Geschichte der Radiokarbondatierung


Hausarbeit, 2008

34 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung:

Absolute Chronologie der Vorgeschichte vor der Entwicklung der Radiokarbondatierung 2 Das Prinzip der unkalibrierten Radiokarbondatierung

Die ersten 14C-Messungen

Die grundlegende Kritik von Vladimir Milojčić und die Gegenkritik

Die Halbwertszeit von 14C

Suesseffekt

Kernwaffeneffekt

Die neue Zeitrechnung BP

Geeichte Radiokarbondaten

Wiggle Matching

Datierung durch Beschleunigermassenanalyse

14C-Datierung und ihre Bedeutung für die Archäologie

Die Neolithisierung Mittelund Südosteuropas

Das „Turiner Grabtuch“

Generelle Kritik heute

Absolute Chronologie der Vorgeschichte vor der Entwicklung der Radiokarbondatierung

In dieser Hausarbeit wird die Geschichte der so genannten „Radiokarbondatierung“ dargestellt. Es soll hierbei nicht nur auf die Entwicklung dieser Datierungsmethode eingegangen werden, sondern es sollen auch die die Auswirkungen zusammengefasst werden, die diese Datierungsmethode auf die Vorstellungen über die absolutchronologische Einordnung der einzelnen Epochen der Vorgeschichte, also jener Kulturen und Zeiten, aus denen keine schriftlichen Quellen überliefert sind, hatte und immer noch hat.

Das Ziel der Radiokarbondatierung, die häufig auch C-14 Datierung oder 14C-Datierung genannt wird, ist die Gewinnung absolutchronologischer Daten. Es soll mit dieser Methode also beantwortet werden, wie alt ein Objekt im Verhältnis zur Gegenwart ist. Genauer gesagt soll die Radiokarbondatierung den Sterbzeitpunkt eines Lebewesens oder eines Teils davon anhand kohlenstoffhaltiger Überreste des Lebewesens möglichst genau bestimmen.

Der Vorgeschichtsforscher hatte auch vor der Erfindung der Radiokarbondatierung verschiedene Möglichkeiten das Alter eines Objektes aus einer vorgeschichtlichen Epoche zu bestimmen. Dieses Kapitel fasst die wichtigsten absolutchronologischen Datierungsmethoden, die bereits vor der Entwicklung der Radiokarbondatierung bekannt waren, zusammen.

Etwa seit Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trennte man in der Vorgeschichtsforschung systematisch klar die „relativen Chronologie“ von der „absoluten Chronologie“. Davor wurde zwischen der Frage „Wie alt ist etwas?“ und der Frage „Ist das eine Objekt älter als das andere?“ nicht ausreichend unterschieden.[1] Man kann also davon ausgehen, dass es im heutigen Sinne Methoden zur Gewinnung absolutchronologischer Daten erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert gibt, da davor die nötigen grundsätzlichen Fragen nicht formuliert waren und somit deren Beantwortung im heutigen Sinne unmöglich war. Die sicherlich älteste Methode absolutchronologische Daten zu gewinnen ist die

„Archäologisch-historische Methode“. Oskar Montelius, ein Vorgeschichtsforscher, der bis heute als Wegbereiter der „typologischen Methode“, einer mittlerweile teilweise stark umstrittenen[2] Methode zur Gewinnung relativchronologischer Daten, immer noch sehr bekannt ist, kann auch als Erfinder der

„Archäologisch-historischen Methode“ gelten. Das Prinzip der „Archäologisch-historischen Methode“ beruht folgendermaßen auf dem Prinzip des geschlossenen Fundes: Innerhalb eines geschlossenen Fundes, der sowohl zu datierendes Material, als auch Material, das aus einer anderen, bereits „historischen“ Region stammt und somit absolut datiert werden kann, enthält, kann das zu datierende Material als gleichzeitig zu dem datierten Material gelten. Somit kann über Importbeziehungen eine Kultur, über die man sonst keine absolutchronologischen Aussagen treffen kann, zeitlich eingeordnet werden.

Besitzt man für das Fundspektrum der zu datierenden Kultur bereits ein relatives Chronologiesystem, so kann man mit einigen absolutchronologischen Anhaltspunkten das gesamte Fundspektrum der zu datierenden Kultur absolutchronologisch einordnen. Auf den ersten Blick werden bei dieser Datierungsmethode jedoch mehrere Probleme ersichtlich.

