: 2.0


Extracto


Gliederung

1. Einleitung

2. Philosophische Anthropologie bei Tugendhat

3. Der philosophisch-anthropologische Mensch
3.1 Der rationale Reflektierer
3.2 Der Geerdete
3.3 Der Getriebene
3.4 Der Schöpfer
3.5. Der Mystiker/ der Fühlende

4. Schlussbetrachtungen

5. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Kulturelle Schlüsselbegriffe wie „Individualität“ und „Selbstfindung“ sind Indikatoren einer Gesellschaft, die sich von absolut gesetzten, autoritären Lebensmustern gelöst hat und in der ein jeder nach seinem persönlichen Lebensheil strebt. Diesbezügliche religiöse bzw. traditionelle Antworten, die sich in den letzten Jahrtausenden herausbildeten und vorherrschten, haben erheblich an Glaubwürdigkeit verloren, da sie dem langsam angewachsenen Primat der Vernunft nicht mehr standhalten konnten. Doch durch das Wegbrechen alter Erklärungsansätze entstand ein moralisches Vakuum, gekennzeichnet durch einen absoluten Werterelativismus, der zu einer Orientierungslosigkeit und einem starken Sinn-Bedürfnis führte. Wonach soll man sich richten bzw. welchem Vorbild folgen? Auf welcher Grundlage lässt sich ein Leben führen, das weder traditionsverfälscht, noch an höheren Mächten orientiert ist, sondern sich allein auf den Menschen beruft? Die Frage nach dem spezifisch menschlichen Wesen stellt sich daraufhin unausweichlich, denn nichts könnte besser als Ausgangspunkt für begründete Antworten dienen. Ein Grundkonsens über das Wesen des Menschen scheint damit als Richtschnur beim Aufbau eines säkularisierten Seins, aber auch Miteinanders unabdingbar. Sollte dieses Vorhaben gelingen, wird der Mensch zum selbstverantwortlichen Architekten seiner Umwelt, Geschichte und Identität, im individuellen wie im universellen Sinne.

Großen Anteil an dieser Unternehmung hat der Philosoph Ernst Tugendhat. Seit mehreren Jahren macht er den Menschen zum Thema seiner Arbeit und betreibt eine philosophische Anthropologie, die nach neuen, fundierten Antworten sucht. In seinem Aufsatz „Anthropologie als erste Philosophie“[1] bezieht sich Tugendhat direkt auf dieses Thema und versucht, über eine analytische Wesensbestimmung des Menschen, eine Antwort auf die Möglichkeit eines guten Lebens zu geben. Die Frage „Was sind wir als Menschen?“, die er als den zentralen Kern der Philosophie ansieht, gewinnt für ihn eine neue Aktualität und wird zum Ausgangspunkt für das heutige und zukünftige Menschsein.

Das Ziel dieser Hausarbeit besteht darin, Tugendhats fragmentarische Ausführungen zum Wesen des Menschen aus mehreren seiner Texte zusammenzutragen und anschließend komprimiert, allein mit dem Fokus auf das sich daraus ergebende Menschenbild darzustellen, da dies so bislang nicht existiert. Weiterhin soll herausgearbeitet werden, wie Tugendhat seine Analyse vornimmt, was er dafür voraussetzt und zu welchem Ergebnis er gelangt. Zum Abschluss erfolgt dann der Versuch, die herausgeschälten Facetten und Eigenschaften des Menschen kritisch zu bewerten und auf Alternativen zu prüfen.

2. Philosophische Anthropologie bei Tugendhat

„Ich finde es unbefriedigend philosophische Anthropologie so zu machen, wie das in den zwanziger Jahren gemacht wurde, dass man einfach irgendwie über das Wesen des Menschen, so zu sagen rein intuitiv, spricht, ohne sich zu fragen, wie kann das eigentlich entstanden sein.“[2]

Die Arbeit Tugendhats lässt sich als die Fortführung einer naturalistisch-aufgeklärten Philosophie beschreiben, die sich seit Kant, über Nietzsche und Plessner, um nur einige dieser Wegbereiter zu nennen, entwickelte und sich nun in einem Stadium des vollkommenen und rationalen Rückbezugs auf den Menschen befindet. Sokrates gilt für Tugendhat als der erste anthropologische Aufklärer, der zwar die entscheidenden Fragen zum Wesen des Menschen thematisierte, bei der Beantwortung diese jedoch mit seinen Vorstellungen einer transzendenten Welt verband. In den folgenden Jahrhunderten wurden die philosophischen Keime eines säkularen Menschenverständnisses von der Metaphysik nahezu vollkommen erdrückt und erholten sich erst zur Zeit der Aufklärung, mit dem Erstarken eines vernunftgeleiteten Denkens, auch wenn in der Folgezeit die Annahme einiger unbegründeter Prämissen von einem rein naturalistischen Blick auf den Menschen ablenkten.

Tugendhats Ansinnen ist es, ein neues, post-religiöses Zeitalter einzuleiten, in dem selbst spekulative und traditionalistische Antworten keinerlei Relevanz besitzen, sondern lediglich Argumente zählen. Seine Suche beginnt, wie bereits angedeutet, bei den elementaren Eigenschaften des Menschen, die über einen einfachen Mensch-Tier-Vergleich hinausgehen und nach fundamentalen Strukturen unseres Welt- und Selbstverständnisses fragen. Den Schlüssel zu sich selbst und der Zukunft der Menschheit sieht er allein im menschlichen Sein. Ein fertiges Konzept hingegen, dies betont er mehrfach, könne er nicht liefern. Seine Bemühungen zielen eher darauf, zu einem Nachdenken über dieses Thema einzuladen, ja sogar, dies einzufordern.

