Die Mission der Jesuiten in China im 17. und 18. Jahrhundert bildete den ersten umfassenden und weitreichenden Kontakt zwischen der chinesischen und der christlich geprägten europäischen Zivilisation. Die Leistung der Jesuiten als kultureller Vermittler ist umso höher zu bewerten, als sie sich nicht auf Vorläufer stützen konnten, sondern sich mit Sprache und Kultur der Chinesen vorwiegend aus eigener Anschauung vertraut machen mussten. Eine besondere Herausforderung für ihre Missionstätigkeit bildete der Konfuzianismus, der im chinesischen Kaiserreich seit langem zur Staatsideologie geworden war und dessen neokonfuzianische Ausformung wegen ihrer metaphysischen Aspekte der Verbreitung des christlichen Glaubens große Hindernisse in den Weg legte. Wie setzten sich die Jesuiten mit dem Konfuzianismus auseinander und welche Auswirkungen hatte ihre Konfuzianismus-Rezeption auf ihre Tätigkeit und ihre Position in China? Die vorliegende Arbeit beschreibt zunächst die spezifische Strategie der Jesuiten als Grundlage für ihren Missionserfolg, dann geht sie auf die wesentlichen Gebiete ihrer Auseinadersetzung mit dem Konfuzianismus ein. Abschließend behandelt sie den Ritenstreit, der sowohl für die Mission als auch für die weitere Entwicklung des kulturellen Austauschs zwischen China und Europa große Bedeutung hatte.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Missionsstrategie der Jesuiten
III. Die Stellung der Jesuiten in der chinesischen Gesellschaft
IV. Die Rezeption des Konfuzianismus durch die Jesuiten
1. Die chinesischen Gottesbegriffe
2. Klassischer Konfuzianismus vs. Neokonfuzianismus
3. Die Anerkennung der konfuzianischen Morallehre
V. Der Ritenstreit in seiner Bedeutung für die Mission
VI. Schluss
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die Mission der Jesuiten in China im 17. und 18. Jahrhundert bildete den ersten umfassenden und weitreichenden Kontakt zwischen der chinesischen und der christlich geprägten europäischen Zivilisation. Die Leistung der Jesuiten als kultureller Vermittler ist umso höher zu bewerten, als sie sich nicht auf Vorläufer stützen konnten, sondern sich mit Sprache und Kultur der Chinesen vorwiegend aus eigener Anschauung vertraut machen mussten. Eine besondere Herausforderung für ihre Missionstätigkeit bildete der Konfuzianismus, der im chinesischen Kaiserreich seit langem zur Staatsideologie geworden war und dessen neokonfuzianische Ausformung wegen ihrer metaphysischen Aspekte der Verbreitung des christlichen Glaubens große Hindernisse in den Weg legte.
Wie setzten sich die Jesuiten mit dem Konfuzianismus auseinander und welche Auswirkungen hatte ihre Konfuzianismus-Rezeption auf ihre Tätigkeit und ihre Position in China? Die vorliegende Arbeit beschreibt zunächst die spezifische Strategie der Jesuiten als Grundlage für ihren Missionserfolg, dann geht sie auf die wesentlichen Gebiete ihrer Auseinadersetzung mit dem Konfuzianismus ein. Abschließend behandelt sie den Ritenstreit, der sowohl für die Mission als auch für die weitere Entwicklung des kulturellen Austauschs zwischen China und Europa große Bedeutung hatte.
II. Die Missionsstrategie der Jesuiten
Von Anfang an war der Jesuitenorden die treibende Kraft in der Asienmission, mit der die Jesuiten nicht zuletzt die Konsolidierung und Expansion des Katholizismus im Zuge der Gegenreformation anstrebten. Den Ausgangspunkt für das Wirken der Jesuiten in Asien bildete die Mission in Indien; ihre Basis war das 1542 eingerichtete St.-Pauls-Kolleg für die Ausbildung der Missionare in Goa.[1] Valignano, Visitator der jesuitischen Asienmission seit 1572, leistete die mit dem Begriff der Akkomodation[2] umschriebene Anpassung der Missionsstrategie an die Verhältnisse in China. Dabei ging er von der Hochschätzung der Bildung und der führenden Stellung ihrer Repräsentanten in der chinesischen Gesellschaft sowie der selbst auferlegten kulturellen Isolation des Landes aus. Unter diesen Bedingungen sollten sich die Jesuiten auf eine profunde Kenntnis der chinesischen Sprache und Literatur, insbesondere der konfuzianischen Klassiker, stützen, um so die Aufmerksamkeit und die Protektion der konfuzianischen Beamten- und Gelehrtenschicht zu erringen.