Als erstes muss definiert werden, was ein „geschlossener Fund“ überhaupt ist. Von Oskar Montelius wird der „Fund“, gemeint ist der „geschlossene Fund“ im heutigen Sinne folgendermaßen definiert: „Ein Fund in dieser Meinung kann als die Summe von Gegenständen angesehen werden, welche unter solchen Verhältnissen gefunden worden sind, daß sie als ganz gleichzeitig niedergelegt betrachtet werden müssen.“[3] Das Prinzip der gleichzeitigen Deponierung hat bis heute Gültigkeit. Solchermaßen definierte geschlossene Funde sind zumeist Gräber, wenn man davon ausgeht, dass alle Grabbeigaben mehr oder minder gleichzeitig dem Toten mitgegeben wurden, was allerdings nicht zwangsläufig der Fall ist. Auch eine Schicht innerhalb einer Siedlung oder ein Hortfund kann mit Einschränkungen als geschlossener Fund gelten. Wichtig ist hierbei, dass Einzelfunde und Funde, bei denen die Fundumstände unklar sind und nur unzureichende oder gar keine stratigraphischen Beobachtungen bei der Bergung gemacht wurden, in jedem Fall herausfallen. Es ist also klar zu erkennen, dass die Anzahl der Funde, bei denen absolutchronologische Daten mit Hilfe der archäologisch-historischen Methode gewonnen werden können, erheblich eingeschränkt werden muss.

Das zweite Problem bei der archäologisch-historischen Methode ist die Tatsache, dass man eine vorgeschichtliche Periode in einer bestimmten Region nur dann damit absolutchronologisch einordnen kann, wenn sie mit einer gleichzeitigen historisch bekannten Kultur zumindest indirekt im Kontakt stand. Dieses Problem war auch schon Oskar Montelius bekannt.[4] Die am weitesten zurückreichende historische Zeitrechnung gibt es bekanntermaßen in Ägypten. Mit einem, besonders für die Frühzeit des Alten Reiches erheblichen Unsicherheitsfaktor kann man Kulturen, die zumindest indirekten Kontakt zum Reich der Pharaonen hatten ab 3000 v. Chr. absolutchronologisch einordnen. Ältere archäologische Phänomene können auch heutzutage mit Hilfe der archäologisch-historischen Methode nicht datiert werden[5].

Eine gesicherte absolute Chronologie für das dritte vorchristliche Jahrtausend konnte jedoch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts auch wegen des schlechten Forschungsstandes speziell in Süd-Osteuropa für Mitteleuropa nicht erstellt werden. 1903 schreibt Oskar Montelius, dass über den fraglichen Zeitraum in dem europäischen Teil der Türkei nur „allzu wenig bekannt“ sei.[6] Dieser schlechte Forschungsstand in Einheit mit dem Bedürfnis die vorgeschichtlichen, speziell die neolithischen und bronzezeitlichen, Kulturen Mittelund Nordeuropas trotzdem absolutchronologisch einzuordnen, führte zu einer Arbeitsweise, die unter der Bezeichnung „Siebenmeilenstiefel-Vergleichung“ 1939 von Fritz Schachermeyer auf das Schärfste kritisiert wurde. Fritz Schachermeyer will hiermit ausdrücken, dass die Vorstellungen des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts über die chronologische Einordnung des mitteleuropäischen Neolithikums und der Frühbronzezeit auf dem direkten formenkundlichen Vergleich von einzelnen Fundobjekten, oder bestenfalls einzelnen Fundgattungen aus Mitteleuropa mit Funden aus der Ägäis beruhten.[7] Anstelle dieser trügerischen „Siebenmeilenstiefel-Vergleichung“ über weite Strecken hinweg, über die der Kulturkontakt eher spärlich war und die Funde, die über diesen spärlichen Kontakt Aufschluss geben, eher zufälliger Natur sind, sollten nur direkt benachbarte und in intensivem Kontakt stehende Kulturen miteinander verglichen werden, wobei die chronologisch feiner differenzierbare Keramik gegenüber den meist über einen langen Zeitraum hinweg produzierten Metallformen zu bevorzugen sei.[8] Trotzdem wurde auch zwanzig Jahre nach dem Erscheinen dieses Aufsatzes in dem weit verbreiteten, grundlegenden Werk „Einführung in die Vorgeschichte“ von Hans-Jürgen Eggers in dem Abschnitt „Absolute Chronologie auf Grund von Importbeziehungen von Land zu Land“ geradezu ein Paradebeispiel der „Siebenmeilenstiefel-Vergleichung“ veröffentlicht.[9]