Den Ausgangspunkt seiner Analyse bilden zwei praktische Grundfragen, die scheinbar zu den ewigen philosophische Triebfedern gehören und aufs Engste miteinander verbunden sind. „Was sind wir als Menschen?“ und „Wie ist es gut zu leben?“[3]. Dies sind für Tugendhat die wahren Leitlinien der Menschheit, nach denen sich die Philosophie auszurichten hat.

Besonders deutlich wird schon bei der Fragestellung, dass hier eine abstakte, überhistorische und universelle Antwort gesucht wird. Die Herausbildung eines Welt- und Selbstverständnisses bildet also den wesentlichen Bestandteil der Anthropologie.[4] Gekennzeichnet ist dieser Prozess von einer Dynamik, die von der subjektiven, über die objektive, zur objektiveren Sicht, einem weiten „wir“-Verständnis der Menschheit[5], verläuft. Die subjektive und objektive Position können jedoch nicht getrennt betrachtet werden, sondern beeinflussen sich jeweils gegenseitig. Zum Ziel hat diese Anthropologie eine reflexive und intersubjektive Wahrnehmung unserer Spezies, die sich durch die empirische Anthropologie in einem imaginären Dialog belehren lassen soll, um begründbare Antworten auf die elementaren Grundfragen zu geben. Es geht dabei weniger um das Erstellen von Imperativen, sondern vielmehr um die Erarbeitung gut begründeter Ratschläge eines gelungenen Lebens.

Auch wenn die bisherigen Ausführungen lediglich eine recht grobe, holzschnittartige Skizze der philosophischen Anthropologie Tugendhats zeigen, so soll dies bis hier genügen und durch die Charakterisierung des philosophisch-anthropologischen Menschen weiter ausgearbeitet und verdeutlicht werden.

3. Der philosophisch-anthropologische Mensch

„Man kann nichts anderes sein als Naturalist. Ich finde, dass gar jede andere Art sich auf das Menschsein zu beziehen […] von der Theologie herkommt.“[6]

Wie genau kann und muss sich der Mensch erkennen, um sich eine säkularisierte Orientierung in dieser Welt aufzubauen? Ist es allein seine rationale Erkenntnis- bzw. Reflexionsfähigkeit, die ihn charakterisiert, oder gehört nicht auch der emotionale Bereich der Gefühle und Sehnsüchte dazu, um die menschliche Spezies ganzheitlich zu erfassen und nicht von vorn herein einen einseitig Blickwinkel einzunehmen?

Tugendhat sieht dieses Problem und beschäftigt sich mit beiden Feldern, doch eine allumfassende Beschreibung des Menschen unter dem Blickwinkel der philosophischen Anthropologie findet sich bei ihm nur fragmentarisch, ist aber aus den übrigen Ausführungen heraus rekonstruierbar. Sein 2003 erschienenes Buch „Egozentrizität und Mystik“ trägt den Untertitel „Eine anthropologische Studie“ und verdeutlicht die Stoßrichtung dieser und darauf folgender Arbeiten. In dem Werk entwirft Tugendhat ein sehr solides Konzept, das auf sprachanalytischen Erkenntnissen fußt. Seine Untersuchungen wirken wie ein analytischer Statusbericht, ja schon fast wie eine geistige Musterung, in dem die Fähigkeiten und Eignungen des Menschen einzeln überprüft werden, um die entsprechenden Antworten aus sich selbst hervorzuholen. Der Mensch ist zugleich Ausgangspunkt und Ziel dieser Tätigkeit. Leider fehlte es bislang an einer Gesamtdarstellung der einzelnen Charakteristika seines Menschheitsentwurfs, in dem alle Ausführungen dieses Themas deutlich aufgeführt und dann gebündelt bewertet werden. Dies soll in den folgenden Punkten geschehen.

[...]


[1] Tugendhat, Ernst: Anthropologie statt Metaphysik. München 2007. S.34.

[2] Gespräch mit Ernst Tugendhat, Elisabeth Nemeth und Herbert Hrachovec. Wien 2003. Online im Internet: ftp://gorgias.philo.at/mp3/tgdht_gespraech2.mp3.

[3] Tugendhat, Ernst: Anthropologie statt Metaphysik. München 2007. S. 18.

[4] Tugendhat, Ernst: Anthropologie statt Metaphysik. München 2007. S. 36.

[5] Tugendhat, Ernst: Anthropologie statt Metaphysik. München 2007. S. 38

[6] Gespräch mit Ernst Tugendhat, Elisabeth Nemeth und Herbert Hrachovec. Wien 2003. Online im Internet: ftp://gorgias.philo.at/mp3/tgdht_gespraech2.mp3.

Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Der Homo anthropologicus
Subtítulo
Das Menschenbild hinter dem Konzept der philosophischen Anthropologie bei Ernst Tugendhat
Universidad
Free University of Berlin  (Institut für Philosophie)
Curso
Bilder vom Menschen
Calificación
2.0
Autor
Año
2007
Páginas
16
No. de catálogo
V120472
ISBN (Ebook)
9783640242054
Tamaño de fichero
421 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Homo, Bilder, Menschen, philosophische Anthropologie, Ernst Tugendhat, Menschenbild, Tugendhat, Anthropologie
Citar trabajo
Ronny Franz Buth (Autor), 2007, Der Homo anthropologicus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120472

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