Matteo Ricci (1552-1610), dem ersten Leiter der Chinamission, fehlte allerdings zunächst jede Kenntnis des Konfuzianismus als lebendiger Tradition; stattdessen hielten er und seine Begleiter den Buddhismus für die geistige Ausdrucksform der chinesischen Elite. Daher gaben sie sich als Bonzen aus, um die Buddhisten für sich einzunehmen.[3] Die ethischen und sozialen Werte des Konfuzianismus schätzte er von Anfang an hoch, doch bemängelte er einen Mangel an wahrer Religiosität.[4] Wenn Ricci auch ausdrücklich anerkannte, dass Konfuzius den Gebrauch der Vernunft zur Richtschnur für ethisches und politisches Handeln gemacht habe, so vermisste er bei ihm jede Erwähnung eines allmächtigen Gottes und eines Jenseits-Glaubens; stattdessen habe Konfuzius dem Himmel und dem Schicksal die entscheidende Macht über den Menschen eingeräumt.[5]
Angeregt durch Hinweise seiner chinesischen Schüler auf die führende Rolle der Konfuzianer in der Gesellschaft und seine eigenen Übersetzungen konfuzianischer Werke löste sich Ricci aber von der buddhistischen Form und identifizierte sich schließlich selbst mit einem konfuzianischen Gelehrten.[6] Dementsprechend passte er sich dem Lebensstil und der Denkweise dieser Gruppe an und erregte durch seine wissenschaftlichen Kenntnisse ihre Aufmerksamkeit; vor Allem zeigte er eine tolerante und offene Einstellung gegenüber den traditionellen Riten und Zeremonien wie auch gegenüber dem Gebrauch der konfuzianischen Terminologie.[7] Dazu legte er eine Tracht an, die jener der konfuzianischen Mandarine ähnelte; sie wies ihn als einen »Gelehrten aus dem Westen« aus, der in seinem Heimatland eine vergleichbare gesellschaftliche Stellung innehatte.[8] So war er dazu legitimiert das Christentum von einem konfuzianischen Standpunkt aus zu interpretieren. Durch seinen wachsenden Erfolg bei den chinesischen Gelehrten gelang es ihm schließlich 1601 sich in Peking zu etablieren.
III. Die Stellung der Jesuiten in der chinesischen Gesellschaft
Durch die Strategie der Akkomodation traten die Jesuiten in eine enge Beziehung zur chinesischen Gesellschaft, die damit einen starken Einfluss auf die Bedingungen und den Verlauf der Mission ausübte. Sie sahen in der politischen und sprachlichen Einheit Chinas sowie im hohen Zivilisationsniveau der Chinesen Bedingungen, welche die Mission beförderten.[9] Dazu gehörte auch die Toleranz der Chinesen; sie fand ihren politischen und juristischen Ausdruck im Toleranzpatent Kaiser K'ang-hsis von 1692: Es sicherte den Christen in China die Freiheit der Ausübung und Verbreitung ihres Glaubens zu. Als Begründung führte es die Leistungen der Jesuiten für den Staat auf wissenschaftlichem, militärischem und diplomatischem Gebiet an; außerdem bescheinigte es den Christen ihre politische Unbedenklichkeit.[10]
Andererseits bestanden bei den Chinesen zahlreiche Vorbehalte insbesondere gegenüber dem christlichen Kultus. In ihrer äußerlichen Erscheinung erinnerten die christlichen Gemeinschaften mit ihrer eigenen Hierarchie an illegale chinesische Geheimsekten. So wurde dem Himmel geopfert, was im chinesischen Staatskult alleinige Aufgabe des Kaisers war. Ferner erschienen die Gemeinden als verschworene Zirkel, deren Zusammenkünfte eine mystische Aura ausstrahlten; zudem nahmen Männer und Frauen gemeinsam daran teil, was gegen die konfuzianischen Sitten verstieß. Auch die eschatologische Heilserwartung und die damit verknüpfte - zumindest angenommene - Bereitschaft der Gläubigen zum Märtyrertod machte die Christen verdächtig.[11]
Die Lehre Riccis gab den Chinesen nicht weniger Grund zur Beanstandung; die These der Gleichheit der Menschen (vor Gott) wird als fundamentale Bedrohung der Gesellschaftsordnung aufgefasst, denn “Verhaltensweisen, Moral, gesellschaftliche und familiäre Hierarchie [...] sind an eine Rollenverteilung zwischen Höher- und Niedriggestellten gebunden”.[12] Dass Ricci den Herrscher ebenso wie den leiblichen Vater dem himmlischen unterordnete, widersprach der chinesischen Grundtugend der Achtung vor dem Älteren; angesichts der Verschränkung von moralischer und politischer Ordnung kam es der Aufforderung zu einer politischen Rebellion gleich.[13]
[...]
[1] Vgl. zum Folgenden Panikkar, Asia 280ff.
[2] Zum Begriff siehe Johannes Bettray, Die Akkomodationsmethode des P. Matteo Ricci SJ. in China (Rom, 1955).
[3] Vgl.dazu Sebes, »Religious Missions«, Colloque III 276f.
[4] Vgl. dazu Sainsaulieu, »Confucianisme«, Colloque I 46.
[5] Vgl. dazu Etiemble, Jésuites 82.
[6] Vgl. dazu ebd. 43f.
[7] Vgl.dazu Sebes, »Religious Missions«, Colloque III 276f.
[8] Vgl. dazu Reinhard, »Kulturwandel« 548f.
[9] Vgl. dazu Demel, Fremde 188ff.
[10] Vgl. dazu Demel, Fremde 215.
[11] Vgl. dazu Gernet, Christus 135.
[12] S. ebd., 137.
[13] Vgl. dazu ebd. 138.
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