Einen wichtigen Beitrag zur Erstellung einer absoluten Chronologie Mitteleuropas und zur Verbesserung des Forschungsstandes in Südosteuropa stellt die Grabung unter der Leitung von R. R. Schmidt in der Burg Vučedol vom Juni bis November 1938 dar.[10] Die 1945 publizierte Forschungsgrabung, bei der die etwa 600m2 große Fläche bis auf den gewachsenen Grund vollständig untersucht wurde, war auch nach heutigen Maßstäben relativ modern. Genaue stratigraphische Untersuchungen des Hügels, dreidimensionale Dokumentation der Position aller Funde und photographische Dokumentation der Befunde ermöglichten es insgesamt 11 Schichten zu unterscheiden.[11] Dabei stammen die Funde aus den unteren neun Schichten aus der Jungsteinzeit und der Bronzezeit. Mit den gut dokumentierten Funden aus diesen unteren Schichten konnten erstmals Aussagen über das chronologische Verhältnis von neolithischen und frühbronzezeitlichen Kulturen aus Mitteleuropa zu Kulturen aus dem Balkan und aus dem östlichen Mittelmeerraum gemacht werden.[12] 1949 wurde die zu einem bedeutenden Teil auf den Erkenntnissen aus Vučedol beruhende Habilitation von Vladimir Milojčić, der zuvor als Praktikant bei besagter Ausgrabung in Vučedol beschäftigt war[13], veröffentlicht. Diese Arbeit versucht mit Hilfe der archäologisch-historischen Methode für den Zeitraum von 3000 v. Chr. bis 1400 v. Chr. für folgende Regionen und Fundplätze ein absolutchronologisches Schema aufzustellen: Ägypten, Palästina, Amk- Ebene, Mersin, Zweistromland, Alishar, Troja, Samos, Kreta, Griechenland, Thessalien, Makedonien, Serbien, Südungarn, Südwestrumänien, Nordrumänien, Südrumänien, Südwestbulgarien, Südostbulgarien, Slavonien, Laibach, Mähren, Südpolen, Böhmen, Mitteldeutschland, Jütische Halbinsel.[14] Die erstellte Chronologie basiert für die Zeit vor dem 19. vorchristlichen Jahrhundert fast ausschließlich auf der historischen Überlieferung aus Ägypten. Für die Zeit danach wird zudem zu einem geringen Anteil die historische Überlieferung aus dem Zweistromland herangezogen.[15] Vladimir Milojčićs Werk stellt einen gewissen Höhepunkt in der Anwendung der archäologisch-historischen Methode dar, da im selben Jahr das erste Radiokarbondatum veröffentlicht wurde und es somit abzusehen war, dass man die bekannten Probleme und Mängel der archäologisch-historischen Methode überwinden konnte. Ein knapp 40 Jahre später von Manfred K. H. Eggert und Hans-Peter Wotzka veröffentlichter Aufsatz, der Milojčićs Habilitationsschrift einerseits forschungsgeschichtlich und andererseits nach neueren Ergebnissen kritisch überprüft, geißelt jedoch Milojčićs Werk wegen der ungenügenden Verknüpfung von kretischem mit ägyptischem Fundgut als „Fiktion“, sodass der darin vertretene absolutchronolgische Ansatz für die europäische Jungsteinzeit und Frühbronzezeit in Gänze hinfällig sei.[16] Eine Möglichkeit die Radiokarbondatierung mit Hilfe der „alten“ archäologisch-historischen Methode außerhalb Ägyptens für das dritte vorchristliche Jahrtausend zu überprüfen fällt unter dieser Erkenntnis aus, was auch schon von Manfred K. H. Eggert aus methodischer Sicht als „bedauerlich“ bezeichnet wird.[17]

Das Prinzip der unkalibrierten Radiokarbondatierung

Bevor in dieser Arbeit auf die Geschichte der Radiokarbondatierung näher eingegangen wird, soll in diesem Abschnitt der Hausarbeit das Prinzip der unkalibrierten Radiokarbondatierung erläutert werden. Grundvoraussetzung für das Vorhandensein von 14C, also von Kohlenstoff, bei dem jeder Atomkern aus 6 Protonen und 8 Neutronen besteht, ist die so genannte „kosmische Strahlung“. Unter „kosmischer Strahlung“ werden hochenergetische Teilchen verstanden, die aus dem Weltraum kommen und auf die Erde treffen. Im Verhältnis zur Energie, die von der Sonne auf die Erde transportiert wird, ist die Intensität der kosmischen Strahlung vernachlässigbar gering. Albert Ducrocq geht 1955 von 20 Milliarden kWh pro Jahr weltweit aus. Dies sei etwa die Hälfte des damaligen jährlichen Stromverbrauchs in Frankreich.[18] Die spezifische Energie, also die Energie, die in jedem einzelnen Teilchen der kosmischen Strahlung gespeichert ist, ist jedoch außerordentlich hoch. Sie entspricht mit einigen Milliarden Elektronenvolt pro Teilchen der Bewegungsenergie eines Gasmoleküls bei 10.000°C.[19] In den oberen Schichten der Atmosphäre hat die kosmische Strahlung unterschiedliche Auswirkungen. In etwa 12.000 m Höhe werden durch die kosmische Strahlung Neutronen freigesetzt. Dies fand man kurz nach der Entdeckung der Neutronen selbst heraus.[20] Bei ihrer Freisetzung haben die Neutronen eine Energie von etwa 5-10 MeV. Durch inelastische und elastische Stöße mit Luftmolekülen werden einige der Neutronen auf thermische Geschwindigkeit abgebremst. Wenn sie die thermische Geschwindigkeit erreicht haben, reagieren sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit 14N-Kernen zu 14C Kernen unter Abgabe eines Protons.[21]

Reaktionsgleichung: 14N+n=> 14C+1H.

Eine andere Kernreaktion von 14N mit einem langsamen Neutron ist jedoch auch noch möglich. Bei dieser Kernreaktion wird ein Borkern 11B gebildet, indem Alphastrahlung, also Heliumkerne 4He gebildet werden.[22]

Reaktionsgleichung: 14N+n=> 11B+4He.

Laut Willard Libby ist diese Reaktion aber nur maximal 10% so wahrscheinlich wie die Reaktion von 14N zu 14C.[23] In Wahrheit dürfte die Reaktion aber noch erheblich seltener ablaufen, da sonst der gesamte Stickstoff der Erde bereits in Bor umgewandelt sein müsste. Dass bis heute nicht aller Stickstoff durch die kosmische Strahlung in 14C umgewandelt worden ist, liegt daran, dass 14C kein stabiles Isotop des Kohlenstoffs ist. Die gebildeten 14C-Kerne zerfallen nämlich mit einer konstanten Halbwertszeit zu 14N- Kernen.[24] Dabei wird ein Neutron in ein Proton umgewandelt und ein Elektron abgegeben. Die beim Zerfall von 14C abgegebenen Elektronen sind sehr energiereich und werden deswegen β-Strahlung genannt.

Reaktionsgleichung: 14C => β-+14N+

Auf der Erde hat sich seit geraumer Zeit ein Gleichgewicht zwischen den neu gebildeten 14C-Kernen und den zerfallenden 14C-Kernen eingestellt. Man spricht hierbei von einem „Zerfallsgleichgewicht“.[25] Über die Gesamtmenge an Radiokohlenstoff auf der Erde gibt es unterschiedliche Abschätzungen. Albert Ducrocq geht von einer jährlichen Gesamtproduktion von etwa 9,8kg 14C aus und vermutet, dass es weltweit etwa 80t 14C gibt.[26] Hans Mommsen geht von einer Jahresproduktion von lediglich 5kg und einer Gesamtmenge von 40t aus.[27] Unabhängig von dem exakten Zahlenwert ist jedoch die allgemein anerkannte Tatsache, dass der Anteil von 14C am gesamten Kohlenstoff mit etwa 10-12 nahezu unvorstellbar gering ist. Hans Mommsen versucht dem Leser diese geringe Konzentration dem Leser folgendermaßen begreiflich zu machen: „Wenn jedes C-Atom eine Kugel von 1 cm Durchmesser wäre, würde man in einem würfelförmigen Behälter mit einem Hektar Grundfläche bei dieser Konzentration nur ein einziges 14C-Atom finden.“[28] Unabhängig von ihrer geringen Menge sind die frisch gebildeten 14C-Kerne aus energetischer Sicht angeregt. Deshalb können sie mit dem Sauerstoff in der Stratosphäre direkt zu CO2 reagieren.[29] Die Hochatmosphäre, also der Bereich wo das 14C gebildet wird, vermischt sich weltweit sehr schnell auch mit den unteren Atmosphärenschichten.[30] Da das 14C-haltige CO2 nahezu die identischen chemischen Eigenschaften hat wie normales CO2, wird es Photosynthese betreibenden Lebewesen in ihren Organismus eingebaut. Jedoch soll hier erwähnt werden, dass bei der Photosynthese Fraktionierungseffekte auftreten. Das bedeutet, dass bestimmte Kohlenstoffisotope bevorzugt in den Organismus eingebaut werden. Die Fraktionierung lässt sich über das sehr genau bestimmbare Verhältnis von 13C zu 12C innerhalb einer Probe abschätzen. Dabei muss zuerst ein Standard bestimmt werden. Für das 13C/12C Verhältnis ist dies der so genannte „PDB-Standard“, der anhand des 13C/12C Verhältnisses von Kalksteinsedimenten der Peedee-Formation in South-Carolina, die sich aus den Schwanzstacheln der Belemniten gebildet haben, festgelegt wurde.[31] Weicht das Verhältnis von 13C zu 12C, das normalerweise bei etwa 1,1% liegt, von diesem Standard ab, so wird, da der Massenunterschied zwischen 14C und 12C genau doppelt so hoch ist wie zwischen 13C und 12C und die Fraktionierungseffekte in erster Linie auf den Massenunterschieden der einzelnen Isotope beruhen, die Abweichung des 14C/12C Verhältnisses von der normalen 14C/12C Konzentration genau doppelt so groß sein, wie die relative Abweichung bei dem 13C/12C Verhältnis.[32] Ist beispielsweise das 13C/12C Verhältnis im Verhältnis zum PDB-Standard um den Faktor 1,025 zu hoch, so kann angenommen werden, dass die 14C Konzentration das 1,05fache der normalen Konzentration beträgt. Dieser Wert wäre bei organischem Kohlenstoff eher unrealistisch, da dort die 13C Konzentration tendenziell eher niedriger liegt als der PDB Standard.[33] Auch bei der Verrottung von organischem Material können Fraktionierungseffekte auftreten.[34]

Wenn nun ein Lebewesen oder ein Teil davon stirbt, dann wird kein Kohlenstoff mehr aus der Umgebung in den Körper des Lebewesens eingebaut. Mit dem Stopp des Austausches kann aber kein aus der Stratosphäre stammendes 14C mehr in den Körper gelangen. Das vorhandene 14C zerfällt jedoch weiter mit konstanter Zerfallsrate. Dies bedeutet, dass die Konzentration des 14C entlang einer Exponentialkurve sinkt.[35] Wegen der strengen Monotonie dieser Exponentialkurve kann das Sterbedatum eines Objektes bei bekannter Anfangskonzentration von 14C, bekannter Halbwertszeit und gemessener aktueller Konzentration von 14C bestimmt werden.[36] Dies ist das Prinzip der Radiokarbondatierung, so wie es bei den frühen Messungen angewandt wurde.

Die ersten 14C-Messungen

Die Entdeckung der unterschiedlichen 12C/13C Verhältnisse in verschiedenen kohlenstoffhaltigen Verbindungen erfolgte bereits 1939, also eine ganze Zeit vor der Entwicklung der 14C-Datierungsmethode. In dem darüber veröffentlichten Artikel wird bereits erwähnt, dass der 13C-Anteil in Kohlenstoff aus Kalkstein um bis zu 5% höher sein kann als in Kohlenstoff pflanzlichen Ursprungs.[37] 1941 wurden diese vorläufigen Ergebnisse durch eine Messreihe mit insgesamt 57 Messungen bestätigt. Auch bei dieser Messreihe war der 13C-Anteil bei Kohlenstoff aus Kalkstein höher als der 13C-Anteil in Kohlenstoff, der aus Holz oder Erdöl gewonnen worden war. Auch die 13C-Konzentration in der Schale der untersuchten Meeresmuscheln war ähnlich hoch wie die Konzentration in Kalkstein, wobei die 13C-Konzentration unabhängig vom Alter des Kalksteins war.[38]

1946 erschien ein Artikel von Walter Frank Libby, in dem erstmals darauf hingewiesen wurde, dass sich in der Atmosphäre die Konzentration von 14C in den letzten Jahrtausenden kaum geändert haben dürfte, da sich der Zerfall und die Neubildung von 14C in einem Gleichgewicht befänden.[39] In diesem Artikel wird zudem darauf hingewiesen, dass in fossilen Brennstoffen die Konzentration an Radiokohlenstoff in fossilen Brennstoffen geringer als in lebenden Pflanzen sein müsste. Eine Altersbestimmung organischer Reste mittels der 14C-Konzentration wird aber, wahrscheinlich unter anderem, weil die Halbwertszeit von Radiokohlenstoff damals nur grob abgeschätzt werden konnte, noch nicht in Betracht gezogen.

Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Datierung archäologischer Funde mittels Radiokohlenstoff war 1947 der Nachweis von 14C in Methan (CH4), das aus der „Patapsco Sewage Plant“ in Baltimore in den USA, stammte. Man konnte messen, dass innerhalb eines Gramms Kohlenstoff aus diesem Methan pro Minute etwa 10,5 14C-Kerne zerfielen.[40] In Methan, das aus fossilen Brennstoffen hergestellt worden war, konnte kein 14C nachgewiesen werden. Dies entsprach genau den Erwartungen. Schließ- lich steht der Kohlenstoff in Öl-, Kohle, oder Erdgasvorkommen schon seit geraumer Zeit nicht mehr im Austausch mit der Atmosphäre, was bedeutet, dass der Nachschub an 14C unterbrochen ist. Während der langen Lagerungszeit ist auch das anfangs eingelagerte 14C vollständig zerfallen. Den Autoren des Aufsatzes über das 14C aus der Kläranlage von Baltimore war die Tragweite ihres Versuches durchaus bewusst. Explizit wird die Möglichkeit angesprochen das Alter von kohlenstoffhaltigen Objekten in einem Messbereich von etwa 1.000 bis 30.000 Jahren zu bestimmen.[41]

[...]


[1] Eggers 1959, 53.

[2] Eggert 2005, 190.

[3] Montelius 1903, 3.

[4] Montelius 1903, 2.

[5] Eggert 2005, 252.

[6] Montelius 1903, 2 (Fußnote 3).

[7] Schachermeyr 1963, 276.

[8] Schachermeyr 1963, 279.

[9] Eggers 1959, 147-151; Eggert 2005, 255-261.

[10] Schmidt 1945, 4.

[11] Schmidt 1945, 5f.

[12] Milojčić 1949, 82.

[13] Schmidt 1945, 5.

[14] Milojčić 1949, Chronologietabelle am Ende des Buches.

[15] Milojčić 1949, 1.

[16] Eggert 1987a, 421.

[17] Eggert 1987a, 422.

[18] Ducrocq 1957, 13.

[19] Libby 1969, 11.

[20] Libby 1969, 11.

[21] Libby 1969, 12.

[22] Rottländer 1983, 384.

[23] Libby 1969, 12.

[24] Rottländer 1983, 384.

[25] Rottländer 1983, 384.

[26] Ducrocq 1957, 14.

[27] Mommsen 1986, 204.

[28] Mommsen 1986, 205.

[29] Rottländer 1983, 385.

[30] Mommsen 1986, 206.

[31] Mommsen 1986, 166.

[32] Libby 1969, 18.

[33] Mommsen 1986, 185.

[34] Münnich 1958, 110.

[35] Ducrocq 1957, 9.

[36] Mommsen 1986, 203.

[37] Nier 1939, 698.

[38] Murphey 1941, 772.

[39] Libby 1946, 672.

[40] Anderson 1947, 576.

[41] Andeson 1947, 577.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Geschichte der Radiokarbondatierung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
34
Katalognummer
V121505
ISBN (eBook)
9783640261901
ISBN (Buch)
9783640262915
Dateigröße
638 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ausführliche Erklärung über das Prinzip der C14-Datierung, Entwicklung der C14-Datierung, Kalibrierungsmethoden, Exkurse in die Dendrochronologie und in die Thorium-Urandatierung, ausführliche Literaturliste
Schlagworte
14C Datierung, Turiner Grabtuch, Linienbandkeramik, Starcevo-Körös-Cris, Kalibrationskurven, C-14 Datierung, Geschichte
Arbeit zitieren
Robert Holzner (Autor:in), 2008, Geschichte der Radiokarbondatierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121505

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